Die Grotten von Necrandolas von -wolfsmoon- ================================================================================ Kapitel 4: Die Wunden der Vergangenheit --------------------------------------- „Das ist kein blöder Scherz? Du willst mir allen ernstes sagen, dass du Geheimagentin bist?“ „Schwer zu glauben, was?“, schmunzelte die Hexe etwas unsicher. „Du hast mir immer vorgehalten, dass ich viel zu viel von mir Preis gebe und viel zu gutherzig bin. Und so jemandem wie mir werden Staatsgeheimnisse anvertraut.“ Severus musste zugeben, dass er ein wenig sprachlos war. „Du musstest dir gleich die abgedrehteste Ausrede einfallen lassen, was?“ Ein schiefes Grinsen huschte auf Syndias Lippen, doch sogleich wurde sie wieder ernst und ihr Lächeln gefror. „Das ist der Grund, warum Voldemort hinter mir her ist. Eigentlich fällt das nicht in unseren Aufgabenbereich, aber die ISAM benötigt im Fall 'Selbsternannter Lord' meine Fähigkeiten und hat mich hinzugezogen. Fürs Erste haben sie mich also nach England geschickt, damit ich vor Ort ermitteln und über die Lage berichten kann. Ich weiß schon seit einiger Zeit, dass du das Dunkle Mal trägst und dass du noch immer zu den Todessertreffen erscheinst.“ Mit hochgezogener Augenbraue und fragendem Blick, setzte Severus an etwas zu sagen, doch Syndia kam ihm zuvor. „Ich weiß von dem Prozess, der vor 15 Jahren gegen dich lief. Außerdem gibt es Listen der bekannten Todesser und derer, bei denen man vermutet, dass sie Todesser sind oder waren. Und ich habe auch mit Dumbledore gesprochen. Um auf das Thema zurückzukommen: Voldemort weiß, dass der Amerikanische Geheimdienst hinter ihm her ist und damit es nicht zu Geiselnahmen kommt, wurden uns persönliche Kontakte nach England verboten, insbesondere mir, weil du mit auf der Liste der Todesser standest. Verstehst du es langsam?“ Eine kurze Stille entstand, in der Severus Syndia nur ansah, ohne zu zeigen, was er von dem ganzen hielt. Langsam und seinen nachdenklichen Blick durch den Raum schweifen lassend, stand er auf und ging um den Schreibtisch herum, um sich dann neben Syndia gegen die Tischplatte zu lehnen und die Arme zu verschränken. Einige Momente vergingen, in denen Severus schwieg und Syndia versuchte, irgendwelche Emotionen in seinen Augen zu lesen, doch ihr Bruder schaffte es sich vollkommen zu verschließen. Er wirkte kalt und ruhig. Zu ruhig. So ruhig, dass es unheimlich war. Die Verteidigungslehrerin konnte unmöglich sagen, ob Severus weiterhin so ruhig bleiben würde, oder ob das nur die Ruhe vor dem Sturm war. Sie wagte es nicht etwas zu sagen oder ihren Bruder zu berühren, aus Angst vor seiner Reaktion. Je mehr Zeit verstrich, umso größer wurde Syndias Angst, dass der Slytherin einen Wutanfall bekommen könnte. Sie hatte ihren Bruder noch nie so gesehen wie jetzt. Es war das erste Mal, dass sie nicht in der Lage war, auch nur ansatzweise zu erkennen, was in Severus vorging. Irgendwann begann der Tränkemeister mit ruhiger aber eiskalter Stimme zu sprechen und es war deutlich herauszuhören, dass er seine Wut nur schwer zügeln konnte. „Wenn es für dich so gefährlich war Kontakt mit anderen Personen aufzunehmen, warum in Merlins Namen hast du dann in Amerika eine Familie gegründet?“ Nun sah er Syndia mit eiskaltem Blick in die Augen, sodass selbst sie als eine Snape eine Gänsehaut bekam. Mit ruhiger und besänftigender Stimme antwortete sie: „Weil mein Mann ebenfalls in dieser Abteilung arbeitet und er somit ohnehin in Gefahr ist. Unser Sohn ist die meiste Zeit ganz in der Nähe unseres Arbeitsplatzes untergebracht und wird dort strengstens bewacht.“ Syndias Hoffnung, dass mit dieser Antwort Severus' Wut etwas gedämpft werden würde, schwand sofort, als sie in seine noch immer kalten Augen sah. Langsam wusste sie nicht mehr wie sie reagieren sollte. Den Tränkemeister zu besänftigen war anscheinend unmöglich und um den Blick genauso kalt zu erwidern, fehlte Syndia einfach die Kraft. Noch nie hatte ihr Bruder sie so angesehen und es versetzte ihr einen heftigen Stich. Sie war nicht in der Lage wieder ihre Maske aufzusetzen, doch sie wollte sich auch nicht anmerken lassen, wie sehr Severus sie mit seinen Blicken verletzte. Syndias Hilflosigkeit war ihr deutlich in den Augen abzulesen, doch noch immer zeigte Severus keine Reaktion. Weiterhin leise und schneidend sprach er weiter: „Und bei den beiden Briefen hast du dann wohl ein Auge zugedrückt, um mir zu zeigen, was für ein tolles Leben du führst, was? Du durftest absolut keinen Kontakt ins Ausland haben, aber einen Brief wegen deiner Hochzeit und einen weiteren bei der Geburt deines Sohnes nach England zu schicken war völlig okay, oder was?“ Syndia öffnete den Mund, doch sie brachte keinen Ton heraus. Als Severus merkte, dass seine Schwester nichts sagen konnte, sprach er weiter, diesmal jedoch lauter und deutlich mit Wut in der Stimme. „Wenn du schon diese Sicherheitsvorkehrungen ignoriert hast, warum hast du dann nicht mehr in diese bekloppten Briefe reingeschrieben? Eine kleine Erklärung hätte gereicht, um mir zu sagen, dass alles in Ordnung ist und du mich nicht absichtlich aus deinem Leben ausgeschlossen hattest. Aber da stand nichts! Gar nichts! Nur diese schlichten Urkunden, ohne auch nur ein 'Hallo' oder ähnliches!“ Severus hatte sich nun von seinem Pult abgestoßen, seine Arme gelöst und baute sich in Angriffshaltung vor seiner Schwester auf. In seinen Augen war die Kälte rasender Wut gewichen und beim Sprechen wurde er mit jedem Wort lauter. Syndia stand ebenfalls auf, hob beschwichtigend ihre Hände und sprach im ruhigen Ton, konnte ein leichtes Zittern aber nicht aus ihrer Stimme verbannen. „Ich wusste, dass du noch immer auf der Suche nach mir warst und das hatte mir einfach keine Ruhe gelassen. Zu der Zeit war es gerade sehr ruhig um Voldemort und deshalb konnte ich das Risiko eingehen dich zu kontaktieren. Ich hatte gehofft, dass du aufhören würdest nach mir zu suchen, wenn ich dir das Gefühl geben würde, dass du in meinem neuen Leben keinen Platz mehr hättest.“ „Na, das hast du dir ja schön zurechtgelegt! Gratuliere, es hat geklappt!“ Die nächsten Worte schrie Severus schon fast, sodass die Schwarzhaarige ein paar Schritte zurück trat. „Aber dass du mich damit verletzt hast, kam dir nicht in den Sinn, oder?! Weißt du eigentlich, was es bedeutet, wenn die eigene Schwester deutlich macht, dass sie nichts mehr mit einem zu tun haben will?! Verdammt Syndia, hast du dich auch nur eine Sekunde lang in meine Lage versetzt?! Das letzte Mal, wo ich dich gesehen habe, war auf Mums Beerdigung und da hast du mir versprochen mir zu helfen! Du wusstest, dass ich mit Dad zu kämpfen hätte! Du hattest mir versprochen, dass du mir helfen würdest die ganze Scheiße durchzustehen! Und was hast du stattdessen gemacht?! Du bist wieder nach Amerika gegangen und hast dich nie wieder gemeldet! Du hast mich einfach im ganzen Chaos stehen gelassen! Dabei wusstest du ganz genau, dass du nach Mums Tod der einzige Mensch aus der Familie warst, der noch zu mir stand und der mir noch etwas bedeutet hat! Was glaubst du, wie sich das anfühlt zuerst Mum und dann auch noch dich zu verlieren?! Syndia, ich habe mir SORGEN um dich gemacht! Ich dachte, dir wäre etwas zugestoßen! Verdammt, ich hatte eine SCHEIßANGST um dich!!! Und dann kamen diese BESCHISSENEN Briefe, die mir zeigten, dass es dir SCHEIßEGAL war, was mit mir ist! Dass du einfach nichts mehr mit mir zu tun haben wolltest! “ Unfähig sich zu bewegen, ließ Syndia den Wutausbruch ihres Bruders über sich ergehen und ihre Schuldgefühle wuchsen ins Unermessliche. Verzweifelt und mit feuchten Augen blickte sie in die von Severus und sah, wie sich auch in seinen Tränen angesammelt hatten. Der Tränkemeister setzte dazu an wieder loszuschreien, doch blieben ihm die Worte im Hals stecken, wo sich bereits ein Kloß gebildet hatte, den er nicht herunterschlucken konnte. Er sah zur Seite, um seiner Schwester nicht zu zeigen, was gerade in ihm vorging. Er versuchte es zu verstecken, doch nun sah Syndia endlich, was wirklich mit ihm los war. Sie konnte in seinen Augen deutlich den Schmerz sehen, den er seit ihrer Ankunft hinter Wut versteckt hatte. „Es tut mir so Leid“, flüsterte sie mit kratziger Stimme in die aufgekommene Stille. Der Slytherin schloss kurz die Augen und versuchte damit sich wieder zu fangen, doch es ging nicht. Er hatte gerade seinen gesamten Schmerz herausgeschrien und konnte diesen nun nicht mehr bändigen. Er presste seine Lippen aufeinander und versuchte seine zitternden Hände wieder in den Griff zu bekommen. Langsam trat Syndia auf ihren Bruder zu und als Severus keine Anstalten machte sie wegzustoßen, schlang sie ihre Arme um ihn. Für einen kurzen Augenblick versteifte er sich, doch dann legte auch er ganz langsam seine Arme um seine Schwester. Syndia verstärkte die Umarmung und Severus legte seinen Kopf auf ihrer Schulter ab, während er sich ein Stück weiter entspannte. Er vergrub sein Gesicht in ihren Haaren und schloss die Augen. Syndia tat nichts anderes, als ihren Bruder zu halten und ihm die Sicherheit zu geben, die er bereits vor Jahren gebraucht hätte. „Es tut mir so leid“, flüsterte sie sanft. „Ich wollte dich nur beschützen.“ Immer wieder strich sie ihm über den Rücken, während Severus sich nicht mehr rührte und so standen sie eine ganze Weile stumm da. Geschwister, die sich nach 20 Jahren Trennung wieder in den Armen hielten. Einige Zeit verging, bis der Tränkemeister sich langsam beruhigte. Kurz genoss er noch die Umarmung, bevor er sich langsam von seiner Schwester löste und sich gegen die Tischplatte lehnte. Er sah an Syndia vorbei zur Wand, da er es nicht fertig brachte sie anzusehen. Die Hexe spürte seine leichte Unsicherheit, legte ihre Hände auf seine Schultern und lehnte ihre Stirn gegen seine. Der Schwarzhaarige schloss die Augen und genoss einfach den Augenblick der völligen Ruhe. Nach einigen Augenblicken atmete er tief durch und sah seiner Schwester in die Augen, die sich nun wieder von ihm löste. Syndia wurde wieder unsicher, da sie nicht wusste, wie es weitergehen sollte. Er hatte mit seinen Anschuldigungen vollkommen Recht gehabt und sie könnte es verstehen, wenn er ihr nicht verzeihen würde. Aber er hatte sich von ihr trösten lassen und auch sein Blick deutete darauf hin, dass sie irgendwann vielleicht wieder miteinander reden könnten wie früher. Severus selbst wusste auch nicht, was er nun tun oder fühlen sollte. Er wusste jetzt endlich, dass Syndia ihn nie mutwillig verletzen wollte. Sie hatte ihn nicht aus ihrem Leben verbannt, sie hatte nie vorgehabt ihn einfach zu verlassen. Sie war gezwungen den Kontakt abzubrechen, um ihn beschützen zu können. Das war der entscheidende Punkt: Sie hatte das alles nur getan, um ihn zu beschützen. Diese Tatsache sorgte dafür, dass Severus versuchen wollte, ihr wieder sein Vertrauen zu schenken. Es würde wahrscheinlich ein wenig dauern, doch erst einmal war er froh seine Schwester wiederzuhaben. Syndia versuchte ihre Unsicherheit zu überspielen und als sie sich sicher war, dass ihre Stimme fest genug sein würde, fing sie an zu sprechen: „Vielleicht sollte ich jetzt erstmal gehen. Du könntest ein wenig Ruhe gebrauchen.“ Der Tränkemeister war noch unschlüssig und zeigte deshalb keine Reaktion. Nach einigem Überlegen schüttelte er leicht den Kopf. „Zuerst muss ich noch einige Dinge von dir wissen.“ Syndia hob die Augenbraue, sagte aber nichts, sondern wartete darauf, dass ihr Bruder weitersprechen würde. „Du sagtest deine Fähigkeiten werden gegen den Dunklen Lord gebraucht. Warum? Und welche? Du bist nicht zufällig von Dumbledore hier in Hogwarts eingeschleust worden, nicht wahr? Warum bist du also hier?“ Syndia seufzte erschöpft auf. „Ich hatte eigentlich gehofft, dass du mit den wenigen Informationen zufrieden wärst, die ich dir gegeben habe. Eigentlich darf ich dir überhaupt nichts erzählen. Wenn man es genau nimmt, hätte ich noch nicht einmal mit dir reden dürfen. Aber dass die mich ausgerechnet nach Hogwarts geschickt haben und ich dir dann zwangsläufig über den Weg laufe, ist nicht meine Schuld und von daher kann sich keiner bei mir beschweren.“ Der Slytherin nickte kurz und hakte dann weiter nach: „Warum bist du in Hogwarts?“ Die Hexe setzte gerade dazu an zu antworten, als es an der Bürotür klopfte. Sie warf einen fragenden Blick zur Tür und Severus sah irritiert auf die Uhr. Es war 20:06 Uhr. „Verdammt, den habe ich völlig vergessen“, klagte der Slytherin und sah unschlüssig zur Tür. Es klopfte ein weiteres Mal und bevor Severus sich in Bewegung setzen konnte, war Syndia auch schon auf die Tür zugegangen. Sie öffnete, um einen überraschten Harry vorzufinden. „Ähm....ich....sollte zum Nachsitzen hier erscheinen.“ Syndia nickte ihm zu. „Ich weiß, Mr Potter. Aber Sie haben heute Glück. Ihr Nachsitzen wird verschoben werden. Severus, wann soll das nachgeholt werden?“, fragte sie zum Schluss in den Raum. Harry trat einige Schritte ein, sah seinen Lehrer am Schreibtisch lehnen und runzelte die Stirn. So hatte er den Tränkemeister noch nie gesehen. Er sah aus, als hätte er sich überarbeitet und als er Harry kurz in die Augen sah, hätte dieser schwören können, dass sie gerötet waren. Sein Lehrer brach den Blickkontakt nach wenigen Sekunden ab. „Das Nachsitzen wird auf Donnerstag verschoben“, gab er nur knapp von sich und versuchte seine Stimme gewohnt kühl zu halten. Doch Harry fiel sofort auf, dass die Stimme des Tränkemeisters ungewöhnlich rau, ja schon fast brüchig war. Während Harry sich noch fragte, was mit seinem Lehrer los war, schob sich die Hexe vor ihn. „Also, Donnerstag nachsitzen. Sie können für heute gehen.“ Harry sah sie an und nickte dann schwach. Er brauchte noch einen Augenblick, bis er sich wieder zum Gehen wenden konnte. Syndia schob den Jungen regelrecht zur Tür und versperrte ihm möglichst den Blick zu Severus. Sie hatte sofort gemerkt, dass Harry etwas aufgefallen war und wollte ihn schnell wieder loswerden. Noch immer verdattert murmelte Harry ein „Guten Abend“ und verließ das Büro. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss und für einen Moment blieb er im Korridor stehen. Was war denn das gerade? Was war mit Snape los? Die brüchige Stimme, die geröteten Augen... Ruckartig lief der Brillenträger los Richtung Gryffindorturm. In Severus' Büro hingegen gab der Tränkemeister ein erschöpftes Seufzen von sich, als die Tür sich hinter Potter geschlossen hatte. „Er hat es gemerkt.“ Syndia trat zu ihm und sah ihn besorgt an. „Und wenn schon. Harry ist keiner, der das in der ganzen Schule herumerzählt. Außerdem weiß er viel zu wenig, um überhaupt irgendwelche Schlüsse ziehen zu können.“ Severus nickte langsam, blieb jedoch still. „Okay“, seufzte Syndia, „Ich werde dann mal gehen.“ Sie trat zu Severus, legte einen Arm über seine Schultern und gab ihm einen Kuss an die Schläfe, was dieser mit einem Grummeln kommentierte. „Gute Nacht“, flüsterte sie lächelnd und ging zur Tür. Bevor sie diese öffnen konnte, wurde sie noch einmal aufgehalten. „Du hast meine Fragen immer noch nicht beantwortet.“ Syndia drehte sich noch einmal zu ihrem Bruder um. „Es würde zu lange dauern das jetzt alles zu erklären. Aber ich bin nach England gekommen, um hier einen Auftrag zu erledigen. Dafür musste ich nach Hogwarts kommen und da Dumbledore uns unterstützen wollte, hat er mich hier als Lehrerin reingeschmuggelt.“ Severus hob eine Augenbraue und fragte seine Schwester: „Und dieser Auftrag lautet?“ Die Hexe schmunzelte über die Hartnäckigkeit ihres Bruders und antwortete nur: „Es gibt etwas, dass ich finden muss, um jemanden beschützen zu können.“ Der Schwarzhaarige tat nichts anderes, als nachdenklich zu nicken und so verließ Syndia mit einem weiteren „Gute Nacht“ den Raum. Nachdem die Hexe den Raum verlassen hatte, stand Severus noch immer stumm da und dachte nach. Diese Aussage hatte mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Langsam hatte er das Gefühl, dass Syndia das mit Absicht tat. Was brachte denn auch mehr Spaß, als den Bruder zu ärgern? Genervt seufzte der Slytherin auf und ging zur Tür, die in seine Privaträume führte. Endlich war Harry im Gemeinschaftsraum der Gryffindors angekommen und sah sich um. Enttäuscht musste er feststellen, dass Ron und Hermine nicht da waren und so sah er auf seine Armbanduhr. In einer halben Stunde war Ausgangssperre. Harry überlegte, ob er solange hier warten oder seine Freunde suchen sollte. Er ging auf einen freien Sessel zu und setzte sich. Es dauerte aber nicht lange bis der Gryffindor schon wieder aufgestanden war und durch das Portraitloch den Raum verlassen hatte. Fürs Herumsitzen und Warten war der Grünäugige einfach zu ungeduldig. Er wollte gerade die Treppe Richtung Bibliothek hoch laufen, als von links Ron und Hermine angelaufen kamen. Sofort ging Harry auf die beiden zu. „Wo habt ihr euch denn herumgetrieben?“, fragte er gleich und unterbrach damit das Gespräch, welches die beiden gerade geführt hatten. Irritiert sahen sie Harry an. „Was machst du denn hier? Warum bist du nicht beim Nachsitzen?“, stellte Ron als Gegenfrage. „Das erzähle ich euch gleich. Wir sollten erstmal zum Gemeinschaftsraum zurückgehen. In 20 Minuten ist Ausgangssperre.“ Seine beiden Freunde sahen ihn verwundert an, nickten dann aber und machten sich mit ihm auf den Weg Richtung Gryffindorturm. „War Snape nicht da?“, fragte Ron neugierig, als sie den nächsten Korridor erreichten. „Doch, aber Professor Levin hat mir geöffnet. Sie meinte, dass mein Nachsitzen verschoben werden würde. Den Grund wollte sie mir nicht sagen und sie versuchte mir den Blick in den Raum zu versperren. Ich konnte einen Blick auf Snape werfen“, erzählte Harry und machte dann eine kurze Pause. „Und?“, drängelte Ron gespannt. „Ich glaube er hatte einen Streit mit Levin“, berichtete Harry etwas nachdenklich weiter. „Bevor ich ihn noch genauer mustern konnte, hatte Levin mich wieder aus dem Raum geschoben und die Tür vor meiner Nase zugemacht.“ „Ich denke, wir sollten uns da nicht weiter einmischen“, beschloss Hermine und sah Harry ernst an. Ron grummelte vor sich hin. „Warum sollen wir uns immer dann heraushalten, wenn es gerade spannend wird?“, murrte er während sie den Gemeinschaftsraum betraten. „Weil uns die Probleme anderer absolut nichts angehen!“, fauchte Hermine den Rotschopf an. Dieser gab nur wieder ein Grummeln von sich. Harry, der diese Streitereien gewohnt war, sah nachdenklich aus dem Fenster. Hermine hatte Recht, es ging sie nicht an was Snape tat. Aber seine Neugierde wuchs immer weiter an. Verdammt nochmal! Harry konnte sich über sich selbst aufregen. Diese Frau hat in England gelebt, war nach Amerika ausgewandert und war nun zurückgekehrt. Was war denn bitte daran so interessant? Okay, sie hatte sich anscheinend vor ihrer Abreise mit ihrem Bruder zerstritten, aber so etwas passierte doch ständig. Also was in Merlins Namen machte ihn so neugierig?! „Harry?“ Angesprochener schreckte hoch und sah der besorgt aussehenden Hermine ins Gesicht. „Was ist?“ „Es ist nur... du hast gerade so wütend ausgesehen“, sprach Hermine weiter und sah ihren Freund forschend an. „Es ist nichts weiter. Ich habe mich nur über meine eigene Neugierde aufgeregt.“ Langsam nickte Hermine und sah auf die Uhr. „Also ich werde mich schlafen legen. Und an eurer Stelle würde ich das auch tun“, sprach sie wieder mit ihrem gewohnt strengen Tonfall. Ungläubig sah Ron ebenfalls auf die Uhr. „Jetzt schon?!“ Hermine verdrehte die Augen. „Ach, macht doch was ihr wollt. Ich habe Kopfschmerzen und werde jetzt ins Bett gehen. Gute Nacht“, gab Hermine leicht bissig von sich und stieg die Treppen zu den Mädchenschlafsälen hoch. Die beiden Jungs sahen ihr verdutzt hinterher, ehe sie sich gegenseitig fragend ansahen. „Was hat die denn gebissen?“, fragte Ron leise. Der Grünäugige zuckte die Achseln. Sie unterhielten sich noch ein wenig mit Dean, bevor sie ebenfalls in ihren Schlafraum gingen. Ron war schon lange am Schnarchen, als Harry noch immer wach im Bett lag. Er konnte keine Ruhe finden. Seine Gedanken kreisten einfach zu sehr. „Guten Morgen, Severus“, grüßte Syndia ihren Bruder, als sie sich neben ihn an den Lehrertisch setzte. „Morgen“, grummelte dieser. Syndia warf ihm einen forschenden Blick zu, was dem Tränkemeister nicht entging. „Du brauchst mich nicht zu bemuttern. Es geht mir gut.“ „Das hatte ich nicht vor“, gab die Hexe zurück und füllte sich was zu Essen auf. Severus sah zum Gryffindortisch und fand schnell den schwarzhaarigen Jungen, der gestern Abend bei ihm aufgetaucht war. Er wirkte ziemlich müde und mürrisch. Syndia folgte seinem Blick und beobachtete ebenfalls den jungen Potter. „Er wird es nicht herumerzählt haben“, sprach Syndia ohne den Blick von Potter zu wenden. „Wir wissen doch noch nicht einmal, ob er überhaupt irgendwelche Schlüsse ziehen konnte.“ „Oh doch, er wird seine Schlüsse gezogen haben“, antwortete Severus und trank einen Schluck Kaffee. „Um noch einmal auf das gestrige Thema zurückzukommen...“ Syndia stöhnte auf. Es wunderte sie nicht, dass ihr Bruder weitere Fragen stellen wollte. Dafür war er einfach zu hartnäckig. „Ich weiß, du willst mir nur ungern antworten, aber gebe mir wenigsten ein paar Antworten.“ „Antworten auf welche Fragen?“, gab die Hexe sich seufzend geschlagen. „Warum arbeitest du für die NSMA?“ Syndia sah sich in der Halle um. „Es wäre unklug, sich hier darüber zu unterhalten. Ich bin wegen meinen Fähigkeiten in diese Abteilung gekommen.“ Severus runzelte die Stirn und Syndia lächelte kaum merklich. Gedankenversunken spielte sie an ihrem Kelch herum. „Du weißt, dass ich auf diese Fähigkeiten nicht gerade stolz bin. Dieser Job gibt mir die Möglichkeit, sie für das Gute einzusetzen. Teilweise ist es jedoch lästig. Allein schon, dass ich im Ausland zur Schule gehen musste und nicht nach Hogwarts durfte, war für mich Grund genug, diese Fähigkeiten eher als einen Klotz am Bein zu betrachten. Hoffentlich ergeht es Luca da anders. Ich will nicht, dass er nicht wie andere Kinder behandelt wird.“ Severus schwieg eine Weile und ließ seinen Blick durch die Halle schweifen. „Wann bekomme ich den Kleinen denn mal zu sehen?“, fragte er seine Schwester dann. „Klein ist gut“, entgegnete Syndia lächelnd. „Er wird bald elf Jahre alt. Zur Zeit ist er noch in den USA im Hauptquartier. Dort ist es für ihn am sichersten und sein Vater ist da, falls er einmal die Kontrolle verlieren sollte. Du weißt, wie gefährlich Gefühlsausbrüche bei jemandem mit meinen Fähigkeiten sind.“ Sie bekam ein Nicken als Antwort. Oh ja, Severus konnte sich nur zu gut daran erinnern was geschah, wenn Syndia als Kind einmal einen Wutausbruch und die Kontrolle über ihre Fähigkeiten verloren hatte. Bei ihrem schlimmsten Ausbruch war er sogar in ihrer Reichweite gewesen. Ihre Mutter hatte ihn noch gerade rechtzeitig schützen können. Im letzten Moment hatte sie einen Schildzauber auf Severus gesprochen und konnte sich somit nicht selbst schützen. Sie war mit tiefen Schnittwunden und Verbrennungen an Gesicht und Armen ins St. Mungo eingeliefert worden. Syndia hatte sich tagelang in ihrem Zimmer eingeschlossen und geweint, weil sie sich so große Vorwürfe gemacht hatte. Severus und ihre Mutter waren Syndia nie böse wegen diesem Vorfall, da sie wussten, dass sie nichts dafür konnte. Der Einzige, der sie immer wieder damit nieder machte, war ihr Vater gewesen. Der Tränkemeister zwang sich mit seinen Gedanken wieder in die Gegenwart zurückzukehren. „Heißt das, er hat deine gesamten Fähigkeiten geerbt?“ „Nicht alle“, antwortete ihm seine Schwester. „Aber einen großen Teil und bei einigen wissen wir es noch nicht, weil die sich erst mit 14 Jahren entwickeln.“ Wieder nickte Severus nur. Dann schüttelte er leicht den Kopf. „Du hast mal wieder gekonnt vom Thema abgelenkt. Also: Wofür werden deine Fähigkeiten benötigt?“, fragte er dann hartnäckig und sah Syndia forschend in die Augen. Diese lächelte wieder. „Du sagtest du müsstest etwas finden?“, fragte er, um seine Überlegungen voranzutreiben. Syndia sah sich wieder in der Halle um. „Das sollten wir besser nicht hier besprechen.“ Wäre Severus' Augenbraue nicht schon hochgezogen, wäre sie es spätestens jetzt gewesen. Er sah sich ebenfalls in der Halle um, während er weitersprach. „Und wer ist die Person, die du beschützen sollst?“ Syndia nahm einen Schluck aus ihrem Kelch und sah weiterhin nach vorne. „Überlege doch mal. Bei diesem Auftrag geht es darum, die Pläne von Voldemort zu durchkreuzen“, gab sie den Hinweis. Nun sah der Schwarzhaarige sie fragend an. „Potter?“ Syndia sah Severus wieder in die Augen und lächelte leicht. „Potter.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)