Das letzte Geleit von HoppouChan (Ein Oneshot über Freundschaft und Abschied) ================================================================================ Kapitel 1: Das letzte Geleit ---------------------------- Eine stürmische Nacht lag über dem Ewigenwald. Sämtliche Bewohner des Waldes hatten sich in ihre Bauten zurückgezogen, um den heftigen Winden zu entfliehen. Das schwere Ächzen der sich biegenden Bäume und das einsame Heulen des Windes waren die einzigen Geräusche, die man hören konnte. Nur ab und zu gesellte sich noch ein Donnerschlag für einige Sekunden hinzu. Mitten in diesem Unwetter, versteckt zwischen Eichen und Buchen, verborgen vom Gestrüpp, befand sich eine einzelne, kleine Holzhütte, aus der schwach Licht schimmerte. Das Häuschen machte einen überaus zerbrechlichen Eindruck, man erwartete, dass der Wind es jeden Moment mit sich reißen würde. Aber doch hielt es stand. Die vergrauten und leicht mit Moos bewachsenen Wände zeugten vom Alter des Gebildes. Das Innere war äußerst spärlich eingerichtet, zwei Schränke, ein Tisch, ein Stuhl und ein Bett bildeten die gesamte Einrichtung. Ansonsten war eine mit Steinen begrenzte Feuerstelle der letzte ungewöhnliche Anblick im einzigen Raum das Gebäudes. In eben dieser knisterte leise ein Feuer, was den Lichtschimmer nach draußen erklärte und im Inneren für eine eher gemütliche Atmosphäre sorgen sollte. Dennoch fühlte man sich eher wie erdrückt, wenn man den Raum betrat. Das lag wohl an den Lebewesen, vor allem den Pokémon, die sich dort befanden. Doch das Leben besserte auch nichts an der Atmosphäre. Der Grund dafür? In dem Bett, um das sämtliche Pokémon sich versammelt hatten, lag eine Person. Ein alter Mann um genau zu sein. Dieser hatte die Augen geschlossen und atmete schwer, wobei das Atmen eher einem Röcheln glich. Die Pokémon, um das Bett versammelt, hielten eine Art Nachtwache für ihn. Wobei es eher das Letzte Geleit war. Denn sie, das waren ein Vulnona, ein Zwirrklop, ein Glaziola und ein Roserade, gehörten zu dem alten Mann und sie wussten, dass es mit ihm bald zu Ende gehen würde. Eben dieser Mann, der den Namen Jakob trug, richtete sich jetzt leicht auf. Auch er wusste, dass seine Tage auf dieser Welt gezählt waren und das Jenseits nach ihm rief. Aber er hatte noch eine Sache zu erledigen. Bevor er das nicht getan hatte, würde er nicht sterben. »Vulnona«, seine Stimme glich einem kraftlosen Krächzen. Das angesprochene Pokémon hob seinen Kopf. »Komm zu mir. Ich will, dass du auf meinem Bett sitzt.« Gehorsam trottete der neunschwänzige Fuchs in langsamen Tempo zum Bett, kletterte darauf und legte sich neben den Brustkorb nieder. Schwach, als würde er eine schwere Last heben, hob er die Hand an und legte sie auf den Kopf des Pokémon, um es schwach und mit zittriger Hand zu streicheln. »Vulnona…«, er fuhr im selben, kraftlosen Ton fort, »bevor ich gehe, will ich noch etwas sagen. Ich danke dir, wie auch allen anderen hier, für die schöne Zeit, die ich mit euch hatte.« Er machte eine Pause, atmete ein paar mal durch, und fuhr dann fort: »Mir ist bewusst, dass ich nicht immer gut zu euch war. Das tut mir auch aufrichtig Leid. Aber genau so bin ich froh, dass ich euch getroffen habe. Ohne euch hätte mein Leben weder Sinn noch Zweck gehabt, und ich würde sicher nicht so hier liegen.« Ein leiser Seufzer verließ seine Lippen, welche sich gleichzeitig zu einem Lächeln verzogen. »Die ganzen Erinnerungen an unsere Abenteuer, ich bin wirklich froh, dass wir diese Abenteuer erlebt haben.« Er wandte den Blick nun zu Vulnona, welches die ganze Zeit über zu ihm aufgesehen hatte. »Du warst immer ein treuer und verlässlicher Begleiter. Ich wünsche dir viel Glück, wo auch immer deine Wege dich noch hinführen.« Er deutete auf einen von vier Pokébällen, welche auf dem Tisch lagen. »Bitte, setz Glut darauf ein. Dir steht es nun frei, dorthin zu gehen, wo auch immer du hin willst.« Das Letzte, was Jakob wollte, war, dass seine treuen Begleiter auch nach seinem Tod an ihn gebunden waren. Das Vulnona erhob sich mit gesenktem Kopf von seinem Liegeplatz, trottete zum Tisch, stellte sich auf die Hinterbeine und zerstörte den Ball mit Glut. Obwohl es jetzt ein freies Pokémon war, entschied es sich dafür, vorerst noch hierzubleiben. »Roserade…«, man hörte ihm schon an, dass er schwächer wurde, dazu bedurfte es keiner besonderen Ausbildung. Auch das Pflanzenpokémon tapste, wie auch Vulnona zuvor, zu seinem Bett, blieb aber neben diesem stehen, gerade neben seiner Hand. Er legte eben diese auf den Kopf des Rosenpokémon und begann wieder leise zu sprechen: »Auch dir bin ich zu großem Dank verpflichtet. Mehr als nur einmal hast du mich gerettet. Ohne dich wäre das alles nie so passiert. Ich bin dir auch sehr dankbar für alle Kämpfe, die wir dank dir gewonnen haben. Auch dir viel Glück und ich wünsche dir, falls du es so willst, dass du einen netten neuen Trainer findest.« Noch ein letztes Mal schmiegte das Pflanzenpokémon sich an die Hand seines Trainers, ehe es wie Vulnona zuvor zum Tisch trottete und seinen eigenen Pokéball zerstörte. »Nun zu dir, Glaziola…« Die Geschwindigkeit, in der Jakob sprach, nahm auch schon ab. Er war hörbar am Ende seiner Kräfte. Das Eispokémon schritt bedächtig zu seiner Ruhestätte und lies sich direkt neben seinem Kopf nieder, den es sanft ableckte. Dies führte zu einem sanften Lächeln auf dem Gesicht des alten Mannes. »Dir, als meinem ersten Pokémon, danke ich besonders. Du erst hast mich auf diesen Weg geführt. Mit deiner freundlichen, anmutigen und fürsorglichen Art hast du nicht nur mein Herz erwärmt. Ich hoffe, du wirst noch ein schönes und erfülltes Leben haben. Dir steht es frei zu gehen, wohin auch immer du willst.« Glaziola hingegen zerstörte nicht wie die anderen vor ihm direkt seinen Pokéball, sondern blieb noch bei seinem Trainer liegen. Als sein erstes Pokémon wollte es ihm in seinen letzten Momenten so nahe wie möglich sein. »Nun, als letztes, Zwirrklop« In diesem Moment wurde er noch von einem heftigen Hustenanfall durchgeschüttelt. Er war sich bewusst, dass das hier die letzten Worte waren, die seinen Mund verlassen würden. »Auch du warst stets ein guter Begleiter, immer wachsam und hast dafür gesorgt, dass uns nie böse Überraschungen ereilt haben. Auch dir…danke…ich«, sein Atmen wurde schwer und heftig, seine Augen schlossen sich. »Ich danke…euch…allen« Dies waren seine letzten Worte, nun hauchte er seine Seele aus. Jedes einzelne der vier Pokémon senkte den Kopf, in andächtiger Trauer um seinen Trainer. Aber obwohl er gerade verstorben war, war seine Präsenz noch nicht komplett verblichen. Wie ein nebeliges Etwas erfüllte sie noch den gesamten Raum, wurde aber langsam schwächer. Zwirrklop machte einige Schritte zum Bett und berührte ein letztes Mal seinen Trainer mit seinen großen Händen. Aber genau in dem Moment, in dem es die Kleidung des toten Körpers berührte, geschah etwas. Die Hand des Pokémon begann zu leuchten. Zuerst nur die Hand, dann auch die Mitte des Körpers. In kurzer Zeit erfasste das Leuchten den ganzen Körper des Geistwesens. Zwirrklop entwickelte sich. Der Körper begann sich zu verändern, er wurde größer und schlanker, nur in der Mitte blieb ein dickerer, rundlicher Teil. Nach wenigen Momenten war der Zauber aber auch schon vorbei und aus Zwirrklop war ein Zwirrfinst geworden. Die Präsenz war auch von den Pokémon nicht unbemerkt geblieben und das Geistwesen erkannte nun, woran das lag: Ein leicht bläulicher, wabernder Nebel schwebte im Raum umher. Die Seele. Instinktiv wusste es, was es zu tun hatte. Der Mund, der sich quer über den kugelrunden Bauch zog, öffnete sich und saugte eben diesen Nebel ein. »Du brauchst keine Angst zu haben, Jakob. Dir wird kein Leid geschehen. Es ist nun meine Aufgabe, dich ins Jenseits zu geleiten.« Diese Worte waren nicht gesprochen, sondern wurden über eine Art Telepathie an die Seele übertragen. Damit begann Zwirrfinst seine Reise ins Jenseits. Das war wirklich das letzte Geleit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)