Die Grotten von Necrandolas von -wolfsmoon- ================================================================================ Kapitel 16: Erschreckende Informationen --------------------------------------- Der Mittwoch war herrlich ruhig verlaufen, so ganz ohne den missgelaunten Snape, doch als der Donnerstag anbrach und der Unterricht sich, für Harrys Geschmack, viel zu schnell dem Ende zuneigte, bekam der Gryffindor ein mulmiges Gefühl. Er hatte nie viel Angst vor solchen Extrastunden mit Snape gehabt, doch dessen Laune war inzwischen so schlecht, dass es den Gryffindor nicht wundern würde, wenn er heute einen Wutausbruch zu ertragen hätte. So verabschiedete sich der Schwarzhaarige am Abend von seinen Freunden und machte sich auf den Weg in die Kerker. Zu der Jahreszeit waren diese nicht nur dunkel, sondern auch kalt, sodass sich der Brillenträger seinen Umhang enger um den Körper wickelte. An Snapes Bürotür seufzte der Gryffindor kurz auf und klopfte. Und wartete. Und wartete. Stirnrunzelnd klopfte Harry noch einmal, erhielt aber erneut keine Reaktion. 'Und was jetzt? Abhauen?', fragte sich der Gryffindor ratlos. Letztendlich drückte er probeweise die Türklinke herunter und hatte Erfolg. Leise öffnete sich die Tür und etwas unsicher lukte Harry in den Raum. Als sein Blick nach links fiel, entdeckte er seinen Professor im Sessel vor dem Kamin mit einem Buch in der Hand und den Kopf auf die Hand abgestützt. Erstaunt trat der Gryffindor nun ganz in den Raum. Das Buch lag locker in Snapes Hand. Auch der Kopf war weit vorgeneigt und die Augen geschlossen. Schlief der Mann etwa? „Professor?“, fragte der Brillenträger und erhielt sofort eine Reaktion, die ihn aufschrecken ließ. Der Tränkemeister war zusammengezuckt und blinzelte nun einen Augenblick. Langsam sah er auf und erkannte den Gryffindor, der noch immer unschlüssig bei der Tür stand. „Was...?“, begann der Slytherin und sah irritiert auf die Uhr über dem Kamin. „Was machen Sie hier in meinem Büro?“ Von einer Sekunde auf die andere war Snapes Stimme wie eh und je und auch seine Augen blitzten gefährlich. „Ich... bin wegen Okklumentik hier, Sir“, versuchte Harry seinem Lehrer auf die Sprünge zu helfen. „Sie haben nicht auf das Klopfen reagiert und da dachte ich...“ „Da dachten Sie, Sie könnten sich hier ja mal reinschleichen“, bellte der Tränkemeister und stand auf. „Nein ich... wollte nur sehen, ob Sie da sind.“ „Und wenn ich es nicht gewesen wäre? Was hätten Sie dann getan?“ Verärgert zog Harry die Augenbrauen zusammen. „Ich wollte nicht herumschnüffeln, wenn Sie das meinen!“ „Erzählen können Sie mir viel, Potter“, tat Snape Harrys Worte ab und ging zu seinem Schreibtisch, nur um kurz die Augen zu schließen und sich die Nasenwurzel zu massieren. „Meine Geduld ist heute nicht die beste, also rate ich Ihnen, mir so wenig wie möglich auf die Nerven zu gehen, verstanden?“ Zögerlich nickte der Gryffindor. „Ich hoffe für Sie, dass Sie geübt haben“, knurrte der Slytherin und trat nun mit seinem Zauberstab bewaffnet um das Pult herum zu seinem Schüler. „So gut es eben geht“, murmelte Harry kaum hörbar. Das war noch nicht einmal gelogen. Seit Sirius' Tod war er sich bewusst, dass er damals hätte üben sollen und hatte es in den letzten Wochen auch getan. Außerdem hatte sich der Gryffindor erhofft, dass er durch das leeren des Kopfes vorm Schlafen einige Albträume fernhalten könnte. „Dann machen Sie sich bereit“, meinte der Slytherin mürrisch und ging in Angriffsposition. „Ob es was gebracht hat, werden wir gleich sehen. Eins, Zwei, Drei, Legilimens.“ Harry hatte überhaupt keine Zeit zur Vorbereitung gehabt, weshalb es nicht verwunderlich war, dass sofort seine Sicht verschwamm. Er saß mit den Dursleys am Essenstisch... „Gib mir die Pfanne“, grunzte Dudley zu Harry... „Du hast das Zauberwort vergessen“...die Dursleys sehen ihn wütend an... „Ich habe 'bitte' gemeint!“ - „HAB ICH DIR NICHT GESAGT DAS WORT MIT Z KOMMT IN DIESEM HAUS NICHT VOR!“ - „Aber ich...“ - „WIE KANNST DU ES WAGEN DUDLEY ZU BEDROHEN!“ - „Ich hab doch nur...“ - „ICH HABE DICH GEWARNT! UNTER MEINEM DACH WILL ICH NICHTS VON DEINER ABNORMALITÄT HÖREN!“² …... „Ich denke, wir könnten ihn in den Zoo mitnehmen und ihn im Wagen lassen...“(1) …... Der elfjährige Harry betrachtete mit großen Augen das Fotoalbum in seiner Hand, das Fotos zeigte, auf denen seine glücklichen Eltern zu sehen waren...... Magda sprach am Tisch: „Du musst dir keinen Vorwurf machen, dass der Junge so geworden ist, Vernon. Wenn im Inneren etwas Verdorbenes steckt, kann kein Mensch etwas dagegen machen. Das ist eine Grundregel der Zucht. Bei Hunden kann man es immer wieder beobachten. Wenn etwas mit der Hündin nicht stimmt, wird auch mit den Welp-“³ … Magdas Glas zerspringt und Harry erhält einen mahnenden Blick von den Dursleys... „Alles eine Frage des Blutes, sag ich immer. Schlechtes Blut zeigt sich einfach. Nun, ich will nichts gegen eure Familie sagen, Petunia aber deine Schwester war ein faules Ei. Kommt in den besten Familien vor.“³ „Verdammt Potter!“, keifte auf einmal Snape und brach die Verbindung ab. „Ihre Erinnerungen werden immer deutlicher, als dass sie verborgen werden!“ Genervt schritt der Tränkemeister auf und ab, während Harry sich keuchend vom Boden hochhiefte. „Dann suchen Sie nach anderen Erinnerungen! Sie picken sich gerade die heraus, die mich am wütendsten werden lassen“, beschwerte sich der Gryffindor und erhielt einen tödlichen Blick. „Beim Dunklen Lord werden Sie sich auch keine angenehmen Erinnerungen ansehen müssen! Sie lassen sich viel zu sehr von Ihren Emotionen treiben. Diese Frau zum Schluss... das war die, die Sie im dritten Schuljahr verzaubert haben, nicht wahr?“ „Sie hat meine Mutter beleidigt!“, verteidigte sich der Gryffindor und hatte eigentlich gehofft, dass Snape ihm in dem Punkt, dass Magda es nicht anders verdient hatte, zustimmen würde. „Darum geht es nicht. Sie haben sich von Ihrer Wut leiten lassen und wären wegen dieser Nummer fast von der Schule geflogen“, keifte der Tränkemeister fröhlich weiter. 'Das kann nicht gut für das Herz sein.', dachte Harry schlicht und schien wirklich nur darauf zu warten, dass sein Lehrer bald einen Kollaps bekommen würde. „Was ist daran so schwer sich zu verschließen? Nach so vielen Wochen sind Sie noch keinen Deut besser geworden! Das ist reine Zeitverschwendung mit Ihnen!“ 'Besser als so verschlossen und einsam zu werden wie er.', dachte der Gryffindor verärgert. „Warum lassen wir das Ganze denn nicht einfach?“, keuchte Harry noch immer erschöpft. „Sie haben Recht, es bringt doch eh nichts.“ „Und mit dieser Einstellung wird es erst recht nichts bringen“, keifte sein Professor zurück. „Noch ein Versuch. Eins, Zwei, Drei...“ 'Jajaja, bloß keine Pause gönnen.', grummelte der Brillenträger in Gedanken und erhob erneut seinen Zauberstab zur Verteidigung. 'Immer gleich nach wenigen Minuten dieses scheiß Legilimens!' Snape hatte gerade seinen Zauber losgeschickt, als auch schon Harrys Sicht erneut verschwamm. Jedoch sah er nicht seine Erinnerungen. Er sah Snape als Jugendlichen, wie er mit seiner Schwester bei einer Beerdigung war. Ihr Vater stand mit versteinerter Miene ein Stück weiter und warf ab und zu böse Blicke zu seiner Tochter, die, wie ihr Bruder, gegen die Tränen ankämpfte, ihr aber, im Gegensatz zum Schwarzhaarigen, trotzdem eine Träne die Wange herunterlief. Als der Vater ihnen den Rücken kehrte, um zu gehen, nahm Levin ihren Bruder in den Arm, woraufhin nun beide die Tränen nicht mehr zurückhielten......Snape stieg aus dem Hogwarts-Express in King's Cross. Harry schätzte, dass er wohl in der ersten Klasse sein musste. „Seeeeev!“, kam seine Schwester angerannt und hätte den Slytherin beinahe umgeworfen. Leicht lächelnd erwiderte er die Umarmung und sah zu seiner Mutter, die ein wenig abseits stand und ihre Kinder schmunzelnd beobachtete...... Harry sah Snape im Erwachsenenalter, wie er eine Wohnstube betrat und seinen Todesserumhang wütend auf den Sessel schmiss. Kurz stand er nur mit geballten, zitternden Händen da, ehe er plötzlich seine gesamte Einrichtung kurz und klein schlug. Letztendlich schrie er auf, raufte sich die Haare, senkte den Kopf und sackte kraftlos in sich zusammen...... Dann sah er Snape zusammen mit Männern in Todesserkleidung ein Gebäude stürmen. Als der Slytherin eines der Zimmer durchsuchte, konnte er gerade noch jemanden durchs Fenster verschwinden sehen. „Sectumsempra“, rief Snape, doch der Zauber verfehlte das Ziel... „Stopp das, Potter!“, konnte Harry seinen Lehrer hören und war irritiert. Im gleichen Moment verschwammen die Bilder vor den Augen des Gryffindors, allerdings konnte er noch etwas hören. So erklang in seinen Ohren ein Schluchzen. „Bitte hör auf!“, flehte ein Junge kraftlos und verzweifelt. „Bitte!“ „Potter!“ Erneut hörte Harry einen Jungen, der aus Leibeskräften schrie: „VERDAMMT DAD! DU TUST MIR WEH!!!“ „Potter!!“ Keuchend fiel der Gryffindor nach hinten und sah zu seinem Professor auf. Der Schrei des Jungen hallte noch immer in seinem Kopf wider, sodass er vor lauter Schock kaum denken konnte. Dieser verzweifelte Junge... war Snape?! Was hat sein Vater mit ihm gemacht, dass er so... Snape hingegen lehnte keuchend an seinem Schreibtisch und sah abwesend und leicht geschockt auf den Boden. Er schien von diesen Erinnerungen überrumpelt worden zu sein und hatte es noch nicht geschafft sich zu sammeln. Nur langsam drang in sein Gedächtnis, dass er vergessen hatte, seine Erinnerungen ins Denkarium abzulegen. Als der Tränkemeister eine Hand hob, um sich das Nasenbein zu massieren, hätte Harry schwören können, dass diese zitterte. Tief atmete der Slytherin durch. „Warum in Merlins Namen haben Sie Legilimentik angewendet?“, versuchte er wütend zu klingen, was jedoch durch die zittrige Stimme zunichte gemacht wurde. „Ich... Ich hab...?“, begann Harry, brach jedoch ab. „Aber ich habe doch gar nicht... Ich habe nicht einmal den Zauberspruch...“ „Sie haben ihn aber gedacht, während Ihr Zauberstab erhoben war“, fiel Snape seinem Schüler ins Wort. „Oh... Ich... Ich wollte nicht...“ „Ist mir schon klar, Potter“, unterbrach der Tränkemeister den Brillenträger erneut. „Der Unterricht ist für heute beendet. Verschwinden Sie!“ Harry schluckte, stand zögerlich auf und murmelte: „E-Entschuldigung.“ Damit trat er zur Tür, wurde jedoch noch einmal aufgehalten. „Und Potter. Kein Wort zu irgendwem. Wirklich zu niemandem“, betonte Snape jedes Wort. „N-Natürlich... Professor“, nickte Harry und verließ zögerlich den Raum. Er stand noch einen Augenblick an der geschlossenen Tür und musste nicht lange warten, bis er hörte, wie in Snapes Büro Glas zu Bruch ging.   „Mein Gott, Harry! Du siehst ja aus als hättest du einen Geist gesehen!“, sprang Hermine auf, als der Gryffindor den Gemeinschaftsraum betrat. „Hä? Geist? Hier schwirren doch genug herum“, runzelte Ron die Stirn. „Ein Muggelspruch, Ron“, tat die Braunhaarige das schnell ab und trat zu Harry, um ihn forschend anzusehen. „War es wirklich so schlimm?“ „Bei der Laune, die Snape hat, kein Wunder, oder?“, mischte sich der Rotschopf erneut ein und kam näher. Murrend schob Harry sich an Hermine vorbei, um sich in den Sessel vor dem Kamin fallen zu lassen. „Aber irgendwas ist doch noch“, murmelte Hermine und setzte sich dicht bei dem Schwarzhaarigen auf das Sofa. „Tut mir Leid Leute, aber ich darf es euch nicht sagen“, seufzte der Brillenträger erschöpft auf. „Äh...“, kam es verständnislos vom Rotschopf, der noch immer herumstand. „Aber... was könnte denn bitte in Okklumentik passieren, was du nicht erzählen darfst?“ Auf einmal weiteten sich die Augen des Weasley, was wohl ein Zeichen der freudigen Erkenntnis war. „Du hast wieder etwas gesehen, stimmt's? Du hast irgendwas von Snape gesehen.“ Hermines Blick huschte von Ron zu Harry, sodass nun beide Freunde den Schwarzhaarigen fragend ansahen. Seufzend senkte dieser den Blick. „Ja... hab ich.“ „Und?“ „Ron, hör auf! Das Thema hatten wir doch schonmal. Es ist klar, dass Harry nicht erzählen darf, was er in Snapes Kopf sehen könnte. Genauso ist es umgekehrt. Snape wird mit Sicherheit auch niemandem sagen, was er bei Harry gesehen hat.“ „Mein Gott, das ist Snape. Bei dem kann man eine Ausnahme machen. Und? Irgendwas, was ihm peinlich wäre?“ Der Brillenträger ignorierte den neugierigen Blick seines Freundes und schüttelte nachdenklich und mit einer gewissen Traurigkeit den Kopf. „Nein, und selbst wenn, würde ich es nicht weitererzählen.“ Mit einem gewinnenden Blick sah Hermine zu Ron, welcher grummelnd seine Hände in den Taschen vergrub. „Aber was war es sonst?“ „Etwas, das... mich zum Nachdenken bringt.“ Harry wurde von beiden stirnrunzelnd angesehen, doch er hatte nicht vor, noch weitere Informationen zu geben. Er hatte Snape versprochen nichts zu sagen. Aber wusste denn wirklich niemand davon? Wusste niemand, dass es Snape bei seinem Vater so schlecht ging? Was war mit seiner Schwester? Erging es ihr vielleicht genauso oder wusste sie von alledem auch nichts? Am liebsten hätte Harry auf seinen Kopf eingeschlagen, um diese ganzen Fragen loszuwerden. Jedenfalls konnte sich der Gryffindor nun etwas besser vorstellen, warum Snape so gefühlskalt war. Levin hatte ihm einmal gesagt, dass sie so erzogen worden sind und nachdem er nun diese Beerdigung gesehen hatte, wo den beiden offensichtlich verboten war zu weinen, wusste er, was sie meinte. „Und nachdem unsere Mutter starb, kam ich nicht mehr zurück.“ Das sprach doch dafür, dass Snape seinen Vater alleine ertragen musste, oder? Verständnislos schüttelte Harry den Kopf. Seine beiden Freunde hatten bemerkt, wie abwesend er war und hatten sich zurückgezogen, um ihrem Freund seine Ruhe zu lassen. Somit hatte der Gryffindor genügend Zeit, um über die verschiedenen Erinnerungen nachzudenken. Jetzt fielen ihm auch wieder Abschnitte des Gesprächs mit Levin ein. Sie hatte damals gesagt, dass sie das Gefühl hatte, dass mit ihrem Bruder etwas nicht stimmen würde. Konnte es wirklich sein, dass Levin nichts von alledem wusste? Konnte man übersehen, dass der eigene Bruder vom Vater misshandelt wurde? Harry erinnerte sich an die Okklumentikstunde, wo Snape sah, wie Vernon ihn geschlagen hatte. Damals hatte er so heftig darauf reagiert. Nachdem, was Harry jetzt gesehen oder eher gehört hatte, ergab es einen Sinn. Er hatte ihn gefragt, wie weit Vernon gegangen war. Wie weit dachte er denn wäre er gegangen? Wie weit war sein Vater gegangen? Was war mit seiner Mutter, Lily? Wusste sie als seine beste Freundin etwas? „Ah!“, rief Harry überfordert aus und raufte sich die Haare. Das waren eindeutig zu viele Gedanken und vor allem zu viele Fragen auf einmal. Und dabei hatte er sich noch nicht einmal Gedanken um diese andere Erinnerung gemacht. Der Wutausbruch. Snape war nach einem Todessertreffen total durchgedreht... und war völlig am Ende. Und dann diese Hetzjagd. „Sectumsempra...“, murmelte Harry. Er kannte den Zauber nicht. Was er wohl bewirkte? Ächzend hievte Harry sich aus dem Sessel und versuchte seine Gedanken bei Seite zu legen. Das waren einfach zu viele Informationen über Snapes Privatleben. Und auch Informationen, die ihn überhaupt nichts angingen.   Am nächsten Morgen beim Frühstück blieb Snapes Platz leer und im Unterricht verhielt er sich so schlecht gelaunt wie die letzten Tage auch. Die einzige Ausnahme, die sämtliche Schüler dazu brachte, verwundert dreinzuschauen war, dass Harry vom Tränkemeister ignoriert wurde. Harry selbst hatte schon mit so etwas gerechnet, da Snape schon im letzten Schuljahr so reagiert hatte. Langsam wurde dieser Kerl für den Gryffindor berechenbar. Was jedoch nur Harry auffiel war, dass der Slytherin immer mal wieder forschende, kühle Blicke zum Brillenträger warf, wenn er gerade nichts zu tun hatte. Auch zum Mittagessen erschien der Tränkeprofessor nicht, was Levin nun doch etwas nervös werden ließ. Ihr war Harrys ständiger Blick aufgefallen, sodass sie diesen nun direkt ansah. Der Gryffindor zuckte kaum merklich mit den Schultern, woraufhin die Hexe sich mit ihrem Essen beeilte und schnell die Große Halle verließ. „Kommunizierst du jetzt schon mit Blicken mit den Snapes?“, sah Ron seinen Freund erstaunt an. „Wie kommst du denn darauf?“, stellte Harry die Gegenfrage. „Du hättest euch beide mal eben sehen sollen.“   Syndia verließ eiligst die Große Halle, um in die Kerker zu verschwinden. Dass Severus sich heute gar nicht mehr blicken ließ, machte ihr Sorgen. Die Hexe wurde das Gefühl nicht los, dass Harry etwas wusste. So beschloss sie den Rest der Pause zu nutzen, um nach ihrem Bruder zu sehen. Bei seinem Büro angekommen klopfte sie, doch auch nach einiger Zeit kam keine Reaktion. Als das zweite Mal klopfen auch nichts brachte, betrat sie leise das Büro. Dort sah sich die Schwarzhaarige um, doch es war kein Mensch zu sehen. Also ging sie auf die nächste Tür zu und lukte vorsichtig in Severus' Wohnzimmer. Ein Feuer brannte im Kamin, sodass der Raum in ein sanftes Licht getaucht wurde. Syndia sah sich weiter um und entdeckte so ihren Bruder auf dem Sofa. Er hatte Schuhe und Robe ausgezogen, sodass er mit Hose und Hemd auf dem schwarzen Sofa lag und tief und fest zu schlafen schien. Leise trat die Verteidigungslehrerin auf das Sofa zu und entdeckte eine leere Phiole auf dem Glastisch. Diese nahm sie an sich und roch vorsichtig daran. Traumlostrank. Die Phiole wieder wegstellend setzte sich die Hexe zu Severus aufs Sofa und strich ihm sanft eine Strähne aus dem Gesicht. „Sev?“, versuchte sie ihren Bruder sanft zu wecken, der jedoch erst nach einem sanften Rütteln der Schulter vor sich hingrummelte. „Was...?“, öffnete er murmelnd die Augen und erkannte seine Schwester. Müde rieb er sich über die Augen. „Wie spät ist es?“ „Gleich halb zwei“, antwortete die Schwarzhaarige nach einem kurzen Blick auf die Uhr. „Ich hab doch nach der Mittagspause keine Schüler mehr“, jammerte der Tränkemeister schon fast und drehte sich auf den Rücken, den Arm über die Augen legend. „Ich habe mir nur Sorgen gemacht, weil du nicht zum Essen gekommen bist.“ „Ich werde mir nachher was besorgen. Wenn ich wieder wach bin“, murmelte Severus und schien schon wieder im Halbschlaf zu sein. „Was ist denn los mit dir? Irgendwas stimmt doch nicht“, flüsterte Syndia besorgt und hob den Arm ihres Bruders an. „Ich schlafe nur in letzter Zeit nicht gut. Also würdest du jetzt so freundlich sein mich in Ruhe zu lassen?“, meinte der Tränkemeister schon fast patzig. „Dafür muss es doch aber irgendeinen Grund geben.“ „Ah, Syndia!“, beschwerte Severus sich und vergrub sein Gesicht in den Händen. „Was ist mit Harry?“ „Was soll mit ihm sein?“ „Ich werde das Gefühl nicht los, dass er vielleicht mehr wissen könnte als ich.“ „Na dann frag ihn doch, wenn du das unbedingt herausfinden willst, aber lass mich in Ruhe“, pampte der Schwarzhaarige los und richtete sich auf. „Er hat gestern nur ein paar Erinnerungen gesehen.“ „Erinnerungen?“, hob Syndia eine Augenbraue und sah zu ihrem Bruder auf, der sich erhoben hatte. „Ja. Er hat Legilimentik angewendet und Mums Beerdigung gesehen.“ „Wie konnte das passieren? Du bist doch nie so unvorsichtig“, fragte die Hexe noch immer sanft nach. „Indem man völlig übermüdet ist und jetzt hör auf zu nerven“, grummelte Severus verärgert, betrat sein Schlafzimmer und knallte die Tür hinter sich zu.   Das Schloss war wie ausgestorben, als Harry am Samstagmorgen durch die Gänge lief. Nur ein paar Geister begegneten dem Gryffindor und schienen sich zu fragen, was ein Schüler so früh auf einem Samstag in den Kerkern zu suchen hatte. Snape hatte mit ziemlicher Sicherheit diesen Zeitpunkt zum Nachsitzen gewählt, um Harry das Ausschlafen zunichte zu machen. Als Harry sich dem Büro des Tränkemeisters näherte, hörte er Stimmen im Gang. „Wir sollten das nicht noch weiter hinauszögern. So plötzlich und um so eine Uhrzeit wird keiner einen Angriff erwarten“, erkannte Harry die Stimme seiner Verteidigungslehrerin und ging stirnrunzelnd in Richtung des Gespräches. Der Gryffindor fuhr erschrocken zusammen, als er hinter sich ein Knallen hörte und drehte sich um, allerdings konnte er nichts entdecken. „Potter. Was haben Sie jetzt schon wieder angestellt?“, kam der Tränkemeister angerauscht und funkelte seinen Schüler an. „Gar nichts. Ich habe wirklich nichts gemacht.“ „Schön, wie Sie meinen. Und jetzt verschwinden Sie von hier.“ „W-Was?“, fragte der Gryffindor erstaunt nach. Und das Nachsitzen? „Es ist etwas dazwischen gekommen. Wir müssen für eine Weile weg“, trat nun auch Levin zu den beiden. „Der Mann in dem Portrait war ein Vorfahre der Familie Malfoy. Lucius Malfoy besitzt zudem ein Manor, das durch Banne geschützt ist. Das erklärt auch, warum Voldemort Malfoy aus Askaban befreit hat: Ohne ihn kommt er nicht in das Manor.“ „Und Sie... wollen da jetzt hin?“, schlussfolgerte der Gryffindor stirnrunzelnd. So ganz überstürzt und ohne Vorbereitungen? Was war, wenn Voldemort persönlich dort war? „Machen Sie sich keine Sorgen, Mr Potter. Severus und ich, wir haben beide genügend Erfahrung. Ich weiß, wie ich den Bann schwächen kann und dann werden wir Luca da rausholen“, erklärte Levin entschlossen und legte eine Hand auf Snapes Schulter. „Über einen neuen Termin werden wir noch reden“, meinte Snape nur und folgte seiner Schwester, die deutlich ungeduldig den Gang weiterging. „Ähm dann... viel Glück.“ „Danke“, drehte die Schwarzhaarige sich noch einmal um und lächelte ihrem Schüler zu. Sie schien wirklich optimistisch zu sein. Noch immer perplex stand der Gryffindor im Gang und sah seinen Lehrern hinterher. Irgendwie hatte er kein gutes Gefühl dabei. Wahrscheinlich hatte Levin gerade erst herausgefunden, wo ihr Sohn sich aufhielt und rannte nun völlig überstürzt los. Ohne Plan, ohne Vorbereitung und Snape zog da auch noch mit. Das konnte doch gar nicht gut ausgehen. Andererseits konnte Harry verstehen, dass Levin nicht eine Sekunde lang mehr warten wollte. Harry atmete einmal durch, vergrub seine Hände in den Taschen und schlenderte zur Eingangshalle, wo er spontan entschied etwas an die frische Luft zu gehen. Es schien heute ein sonniger Tag zu werden. Kein Wind war zu spüren, der sonst immer dafür sorgte, dass es bitterkalt war. So war die Temperatur angenehm und gemütlich schlenderte der Gryffindor zum See. Harry war noch nicht weit gekommen, da begann seine Narbe zu schmerzen, sodass er die Hand zu seiner Stirn schnellen ließ. „Und du bist dir absolut sicher?“, fragte er mit kalter Stimme einen Mann in schwarzem Umhang, der vor ihm kniete. „Ja, Herr. Mein Hauself beteuert es. Sie vermuten, dass der Bengel hier ist und wollten sich sogleich auf den Weg machen. So wie es aussieht sind sie alleine.“ „Nun, diese Frau macht aber auch einen Fehler nach dem anderen“, grinste Harry boshaft und begann zu lachen. „Dass sie Severus alles im Flur erzählt hat, wird ihr nun zum Verhängnis werden. Lucius!“ „Ja, Herr?“, kam der Blonde eiligst angelaufen und fiel ebenfalls auf die Knie. „Wie sieht es mit den Schutzzaubern aus? Werden sie durchkommen?“ „Bei den Fähigkeiten, die dieses Weib hat, kann ich mir gut vorstellen, dass sie den Bann genügend schwächen kann. Jedoch werden sie es nicht schaffen unbemerkt zu bleiben.“ „Gut. Haltet euch bereit. Wir werden ihnen einen überraschenden Empfang bereiten“, grinste Harry teuflisch und drehte seinen Zauberstab zwischen den Fingern. „Und bringt den Bengel von hier weg. Selbst wenn sie es bis zum Schloss schaffen sollten, sollen sie den kleinen Plagegeist nicht finden. Schicke McNair und Rowle los, um den Jungen in den Bunker am Waldrand zu bringen. Dort werden sie ihn nicht vermuten.“ Keuchend hockte Harry am Ufer des Sees und kam wieder zu sich. Das durfte nicht sein. Nein, das durfte nicht passieren! Sie werden Levin und Snape fangen, ohne Zweifel und das nur, weil Levin Hals über Kopf handeln wollte. Ein Hauself hatte sie belauscht? 'Der Knall! Das war ein apparierender Elf!', schoss es dem Gryffindor durch den Kopf. Aber was sollte er jetzt tun? Er musste verhindern, dass seine Lehrer in diese Falle tappten. Mit etwas Pech waren sie bereits angekommen und jede Hilfe würde zu spät kommen. ----------   1: Rowling, Joanne K. (1998): Harry Potter und der Stein der Weisen. Hamburg: Carlsen Verlag GmbH. S.29. 2: Rowling, Joanne K. (1999): Harry Potter und die Kammer des Schreckens. Hamburg: Carlsen Verlag GmbH. S. 6. 3: Rowling, Joanne K. (1999): Harry Potter und der Gefangene von Askaban. Hamburg: Carlsen Verlag GmbH. S. 29-30, 32. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)