Die Grotten von Necrandolas von -wolfsmoon- ================================================================================ Kapitel 39: Der Schock des Lebens --------------------------------- „NEIIIN!!“ Lachend zog der Mantikor seinen Stachel zurück und Snape hustete Blut auf Harrys Schulter. Sein Atem ging rasselnd und gurgelnd. „Nein, nein, nein... NEIN!“, murmelte Harry immer wieder völlig fassungslos. Für einen kurzen Moment traf sich sein Blick mit dem des Slytherins. Er bereute seine Tat nicht, das war ihm anzusehen. So unglaublich die Schmerzen auch sein mussten, die Snape zu erleiden hatte, sein Blick blieb fest. Er würde Harry bis aufs äußerste beschützen. Vor Entsetzen stellten sich Harrys Nackenhaare auf, während er weiterhin fassungslos den Kopf schüttelte. Sogleich schloss Snape die Augen und seine Knie gaben nach. Hastig schlang Harry einen Arm um Snapes Hüfte, um ihn zu stützen und bemerkte dabei, dass sein Mantel vor Blut triefte. „Nein...“, murmelte Harry verzweifelt weiter, „sieh mich an... SIEH MICH AN!“ Doch der Tränkemeister reagierte nicht mehr, sondern atmete nur noch gurgelnd und lehnte seine Stirn auf Harrys Schulter, die Haare das Gesicht verhüllend. Harrys Augen wurden immer größer, während seine Panik anschwoll. Mit jedem kläglichen Atemzug vom anderen wuchs sein Entsetzen darüber und Angstschweiß lief an Harrys Rücken herunter. „Ihr Menschen seid so berechenbar“, freute sich der Mantikor weiter und stieß erneut mit dem Stachel zu. Der Gryffindor nahm nochmal das letzte bisschen Verstand zusammen und schmiss sich zur Seite, um auszuweichen und landete mit Snape unsanft auf dem Boden. Hastig griff Harry nach dem erleuchteten Zauberstab, der in Reichweite lag und sah dann wieder zu Snape, der das Bewusstsein verloren hatte. Blut lief ihm aus dem Mundwinkel übers Kinn und er war durch den Blutverlust bereits leichenblass. Zwei zittrige Finger an Snapes Hals legend, überprüfte Harry seinen Puls, doch auf die Schnelle fand er keinen und der Slytherin atmete auch nicht mehr. „Nein...“, flüsterte Harry, „Hey! Snape! Wach auf! WACH AUF VERDAMMT!“ Harry schüttelte ihn, doch es kam keine Reaktion. Immer wieder schrie er den Slytherin an, rüttelte panisch an dessen Schulter, doch es half alles nichts. Snape rührte sich nicht mehr. Den Kopf unablässig fassungslos schüttelnd, nahm Harry das Gesicht des anderen in die Hände, während er immer wieder „Nein“ murmelte, als könnte er die Realität ändern, wenn er sie nur genügend leugnen würde. Schließlich beugte sich Harry zu Snape herunter und legte seine Stirn an dessen Schläfe, während er schmerzerfüllt die Augen schloss. Das durfte nicht wahr sein. Das war nicht passiert! Snape war nicht tot!! Dem Gryffindor lief eine Träne aus dem Augenwinkel, die auf die Wange des Tränkemeisters tropfte. Das konnte nicht wahr sein! Das war nicht passiert! Harrys Gedanken drehten sich im Kreis, während der Schmerz in seiner Brust unerträglich wurde, seine Organe sich zusammenkramften und ihm die Luft zum Atmen raubten. Er hatte ihn verloren. Er hatte Snape verloren!! Während er über dem Slytherin gebeugt hockte, fiel der Mantikor in höhnisches Lachen. „Dass ihr Menschen immer so aneinander hängen müsst“, gluckste das Wesen abfällig. „Das macht euch zu so schwachen Wesen. Ich habe gleich erkannt, dass er sich für dich aufopfern würde. Wäre er schlau gewesen, hätte er sich retten können, aber nein. Er muss ja unbedingt so ein schwaches Wesen wie dich beschützen und damit seinen eigenen Untergang wählen.“ Der Kopf des Gryffindors ruckte hoch und wären Blicke tödlich, wäre der Mantikor umgefallen. Der Mantikor verstummte verwundert, denn so einen ruhigen und berechnenden Blick hatte er bei dem Jungen nicht erwartet. Harry durchströmte Wut und Trauer zugleich und gab ihm wieder Kraft. Dieses verdammte Vieh hatte Snape getötet und machte sich auch noch über ihn lustig! Statt vor Wut blind zu werden, konnte er umso klarer denken. Die Magie, die er durch seinen Körper fließen spürte, drängte immer mehr ausbrechen zu dürfen. Sie war wie seine Wut in ihm eingeschlossen und er drohte zu platzen, wenn er dieser nicht bald Luft machen würde. Mit kaltem Blick fixierte Harry das Wesen und verspürte blanken Hass. Er hasste dieses Monster, er wollte es leiden sehen, es den Tag bereuen lassen an dem es geboren wurde, es quälen bis es um den Tod bettelte. Eine unglaubliche Kraft durchströmte den Gryffindor und ruhig griff er zur Flasche mit dem Blut des Re'em. Noch immer völlig verwundert sah der Mantikor ihm dabei zu, wie er fast die Hälfte des Inhalts hinunterstürzte. Harrys Kraft wurde so unkontrollierbar wie sein Hass. Er wollte töten, er wollte foltern. Er wollte Severus rächen! Verdattert stellte der Mantikor fest, dass sich die Ausstrahlung des Gryffindors vollkommen veränderte und schwarzer Nebel kam auf. Die Augen des Jungen wurden rot und nun stand er entschlossen auf, ohne den Blickkontakt zu brechen. So eine Kraft wie diese hatte der Mantikor zuvor noch nie bei einem Zauberer gesehen und er wurde unsicher. „Hast du etwa Angst?“, sprach Harry mit einer völlig anderen Stimme und grinste diabolisch. Der Mantikor machte einen Schritt zurück und wusste nicht, was er tun sollte. Das war nicht mehr der selbe Junge. Jemand anderes war in seinen Körper geschlüpft oder hatte darin geschlummert. Jemand unglaublich mächtiges. Mit langsamen Schritten kam Harry auf den Mantikor zu. Mit einem Schwenk des Zauberstabs stürzte sich der Nebel auf das Wesen und hüllte es ein. Eine Weile tänzelte es herum, als würde es sich die Pfoten verbrennen und schrie dann auf. Eine weitere Bewegung mit der bloßen Hand und Blut spritzte an die Wand. Da der Mantikor keinen anderen Ausweg wusste, stürzte er nach vorne und rannte geradewegs an dem Gryffindor vorbei, um in den Tunnel zu entkommen. Harry holte mit dem Zauberstab weit aus und eine Druckwelle ließ den Mantikor gegen die Wand stürzen, sodass der Staub von der Decke rieselte. Eilig rappelte er sich wieder auf, doch da sorgte der Schwarzhaarige dafür, dass seine Beine aufgeschlitzt wurden und der Mantikor ging wieder kreischend zu Boden. Langsam trat Harry auf das Wesen zu, dem nun die Angst in den Augen abzulesen war. Grinsend genoss Harry diesen Anblick. „Es heißt ihr summt vor euch hin, wenn ihr einen Menschen verspeist. Soll ich auch summen, während ich dich zerstückle?“ Ein weitere Schwenk mit dem Zauberstab und der Skorpionsstachel wurde abgetrennt. Der Mantikor schrie. Fröhlich vor sich hinsummend ließ Harry den Zauberstab tanzen und fügte dem Wesen einen Schnitt nach dem anderen zu. „Es reicht, bitte!“, jammerte der Mantikor schließlich vor Qualen. „Bitte.“ „Jetzt reißt du nicht mehr so das Maul auf, was?“, sagte Harry nur kühl und fuhr mit der Prozedur fort. Der Tunnel war erfüllt mit den Schreien des Wesens, bis Harrys Blick irgendwann zu Snapes reglosem Körper wanderte. Seine Gesichtszüge wurden etwas weicher, während seine roten Augen kurz grün aufflackerten und er betrachtete den Mantikor, der bereits halbtot dalag. „Ich will nicht meine gesamte Zeit mit dir verschwenden“, erläuterte der Gryffindor schließlich und schlitzte dem Mantikor den Rumpf auf. Literweise kam das Blut herausgeschossen und das Wesen gab nur noch ein Röcheln von sich, während es vor sich hin zuckte. Dann wurde es still. Zielsicher ging Harry zum Slytherin zurück, der reglos in seinem eigenen Blut lag. Der Gryffindor kniete sich hin und strich das, was vom Mantel noch übrig war, zur Seite. Der gesamte Rücken war eine einzige Fleischwunde, die bereits aufhörte zu bluten. Eine Hand auf Snapes Rücken legend, murmelte der Gryffindor eine alte Formel vor sich hin. Als würde die Zeit zurückgedreht werden, floss das Blut zurück in den Körper und als erstes heilte das Loch in Snapes Bauch wieder zu. Die Organe reparierten sich und die Wunde wurde geschlossen. Zurück blieben nur Narben. Sogleich machte der Slytherin einen röchelnden Atemzug. Harry griff wieder nach der Flasche mit dem Blut und flößte Snape welches ein. Das alles tat Harry wie in Trance. Er wusste was er zu tun hatte und empfand keinerlei Emotionen. Doch als er erneut seine Finger an Snapes Hals legte und dessen Herzschlag spürte, regte sich etwas in ihm und seine Augen wurden wieder grün. Die Welt verschwamm und sogleich sackte der Gryffindor bewusstlos zu Boden.   Es lag ein merkwürdiger Geruch in der Luft. Harry verzog die Nase und öffnete die Augen. Was war passiert? Nach einigem Tasten fand Harry direkt neben sich seinen Zauberstab und sorgte für Licht. Als er Snape regungslos neben sich liegen sah, kamen die Erinnerungen wieder hoch und er sprang sofort auf. Panisch tastete er nach Snapes Puls. Vorhanden. Atmung auch normal. Erleichtert seufzte der Gryffindor auf und als wäre sein gesamtes Inneres gefroren gewesen, verteilte sich nun eine angenehme Wärme in seinem Brustkorb, während er ein Schmunzeln und erleichtertes Auflachen nicht zurückhalten konnte. Er atmete, er lebte. Aber wie war das möglich? Vorsichtig strich er dem Slytherin die Strähnen aus dem Gesicht und bemerkte das Rinnsal von getrocknetem Blut an seinem Mundwinkel. Völlig fasziniert betrachtete Harry ihn. Er hätte das unmöglich überleben können. Wie waren die Wunden verheilt? Stirnrunzelnd besah Harry sich seine Hände, die voller dunklem Blut waren. Dieser widerliche Geruch ging von seinen Händen aus und er schwebte im ganzen Tunnel. Bei genauerer Betrachtung erkannte er, dass auch sein Mantel vollkommen mit Blut verschmiert war. Es war, als hätte er in Blut gebadet. Harrys Atemzüge wurden unruhig, während er immer wieder seine Hände am Stoff abzuwischen versuchte, doch da dieser ebenfalls verdreckt war, hatte es keinen Sinn. Es dauerte einige Minuten, bis Harry auf die Idee kam den Umhang abzunehmen und mit einem Zauber zu reinigen. Auch sein Pullover und seine Hose hatten etwas abbekommen. Blut, Blut, überall Blut. Hektisch zauberte Harry alles sauber, genauso wie seine Hände und sein Gesicht. Als er den Blick hob, erstarrte er mitten in seiner Putzaktion. Da lag der Mantikor, völlig zerstückelt. Langsam stand Harry auf und ging auf ihn zu. Vor der Leiche hatte sich ein See aus Blut gebildet, der an den Rändern begann einzutrocknen. Ein ungutes Gefühl beschlich den Gryffindor. Hatte er das getan? Harrys Gedanken waren wirr und langsam. Natürlich war er es gewesen, das ganze Blut war doch der absolute Beweis. Nein, das war nicht das Blut des Mantikors, sondern das von Severus. Er erinnerte sich daran, wie der Syltherin zusammengebrochen war, wie sein Mantel sich vollgesogen und Severus ihm Blut auf die Schulter gehustet hatte. Bei dem Gedanken wurde Harry schlagartig übel und ein heftiger Schauer erfasste ihn. Um sich zu fangen, strich er sich übers Gesicht und sah dann wieder zum Slytherin herüber. Hatte Harry Snape geheilt? Bei dieser Frage stockten seine Gedanken. Er konnte es immer noch nicht fassen, dass der andere lebte. Als müsse er sich immer wieder aufs Neue versichern, ging Harry zum Slytherin zurück und lauschte dessen ruhigem Atem, der ihn selbst ungemein beruhigte. Er hatte so eine Angst um ihn gehabt. Eine ganze Weile hockte der Grünäugige einfach nur da und sah dem anderen wie gebannt beim Schlafen zu, staunte bei jedem ruhigen Atemzug des anderen über dieses Wunder. Zwischendrin überwand er sich, mit einem weiteren Reinungszauber auch das Blut vom Mantel des anderen zu entfernen und auch das, was Severus an Händen und Hals klebte. Seine Gefühle überforderten ihn. Er dachte, Snape wäre vor seinen Augen gestorben. Nein, nicht nur das, er war für ihn gestorben, in seinen Armen. Ein kalter Schauer überzog den Gryffindor, als er an das ganze Blut und Severus' gurgelnden Atem dachte. Das war das schlimmste, was er je erlebt hatte. Nach mehreren Stunden bewegte Snape sich endlich und Harry war gleich zur Stelle. „Hey“, flüsterte er sanft. „Bist du wach?“ Tatsächlich öffnete Snape langsam die Augen und blickte in die grünen seines Gegenübers. Er brauchte einen Moment, um sich zu sammeln und drehte sich dann auf den Rücken. „Was ist...?“, begann er irritiert und tastete dann verwundert seine Bauchgegend ab. „War das ein Traum?“ „Nein“, schüttelte Harry den Kopf und deutete zittrig zum Mantikor. Völlig verdattert setzte Snape sich auf und sah zum Leichnam. „Wie ist das...?“, murmelte er und sah dann mit zusammengezogenen Augenbrauen zum Gryffindor. „Warst du das?“ „Ich weiß nicht genau was passiert ist“, schüttelte Harry den Kopf und merkte, dass seine Stimme zittrig wurde. „Ich... erinnere mich noch daran wie du...“ Harry brach ab. Da saß er, Severus, und sah ihn völlig irritiert an, als sei nie etwas geschehen. Das war alles zu viel für Harrys Verstand. „Ich muss ehrlich sagen...“, begann der Tränkemeister, um die Stille zu brechen, die drohte sich breitzumachen. „Ich habe nicht damit gerechnet, je wieder aufzuwachen. Aber du bist in Ordnung?“ Bei Snapes Blick musste der Gryffindor wieder schlucken. Aus irgendeinem Grund bildete sich gerade ein Kloß in seinem Hals und er nickte nur stumm, da er keinen Ton herausbrachte. „Wie hast du das gemacht?“, fragte der Tränkemeister weiter ohne etwas zu bemerken. „Und wie hast du dieses Biest so zugerichtet?“ Er musterte den anderen genau, welcher auf seine zitternden Hände hinabsah, um sich nicht anmerken zu lassen, wie aufgewühlt er war. „I-Ich weiß nicht genau. Ich habe... d-du warst... ich bin so wütend geworden. Ich habe nur noch Hass in mir gespürt. Ich wollte diesen Mantikor töten, foltern... ich war... vollkommen durchgedreht. Ich dachte... d-d-du warst...“ Stille trat ein und nun merkte auch Snape, dass mit dem anderen etwas nicht stimmte. Mit der Situation überfordert, überlegte er fieberhaft was er sagen sollte, doch als ihm nichts einfiel, stand er auf und besah sich den Mantikor. Ohne nachzudenken hatte er Harry beschützt, das hatte er als selbstverständlich angesehen. Doch waren dessen Schuldgefühle dabei so groß gewesen, dass er zur regelrechten Bestie geworden war? Er war sich nicht einmal sicher, ob Dumbledore zu so einem Werk fähig wäre. Irgendwas stimmte da nicht. Harry war unterdessen ebenfalls aufgestanden, sah jedoch in die andere Richtung, um sich zu fangen. „Du brauchst dir keine Schuld zu geben“, sagte Snape sachlich und ging wieder auf Harry zu. „Das war allein meine Entscheidung und ich bereue es nicht.“ Mit einem seltsamen Blick sah Harry zurück. Dachte Snape wirklich es ging ihm nur um Schuldgefühle? Kam er nicht auf den Gedanken, dass er Angst um ihn gehabt hatte? Wütend zog er die Augenbrauen zusammen und boxte dem Slytherin auf die Brust, womit dieser überhaupt nicht gerechnet hatte. Außerdem bemerkte er dadurch, dass seine Rippen leider nicht geheilt waren. „Jage mir nie wieder so einen Schrecken ein!“, rief Harry wütend aus und Snape verstand gar nichts mehr. „Was hätte ich sonst tun sollen? Zusehen, wie dieses Biest dich umbringt?“ „Sich gegenseitig helfen ist ja noch okay, aber nicht auf diese Weise!“ „Wovon redest du bitte?“ „Dass du mir in meinen Armen VERRECKT BIST!!“ Stille trat ein. „IDIOT!“, rief Harry noch wütend aus, schnappte sich den Zauberstab und wäre am liebsten abgehauen. Doch erstens wäre das unklug und zweitens wollte er eher vor sich selbst weglaufen, als vor Snape. So sehr Harry auch gegen ankämpfte, er konnte nicht verhindern, dass er trocken aufschluchzte und sich ein paar Tränen lösten. Beschämt strich Harry sich sofort übers Gesicht und war froh, dass er dem anderen den Rücken zugewandt hatte. Er wollte nicht weinen, erst Recht nicht vorm Slytherin. Überrascht zuckte Harry zusammen, als der Tränkemeister plötzlich dicht hinter ihm stand und ihm ins Ohr flüsterte: „Warum habe ich das Gefühl, dass das nicht alles ist?“ Harry schluckte und bekam eine Gänsehaut, während er so unauffällig wie möglich Luft holte, um sich zu fangen und wieder eine feste Stimme zu bekommen. „Ach, das reicht noch nicht als Grund, um sich aufzuregen?“ „Es reicht nicht aus, um solche Kräfte zu entwickeln, die einen Mantikor in Stücke reißen. Und wie es aussieht, hast du mich sogar zurückgeholt.“ Noch einmal sog der Gryffindor Snapes Duft ein und sammelte sich, ehe er es wagte sich umzudrehen und ihm in die Augen zu sehen. „Ich weiß nicht, wie ich das geschafft habe.“ „Aber du müsstest den Auslöser kennen.“ „Ist der nicht offensichtlich?“ „Für mich nicht.“ Tat Snape nur so dumm oder hatte er wirklich keine Ahnung? Bestimmt wollte er Harry nur in die peinliche Lage bringen es aussprechen zu müssen. Der Gryffindor sah auf das getrocknete Blut, das Snape noch immer am Kinn klebte und schluckte. Er wurde das Bild des regungslosen und blutüberströmten Snapes nicht los. Fieserweise gesellte sich dazu auch noch sein schreckliches Röcheln, als er aufgespießt worden war. „Ich hatte dich verloren. Reicht das nicht?“, flüsterte Harry kraftlos und wagte es nicht in die Augen des anderen zu blicken, da er Angst hatte, dass dieser seine nächsten Tränen kommen sehen könnte. Severus konnte es noch immer nicht begreifen. Warum sollte er für Harry so wichtig sein? Hatte der Gryffindor solche Angst davor, alleine durch das Labyrinth wandern zu müssen? „Soll ich mit Legilimentik versuchen herauszufinden, was mit dir geschehen ist?“ Unsicher sah der Grünäugige auf. „Ich soll das alles noch einmal sehen?“ „Das ist die einzige Chance herauszufinden, was wirklich passiert ist.“ „Du glaubst mir nicht?“, zog Harry die Augenbrauen zusammen. „Das habe ich nie gesagt.“ „Es ist aber so, oder?“ Bei dem Blick des Gryffindors, wagte Snape es nicht nein zu sagen. Er hatte ihn schon längst durchschaut und eine Lüge würde ihn nur wütend machen. Harry schien irgendetwas in seinen Augen zu suchen und das verunsicherte den Tränkemeister. Dann, ohne Vorwarnung, überwand Harry den letzten Abstand und legte seine Lippen auf die des anderen. Schon bald ließ Harry seine ganze Verzweiflung in den Kuss einfließen. Severus war etwas überfordert, doch sein Gefühl sagte ihm, dass es ein fataler Fehler wäre, Harry jetzt von sich zu stoßen. Dieser Kuss war so fordernd und Severus war nicht sicher, was genau Harry eigentlich forderte. Er schmiegte sich an ihn, verkrallte seine Finger in seinem Haaransatz im Nacken und vermittelte den Eindruck, dass er ihn nie wieder loslassen wollte. Als Harry den Kuss beendete, fühlte er sich, als hätte sich ein Knoten in seiner Brust gelöst und er musste schlucken, um erneut den Kloß im Hals loszuwerden. Um sich zu entspannen, atmete er mit geschlossenen Augen tief durch. Es war alles gut. Snape war am Leben, der Mantikor fort. Er sollte diese Ereignisse am besten so schnell wie möglich vergessen. Und trotzdem konnte er nicht verhindern das er zitterte. „Ich hatte so eine Angst um dich“, überwand Harry sich zu erzählen, ließ die Augen jedoch gesenkt. Er spürte die Hitze in sein Gesicht steigen und peinlich berührt wollte er sich wegdrehen, dem Gang weiter folgen, völlig egal, hauptsache weg von hier. Doch eine Hand an seiner Schulter hielt ihn auf. Der Gryffindor rechnete wieder mit irgendeinem Vorwurf und drehte sich nicht um, sondern blieb einfach nur stehen. Er würde es nicht schaffen seine Gefühle zu verbergen, wenn Snape ihm jetzt wieder etwas unterstellen würde. Doch zu seiner Verblüffung murmelte Snape sanft „Harry“ und drehte ihn behutsam an seiner Schulter zu sich um. Irritiert sah der Gryffindor zum anderen, dem er nichts im Gesicht ablesen konnte. Der Slytherin seufzte auf, als er Harrys aufgewühlten Blick endlich bemerkte und zog ihn an sich. Verblüfft ließ Harry es zu, dass Snape ihn in seine Arme zog. Nur langsam konnte er reagieren, legte seine Arme um den anderen und sein Kinn auf Snapes Schulter. Für einen Moment erlaubte er es sich, den Duft des anderen einzuatmen und schloss dabei die Augen. Das tat verdammt gut. Er spürte richtig, wie sich die gesamte Anspannung in ihm löste. Auch Severus musst zugeben, dass die Umarmung gut tat. Er spürte, wie der andere sich entspannte und aufhörte zu zittern. Er muss wirklich einen ziemlichen Schock erlitten haben. „Es tut mir leid“, flüsterte der Slytherin ruhig. Der Gryffindor antwortete nicht, ließ sich aber noch mehr fallen und seufzte auf. „Lass mich nachsehen, was passiert ist“, murmelte Snape weiterhin ruhig und nach einigem Zögern erhielt er ein Nicken als Antwort. Sie lösten die Umarmung und Harry gab dem anderen den Zauberstab, ohne dabei den Blick zu heben. Severus ging einen Schritt zurück, um besser zaubern zu können und wartete darauf, dass Harry den Blickkontakt aufnahm. Dieser seufzte noch einmal schwer und sah dann entschlossen auf. „Legilimens.“ Die gesamte Szenerie spielte sich in Zeitraffer und Sprüngen vor Harrys Augen ab. Wie Snape getötet wurde, wie verzweifelt er gewesen war, wie er rote Augen bekam... wie er den Mantikor aufs grausamste zerlegte und wie er Severus ins Leben zurückgeholt hatte. Ächzend hielt Harry sich den schmerzenden Kopf. Er war zu Boden gesunken und rappelte sich zitternd wieder auf, während Snape bereits grübelte. Für ihn war der Fall klar: Harrys Gefühlsausbruch war so gewaltig gewesen, dass er die Kräfte von Voldemorts Seelenteil freigesetzt hatte. Nicht er hatte das alles getan, sondern er war von Voldemorts Seelenteil geführt worden. Er hätte niemals gedacht, dass Harry so instabil werden könnte. „Was... ich begreife immer noch nicht“, sagte Harry keuchend, „was da mit mir passiert ist.“ Fragend sah er zum anderen, der schnell nach einer Ausrede suchte. Er durfte ihm nicht erzählen, dass er ein Horkrux war, doch dem Gryffindor waren seine roten Augen sicherlich auch aufgefallen. „Du hast es irgendwie geschafft dir über deine Verbindung zum Dunklen Lord seine Kräfte zu leihen... wie es mir scheint“, erklärte Snape ruhig und überzeugend. Harry kam gar nicht der Gedanke, dass Snape vielleicht gelogen hatte und nickte in Gedanken versunken. „Aber... ich wusste gar nicht, dass das geht“, murmelte er. „Das war sicherlich auch ein Ausnahmezustand.“ „Heißt das...“, überlegte der Gryffindor weiter, „Voldemort ist in der Lage... Menschen in der Form zu heilen?“ „Das weiß ich nicht“, strich Severus sich überlegend über die Unterlippe. „Ich schätze es wäre durchaus möglich, dass er das kann, aber er hat es noch nie in seinem Leben angewendet. Er will Leben nehmen und nicht geben.“ Das klang für Harry logisch und er nickte nur stumm. Dann sah er wieder unsicher zum anderen. Eine seltsame Stimmung lag in der Luft und er wusste nicht so ganz, wie er damit umgehen sollte. Sie waren sich auf eine seltsame Art und Weise näher gekommen, doch erklären oder greifen konnte Harry es nicht. Würde das nur vorübergehend so sein? Würden sie sich in einer Stunde wieder ankeifen und so tun, als sei nichts geschehen? „Wir sollten noch etwas weitergehen und ausruhen“, schlug Harry ruhig vor, denn man sah dem Slytherin an, dass er noch nicht wieder fit war. Dieser sah skeptisch zurück. „Viel wichtiger ist es Wasser zu finden.“ „Die Orks haben sicherlich welches.“ „Aber wir werden wahrscheinlich keine Zeit haben ihnen welches abzuzapfen.“ „Wir haben aber auch keine Zeit vorher welches zu suchen.“ Schnaubend schob Snape sich am Gryffindor vorbei und ging den Gang wieder zurück. „Dann muss unser Angriff eben noch ein paar Tage warten.“ Nun war es Harry, der schnaubte, während er dem Slytherin folgte. „Du bekommst doch viel zu wenig Schlaf, solange die Orks mein Blut haben.“ Der Tränkemeister sah finster zum anderen und lief dann ungerührt weiter. Eine ganze Weile liefen sie stumm weiter, sodass Harry endlich Zeit fand herunterzufahren. Verstohlen sah er immer wieder zum anderen herüber, der sich so benahm wie immer. Es war absolut grotesk. Harry fühlte sich überfordert, denn er wusste weder wie er sich verhalten, noch was er denken sollte. Am liebsten hätte er die Bilder vom gefolterten Mantikor wieder aus seinem Gedächtnis gelöscht, denn sie quälten ihn nun genauso wie Snapes Tod. Nach einer Weile ließ Snape sich etwas steif wegen den Rippen an der Mauer hinuntersinken. „Ich wüsste im übrigen nicht, dass ich dir das Du angeboten hätte, Potter“, gab er knurrend von sich und Harry zog verärgert die Augenbrauen zusammen. Das war es dann wohl mit dem netten Snape. Er hatte wieder dicht gemacht. „Und ich habe dir auch nie erlaubt mich zu duzen“, erwiderte der Grünäugige Arme verschränkend. „Dafür brauche ich deine Erlaubnis nicht. Ich stehe in der Rangordnung über dir.“ „In der...“, begann Harry und schnappte empört nach Luft. „Du plusterst dich doch jetzt nur so auf, weil du dich mir gegenüber zu sehr geöffnet hast und jetzt Schiss bekommst.“ Böse funkelnd zischte Snape zwischen den Zähnen hindurch: „Ich habe keine Angst.“ „Das sieht für mich aber anders aus“, giftete der Gryffindor zurück. „Nicht alles, was der große Potter glaubt zu sehen, ist Realität. Das hast du nun schon oft genug bewiesen.“ „Wie oft willst du noch darauf herumreiten?!“, wurde Harry wütend und erhob die Stimme. Er hatte es so satt! Immer, wenn Snape eine Sache zu persönlich wurde, stieg er auf dieses Thema um. „So lange, bis du endlich daraus lernst, also bis in alle Ewigkeit“, antwortete der Tränkemeister immer noch ruhig. „Als ob du noch nie irgendwelche Fehler in deinem Leben gemacht hättest!“ „Als ob du das überhaupt beurteilen könntest“, konterte Snape nun auch wütender. „Ach, Todesser zu werden ist also kein Fehler? Wie hat meine Mutter reagiert, als du ihr stolz dein Dunkles Mal gezeigt hast?“ Das hatte gesessen. Sofort war der Slytherin auf den Beinen und packte Harry am Kragen. Dieser starrte weiterhin wütend in die zornigen, schwarzen Augen des anderen, dessen Gesicht ganz dicht vor dem seinen war. Plötzlich schossen dem Gryffindor Bilder durch den Kopf. Bruchstücke des Geschehens im Nebel traten wieder in sein Gedächtnis. Er erinnerte sich, wie er seine Hose hastig herunter- und ausgezogen hatte, ohne den Kuss des Slytherins zu unterbrechen. Unwirsch hatte er die Hose weggetreten und sich gierig an den anderen Körper gepresst. Damit war die Erinnerung vorbei und er sah wieder den wütenden Snape vor sich. Verdammt, warum erinnerte er sich ausgerechnet jetzt daran?! Er war wütend auf Snape und wollte es auch bleiben. „Du solltest vorsichtig sein, Potter“, raunte Snape mit eisiger Stimme. „Einige der Kreaturen hier mögen hochgefährlich sein, aber mich als Feind zu haben, ist viel ungemütlicher.“ „Oh, das wäre ja etwas völlig Neues“, hauchte Harry ohne Furcht. „Du warst bisher immer so freundlich zu mir, dass ich mir gar nicht ausmalen kann, wie es ist von dir schikaniert zu werden.“ Bei dem deutlichen Sarkasmus verengten sich die Augen des Tränkemeisters feindselig. „In der Tat, du weißt nicht, wie grausam ich sein kann.“ Harry lag wieder ein Kommentar auf der Zunge, doch er war sich sicher, dass Snape damit die Beherrschung verlieren würde. Also begnügte er sich damit stumm zurückzustarren, bis Snape ihn langsam wieder losließ. „Du bist unausstehlich“, knurrte der Slytherin mit einem angeekelten Blick, eher er sich umwandte, um sich wieder zu setzen. Dabei entging ihm Harrys Reaktion, denn dieser Satz zusammen mit dem Blick des anderen hatte dem Gryffindor einen Schlag in die Magengrube versetzt. Er schluckte, um sich zu fangen und hauchte dann: „Ebenso.“ Eine Reaktion des anderen blieb aus, der bereits wieder saß und seine Zauberstabhand über das Knie baumeln ließ. „Leg dich als erstes hin, Potter“, knurrte er leise, jedoch ohne Hass in der Stimme. Harry war übel und da er seiner Stimme nicht traute, setzte er sich einfach mit einem deutlichen Abstand neben den Slytherin. Was war denn nur mit ihm los, verdammt?! Solche Äußerungen waren doch normal für den Tränkemeister und Harry hatte es bisher nie gekratzt. Warum also jetzt? Es konnte ihm doch egal sein. Snape konnte ihm egal sein... aber er war es nicht. Harry wollte einen Blick zum anderen riskieren, doch dieser betrachtete ihn finster und so wandte der Gryffindor seinen Blick schnell wieder ab. Um das ganze zu überspielen, legte er sich hin, mit dem Gesicht so, dass Snape es nicht sehen konnte. Er hatte doch selber Schuld, also was war er jetzt so geknickt? Lag es immer noch an dem Vorfall beim Mantikor, dass ihm nach heulen zu Mute war? Aber es war doch alles wieder gut, alles wie immer. Und dennoch fühlte er sich elend. Er hatte vermutlich den größten Schock seines Lebens durchlitten, hatte die Leiche vom Slytherin im Arm gehalten und hatte geglaubt deswegen den Verstand zu verlieren... und nun zeigte Snape ihm wieder die kalte Schulter. Da würde es doch jedem schlecht gehen, oder? Hatte der Slytherin denn nicht begriffen, was Harry bei seinem Tod erlitten hatte? Nein, wie sollte er auch, wenn Harry selbst geschockt darüber war, wie sehr ihm das geschmerzt hatte. Nach all dem, was er schon erleiden musste, war das das schlimmste gewesen und das brachte den Gryffindor zum Grübeln. Wie wichtig war ihm der andere eigentlich, wenn jetzt jede Ablehnung so weh tat? Er hatte Snape weh getan, dann war mit so einem Tiefschlag zu rechnen gewesen. Allerdings hatte die Fledermaus auch angefangen, so wie er es immer tat. Was versuchte Harry sich vorzumachen? Snape war ein Arschloch und er würde auch immer eines bleiben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)