Nicht dein Leben... von Grayson ================================================================================ 23. --- Mit einer Geste wies Jason Alfred den freigewordenen Platz zu und eroberte selbst den überdimensionierten Schreibtisch. Mit den Beinen baumelnd, erzählte er weiter: „Ich hielt mich in vielen verschiedenen Zeitlinien auf - mal für eine Stunde, mal für einen Tag, mal für drei Tage. Hin und wieder blieb mir die Zeit nach euch zu schauen oder euch aufzusuchen. In beinah allen Zeitlinien existierten Batman und wir.“ Da Jason aß und dabei berichtete, lehnte Richard sich gemütlich zurück, nahm sich etwas von dem frischen Kaffee und beobachtete ihren Gast und dessen Mienenspiel, um zu erkennen, ob er Jason vertrauen konnte oder nicht. „Mal kämpfte Bruce alleine, mal mit einem von uns an der Seite oder mit allen. Dick, du...“ Nach einer theatralischen Pause und einem Schluck von Alfreds guten Kaffee, fuhr der Fremde fort: „... bist eigentlich immer ein Robin gewesen, später dann Nightwing, wobei es mich hier verwundert, dass du diesen Namen für dich wähltest, da Superman hier anscheinend nie auf der Erde ankam. Er erzählte dir einst von einem Helden namens Nightwing, der auf seinem Heimatplaneten Krypton lebte.“ „Superman?“ Um auch ja nichts zu verpassen, regulierte Tim die Lautstärke der Polizeifunks, ein wenig nach unten. „Ein Typ in einem blauen Anzug, mit einem großen S auf der Brust. Wobei es gar kein S ist, sondern ein Symbol, sein Familienwappen, was wohl soviel wie 'Hoffnung auf Frieden' bedeutet. Dazu ein großes, rotes Cape und fertig ist der außerirdische Superheld“, grinste Jason. „Sein irdischer Name lautet Clark Kent. Als sein Heimatplanet explodierte, schickten seine Eltern ihn als Baby, mit einem Raumschiff, auf die weite Reise. Gefunden hat ihn ein Farmerehepaar aus Smallville - Martha und Jonathan Kent.“ Noch während Jason die Namen aussprach, tippte Timothy diese schon ein. „Martha und Jonathan Kent aus Smallville haben tatsächlich einen Adoptivsohn namens Clark. Etwa so alt wie Bruce.“ Jason nickte. „Komisch, ich hab den Kents auf der Farm einen Besuch abgestattet, aber nicht ein Anzeichen von Clark entdeckt.“ Richard konnte regelrecht erkennen, wie es hinter der Stirn des Dunkelhaarigen arbeitete. „Vielleicht ist dieser Clark einfach kein Außerirdischer“, mutmaßte Timothy und zauberte ein Photo, von eben jenem Clark Kent ihrer Zeitlinie, auf den Bildschirm. „Die Kents adoptierten ihn in einem Waisenhaus in Metropolis.“ „Das ist nicht Clark“, murmelte Jason. „Zumindest nicht der Clark aus meiner Zeitlinie.“ Resigniert ließ der Gast die Schultern hängen, als er auf den blonden Mann, mit den grünen Augen, der die Kent-Farm im Sinne seiner Eltern weiterführte, schaute. „Von ihm können wir wohl keine Hilfe erwarten.“ „Du wolltest vorhin etwas über mich erzählen“, erinnerte Richard, der wusste, dass nicht nur er, all die kleinen Details im Kopf behalten würde. „Ach ja, du bist nicht überall Nightwing, nicht mal Robin. In einer Zeitlinie gastierte gerade 'Halys Zirkus' in Gotham und mit ihm die Superstars in der Manege: Die 'Flying Graysons'. Ganz Gotham schmückten Plakate mit deinem Konterfei und dem deiner Eltern.“ „Sie lebten?“ Tief in sich spürte Richard, wie die Trauer die Krallen nach ihm ausstreckte, immer dann, wenn er an seine Eltern Mary und John dachte. „Ja, sie erschufen ein Familienunternehmen. Die 'Flying Grayson' ein eingetragenes Markenzeichen und eine Firma. Überall auf der Welt hattet ihr Auftritte. Ihr habt sogar den 'Goldenen Clown' beim internationalen Zirkusfestival von Monaco gewonnen und du warst für zwei Jahre beim 'Cirque du Soleil'.“ Hart schluckte der erste Robin. Hätte sein Leben tatsächlich so aussehen können? Bevor er sich jedoch tatsächlich Gedanken darüber machen konnte, fuhr Jason fort: „In einer anderen Zeitlinie hast du es nicht so gut getroffen. Als deine Eltern starben, befand sich Bruce nicht unter den Zuschauern und somit...“ „Ja?“ Eine Gänsehaut kroch Richard über den Rücken. Die Augen leicht zusammengekniffen, hakte Jason nach: „Willst du es wirklich wissen?“ „Ja...“ Innerlich machte Richard sich auf alles gefasst. „Du bist vor der Fürsorge geflohen, hast dich irgendwie durchs Leben geschlagen, als Straßenkind. Ich hab nach dir gesucht, dich irgendwie ausfindig gemacht und aufgesucht. Ich hab dich kaum erkannt: Obdachlos, Alkohol- und Drogenabhängig und auf den...“ Unmerklich schüttelte Richard den Kopf. Er schloss kurz die Augen, atmete einmal tief durch und hoffte, dass Jason, die letzten entscheidenden Worte nicht aussprach. Was auch immer in dieser Zeitlinie mit ihm geschehen war? Was auch immer ihn zu diesem Leben trieb, es spielte keine Rolle, denn hier und heute ging es ihm gut. „Vielleicht ist es an der Zeit, eine Flasche des guten Whiskys zu holen“, räusperte sich Alfred, der sich tatsächlich, entgegen seiner eigenen Regeln, gesetzt hatte. „Ich glaube, wir alle könnten einen guten Schluck vertragen.“ „Gute Idee“, pflichtete Richard bei, denn eben spielten sich ein paar unschöne Szenen in seinem Kopf ab. Bevor Alfred die Höhle jedoch verließ, suchten Jasons blaue Augen den direkten Kontakt zu Richards. „Es war die einzige Zeitlinie in der du abgerutscht warst. Ansonsten ging es dir überall gut. Du warst sogar einmal Special Agent beim FBI.“ „Und was ist mit mir?“ Nun schien auch Timothy neugierig auf seine verschiedenen Leben zu sein. „Dir schien es überall so weit gutzugehen.“, lachte Jason. „Sorry, wenn ich dir nicht mehr erzählen kann, aber mein erster Anlaufpunkt war immer Dick. Ich habe nach jedem Zeitsprung immer zuerst nach ihm gesucht.“ „Wieso ich?“ Was auch immer Richard und Jason verband, es schien mehr zu sein, als nur eine lose Bekanntschaft. Mit den Schultern zuckend, griff Red Hood nach einem weiteren Sandwich, diesmal mit Truthahnbrust belegt. „Ich vertrau dir...?“ Aufgrund der Informationsflut herrschte gespenstisches Schweigen in der Höhle. Nur der Polizeifunk lief, leise rauschend und knackend, im Hintergrund. Erst als Alfred mit dem Whisky zurückkehrte, nahm Jason das Gespräch wieder auf: „Es gibt noch eine fixe Konstante.“ Dankbar nahm er dem Butler das Whiskyglas ab, prostete ihm zu, lächelte und erklärte leise: „Auf den Butler ist immer Verlass.“ „Okay, genug von den anderen Zeitlinien!“ Tim schüttelte sich leicht, nachdem er seinen Whisky getrunken hatte. „Kommen wir mal zurück zu Repeat und Rewind. Was weißt du über sie?“ „Kenneth und Raymond Draxler - eineiige Zwillinge, geboren in Gotham, am 26. Juni 1985...“ Und wieder war es Timothy der in den Weiten des Netzes ein Photo der beiden aufspürte: braune, lockige, halblange Haare, braune Augen, südländischer Einschlag, so präsentierte sich das Zwillingspärchen beim Surfen auf Hawaii. „Keinerlei Hinweise auf paranormale Fähigkeiten“, murmelte Red Robin. „Zwei ganz normale einunddreißig jährige Männer, die in LA eine Surfschule betreiben.“ „Metawesen“, lachte Jason. „Wir sind doch nicht bei Akte X.“ „Ach, gabs die Serie bei dir auch“, feixte Tim, ehe er wieder ernst wurde. „Laut ihrem Onlinestatus befinden die beiden sich im Moment auf Hawaii.“ Tief in die eigenen Gedanken versunken, drehte Richard sein Glas zwischen den Fingern. Er lauschte nur mit einem Ohr, viel zu viel ging ihm gerade durch den Kopf. „Eure Zwillinge befinden sich auf Hawaii. Meine werden sich nicht in ihre Nähe wagen. Ich gehe meinem Doppelgänger auch aus dem Weg. Man weiß nie, was geschieht, falls wir uns begegnen sollten.“ „Wie kam es überhaupt dazu?“ Noch immer sein Whiskyglas festhaltend, wollte Richard etwas über den Beginn der Zeitreisen wissen. „Wie schon erwähnt, in fünf Jahren ereignet sich etwas, weshalb ich mich an ihre Fersen hefte. Ich habe keine Ahnung, ob die, die ich verfolge, tatsächlich Kenneth und Raymond Draxler aus meiner Zeitlinie sind, aber Repeat und Rewind lösten einen Krieg aus, der vielleicht noch immer tobt. Ich beschloss mit ihnen zu reisen, als ich bemerkte, dass sie Zeitreisende sind und bekam Hilfe von zwei magisch begabten Superhelden. Zatsana band mich mit einem Zauber an die beiden. Fragt mich bitte nicht, wie das ganze genau funktioniert. Die magische Verbindung zerfällt von alleine, sobald ich meine Zeitlinie repariere.“ „Und wie willst du dies bewerkstelligen?“ „Das ist es ja, Tim. Ich habe keinen blassen Schimmer. Helfen würde es mir schon, wenn ich die Zwillinge hier aufspüren und sie dazu bringen kann, mit mir zum Ausgangspunkt zurückzukehren, damit ich ihre Veränderung rückgängig machen kann und so vielleicht den Krieg der Metawesen verhindere.“ „Und wir sollen dir dabei helfen?“ „Ja, so habe ich mir das vorgestellt.“ „Aber von uns reist niemand durch die Zeit“, erinnerte Richard, der nun seinen Whisky trank. „Ich weiß...“ Mehr sagte Jason nicht dazu. „Okay, dann werde ich mal einen Suchalgorithmus schreiben und dem Rechner was zu tun geben. Kann aber eine Weile dauern, ehe er Ergebnisse ausspuckt. Hast du Zeit?“ Die Finger schon über der Tastatur schwebend, blickte Tim Jason fragend an. „Habe ich, langsam ist es nämlich echt mühsam, euch immer wieder alles zu erzählen und zu erklären.“ „Wie oft hast du schon unsere Hilfe in Anspruch genommen?“ „Unzählige Male, aber noch nie war ich so lange in der selben Zeitlinie gefangen. Daher hoffe ich, dass es so bleibt.“ Jason gönnte sich noch einen Schluck des guten Whiskys. „Aber mal was anderes. Kann ich für ein die nächsten Tage und Nächte hierbleiben?“ Die Augenbrauen fragend zusammenziehend, erkundigte Alfred sich: „Hier auf Wayne Manor?“ „Ja, hier auf Wayne Manor, Alfred. Ich würde nur zu gern mal wieder deine Crêpe Suzette oder deine Egg Benedict zum Frühstück essen.“ „Gästezimmer haben wir ja genug“, traf Timothy, der derzeitige Herr über das Anwesen, eine Entscheidung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)