The Black Substitute von CaroZ (Miragia-Trilogie 3) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Sie hatte ihre Hand um seine geschlungen und ihn hinter sich hergezogen wie ein Kind, das seinem Vater etwas Aufregendes zeigen musste. Er mochte diese Kindlichkeit. Tatsächlich war sie der Hauptgrund, weshalb er sich so ungewöhnlich stark zu ihr hingezogen fühlte. Sie war noch jung, höchstens neunzehn, und zusammen mit ihrem glänzenden schwarzen Haar bildeten der schwarze Lippenstift und der ebenfalls schwarze Lidschatten einen düsteren Rahmen um ihr bleiches, ebenmäßiges Gesicht, aus welchem die Augen wie die einer Katze linkisch hervorstachen. „Wie heißt du?“, hatte er fasziniert wissen wollen, nachdem sie sich im Hauptkomplex des AVALANCHE-Headquarters in dem sterilen, gleichmäßig summenden Aufzug zum ersten Mal Auge in Auge gegenübergestanden hatten, sie einen ganzen Kopf kleiner als er und mit undeutbarem Blick zu ihm aufschauend. „Teya.“ Ihre rabenschwarzen Lippen schienen sich kaum bewegt zu haben. „Teya? Und weiter?“ Sie lächelte. Ein so spitzbübisches und doch aufreizendes Lächeln, wie es ihm noch nie begegnet war. „Teya reicht doch, oder?“, fragte sie, während sie den Zeigefinger auf das kleine Plastikschild richtete, das über der Brust an seinem Hemd befestigt war und auf welchem in fetten Lettern sein Name stand. „Allen McCoe.“ „Ich leite die Abteilung für vergangene Forschungen über den Planeten“, gestand er schüchtern. „Wie kommt jemand wie du hierher?“ „Ich habe mich für eine Fortbildung beworben“, erklärte die süße schwarze Schönheit. „Ich bin auf dem Weg, Archäologin zu werden. Die Cetra sind mein Spezialgebiet.“ So süß. So unschuldig. Er war vor ihren Augen dahingeschmolzen; es konnte ihr unmöglich entgangen sein. „Hast du ...“ Sie schürzte die Lippen. Die Farbe blieb auf ihnen wie angewachsen. „Hast du heute nach deinem Dienst schon etwas vor?“ Er trug einen Ring, aber von irgendwoher schien sie genau zu wissen, dass es sich dabei nicht um einen Ehering handelte. Zögerlich schüttelte er den Kopf. „Nein, ich ... nein. Habe ich nicht.“ Ein Lächeln breitete sich auf dem kohlschwarzen Mund aus, die dunkel gesäumten Augen funkelten. „Schön! Hast du Lust, nachher etwas trinken zu gehen? Ich kenne ein bildhübsches Café in der Langster-Straße.“ Ich bin eigentlich verabredet. Verdammt. Wer ist sie? „Ich ... das wäre ... großartig.“ Er gestattete sich selbst ein Lächeln. „Aber du musst wissen, ich ...“ „Ja?“ „Nun ... nein. Also, das wäre großartig.“ „Wunderbar! Wann hast du Dienstschluss?“ Er sah fahrig auf seine Uhr. „In ... eineinhalb Stunden.“ „Wir treffen uns am Haupteingang.“ „In Ordnung.“ Und dann war alles ganz genau so verlaufen, wie man es sich wünschte: Angenehme Gespräche unter einem der bunten Schirme am kleinen, sauberen Tisch des Blumengartens an diesem milden, sonnenbeschienenen Winterabend. Sie war bezaubernd. Sie, von der er nur den Vornamen kannte. Und dann ... hatte sie ihm etwas zeigen wollen. Hatte seine Hand ergriffen wie ein verspieltes junges Mädchen und ihn durch die Langster-Straße gezogen, lachend und anmutig und mit einer schwarzen Geschmeidigkeit jenseits dessen, was er kannte. „Komm mit!“ „Wohin gehen wir denn?“ „Wirst du sehen! Komm einfach mit!“ Und er kam mit. Kichernd, als hätten sie ein gemeinsames Geheimnis, schritten sie durch die von der Abendsonne beschienenen Straßen des Viertels in Junon wie ein frischverliebtes Pärchen, während einzelne zerstoßene Schneeflocken sich auf ihre Wintermäntel setzten. „Es ist schön mit dir“, sagte sie. So war es geschehen. Es hatte so schön begonnen. Nun saß er neben ihr, abseits der belebten Gassen, auf einem flachen Findling an der Straße, wo die Erde zur Seite flach abfiel und Aussicht auf einen raureifbedeckten Wiesenabhang gewährte. Die letzten Sonnenstrahlen funkelten hinter dem feuerroten Horizont hervor. Es war noch nicht spät ... doch die Wintersonne blieb nicht lang. Und niemand war da. Niemand war bei ihnen. Niemand hörte, was sie sagten, wie sie lachten. Die Straße lag still und bald darauf schwarz wie ein steinerner Fluss in der eingefallenen Dunkelheit. Die Geräusche rundherum verebbten nach und nach. Sie wirkte plötzlich nervös. Ihre Hand fuhr in die Tasche ihres schwarzen Mantels und fingerte eine Schachtel Filterzigaretten hervor. Ihm diese hinstreckend fragte sie: „Magst du?“ Er schüttelte den Kopf. „Danke.“ Sie schob sich eine Zigarette zwischen die Lippen. „Ich hab’ mein Feuer vergessen.“ „Kein Problem.“ Er besaß eine Zunderbüchse. Fast ein Jahrhundert alt, ein Erbstück – er hatte sie neu füllen lassen, sie funktionierte einwandfrei. Sie nahm hastig die ersten Züge. „Weißt du, jemanden wie dich habe ich ... lange nicht getroffen.“ „Geht mir auch so“, antwortete er. Tatsächlich, fügte er in Gedanken hinzu, habe ich noch nie jemanden getroffen, der so ist wie du ... „Tja“, sagte sie, „tja. Irgendwann begegnet man sich ... und sei’s an so abstrusen Orten wie dem Fahrstuhl.“ Er wartete auf ihr Lächeln. Es kam nicht. Nur weitere gierige Züge an der sanft glühenden Zigarette. „Du hast Recht.“ Schweigen. Es wirkte kalt. Irgendetwas stimmte nicht. Mit einem Mal schien die Dunkelheit bedrohlich. „Du warst einst ein Shin-Ra-Soldat“, sagte sie plötzlich und sah ihn mit ihren katzenhaften Augen an. „Nun ... ja, aber das ... liegt fast zehn Jahre zurück.“ „Kanntest du die Männer von SOLDIER? Hast du sie mal gesehen?“ „Du meinst ...“ „Zack, Strife, Sephiroth ...“ Besonders der letzte Name klang wie ein Eishauch. „Ich – nein. Warum fragst du?“ „Du warst an den Experimenten nicht beteiligt?“ „Welche Experimente?“ „Ich meine die mit der MAKO-Energie. Und die mit ... JENOVA.“ Sie stützte ihre beiden Hände mit den schwarzlackierten Nägeln auf seine Knie und starrte ihn an. Vorwurfsvoll. „Nun, ach ja, diese Experimente, also, ich wusste zwar, dass sie durchgeführt wurden, aber –“ „Schon gut.“ Sie hob einen Finger und legte ihn sanft auf seine Lippen. „Schon gut. Ich wollte es nur wissen.“ „Ich habe keinen der Drei je mit eigenen Augen gesehen –“ „Ist okay“, sagte sie nachdrücklich. Dann drückte sie mit einer routinierten Bewegung – nunmehr wieder ganz entspannt – die Zigarette auf dem Stein aus, auf welchem sie saßen, und schaute zu, wie der Abendwind die noch rote Asche den Hang hinabwehte. „Ich muss dir etwas sagen.“ Er schaute auf. „Was denn?“ „Komm.“ Sie reichte ihm die Hand und zog ihn hoch. Zielstrebig stieg sie den Hang hinunter zwischen die knorrigen Stämme, die eine weiter abseits verlaufende Straße säumten, welche ebenso unbefahren war. Er hatte Mühe, ihr zu folgen, und endgültig verflogen war die knisternd-sinnliche Stimmung, die zwischen ihnen geherrscht hatte. Abrupt blieb sie stehen und wandte sich ihm zu. „Sephiroth“, sagte sie mit klarer Stimme, „ist noch da draußen. Er wartet nur. Wir, seine Kinder, sind diejenigen, die sein Licht zum Sieg führen werden – was vor zehn Jahren längst hätte geschehen müssen.“ Er verstand nicht. Seine Glieder fühlten sich taub an, und eine plötzliche, kalte Angst kroch bis tief in seine Knochen. Schluckend zwang er ein aufkeimendes Schaudern nieder. „Warum sagst du das?“ „Wir begleiten ihn auf diesem Weg zu seinem Ziel. Wir sind gekommen, um Rache zu üben an all denen, die ihm diese grauenhaften Dinge angetan haben. Falls du jetzt nicht weißt, wovon ich rede ... du kannst es in jedem Schulbuch nachlesen.“ Ihre Hand wanderte in ihre Tasche, ohne dass sie ihren starren Blick von ihm löste. „Und nun ... ist deine Zeit gekommen.“ Wie auf ein Stichwort hin traten Gestalten aus den Büschen – Gestalten in schwarzen Kutten, ihre Gesichter und Körper verdeckt, alle identisch aussehend. Gleichmäßigen Schrittes bildeten sie einen Kreis um ihn und das Mädchen, und dabei hoben sie jeder einen Arm in die Höhe und richteten ihre Handrücken auf ihn; im fahlen Mondlicht glaubte er, schwarze Zahlen zu erkennen. Die Situation wurde bedrohlich. „Was – was hast du vor? Teya!“ Er hörte sich ihren Namen rufen, seine Stimme beben und beinahe ersticken. Sie schüttelte unbehelligt den Kopf. „Es war schön mit dir, Allen McCoe, aber du bist einer der Peiniger. Sephiroth wird dir Erlösung bringen.“ Ihre Hand kehrte aus der Manteltasche zurück und setzte etwas auf ihre Stirn zwischen die Augen, das dort haften blieb – es war nicht größer als ein Gilstück und glomm schwach rot in der Dunkelheit. Als sie ihn ansah, spürte er seine Glieder erlahmen, allen Widerstand ersterben. Sein Geist war gefesselt. Er musste ihrem Willen folgen, ihr bedingungslos gehorchen – sein Körper würde nichts anderes tun. Der Schweiß brach ihm aus, sein Herz begann zu rasen und sein Atem wurde zum stoßartigen Keuchen. Gefangen. Ausgeliefert. Einer der Kuttenträger trat aus dem Kreis hervor und reichte Teya ein sehr langes Bündel schwarzer Tücher. Sie schloss ihre schlanke Hand um einen Zipfel und zog die Bedeckung fort; er sah kalten Stahl im Mondlicht aufblitzen. Den Stahl einer fürchterlich langen, zum Ende hin sanft geschwungenen Klinge. „Sephiroth!“, sagte das Mädchen, hinter ihr das schwarze Firmament aufgeschlagen wie ein sternbesetztes Leichentuch. „Ich schicke wieder einen Peiniger zu dir. Magst du mit ihm tun, was dir beliebt.“ „Nein! Nein, tu das nicht!“ Beinahe blieb ihm die Zunge im Hals stecken, sein Puls überschlug sich, aber keiner seiner Muskeln tat die Regung, die er von ihm verlangte. Teya lächelte. Dieses Lächeln sollte sich in diesen letzten Minuten seines Lebens in seine Gedanken einbrennen wie die Gravur eines Grabsteins. „Leb wohl.“ Ein Flüstern auf dem schwarzen Samt ihrer Lippen. Sie machte einen fast lautlosen Satz, sprang seitlich neben ihn und rammte ihm die ganze lange Klinge in den Rücken und nach vorn durch die Brust; die Spitze schoss, mit seinem Herzblut bedeckt, vor seinen Augen durch ihn hindurch und ließ einen Schwall heißer roter Farbe folgen. Er röchelte. Keine der finsteren Gestalten regte sich, aber als das schöne Mädchen ihr Schwert wieder aus seinem Körper zog, traten einige von ihnen beiseite. Allen McCoe starrte in das Antlitz einer ... Bestie. Sie war riesig, vierbeinig, mit gelben Augen und triefenden Lefzen, wilde Mähne bedeckte alles, was er von ihrem Körper sehen konnte. Unter dem kurzen rötlichen Fell schimmerten Sehnen und Muskeln hervor, und ein tiefes kehliges Knurren erfüllte die kalte Luft, schwoll zu einem blutdürstigen Geheul an, das ihm sein letztes, nicht mehr fließen wollendes Blut gefrieren ließ. Er sank bereits in seinem eigenen Lebenssaft zu Boden, als Teya dem Ungetüm zunickte und es aus einer geduckten Spannung heraus mit wild gefletschten Zähnen und vorgestreckten Klauen auf ihn lossprang. Während er seinen Körper zu Fetzen zerreißen spürte, drang noch einmal ihre sanfte Stimme an sein Ohr: „Hülle deine Kinder in deine Dunkelheit. Lass uns zu dir steigen und gerettet sein, wenn du die Erde verschlingst.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)