Magnetismus von GingerSnaps ================================================================================ Kapitel 6: Science 101 ---------------------- Stiles saß im Naturwissenschaftsunterricht. Er war mit seinem Versuchsaufbau längst fertig, während all seine Mitschüler scheinbar nicht einmal so genau wussten, wo sie überhaupt anfangen sollten. Sein Lehrer Mr. Harris warf ihm einen finsteren Blick zu, doch diesmal hatte er wirklich keinen Grund, ihm das Leben schwer zu machen. Stiles hatte schließlich nichts falsch gemacht. Es war doch nicht seine Schuld, dass alle anderen im Raum offenbar nun einmal nicht zu den hellsten Birnchen am Christbaum zählten und die gestellte Aufgabe einfach nicht verstanden. Er hatte seinen Teil jedenfalls erledigt. Und nun langweilte er sich. Sein Blick fiel auf Lydia und er war nicht überrascht zu sehen, dass ausgerechnet sie die einzige andere Person im Raum war, die ebenfalls nichts mehr zu tun hatte. Sie drehte eine Strähne ihres rotblonden Haars um den Zeigefinger und blickte aus dem Fenster. Als sie Stiles Blick auf sich ruhen fühlte, wandte sie sich um, schenkte ihm ihr bezauberndes Lächeln und zwinkerte ihm verschwörerisch zu. Stiles grinste schwach zurück und wartete auf den Einsatz der Streicher im Hintergrund und das Toben des Schmetterlingschwarms in seinem Magen. Doch mit Bedauern musste er feststellen, dass es mittlerweile eher auf einen einzelnen, traurigen Kammbläser und den matten Flügelschlag einer sterbenden Motte hinauslief. Er hatte einmal einen Plan gehabt: den Plan, dass dieses schöne Mädchen ihn eines Tages anschauen würde und dann erkannte, dass ER derjenige war; der einzige und wahre Mann für sie. Und dann lebten sie beide glücklich bis ans Ende ihrer Tage- eben diese ganze traumhafte Hollywood-Grütze: Familie, weißer Lattenzaun, Sonnenschein und so weiter. Doch neuerdings schienen so viele frühere Gewissheiten kaum noch zu gelten und Sonnenschein war nicht mehr so attraktiv, wie er einmal gewesen war. Stattdessen fühlte er sich heuer angezogen von Dunkelheit und Mondlicht. Und irgendwo, verborgen im Schatten der Nacht war ER! Derjenige, der NUN seinen Pulsschlag beschleunigte. Nur in diesem Fall waren es keine Schmetterlinge, die in Stiles Eingeweiden tobten. Es war eher eine Horde schlecht gelaunter Fledermäuse! Und natürlich war Stiles sich sehr wohl im Klaren darüber, dass Derek Hale die ungesündeste Wahl war, wenn es um Objekte der Begierde ging. Zumal im Lichte der aktuellen Entwicklungen. In den letzten Wochen hatte Stiles Derek eher von weitem beobachtet. Das entsprach zwar nicht wirklich der Wahrheit, wenigstens nicht im räumlichen Sinne, denn sie hatten ja dauernd miteinander zu tun, doch innerlich war er einen Schritt zurückgetreten. Es zeichnete sich immer mehr ab, dass Stiles mit seinen Befürchtungen leider allzu richtig gelegen hatte. Derek war auf einem Machttrip und schuld daran war sein neuer Alphastatus. Und nun hatte er Peter Pans verlorene Jungen (und in diesem Fall auch Mädchen) um sich versammelt und sich ein Rudel geschaffen: Einen schwer traumatisierten Jungen, der von seinem Vater gefoltert wurde (Isaak), eine an Epilepsie erkrankte Einzelgängerin (Erika) und einen Kerl, den keiner mochte oder verstand (Boyd). Was hatte Derek sich nur dabei gedacht? Leider konnte Stiles sich nur allzu gut vorstellen was es war, doch es machte ihn nicht eben froh. Derek nahm sich die Einsamen und Entwurzelten, weil er über sie am Leichtesten Macht ausüben konnte! Etwas nagte an Stiles: Warum hatte Derek IHM nicht den Biss angeboten? Einsamer Nerd und Looser mit ADHS- er passte doch eigentlich ganz gut ins Beuteschema, oder nicht? Nicht dass er das Angebot angenommen und sich freiwillig dem Diktat dieses übellaunigen, einzelgängerischen Soziopathen unterworfen hätte. Er war ja nicht komplett verblödet! Aber es wäre doch schön gewesen, gefragt worden zu sein. War das wirklich zu viel verlangt, nach allem, was sie gemeinsam durchgemacht hatten? Lydia hatte mittlerweile damit begonnen, sich die Nägel zu feilen. Sie gähnte und selbst dabei sah sie noch süß aus! Also warum wollten sich die alten Gefühle nicht einstellen? Und warum hatte sie sich nicht schon vor einer Ewigkeit dazu entschlossen, ihr Augenmerk auf Stiles zu richten und zu entdecken, dass er und sie im Grunde perfekt füreinander waren? Bevor die Hölle über ihn hereingebrochen war und er sein dummes, suizidales Herz an Derek Hale verloren hatte. Dann wäre das alles nämlich gar nicht passiert! Und ja: er war mittlerweile soweit, wenigstens vor sich selbst zuzugeben, dass da irgendwas zwischen ihm und dem Werwolf war. Er war sich nur noch nicht so sicher, ob es sich nicht bloß um einen Zustand vorrübergehender geistiger Umnachtung handelte (Und er betete jede Nacht, dass es so war: Lieber Gott! Bitte mach´ dass ich lediglich den Verstand verliere, aber nicht, dass dieser Mistkerl mir tatsächlich gefällt! Mit freundlichen Grüßen und Amen! Dein Fan Stiles). Stiles hatte zwei Magnete gefunden, mit denen er nun spielte. Er hatte seinen Kopf auf dem Labortisch abgelegt und vor ihm lagen die beiden anthrazitfarbenen Klötzchen. Mit den Fingern schob er sie nun millimeterweise dichter zusammen, und noch ein wenig dichter, bis die Klötzchen schließlich wie durch Zauberhand allein das letzte Stück des Weges aufeinander zustrebten, weil sie gar nicht anders konnten. Und genauso waren Derek und er! Egal wie unerwünscht: die Anziehung war da! Und sie war nicht nur auf Stiles Seite vorhanden, dessen war er sich beinahe sicher. Zu oft hatte er den Werwolf dabei erwischt, wie er verstohlen in seine Richtung geblickt hatte, wenn er glaubte, niemand achtete auf ihn. Manchmal begegneten sich ihre Blicke auch und dann flackerte für den Bruchteil einer Sekunde etwas in Dereks Augen auf, was gleich darauf mit Macht wieder zurückgedrängt wurde an den verbotenen Ort, von dem es gekommen war. So war es doch, oder? Stiles drehte einen der Magnete herum und wieder versuchte er, sie mit den Fingern zusammenzuführen, was natürlich aufgrund der gleichgerichteten Pole nicht funktionierte. Sie wehrten sich und stießen einander ab. Und so waren Derek und er eben auch! Derek fand ihn merkwürdig, seinen Humor irritierend, seine Nervosität und Ungeschicklichkeit würdelos. Und Stiles wiederum störte sich an Dereks Überheblichkeit, seiner rauen Schale und neuerdings auch an seinem Hunger nach Macht. Eigentlich konnten sie einander überhaupt nicht leiden! Nur eben doch und das hatte möglicherweise bloß etwas mit Chemie zu tun; Pheromone, Endorphine oder irgendein anderer Körper-Hokuspokus, der den Verstand elegant umschiffte und damit Schachmatt setzte. Stiles Blick fiel auf Scott, der sich am Tisch vor ihm immer noch redlich mit seinem Versuchsaufbau abmühte. Er war hochkonzentriert, was daran zu erkennen war, dass seine Zungenspitze im Mundwinkel klebte und seine Augen leicht zusammengekniffen waren. So hatte er schon als Kind ausgesehen, wenn er an etwas getüftelt hatte. So wie das eine Mal, als Scott und er sechs Jahre alt gewesen waren und sie eine Kaninchenfalle gebaut hatten, weil sie beide unbedingt ein Haustier wollten und ihre Eltern sich weigerten, eines anzuschaffen. Diese Erinnerung ließ Stiles lächeln. Alles war so einfach gewesen, als sie sechs waren: keine Werwolfsdramen, sie hatten beiden noch intakte Familien gehabt und am wichtigsten; es gab keine hormonellen Verwirrungen! Mit sechzehn sah die Sache ganz anders aus. Alles drehte sich auf die eine oder andere Weise um Sex. Oder warum man keinen hatte. Um die Frage, mit wem und mit wem lieber nicht. Darum, ob man attraktiv war. Darum, wie man mit Zurückweisung umging. Und in Stiles Fall momentan darum, wie man mit unliebsamem Begehren umging. Er wünschte sich so sehr, dass er mit Scott über seine Gefühle sprechen könnte, so als sei es die normalste Sache der Welt: `Weißt du Kumpel? Ich bin möglicherweise in einen Kerl verliebt, der elf Jahre älter ist als ich, mich nicht leiden kann und der vermutlich einen ziemlichen Knall hat und gefährlich ist. Was meinst du sollte ich tun? Ein neuer Haarschnitt vielleicht, damit ich ihm auffalle? Sollte ich den ersten Schritt machen, oder lässt mich das wirken, als sei ich leicht zu haben?´ Sorry, nein! Bei aller Freundschaft, aber darüber konnte er mit Scott nicht reden. Das würde er nie verstehen! Und wahrscheinlich würde es zwischen ihnen alles für immer verändern. Und wenn er Scott verlöre, dann wäre alles verloren! Kurz dachte er daran, sich seinem Vater anzuvertrauen, doch schon der Gedanke daran machte, dass ihm kotzübel vor Angst wurde, also nein! Der Einzige, der ihm vielleicht beantworten konnte, ob seine Gefühle das waren, was er befürchtete, war Danny. Doch Danny war kein Freund! Bestenfalls ein Bekannter, aber wohl eher doch nur ein Teamkollege. Und er hatte sich schon bei früherer Gelegenheit als nicht gerade hilfreich im Bezug auf dieses Thema erwiesen. Er wollte ihm ja nicht einmal verraten ober, jetzt mal ganz hypothetisch gesprochen, attraktiv auf Männer wirken könnte. Nein, Danny fiel aus! Und damit war er wieder auf sich selbst gestellt. Die Pausenglocke läutete und ein Aufatmen ging durch den Raum. Nur Stiles vermochte der Gong nicht zu retten! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)