Leave Time For Love von Aphrodi ================================================================================ Lunch Time ---------- “Kidouuu!”   Der Angesprochene drehte den Kopf ein wenig und ließ sein Bento für einen Moment außer Acht. Auf sein Gesicht stahl sich ein Lächeln, das einziges Anzeichen für positive Emotionen war, denn die Augen waren wie üblich durch seine Goggles verdeckt. Der Braunhaarige wartete, bis sich Sakuma neben ihm auf dem Rasen niederließ.   „Ganz alleine?“, fragte Kidou verwundert und zog eine Augenbraue hoch. Mit einem kurzen, gezielten Handgriff strich sich der Stürmer eine Haarsträhne hinters Ohr und nickte bestätigend. Die Erklärung sollte allerdings nicht lange auf sich warten lassen. „Genda ist sich noch etwas zu Essen holen.“   Bei den Worten öffnete Sakuma den Knoten des Tuches, in das seine Bentobox gehüllt war. Kidou konnte sehen, wie sich für einen Moment das Gesicht seines Sitznachbarn verzog und so ließ er es sich nicht nehmen, den Blick prüfend zu dessen Bento wandern zu lassen.   „Hat Fudou schon wieder zugeschlagen?“, fragte der Mittelfeldspieler und musste hilflos grinsen.   „Sieht so aus“, kam es grantig von Sakuma, während er auf sein Essen blickte, das schon aussah wie ein schweizer Käse. „Dieser Kerl soll endlich mal sein eigenes Essen mitbringen. Er hat sich die besten Sachen rausgepickt.“   „Dass du ihn überhaupt von deinem Essen-“   „Er bedient sich immer selbst! Ich weiß nicht, wie er es anstellt, aber zwischen Morgen und Mittagspause fehlt immer wieder etwas davon.“   Sakuma seufzte. Es war ihm wirklich ein Rätsel, wann sich sein Klassenkamerad daran vergriff, doch es musste eindeutig er sein. Zwar hatte der Bad Boy es immer wieder bestritten und sich über ihn lustig gemacht, doch wer sollte es sonst gewesen sein? Und wie stellte er es an? Vielleicht musste er in Zukunft noch bessere Vorsichtsmaßnahmen treffen. Nur genau das war das Problem. Seit den ersten Malen war der Stürmer vorsichtig und achtsam geworden – trotzdem fehlte immer wieder etwas. Nicht jeden Tag, aber oft genug, um lästig zu werden. Wie sollte er also vorgehen? Wie sollte er noch bessere Vorsichtsmaßnahmen finden, wenn er schon am Limit der Vorsicht angekommen war?   Ohne ein weiteres Wort nahm Kidou ein Teilchen nach dem anderen zwischen seine Essstäbchen und füllte damit die Lücken in Sakumas Bentobox. Kurz war der Stürmer so überrascht, dass er dem Treiben einfach nur zusehen konnte. „Kidou...“, murmelte er schließlich, gefolgt von einem Kopfschütteln. „Das ist lieb, aber-   „Kein Aber. Nimm es an, ich habe mehr als genug.“   Dem Gesicht des Mittelfeldspielers konnte Sakuma deutlich entnehmen, dass er es ernst meinte. Das Lächeln auf seinem Gesicht ließ den Stürmer noch zusätzlich zu der Geste verlegen werden. Sein Blick senkte sich auf sein Bento hinunter und er wurde ganz wortkarg, doch innerlich war er kurz davor, vor Freude zu explodieren.   „Danke“, brachte er schließlich doch noch hervor, ansehen konnte er Kidou dabei aber nicht. Stattdessen nahm er seine Essstäbchen zwischen die Finger und bediente sich an seinem Essen. „Einen guten Appetit“, wünschte er noch, dann war die erste frittierte Garnele schon in seinem Mund verschwunden, woraufhin sich seine Mundwinkel unweigerlich nach oben zogen. Daraufhin tat Kidou es ihm gleich.   „Ach nein, wie süß. Sie teilen sich ihr Mittagessen wie ein Liebespaar.“   Während sich nur Kidous Augenbrauen etwas zusammenzogen und auch seine Mundwinkel wieder Neutralität fanden, durchzog es Sakuma regelrecht und er fuhr nach hinten herum. Er kannte diese Stimme leider zu gut. Zu seiner Überraschung jedoch war der Junge mit dem Hahnenkamm noch in Begleitung von Genda. Während sich auf Fudous Gesicht ein freches Grinsen regelrecht eingemeißelt hatte, war der Blick des Torhüters undefinierbar. Langsam kamen sie zu allem Übel auch noch auf sie zu und setzten sich – Genda neben Sakuma, Fudou neben Kidou.   Auf Sakumas Gesicht legte sich eine leichte Zornesröte, so schien es jedenfalls.   „Und wessen Schuld ist das? Lass in Zukunft die Finger von meinem Essen, dann muss sich meiner auch niemand annehmen.“   „Das schon wieder? Na, du musst es ja wissen“, kam es nur von Fudou, der sein Interesse längst woanders hatte. Sein Blick fiel auf Kidous Bento und glitt dann zum Gesicht des Strategen hoch. Vielsagend hob er eine Augenbraue an und der Braunhaarige verstand.   „Du bekommst nichts.“   Mit dieser knappen Abfuhr aß Kidou unbekümmert weiter. Als sich Fudou trotzdem bedienen wollte, weil er ein Nein nicht akzeptieren konnte, landete eine Hand mit lautem Klatschen auf seiner – es war Sakumas.   Ein leises Schnaufen war alles, was der Junge mit dem Irokesen dazu beizutragen hatte. Er zog seine Hand zurück und blickte wenig erfreut auf die leicht gerötete Stelle auf seinem Handrücken. Dann drehte er sich etwas weg. Er hatte selbst etwas zu essen dabei, doch offenbar war Kidous deutlich leckerer als seines. Sakuma jedenfalls konnte den großartigen Geschmack nur bestätigen.   „Lass dich von ihm nicht ärgern“, sagte Genda ruhig zu seinem Sitznachbarn gebeugt. Er war noch stiller und gesammelter als sonst, musste Sakuma feststellen. Kurz zog der Stürmer eine Augenbraue hoch, als er dem Braunhaarigen beim Essen zusah.   „Ich versuch's ja“, gab er schließlich resignierend zurück. „Aber sag mal, was ist eigentlich mit dir los? Du bist seit Tagen so still und irgendwie wirkst du die meiste Zeit abwesend. Du stocherst auch mehr in deinem Essen als dass du wirklich was zu dir nimmst.“   „Wovon redest du?“, fragte Genda und tat Sakumas Empfinden nach auf unwissend. Dass der Torwart sich gleich darauf mehrere Happen Reis in den Mund schob und glatt übereifrig dabei wirkte, festigte die Zweifel beim Stürmer nur noch mehr.   „Aber... ich mach doch gar nichts.“   Sakuma wollte gerade protestieren, während er seinen Sitznachbarn weiter skeptisch beäugte, doch dann stahlen sich zwei Essstäbchen von der anderen Seite an ihm vorbei und schnappten nach einem panierten Hähnchenstreifen. Der Stürmer reagierte schnell - aber nicht schnell genug, um zu verhindern, dass das Stück Fleisch durch sein Eingreifen neben ihm auf dem Rasen landete.   „Fudou!“, knurrte er, womit er dem Übeltäter nur ein Grinsen abgewinnen konnte.   „Jetzt hast du Kidous liebevoll zubereitetes Essen in den Dreck geschmissen. Hättest es mir doch gönnen sollen, dann wäre es nicht ganz so verschwendet gewesen.“   „Stell es nicht so dar, als wäre es meine Schuld!“, murrte Sakuma und er war wirklich wütend. Es war das Essen, das Kidou mit ihm geteilt hatte und jetzt lag es da zwischen den saftig grünen Grashalmen – wahrlich eine Verschwendung. Der Drang, aufzustehen und Fudou über den halben Schulhof ihrer High School zu jagen, wurde von Gendas Hand auf seiner Schulter unterdrückt. Wahrscheinlich hätte er dem festen Griff des Torhüters auch gar nicht entkommen können, selbst wenn er aufstehen hätte wollen.   Einen Moment musste sich Sakuma sammeln, dann legte er die Essstäbchen weg und sah von Kidou zu Genda – Fudou bekam nur die kalte Schulter.   „Wie wäre es, wenn wir uns dieses Wochenende wieder zusammensetzen und Lernen? So wie bei Teikoku damals – alle zusammen. Das haben wir lange nicht mehr gemacht.“   Kidou und auch Genda waren überrascht nebst dem plötzlichen Vorschlag. Es stimmte, sie hatten es zuletzt getan, als sie noch zusammen auf die selbe Schule gingen. Jetzt, wo sie die selbe High School besuchten, sollte dem nichts mehr im Weg stehen. Die alten Zeiten wieder aufleben lassen hatte etwas Nostalgisches an sich und die beiden Jungs konnten sich dem Zauber selbst nicht entziehen. Schließlich nickte Kidou.   „Das klingt gut. Es ist tatsächlich viel zu lange her“, stellte er fest und wirkte mit seinem Lächeln ein klein wenig sentimental dabei. Das konnten die Goggles auch nicht verbergen.   „So richtig wie früher? Mit gemeinsamem Übernachten?“, fragte Genda schließlich, um sicherzustellen, dass er es richtig verstanden hatte. Gänzlich erfreut sah er nicht dabei aus.   Vielleicht waren sie für so etwas zu alt. Aber nur weil sie jetzt auf der High School waren und der Ernst des Lebens langsam begann, musste man sich ja nicht gleich einen Stock in den Hintern schieben. Sie konnten immer noch wie Verrückte trainieren, nachts zusammen zocken oder andere Dinge tun, die man eben so tat, wenn man jung war.   „Wenn schon, dann richtig“, erwiderte Kidou in Gendas Richtung und schmunzelte. „Mein Vater ist auf Geschäftsreise, wir haben also das ganze Haus für uns, wenn man von dem Personal absieht.“   „Perfekt!“   Sakuma war schon Feuer und Flamme, Kidou wirkte auch überzeugt von der Idee, nur Genda sah nicht so glücklich aus. Doch niemand blickte so argwöhnisch drein wie Fudou, der das Gespräch unkommentiert an sich vorbei ziehen ließ.   Der Freitagabend sollte nicht lange auf sich warten lassen. Always On His Mind ------------------ Das Training verging wie im Flug und schließlich waren sie von sämtlichen schulischen Aktivitäten befreit – jedenfalls von der Pflicht. Zuhause warteten immerhin noch ihre Bücher auf sie. Genda befand sich schon auf dem Weg nach Hause, um alles Wichtige für die Übernachtung zusammenzusammeln. Sakuma dagegen hatte sich bereit erklärt, mit Kidou einkaufen zu gehen. Sie hatten beschlossen, dass sie sich nicht bekochen lassen würden, sondern gemeinsam ihr Abendessen zubereiten wollten.   „Es gibt so viele Möglichkeiten“, stellte Kidou überlegend fest und seufzte kurz. Es musste etwas sein, dass möglichst einfach war, aber allen schmeckte. Der Mittelfeldspieler hatte einfach viel zu wenig Erfahrung in der Küche, als dass er ein ausgefallenes, aufwändiges Gericht zubereiten könnte. Sicher war er zwar nicht, doch er konnte sich nicht vorstellen, dass es seinen Freunden da großartig anders ging. Sie waren eben Jungs aus einigermaßen gutem Hause, da war es unüblich, dass sie auch nur einen Finger an den Herd legen mussten.   Sakuma ging neben ihm her und war ebenfalls in Gedanken versunken. Dann drehte er den Kopf und blickte in das Gesicht seines besten Freundes.   „Okonomiyaki.“   „Hm?“, kam es erst nur von Kidou nebst dem Vorschlag. Doch dann fokussierte er seine Gedanken darauf und je mehr er darüber nachdachte, desto mehr gefiel ihm die Idee.   „Es ist variabel, sodass es für jeden Geschmack angepasst werden kann und der Aufwand ist gering. Eigentlich kann nichts schief gehen“, fasste der Stratege schließlich zusammen und nickte einwilligend. Sakuma lächelte daraufhin zufrieden und Kidou schweifte einen Augenblick mit seinen Gedanken ab. Nicht, um zu überlegen, was sie dafür einkaufen müssten, obwohl das jetzt angebracht wäre. Er musste an das blauhaarige Mädchen denken, das sich ihm einfach bezüglich Okonomiyakis in den Kopf gebrannt hatte. Es war wahrscheinlich eine Art Trauma, obwohl er gar nicht derjenige gewesen war, der unter ihr besonders zu leiden hatte.   „Kidou!“   Der einfache aber kräftige Ausruf von Sakuma ließ den Braunhaarigen kurz zusammenzucken, dann klärten sich ungesehen seine Augen wieder auf und er blickte fragend zu dem Stürmer.   „Du hast mir nicht zugehört, oder?“, fragte der Langhaarige resignierend und verzog ein wenig den Mund.   „Tut mir Leid.“   „Schon okay... Aber bitte werd jetzt nicht auch noch komisch“, murmelte Sakuma und Kidou wusste schon, worauf er hinaus wollte – Genda. Er wollte nichts beschreien, aber er hielt es für dezent merkwürdig, dass der Torhüter sich alleine auf nach Hause gemacht hatte. Und auch die Idee der Übernachtung schien ihm nicht gefallen zu haben. Noch dazu war er seit Tagen immer wieder mit den Gedanken woanders. Kidou ist dies besonders im Training aufgefallen, da er nicht mit ihm, Sakuma und Fudou in einer Klasse war. Doch auf dem Platz empfand er es als ziemlich deutlich.   „Werde ich nicht“, versprach er und hob die Mundwinkel zu einem schwachen, aber ehrlichen Lächeln. Aber es sah nicht aus, als ob es Sakuma gänzlich beruhigen würde. „Genda fängt sich sicher auch wieder. Wir haben doch alle mal eine schwierige Phase, in der wir uns neu orientieren müssen. Aber das macht uns nur stärker“, fügte er schließlich noch hinzu.   „Aber er kann doch mit uns darüber reden... Er nimmt langsam deine Verhaltenszüge an, Kidou. Du musst auch immer alles für dich alleine lösen, aber Freunde sind doch dazu da, um zu helfen. Ich dachte, wenigstens Genda wäre das bewusst.“   Die unter einem Seufzen hervorgebrachten Worte von Sakuma ließen ihn stutzen. War er wirklich so schlimm? Er hatte seine eigene Art, Probleme zu lösen, das wusste er. In manche Angelegenheiten wollte er seine Freunde eben auch nicht mit hinein ziehen, vor allem nicht, wenn es zu gefährlich war. Er hatte gesehen, was Kageyama ihnen alles angetan hatte und noch heute empfand er große Reue, dass sie überhaupt in all das verwickelt worden waren.   Doch was musste passiert sein, dass Genda genau so denken sollte, wie er? Kidou fand auf Anhieb keine Erklärung dafür.   „Ich bin mir sicher, dass er zu uns kommen wird, wenn er es nicht allein bewältigen kann. Mach dir keine Sorgen.“   „Hoffentlich hast du recht...“, murmelte Sakuma und beließ es dabei. Er konnte mit dem Strategen noch so lange rätseln, am Ende hatten sie viel zu wenig Anhaltspunkte, um etwas Stichfestes schlussfolgern zu können. Aber er wollte helfen. Er wollte eine Erklärung.   Kurze Zeit später hatten sie einen Supermarkt erreicht, der auf dem Weg lag. Viel brauchten sie gar nicht mehr, denn Mehl, Nudeln und Eier befanden sich noch in der Küche der Kidous ebenso Mayo, Bonito-Flocken und die nötige Sauce – das wusste ihr Adoptivsohn. Blieben nur noch Gemüse und Meeresfrüchte. Kohl und Yamswurzel waren schnell gefunden, doch während Kidou weiterführend über andere Gemüsesorten nachdachte, stand Sakuma noch immer am Kühlregal. Er hatte sich keinen Zentimeter bewegt.   „Alles okay?“, fragte Kidou schließlich, als er sich neben ihn stellte und seinem Blick folgte. Doch so richtig verstand er das Problem nicht. Es war nichts ausverkauft oder dergleichen.   „Hmm... Ja. Ich weiß einfach nicht, wie viel Gramm Garnelen wir holen sollen. Genda mag die sehr gerne, da wollen wir doch nicht zu wenig haben, nicht wahr?“   Dieses selige Gesicht, das Sakuma gerade aufgelegt hatte, ließ Kidou schmunzeln. Er selbst wollte den Abend für den Torhüter so angenehm wie möglich machen, keine Frage. Trauer über zu wenig Garnelen wollte er um jeden Preis vermeiden. Aber so tief verwurzelt wie im Stürmer war das Gefühl bei ihm scheinbar nicht. Wenn man bedachte, was sie zusammen durchgemacht hatten, dann war das aber wohl kein Wunder. Kidou verstand, dass sich die beiden mittlerweile näher standen als ihm. Und verübeln konnte er es ihnen nicht, schließlich hatte er die Entscheidung an die Raimon Junior High zu wechseln, selbst gefällt.   „Dann lass uns zwei Packungen von denen nehmen, schlecht werden die bei uns schon nicht.“   Sakuma nickte lächelnd und nahm die verpackten Garnelen an sich. Dass sie die ganze Zeit über verfolgt und beobachtet wurden, ahnten sie beide nicht. Sie waren auch viel zu sehr mit dem Einkauf und diesbezüglichen Überlegungen beschäftigt, als dass sie groß auf ihre Umwelt achteten. Schließlich landete auch die letzte Zutat in ihrem Besitz und alles wurde ordnungsgemäß bezahlt. Sakuma wollte den Betrag zwar teilen, doch Kidou beharrte darauf, den Betrag alleine zu übernehmen. Am Ende musste der Langhaarige nachgeben.   Wenig später hatten sie sich vorerst in Kidous Lern- und Fernsehzimmer eingefunden, saßen auf dem Sofa und aßen Snacks statt über ihren Schulbüchern zu hängen. Ohne Genda wollten sie nicht anfangen und besagter Torhüter war noch nicht aufgetaucht. Im Fernsehen lief eine Reportage über die J-League, die sie aufmerksam verfolgten.   Wenig später ging die Tür auf.   Reflexartig drehten sich die Köpfe der beiden Jungs, während sich Sakuma gerade einen weiteren Reiscracker in den Mund schieben wollte. Ein Glück, dass er vorher inne hielt, sonst wäre er sicher im nächsten Moment daran erstickt.   „Fudou!“, sagte der Stürmer entsetzt und starrte den Jungen völlig schockiert an. In seiner Hand knackte der Cracker, als er in mehrere Splitter zerbrach. Kidou war ebenfalls überrascht und auch seine Begeisterung hielt sich in Grenzen. Was machte der Kerl hier?   „Was tut ihr denn so überrascht? Wir wollten doch zusammen lernen. Team Teikoku und so, die guten alten Zeiten“, rechtfertigte er sich und zuckte unbeeindruckt mit den Schultern. Das Grinsen konnte er sich dennoch nicht verkneifen, als er in den Raum hinein trat, seine Tasche ablegte und es sich dreist auf dem Sofa bequem machte.   Und es sah nicht so aus, als hatte er vor bald wieder zu gehen. Cooking ------- Als Genda die Gruppe verstärkte, staunte er nicht schlecht, denn Fudous Anwesenheit war nicht geplant gewesen und trotzdem war er da. Offenbar hatten es die anderen zwei nicht fertig gebracht, ihn vor die Tür zu setzen. Vielleicht fehlte ihnen aber auch einfach der Nerv dafür sich mit ihm herumzustreiten. Also durfte der Mittelfeldspieler vorerst bleiben. Der Torhüter selbst wirkte nicht so, als hätte er ein Problem mit dem Überraschungsgast. Er hatte ein Pokerface aufgesetzt, das es Sakuma kaum möglich machte, wirklich unter die Fassade zu blicken. Zwar kam es dem Stürmer immer noch so vor, als wäre sein Freund nicht bei bester Laune und wenig erfreut über die Situation, doch das musste ja nicht an Fudou liegen. Sehr wahrscheinlich lag es sogar nicht an dem Jungen, denn mit diesem Gesicht lief Genda ja schon ein Weilchen länger herum.   Die Jungs beschlossen, sich zuerst um ihr Abendessen zu kümmern, da sie alle versammelt waren. Lernen konnten sie auch danach noch und so langsam halfen auch keine Reiscracker mehr gegen das Loch im Magen, das ihr nachmittägliches Training hinterlassen hatte.   „Genda, du rührst den Teig an. Fudou, deine Aufgabe ist es, das Gemüse zu waschen und zu schneiden. Sakuma, du kümmerst dich um die Nudeln und hilfst Fudou beim Schneiden. Ich reibe die Yamswurzel.“   Den Anweisungen des Mittelfelddirigenten wurde Folge geleistet wie es sich gehörte. Für Sakuma und Genda war es nur normal, sie hatten so lange unter seiner Leitung gespielt, dass alles, was Kidou ihnen auftrug, ausgeführt wurde – außer es war hirnrissig, aber das traf zum Glück nie zu bei ihm. Fudou fügte sich seiner Rolle mit einem amüsierten Schnauben und stellte sich an die Arbeitsplatte. Das Gemüse hatten sie nach dem Einkauf gar nicht mehr verräumt, es musste also nur noch zugegriffen werden.   Kidou selbst musste zu aller erst die nötigen Utensilien zusammensuchen. Eine Schüssel, eine Pfanne, ein Schneidebrett – die Liste war deutlich länger – reihten sich auf der Arbeitsplatte auf und auch die Reibe befand sich wenig später in seinen Händen.   „Sakuma, kannst du mir die Eier aus dem Kühlschrank holen?“, fragte Genda, während er die nötige Menge Mehl abmaß. Das Wasser im Topf kochte noch nicht, da konnte sich der Stürmer auch da anbieten, wo er gebraucht wurde. Fudou legte sein Schneidemesser beiseite und beäugte den Jungen mit der Augenklappe skeptisch.   „Natürlich“, kam es kurz von dem, während er sich auf zum Kühlschrank machte und die Tür öffnete. Die Eier waren schnell gefunden und artistisch in den Händen gestapelt. Mit dem Oberarm stieß er die Kühlschranktür in einer halben Drehung wieder zu, doch vor ihm bildete sich eine dunkle Wand, die ihn erschrecken und zurückzucken ließ. Gerade noch rechtzeitig fanden sich zwei Hände an seinen wieder und sicherten auch das wackligste Ei in Sakumas Obhut. Voller Empörung und immer noch mit weichen Knien vor Schreck blickte er in die Augen, die seinen gegenüber lagen.   „Fudou! Was stehst du so dich hinter mir? Das wäre beinahe schief gegangen“, beklagte sich der Stürmer und versuchte, das leichte Zittern seiner Stimme zu unterdrücken. Das half ihm immerhin dabei, ruhiger zu sprechen und sich nicht so sehr aufzuregen. Die Hände wurden dem Mittelfeldspieler entzogen und kurz darauf stahl sich Sakuma gänzlich an ihm vorbei.   „Ich wollte dir tragen helfen. War mir sicher, dass du die niemals alle heile ans Ziel bringen würdest. Dafür hast du viel zu zierliche Hände. Und ich hatte Recht, du hättest sie fallen lassen, hätte ich sie nicht gerettet.“   „Als ob!“   Vielleicht lag es an der Tatsache, dass Fudou ihn immer wieder provozierte, vielleicht aber auch an dem frechen, belustigten Tonfall in der Stimme des Mittelfeldspielers, doch Sakuma kaufte ihm diese Erklärung nicht ab. Er legte die Eier neben Genda auf die Arbeitsfläche und grummelte so offensichtlich in sich hinein, dass es für den Anderen deutlich bemerkbar war.   „Lass dich nicht ärgern“, flüsterte er ruhig in Sakumas Ohr, löste diesen Augenblick der Nähe aber schnell wieder zwischen ihnen. Fudou drängte sich schließlich auch zwischen sie und legte die letzten zwei Eier ab, die er aus Sakumas Händen vor dem Fallen gerettet hatte.   „Fudou! Sakuma! Das Gemüse schneidet sich nicht von allein“, merkte Kidou streng an, woraufhin sich die zwei Jungs wieder in Bewegung setzten und sich in einen Schneidewettstreit verrannten. Zum Glück hatte jeder sein eigenes Brettchen, so konnte der Stürmer ausreichend Abstand zwischen ihnen halten. Das eben am Kühlschrank war schon schlimm genug gewesen.   Es dauerte nicht lange, da brutzelten die ersten beiden Okonomiyaki in den Pfannen. Sakuma behielt sie gut im Auge, während Kidou den Schwamm schwang und das schmutzige Geschirr reinigte. Genda half beim Abtrocknen, nur Fudou machte keine Anstalten auch nur einen Finger krumm zu machen.   „Lass das Essen bloß nicht anbrennen~“, kam es vom Mittelfeldspieler, der am Tisch saß und Sakuma genau beäugte. So als Hausfrau machte er sich gar nicht schlecht – fehlte nur noch ein Rüschenschürzchen zur Vollendung des Gesamtbildes. Bei dem Gedanken musste Fudou glucksen, sein Kopfkino war definitiv sehenswert.   Prüfend warf Kidou einen Blick auf die Pfannen.   „Die sehen schon gut aus, oder?“, fragte Sakuma und blickte den Mittelfeldspieler an, der mit einem knappen „Ja.“ antwortete und ein paar Teller aus dem Hängeschrank schräg über dem Herd holte. Während der Stürmer Fudous Okonomiyaki auf den Teller hievte, rührte der sich kein Stück. Er saß weiter zurückgelehnt und mit vor der Brust verschränkten Armen am Tisch und beobachtete, was seine Teamkameraden so taten.   „Wenn du nicht herkommst, wird dein Essen kalt“, stellte Kidou fest, der gerade jedes fertige Okonomiyaki mit Soße, Mayo und Bonito-Flocken dekorierte. Zu ihm umdrehen tat er sich dabei nicht.   „Hm? Soweit ich weiß, bringt die Hausfrau dem Mann das Essen an den Tisch“, kam es gelassen und mit einem leichten Grinsen auf den Lippen in Sakumas Richtung. Der Stürmer zog die Augenbrauen zusammen und schloss einen Moment die Augen, um sich zu sammeln und die Ruhe nicht zu verlieren. Fudou bot einem wirklich ein sehr intensives Training in Selbstbeherrschung.   „Hör auf damit, Sakuma wie dein Hausmädchen zu behandeln“, mischte sich schließlich Genda ein. Diese Art mit seinem Freund umzugehen, konnte er absolut nicht dulden – auch nicht von einem Fudou Akio. Stattdessen griff sich der Torhüter die zwei Teller und brachte sie an den Esstisch.   „Nicht Hausmädchen. Hausfrau.“   „Ist mir egal, er ist auch nicht mit dir verheiratet.“   Ein wenig fester als geplant – bei dem Lauten knall hatten sie Glück, dass der Teller nicht zerbrach – stellte Genda Fudou sein Okonomiyaki vor die Nase. Es war deutlich zu erkennen, welches seines war, denn ein Schriftzug aus Mayo lachte ihm förmlich ins Gesicht. Idiot.   „Noch nicht“, sagte Fudou schließlich, pickte sich mit seinen Essstäbchen ein Stück ab und steckte es sich in den Mund – völlig unbeeindruckt von dem Schriftzug. Warten würde er sicherlich nicht, bis die anderen ihr Essen hatten. Wozu auch? Seines würde dann nur kalt werden.   „Dich würde ich niemals heiraten“, merkte Sakuma an. Er und Kidou hatten ihr Okonomiyaki auf die Pfannen verteilt und reichlich belegt. Jetzt hieß es warten und so setzten sie sich mit an den Tisch. Natürlich suchte sich der Stürmer den Platz neben Genda aus und brachte damit die gerade größtmögliche Distanz zwischen sich und den Irokesenträger.   „Du brichst mir das Herz“, spöttelte Fudou und kassierte einen mahnenden Blick von Kidou. Scheinbar hatte er für heute langsam genug von ihren Streitereien, lange würde er sich das nicht mehr anhören. Der nervige Jugendliche hatte längst einen Tritt vor sein Schienbein verdient. Leider war der Mittelfelddirigent nicht für Gewalt zu haben.   „Hey, Sakuma. Möchtest du was von meinem Okonomiyaki? Du bist doch sicher auch schon hungrig.“   Offenbar versuchte Genda seinen Teamkameraden damit etwas abzulenken und bekanntlich half es ja, wenn man jemand hungrigem etwas zu Essen gab, um seine Laune zu heben. Zwar war Sakuma von Natur aus etwas zickig, doch auf den Torhüter wirkte es, als würde er bald wie eine Bombe explodieren, wenn Fudou so weitermachte und die Nerven des Jungen weiter strapazierte. Dem Mittelfeldspieler den Mund zu stopfen funktionierte nicht, also musste er den Langhaarigen irgendwie anders besänftigen. Und sich ein Okonomiyaki zu teilen war kein schlechter Gedanke.   „Danke, aber ich warte mit Kidou.“   „Musst du nicht“, wand Fudou ein und schob seinen Teller etwas in Richtung Kidou. „Er kann bei mir mitessen, steht ja immerhin auch sein Name drauf.“   „Fudou...“, gab der Mittelfeldspieler etwas erstaunt und wenig wortgewandt zurück. Dann schmunzelte er und griff sich seine Essstäbchen. Da sagte er doch nicht nein. Sakuma beobachtete das Geschehen ein wenig unglücklich, tat es Kidou dann aber doch gleich und bediente sich an Gendas Okonomiyaki.   „Danke“, sagte er knapp und lächelte dabei. Zum ersten Mal an diesem Tag bemerkte Sakuma, dass von dem Trübsal in Gendas Augen nichts mehr übrig war – jedenfalls für diesen Moment. Night (1) --------- „Nicht schon wieder...“, kam es seufzend von Sakuma. Er sah erschöpft auf sein Matheheft und schielte dann zu Kidous rüber. Der hatte keine Probleme mit der Aufgabe – im Gegenteil, er war sogar schon bei der übernächsten. Sakuma hatte einfach Zeit verloren, denn er rechnete diese schon das zweite Mal und erneut ging seine Rechnung nicht auf.   „Klappt es nicht?“, fragte Kidou und hob den Blick von seinem Matheheft.   „Nein. Jetzt sind die Gleichungen zwar okay, aber ich hab die Wurzel aus 'ner negativen Zahl – das kann doch nicht stimmen.“   Sakuma resignierte. Er würde einfach die nächste Aufgabe rechnen und diese überspringen. Am Ende könnte er sich die Lösung von Kidou angucken und fertig. Es war nur hinderlich, wenn er sich jetzt zu lange daran aufhalten würde. Außerdem war es furchtbar frustrierend.   „Dann lasst uns aufhören. Es hat doch keinen Sinn, wenn der Kopf nicht mehr mitmacht und es ist wirklich anstrengend noch konzentriert zu bleiben.“   „Ich stimme Genda zu. Wir haben wirklich viel geschafft, es ist okay, wenn wir den Rest auf morgen verschieben.“   Sakuma war froh über die Erlösung durch Genda und Kidou. Er legte den Stift zur Seite und schob das Heft vor sich weg. Seine Nerven hatten unter der Aufgabe fürchterlich gelitten und so legte er sich mit dem Oberkörper nach hinten auf den Boden und schloss die Augen – ein wenig Entspannung tat jetzt gut. Lange sollte sie ihm aber nicht gegönnt sein.   „Hey, Sakuma. Würdest du lieber einen Tag 'n Mädchen oder einen Tag wieder 'n Kind sein?“   Irritiert öffnete der Angesprochene die Augen wieder und sah zu Fudou. Die Verwirrung über die plötzliche Frage war Sakuma ins Gesicht geschrieben. Musste er auf so eine Frage wirklich antworten? Die anderen guckten ihn allerdings auch schon erwartungsvoll an, daher tat er ihnen den Gefallen.   „Ein Mädchen“ sagte Sakuma, doch irgendwie hatte er das Gefühl, er müsste das noch ausführlicher erklären, so wie der Rest ihn anguckte. Fudou grinste breit und es war klar, dass er das als Aufhänger nehmen würde, um Sakuma weiter zu ärgern.   „Weil... es doch irgendwie interessant ist, das Leben mal aus einer anderen Perspektive zu sehen. Man kann sicherlich daraus lernen. Aber für länger als einen Tag würde ich kein Mädchen sein wollen.“   Es sah so aus, als ob die Erklärung geholfen hatte. Kidou jedenfalls nickte verstehend und auch Genda wirkte zufrieden damit. Fudou grinste zwar noch, aber er konnte ihm daraus sicher keinen Strick mehr drehen. Jeder war doch neugierig, wie es sich im Körper des anderen Geschlechts anfühlte, oder? Das hieß aber nicht, dass man es gleich für immer wechseln wollte.   „Okay, dann bist du jetzt dran“, sagte Fudou und hielt ihm seinen Bleistift hin. „Drehen und deine „Würdest du lieber...?“-Frage stellen.“   Sakuma setzte sich wieder richtig an den Tisch, legte den Stift darauf und drehte. Ziemlich schnell war das nächste Opfer gefunden – Kidou.   „Okay, ähm... Würdest du lieber einen Star daten oder die heißeste Person, die du kennst?"   Kidous Augenbrauen zogen sich nach oben und einen Moment war es mucksmäuschenstill im Raum. Sakuma tauschte kurz einen Blick mit Genda, Fudou schmunzelte nur.   „Das ist wirklich schwierig. Da spielen so viele Faktoren mit rein, zum Beispiel, wie angenehm ist der Charakter der heißesten Person? Von der Optik allein hat man nicht viel. Ich glaube, das kann man pauschal nicht sagen.“   „Der Charakter ist doch egal, wenn man nur einmal ran will. Du musst sie ja nicht gleich heiraten und wenn sie nervt, musst du sie halt ruhig stellen“, kam es von Fudou, der dieses Charakter-Drama nicht verstand. Für ihn war das nicht ausschlaggebend.   „Du bist so unsensibel.“   „Nein, Sakuma. Ich weiß einfach was gut ist~“   Bevor Fudou und Sakuma sich jetzt allerdings noch in einer sinnlosen Diskussion verloren, fuhr Kidou mit dem Spiel fort und dieses Mal zeigte die Bleistiftspitze auf Genda.   "Würdest du lieber die wahre Liebe oder 100 Millionen Yen finden?", fragte Kidou und erntete dafür ein spöttisches Lachen von Fudou. Ihm war das hier wirklich zu langweilig. Wenn es nach ihm ginge, dann könnten sie hier ruhig ein wenig pikantere Fragen stellen, aber leider war er nicht dran und ihm waren so lange die Hände gebunden.   „Die wahre Liebe“, antwortete Genda und Fudou fügte in Gedanken ein natürlich hinten dran. Es war nicht auszuhalten für ihn, wie nett und kitschig dieser Junge war. Aber in dieser Runde war Fudou selbst scheinbar der einzige, den man mit der großen Liebe nicht locken konnte. Er fühlte sich auch viel zu jung, um jetzt schon seine Gedanken an so etwas zu verschwenden. Er wollte Spaß haben und sich ausleben – das sollte in seinem Alter eigentlich normal sein. Und nicht dieses Geschwafel, fand er jedenfalls.   Zwar versuchte Fudou im Laufe des Spiels durch weitere auf Sex bezogene Fragen ein paar interessantere Details aus seinen Mannschaftskameraden herauszulocken, aber er war der einzige, der derartige Informationen verlangte. So blieb das Spiel für ihn weitestgehend langweilig und auch die Antworten, die auf seine Fragen kamen, waren zumeist uninteressant. Davon provoziert war definitiv auch die nächste Frage von ihm an Sakuma.   „Würdest du lieber mit Genda oder mit Kidou vögeln?“   Es war wieder totenstill im Raum und alles starrte Fudou an. Genda wurde ein wenig blass. Kidou hatte die Augenbrauen zusammengezogen. Sakuma stand ein Stück weit der Mund offen und er war noch dabei, die Frage irgendwie zu verdauen, bevor er anfing, motzig zu werden.   „Was ist denn das für eine Frage? Ich will gar nichts davon! Also wähle ich auch keinen der beiden!“   „Aber die Spielregeln erfordern, dass du einen der beiden nennst. Du wirst dir das mit einem doch wohl mehr vorstellen können als mit dem anderen~“   „Ich kann es mir aber mit beiden gleich wenig vorstellen!“   „Vielleicht sollten wir lieber schlafen gehen, dann könnt ihr zwei eure Gemüter beruhigen“, kam es von Kidou und er blickte nicht gerade erfreut zu den beiden Streithähnen. Offensichtlich wollte er auf Fudous Frage ebenso wenig eine Antwort hören, wie Sakuma eine geben wollte.   „Ihr seid alles langweilige Spielverderber“, merkte Fudou trotzig an, stand dann aber auf und kramte in seiner Tasche nach einer Zahnbürste samt Zahnpasta. Er ging schließlich als erster ins Bad, so hatte Sakuma genug Zeit, um sich wieder zu beruhigen. Allerdings war es nicht gerade angenehm für ihn ausgerechnet jetzt alleine mit Kidou und Genda in einem Raum zu sein. Die Frage war ihm immer noch unangenehm, schließlich waren sie doch beide seine Freunde. Und warum sollte er überhaupt Sex mit einem von ihnen haben wollen?   So richtig runter kam er nicht. Er sagte zwar keinen Ton mehr, aber innerlich war er total aufgewühlt. Denn obwohl er diese Frage als dumm und unnötig empfunden hatte, konnte er die Gedanken nicht aufhalten, die sich in seinen Kopf schlichen. Und langsam fragte er sich wirklich, ob er vielleicht doch Sex mit Kidou haben wollen würde – egal wie absurd es klingen musste. Sakuma wusste längst, dass er ihm wichtig war und wenn er es genau nahm, fiel ihm niemand ein, mit dem er sich sonst vorstellen könnte, intim zu werden.   „Alles okay?“, fragte ihn plötzlich eine Stimme und als er aufsah, blickte er direkt in das Gesicht von Genda. Er sah besorgt aus, soviel war zu erkennen. Außerdem hatte er seine Hand auf Sakumas Schulter gelegt.   „Ja... alles klar.“   Dem skeptischen Blick von Genda wich er aus und stand nun ebenfalls auf – gerade richtig, wie Kidou fand.   „Hilf mir mal bitte, Sakuma. Wir müssen im Schlafzimmer noch zwei Futons fertig machen“, sprach er und ging schon mal voraus. Sakuma folgte ihm bereitwillig, schließlich half er seinem Freund wirklich gerne. Und er war auch froh, dass Kidou ihn darum gebeten hatte.   Sie waren gerade dabei die Kissen anzurichten, da kam Fudou aus dem Bad wieder und beschlagnahmte schnurstracks das Bett für sich. Mit einem kurzen „Hier schlaf ich.“ machte er dann noch unmissverständlich klar, dass er da oben bei Kidou schlafen würde. Sakuma knurrte kurz, denn das war auch sein eigener Plan gewesen.   „Du wirst schön hier unten schlafen. Ich schlafe bei Kidou im Bett“, merkte Sakuma an und sein Tonfall war alles andere als freundlich dabei. Während das Kissen in seinen Händen schon Knitterfalten bekam, ließ es Fudou ziemlich kalt. Er lag weiter unbeeindruckt ausgebreitet auf dem Bett und hatte die Augen geschlossen. Im nächsten Moment befand sich das besagte Kopfkissen in Fudous Gesicht – Sakuma hatte es ihm an den Kopf geknallt. Aber auch das ließ den Jungen nur müde grinsen.   „Du hast es halt zu spät gesagt, Pech gehabt.“   „Es ist Kidous Bett, also darf auch er entscheiden, wer da drin schläft“, versuchte es Sakuma schließlich, denn ohne ein gutes Argument und ohne die Unterstützung seines Freundes würde er hier nicht weit kommen. Er wusste, dass Fudou stur wie ein Esel war.   „Richtig, deshalb schläft auch Genda mit mir im Bett“, sagte Kidou unbekümmert und suchte sich eine Schlafhose aus dem ziemlich großen Kleiderschrank. Sakuma konnte es nicht fassen. Warum Genda und nicht er? Neben dem unguten Gefühl, dass er irgendwie trotzdem gegen Fudou verloren hatte, mischte sich Eifersucht. Es passte ihm nicht. Sakuma biss sich auf die Unterlippe, teils vor Wut, teils vor Frust. Aber auch, um sich einen bissigen Kommentar zu verkneifen. Er nahm es einfach hin, weil Kidou es so wollte.   „Es ist wirklich okay, wenn ich auf dem Boden schlafe“, wollte Genda noch einlenken, um Sakuma irgendwie den Platz im Bett zu sichern. Doch Kidou schüttelte den Kopf.   Wortlos stampfte Sakuma ins Bad und machte dort seinem Ärger Luft. Fudou dagegen schien kein Problem damit zu haben, das Bett zu räumen. Er grinste sogar ein wenig. Genda beobachtete ihn für einen Moment mit skeptischem Blick. Doch die Entscheidung stand fest, Kidou hatte sie gefällt. Er konnte nichts mehr daran drehen und würde sich ihr fügen – einerseits erleichtert, andererseits hatte er aber auch ein mulmiges Gefühl im Bauch.   Es dauerte nicht lange bis sich alle schlafen gelegt hatten und das Licht gelöscht war. Sakuma lag von Fudou weggedreht, doch das hielt letzteren nicht davon ab, ihn weiter zu piesacken. Sakuma hatte sowieso schon schlechte Laune. Hätte er zuvor die Futons bloß weit genug auseinandergezogen, doch daran hatte er nicht gedacht. Jetzt musste er irgendwie damit klar kommen.   Viel zu schnell erreichte Sakuma allerdings seine Grenze.   „Hör endlich auf damit!“, motzte er und schlug blind nach der Hand, die ständig an seiner Bettdecke zog.   „Ich weiß nicht, was du meinst.“   „Und ob du das weißt! Lass mich einfach in Ruhe!“   „Fudou, nimm deinen Futon und zieh rüber in mein Arbeitszimmer“, forderte Kidou genervt, der das Lämpchen an seinem Bett anmachte. Seine roten Augen waren streng in Richtung Übeltäter und Opfer gerichtet. Fudou schnaubte amüsiert und stand schließlich ohne zu klagen auf, rollte seinen Futon samt Decke und Kopfkissen zusammen, dass er einigermaßen gut tragbar wurde und machte sich zur Tür auf.   „Du auch, Sakuma“, forderte Kidou schließlich. Der Angesprochene konnte es nicht fassen. Hatte er gerade richtig gehört? Er sollte auch gehen? Mit einem Mix aus Empörung und Verständnislosigkeit im Blick sah er zu Kidou rüber. Die ernste Miene war Antwort genug – er sollte gehen. Das half Sakuma aber nicht dabei, es zu verstehen. Eher widerwillig schnappte er sich seine Futon-Garnitur und folgte Fudou angesäuert aus dem Raum.   „Meinst du nicht, das war etwas zu hart? Du weißt doch, wie Fudou ist. Es ist nicht Sakumas Schuld“, sagte Genda, nachdem die zwei Streithähne das Zimmer verlassen hatten. Kidou löschte das Licht erneut und legte sich wieder hin. Er konnte sich vorstellen, dass Genda als die gute Seele der alten Teikoku-Truppe und engster Freund von Sakuma damit nicht glücklich war. Trotzdem hielt er es für das Richtige.   „Anders geht es nicht. Die zwei benehmen sich seit längerem schon wie Feuer und Wasser – ständig geraten sie aneinander. Das ist schädlich für die Mannschaft. Sie müssen lernen, miteinander auszukommen. Und wenn das eine schlaflose Nacht erfordert, dann bin ich der letzte, der Sakuma unter Welpenschutz nimmt. Ich weiß wie er sich fühlt. Fudou hat mich auch eine Zeit lang fürchterlich wütend gemacht, wann immer ich ihn gesehen habe. Aber ich rege mich nicht mehr über ihn auf. Stattdessen habe ich ihn so akzeptiert, wie er ist und nehme es gelassen, wenn er mich provoziert. Das ist eben seine Art, er ist ja kein schlechter Mensch. Sakuma muss auch lernen, damit umzugehen, sonst sind sie auf dem Platz nicht zu gebrauchen.“   Die Worte brachten Genda zum Schweigen. Er verstand es – das hieß aber nicht, dass es ihm gefiel. In seinen Gedanken machte sich immer mehr die Vorstellung breit, wie sich Sakuma und Fudou angifteten. Er wollte das nicht. Er wollte nicht, dass Sakuma dem ausgesetzt war. Ihm immer beizustehen, das war es, was Genda sich geschworen hatte.   Und wie schon nächtelang zuvor hatte er es schwer Schlaf zu finden. Night (2) --------- Im Schlafzimmer war es inzwischen still geworden. Kidou hatte seit einer gefühlten Ewigkeit keinen Ton mehr von sich gegeben und Genda war sich sicher, dass er inzwischen schlief. Er selbst dagegen konnte immer noch nicht einschlafen. Sein Zeitgefühl hatte er längst verloren, doch es würde ihn nicht wundern, wenn entweder schon Stunden vergangen waren oder erst Minuten. Einfach nur dazuliegen mit so vielen Gedanken im Kopf – es raubte ihm fast den Verstand. Seine Sorgen wurden dadurch nicht kleiner.   Im Arbeitszimmer nebenan war es bei weitem nicht so still, wie es sich Sakuma wünschte. Er wollte unbedingt einschlafen, aber sein nerviger Zimmergenosse ließ ihn nicht. Ignorieren half da leider ebenfalls nicht. Die Futons waren verhängnisvoll nah nebeneinander, obwohl Sakuma mehrfach mehrere Meter Abstand zwischen sie gebracht hatte, die von Fudou wieder und wieder neutralisiert wurden. Am Ende hatte Sakuma schlichtweg genervt aufgegeben – sollte er doch liegen wo er wollte, Ruhe bekäme er unabhängig vom Abstand sowieso nicht.   „Du hast immer noch nicht auf meine Frage geantwortet.“   „Fängst du schon wieder damit an? Ich will schlafen, also gib endlich Ruhe...“   „Dann antworte halt. Mehr will ich ja gar nicht wissen.“   „Du glaubst doch selbst nicht, dass du danach den Mund hältst, wenn ich es dir sage“, gab Sakuma murrend zurück. Er kannte Fudou gut genug, um ihn in der Hinsicht einschätzen zu können. Und das hier machte er ganz gewiss nicht wegen dieser einen unbeantworteten Frage. Er wollte ihn einfach ärgern. Nicht umsonst war Schlafentzug ein beliebtes Foltermittel. Sakuma versuchte erneut Fudou zu ignorieren und in seine eigenen Gedanken zu tauchen, in der Hoffnung, er könnte sein Gerede aussperren und endlich Schlaf finden.   „Es ist Kidou, nicht wahr?“   Und schon war der Versuch verpufft. Sakuma schluckte schwer während sein Herz anfing schneller zu schlagen und sich Hitze in seinem ganzen Körper ausbreitete. Das hatte Fudou doch jetzt nur geraten, dachte er sich. Oder er hoffte es vielmehr. Doch leider hatte er recht, darauf war Sakuma vorhin selbst noch gekommen. Das konnte Fudou unmöglich wissen, nicht wahr?   „Also ist er es. Krass! Liegt es an seinem Cape oder daran, dass er dich wie Scheiße behandelt?“   „Nichts davon! Das ist nicht mal wahr! Hör endlich auf damit! Ich will keinen Sex mit ihm!“   „Sicher...“   Sakuma wollte sich gerade erneut rechtfertigen, als er eine Hand fest an seinem Oberarm spürte. Im nächsten Augenblick war er mit beiden Armen am Boden fest gepinnt und ein schwerer Körper drückte ihn zusätzlich mit dem Rücken in die dünne Matratze. Dabei hatte er ihn sich gar nicht rühren sehen...   Perplex sah Sakuma in dem Halbdunkel, das von den Straßenlaternen erzeugt wurde, nach oben – dahin, wo er nur wie einen schwarzen Schatten den Kopf von Fudou erkennen konnte. Sakumas Gesicht wurde vom eindringenden Licht ein wenig erhellt, Fudou tauchte es dafür in Finsternis. Ein festes Rütteln mit den Armen half kein Stück, das Strampeln mit den Beinen führte nur dazu, dass sich die Decke mehr in diesen verfing.   „Geh runter! Was soll denn der Scheiß?!“   „Du wurdest vorher noch nie flachgelegt, huh?“, kam es grinsend von Fudou. Zwar war es in der Dunkelheit nicht zu erkennen, aber deutlich hörbar. Und Sakuma bildete sich sogar ein, es auf dem schwarzen Schatten über ihm zu sehen. Wenigstens war die leichte Röte in seinem Gesicht ebenfalls nicht sichtbar. Langsam aber sicher wurde ihm der Kerl wirklich zu dreist. Erst dieses Gerede über Kidou, jetzt auch noch seine angebliche Jungfräulichkeit? Es fühlte sich auch ganz und gar nicht angenehm an, Fudou auf sich zu haben – irgendwie eher verhängnisvoll.   „Das geht dich wohl kaum was an“, stellte Sakuma klar, während seine Stimme leicht zitterte. Er versuchte es noch einmal mit Zappeln, aber auch dieses Mal half es nicht.   „Ich will aber schon gern wissen, ob ich dein erster bin~“   „Was?! … Okay, das war jetzt lustig genug, geh run-!“   Jeder weitere und verständliche Protest wurde von einem Lippenpaar unterbunden. Sakuma weitete die Augen und war für einen Moment wie gelähmt. Das war wirklich nicht mehr lustig. Und so langsam beschlich ihn das ungute Gefühl, dass Fudou gar nicht mehr scherzte. Ein weiterer Versuch sich unter ihm zu befreien scheiterte und als Sakuma seinen Kopf wegdrehte, folgte ihm Fudou. Seine Küsse waren dominant und bestimmend und offenbar ein unaufhaltsamer Vorbote für das, was bei so etwas für gewöhnlich folgte – Sex.   „Fudou... hör auf!“, brachte Sakuma irgendwie zwischen den Küssen hervor, durch die es seinen Worten deutlich an Kraft fehlte. Sie klangen viel mehr gekeucht als gesprochen, was dem Luftmangel zuzusprechen war. Und Fudou nutzte den Moment rücksichtslos aus, in dem Sakumas Mund zum Reden offen stand. Dem Stürmer blieb die Luft weg, als er die fremde, feuchtwarme Zunge an seiner spürte und seine Fingernägel bohrten sich in seine Handflächen.   Konnte das hier noch schlimmer werden?   Sakuma schaffte es erneut den Kopf zu drehen und sich so sowohl Fudous Lippen als auch seiner Zunge zu entziehen. „Stopp!“, brachte er völlig geschockt zustande.   Fudou allerdings fasste seinen gekeuchten Ausruf anders auf und machte unbeirrt weiter. Seine Lippen wanderten über Sakumas Unterkiefer schräg runter zu dessen Hals, an dem seine heiße Zunge eine feuchte Spur hinterließ. Das und der erhitzte Atem, der stoßweise über seine Haut glitt, verpassten Sakuma eine Gänsehaut. Der hatte mittlerweile sogar aufgehört zu protestieren. Es hatte ja doch keinen Sinn. Er hörte nicht auf, egal wie oft Sakuma ihn dazu aufforderte.   Konnte er nicht mehr tun, um ihn aufzuhalten?   Sakumas Körper fühlte sich mittlerweile schwach und kraftlos an und selbst als Fudou eine Hand von seinem Arm löste, um damit verstohlen unter sein Shirt zu gleiten, fühlte er sich machtlos. Der Versuch Fudou wegzudrücken scheiterte und sein Körper rebellierte zusätzlich gegen ihn, indem er begann sich unaufhörlich zu erhitzen. Jede Stelle, die von der fremden Hand berührt wurde, brannte und die Spur führte deutlich abwärts.   Panisch sah Sakuma nach unten – Fudous Kopf an seinem Hals versperrte ihm allerdings die Sicht. Sehen war sowieso nicht nötig, um zu merken, was da vor sich ging, denn er konnte es fühlen und sowohl der Gummibund der Jogginghose als auch der seiner Shorts konnten sich nicht mal mehr Hürde schimpfen.   Ein dumpfer Knall übertönte die schwere Atmung von Sakuma gefolgt von einem ärgerlichen Fluchen Fudous. Letzterer setzte sich wieder auf, machte aber keine Anstalten von ihm herunter zu gehen.   „Ich hab mir schon gedacht, dass du ziemlich wild und biestig im Bett bist, aber überraschend, dass du es so hart magst...“, gestand der Mittelfeldspieler amüsiert und hielt sich die Wange, die gerade eben noch hart mit Sakumas Faust kollidiert war. Sein Körper hatte sich ganz von alleine bewegt und ihm gerade noch so die Haut gerettet, bevor Fudou ihn dort berühren konnte, wo er definitiv nichts zu suchen hatte.   „Ich sagte doch... du sollst aufhören.“   „Du sagst aber auch verdammt viel, was nicht stimmt. Zum Beispiel, dass du nicht gerne Kidous Hand in deiner Hose hättest. Wie konnte ich da wissen, was du jetzt wirklich nicht willst~ Aber wo wir gerade bei Kidou sind: Vielleicht sollte ich ihn ausprobieren.“   „Du lässt deine dreckigen Finger von ihm, du Schwein!“, meckerte Sakuma sofort energisch, doch von Fudou erntete er dafür nur ein amüsiertes Glucksen. Das machte ihn nur noch wütender.   „Wenn du Kidou auch nur anrührst...!“   „Was dann? Willst du mich noch mal schlagen? Das interessiert mich einen Scheiß. Aber ich mache dir ein Angebot: Schlaf mit mir und ich lass meine Finger von Kidou. Na? Ist das nicht nett?“   Sakuma konnte nicht glauben, was er da hörte. Er wurde erpresst? Mit Sex? Der Gedanke daran, dass Fudou Kidou etwas antun könnte, machte ihn wütend. Er wusste aber auch, dass er seinen Freund nicht immer beschützen könnte. Trotzdem zweifelte er daran, dass da wirklich was laufen würde. Sakuma selbst hatte sich wehren können, also konnte Kidou das doch auch, da war er sich sicher.   „Ich bin nicht so dumm, wie du gerne hättest. Denkst du, ich falle darauf rein?“, fragte er ein wenig zickig. Er hatte wirklich genug von Fudous schlechten Versuchen, irgendwie an seinen Hintern zu kommen. „Kidou wird es niemals mit dir tun, da bin ich sicher. Und ich werde es auch nicht.“   „Na, wenn das so ist. Zu dumm – ich weiß schon genau, wie ich Kidou rumbekomme. Jeder hat doch jemanden, für den er alles tun würde. Das macht euch schwach... Du hast Kidou und Kidou hat-“   Haruna, schoss es Sakuma durch den Kopf und Fudou konnte deutlich in seinem Gesicht sehen, dass er verstand. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern – da war sich der Mittelfeldspieler sicher – bis er einlenken würde.   3... 2... 1...   „Ich werde darüber nachdenken“, murmelte Sakuma resignierend und schloss für einen Moment die Augen. Hatte er denn jetzt noch eine andere Wahl? Er konnte nicht zulassen, dass Fudou Kidou ebenfalls so erpresste. Auch wenn ihm der Gedanke an Sex mit ihm ebenso gar nicht gefiel. Sakuma hatte keine Ahnung, wie er das hinbekommen sollte. Er wollte nicht – aber er wollte auch nicht, dass Kidou es mit Fudou tat.   „Aber jetzt geh erst mal runter von mir.“   „Wie du willst. Denk aber dran – ich warte nicht ewig auf dich~“   Sakuma war Fudou gerade über sich losgeworden, da ergriff er sofort die Gelegenheit und hastete zur Tür. Ohne ein weiteres Wort verließ er den Raum und ließ den anderen alleine zurück. Für ihn war klar, dass er diese Nacht nicht wieder neben Fudou schlafen würde – er könnte es sowieso nicht. Und wer wusste schon, was der jetzt alleine dort drin trieb...   Mit dem Rücken an die Wand gelehnt und mit angezogenen Knien saß Sakuma im dunklen Flur. Er hatte den Kopf auf seine Unterarme gelegt, die von den Knien gestützt wurden. Schlafen konnte er so zwar nicht, aber das Geschehene raubte ihm die Ruhe dazu sowieso. Ihm schoss so viel durch den Kopf. Dieser Mistkerl erpresste ihn mit Sex. Er hatte ihn angefasst und geküsst. Sakuma hatte sogar seine Zunge an allen möglichen Stellen gehabt. Und immer noch konnte er sie dort spüren. Er presste die Lippen zusammen. Vor seinen geschlossenen Augen lief der selbe Film wieder und wieder ab.   In seiner Position verharrend und in Gedanken versunken, hörte er nicht einmal die Tür, die bedacht leise geöffnet und wieder geschlossen wurde. Erst als das Licht plötzlich den Raum flutete, hob Sakuma den Kopf ein wenig. Er wurde auch sofort entdeckt.   „Sakuma... Was machst du hier?“, fragte Genda gleichermaßen besorgt wie perplex, doch der Angesprochene hob nur eine Hand leicht und winkte ab. Dem Torhüter reichte das allerdings nicht. Er setzte sich neben Sakuma auf den Boden und suchte nach Worten. Dass definitiv etwas nicht stimmte, wenn sich sein Freund die Nacht lang hier draußen auf dem Flur aufhielt, war klar für ihn. Und noch bei etwas anderem war er sich sicher – wer Schuld daran war.   „Was hat Fudou gemacht? Hey, Sakuma. Was ist passiert?“   Der eindringliche Versuch, Sakuma zum Reden zu bringen, scheiterte kläglich und die Sorgen in Genda wuchsen sekündlich. Er malte sich sowieso schon die ganze Nacht lang aus, was im Nachbarzimmer passierte und wieder schossen ihm die Gedanken durch den Kopf. Das, was allerdings wirklich passiert war, ahnte er nicht.   Vorsichtig und mitfühlend legte Genda eine Hand auf Sakumas Schulter. Irgendwie musste es doch möglich sein, seine Aufmerksamkeit zu bekommen und am liebsten hätte er ihn tröstend in den Arm genommen. Er war sich aber sicher, dass das zu viel des Guten gewesen wäre.   „Fass mich nicht an!“, fauchte Sakuma und drückte Genda von sich, als die Hand gerade erst einen Sekundenbruchteil lang auf seiner Schulter ruhte. Sofort stand er auf und die zwei Jungs starrten sich mit geweiteten Augen für einen kurzen Moment einfach nur an.   Genda hatte es die Sprache verschlagen. Sakuma brachte ebenfalls kein Wort raus und biss sich auf die Unterlippe. Es war absolut nicht Gendas Schuld und jetzt tat es ihm leid. Er meinte es nicht so. Doch das sagte er nicht, als er schnurstracks an ihm vorbei ging und sich in Kidous Schlafzimmer flüchtete.   Ihm den Platz in Kidous Bett zu bieten, damit Sakuma wenigstens noch etwas Schlaf bekam, empfand Genda als das Einzige, was er tun konnte und so nahm er Sakumas Platz im Arbeitszimmer ein. Das Ziehen in seiner Brust blieb. Speculations ------------ Sakuma ging still neben den anderen beiden her, war voll und ganz in seine Gedanken versunken und hatte noch dazu kein Interesse an einem Gespräch. Genda und Fudou schwiegen ebenfalls. Die Stimmung zwischen ihnen war nicht gut, das konnte man sogar als Außenstehender leicht sehen, und dennoch gingen sie den Weg zur U-Bahn-Haltestelle gemeinsam. Genda hatte mitten im Film angedeutet, dass die letzte Bahn gleich fahren würde und dass sie, wenn sie diese noch nehmen wollten, so langsam losgehen müssten.   Eigentlich war am Freitag noch geplant gewesen, das ganze Wochenende bei Kidou zu bleiben, doch der Samstag lief anders als geplant – streng genommen schon die Nacht von Freitag auf Samstag – und so waren alle ganz froh, dass sie die kommende Nacht zu Hause schlafen würden. Sakuma wollte sicher nicht noch ein mit Fudou verbringen, wenn er daran dachte, dass er dieses Mal wohl wirklich dran wäre. Ein Tag Bedenkzeit würde dem sicher als Frist reichen. Außerdem hatte er mieserabel geschlafen und war zusätzlich schlecht gelaunt. Genda wollte ebenfalls nicht noch eine Nacht bei Kidou verbringen und Fudou kam einfach so mit.   Zugegeben, ein wenig verwunderte Sakuma letzteres. Es wäre die Chance für Fudou gewesen, alleine mit Kidou zu sein. Und dennoch ging er lieber mit ihnen zur Haltestelle. Warum? Vielleicht kannte er die Antwort tief drinnen auch schon und wollte es nur nicht wahrhaben. Der Morgen hatte genau so viele Fragen hinterlassen wie böse Vorahnungen und keine davon konnte Sakuma sich selbst beantworten. Und an allem war Fudou Schuld.   Es war still am Frühstückstisch – verdächtig still. Nur einer wagte es, die Stille zu durchbrechen.   „Kidou, du siehst ja richtig erholt aus. Bist wohl der einzige hier, der letzte Nacht keinen Spaß hatte.“   „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es allzu spaßig bei euch war.“   „Fehlt es dem großen Kidou tatsächlich an Durchblick? Das ist ja was ganz Neues“, gab Fudou gackernd von sich und biss in seinen Toast. Immer noch amüsiert grinsend traf sein Blick auf Sakumas, der ihn das erste Mal heute wirklich ansah. Zuvor hatte er jeden Blick in seine Richtung vermieden, egal, was er auch versucht hatte. Jedes Wort war ignoriert worden. Doch jetzt nicht mehr – Fudou hatte wieder seine Aufmerksamkeit. Und es lag sicher nicht nur an dem Schlafmangel, dass er so grimmig drein blickte.   „Das würde ich so nicht sagen. Ein Blick in Sakumas und Gendas Gesicht sagt mir aber, dass sie kaum ein Auge zugetan haben. Ihre Augenringe und ihr fahles Gesicht sprechen dafür. Noch dazu sehen sie angespannt aus. Hätte einer von ihnen Spaß gehabt, wäre seine Miene sicher erhellter.“   „Pff, das ist doch Sakumas übliches Gesicht. Ich seh da keinen Unterschied. Und Genda hatte eine tolle Nacht, nicht wahr?“   Mit hochgezogener Augenbraue blickte Kidou zu Genda und Sakumas grimmiger Blick tat es ihm gleich. Genda sollte eine tolle Nacht gehabt haben? Das konnte sich Sakuma nicht vorstellen. Er sah ebenfalls gerädert aus und dann hatten sie sich auch noch irgendwie im Flur gestritten. Sakuma hatte das Bedürfnis sich ihm zu erklären, aber konnte er sich bei Genda wirklich entschuldigen ohne, dass er nachhaken würde? Wenn er das tat, musste eine gute Ausrede parat sein.   „Es war okay“, bestätigte Genda knapp und wich den Blicken seiner Freunde aus. Stattdessen stürzte er sich wieder auf sein Frühstück, als würde es im nächsten Moment zu Staub zerfallen, wenn er es nicht schnell verschlang.   „Nicht so schüchtern, Genda~ Wir wissen doch beide, dass wir eine sehr tolle Nacht zusammen hatten.“   Doch Genda ging nicht weiter darauf ein und Kidou schien es auch ruhen lassen zu wollen. Nur Sakuma starrte seinen Nebenmann mittlerweile an. Was hatte er mit Fudou zusammen gemacht, dass er es als sehr toll beschrieb? War es möglich, dass Fudou die Liste der Verfügbaren runter gewandert war, nachdem er selbst und Kidou in dieser Nacht unerreichbar für ihn gewesen sind? Aber das würde Genda doch niemals tun... oder?   Den ganzen Tag hatte Sakuma dieser Verdacht gequält. Er hatte versucht, es irgendwie aus ihrem Verhalten heraus zu interpretieren, wog Wahrscheinlichkeiten ab, doch alles blieb reine Vermutung. Er konnte die Antwort nur von einem bekommen und das war Genda. Fudou glaubte Sakuma sowieso nicht. Er hatte diese Eigenschaft, Dinge so wirken zu lassen, wie sie gar nicht waren. Ob er das mit Absicht tat oder nicht, wusste er nicht, aber er vermutete, dass es wirklich Berechnung war. Allein schon der Fakt, dass er sich nie gegen Unterstellungen rechtfertigte, selbst wenn sie nicht der Wahrheit entsprachen, sprach für Absicht. Oder lag es daran, dass man ihm sicher nicht glauben würde, wenn er es abstritt?   Sakuma wurde aus Fudou nicht schlau. Er war definitiv nicht leicht zu lesen und gab sich mysteriöser als er wahrscheinlich war. Und all seine Aktionen wirkten so furchtbar zufällig, dass es schwer zu sagen war, was er als nächstes plante.   „Sakuma... Willst du noch mit mir in den Konbini?“   „Hm? Aber du sagtest doch selbst, es sei die letzte Bahn. Wenn wir die nicht bekommen-“   „Egal. Wir nehmen uns ein Taxi und du fährst mit zu mir, wie wäre das? Du hast doch bestimmt auch Hunger.“   Dieser Vorschlag war ebenso unvorhersehbar gewesen für Sakuma wie das, was Fudou üblicherweise so brachte. Und jetzt fing Genda auch schon damit an. Langsam aber sicher verlor er die Gabe, seine Freunde einschätzen zu können. Überrascht sah er Genda an und überlegte kurz. Es stimmte – er hatte Hunger. Sie hatten schon vor Stunden zu Abend gegessen und vor lauter Stress waren die Portionen, die er runter bekam, besonders klein gewesen.   „Dann komme ich mit“, willigte Sakuma schließlich ein. Fudou blieb unbeeindruckt und lief stumm neben ihnen her. Es sah nicht einmal so aus, als beachtete er sie großartig. Dass er sich nicht selbst einlud, irritierte Sakuma kurz, doch er war auch froh darüber. Es passte alles wie die Faust aufs Auge. Sakuma wollte sowieso noch mit Genda reden und die Gelegenheit drängte sich ihm geradezu auf. Er würde sie auf jeden Fall auch nutzen.   „Na dann, viel Spaß euch beiden.“   Mit diesen Worten trennte sich Fudou an der nächsten Kreuzung von ihnen. Er selbst ging zur Haltestelle und die zwei Jungs gingen zum nächsten Konbini. Jetzt wurde es ernst und Sakuma drückte einen dicken Kloß seinen Hals herunter. Wie sollte er ihn fragen? Einfach gerade heraus? Wäre er enttäuscht von ihm, dass er so etwas überhaupt in Erwägung zog? Sakuma selbst wäre es jedenfalls, wenn Genda ihn umgekehrt fragen würde, ob er Sex mit Fudou hatte. Das wäre aber auch empörend! Obwohl es mittlerweile sogar nicht mehr unwahrscheinlich war...   Er sprach es nicht an bis sie den Konbini erreichten. Aber auch Genda war verdächtig kurz angebunden. Nur ein oberflächliches Gespräch über die Auswahl des Essens brachten sie zustande und am Ende landeten ein Donburi mit frittierten Riesengarnelen und eins mit gebratenem Lachs in ihrem Besitz. Nett verabschiedeten sie sich noch vom Kassierer und landeten wieder auf der schummrig beleuchteten Straße.   „Lass uns noch ein Stückchen gehen...“, murmelte Sakuma schließlich ohne Genda anzusehen. Er hielt die Plastikverpackung in der Hand und klammerte sich fast schon daran. Ohne auf eine Antwort zu warten ging er voran, die Lippen kurz zusammengepresst. Jetzt musste er ihn darauf ansprechen – es war die Gelegenheit.   Doch Genda war schneller.   „Hör mal, wegen letzter Nacht. Es tut mir leid. Ich wollte dir nicht zu Nahe treten.“   Sein Blick zu Genda verriet, dass ihn das wirklich schwer belasten musste. Er sah angespannt aus. Hatte er wirklich so stark darunter gelitten? War das der Grund, warum er ihn jetzt noch einmal zur Seite genommen hat? Sakuma fühlte sich schlecht und sein Gewissen meldete sich erneut. Den ganzen Tag hatte er Genda so ein unangenehmes Gefühl verschafft und wahrscheinlich war er selbst sogar der Grund dafür, dass sein Freund jede vergangene Minute ein unglückliches Gesicht gemacht hat. Bei dem Gedanken wurden seine Knie weich – kaum aufrecht halten konnte er sich.   „Du Dummkopf! Warum entschuldigst du dich bei mir?! Ich bin so ekelhaft zu dir und du... du bist so ein einfühlsamer Mensch! Du bist immer für mich da, egal was ich tue. Also entschuldige dich nicht dafür, dass du mich unterstützt, wo du nur kannst!“   Die Worte fanden ihren Weg wie von selbst, ohne dass Sakuma darüber nachdenken konnte. Und so langsam kam ihm die Erkenntnis, die er selbst nie erlangen wollte. Neben Genda fühlte er sich wie ein verdammt hässlicher Mensch – nicht optisch, aber charakterlich. Genda hatte er damit für einen Moment still bekommen. Der überraschte Blick verwandelte sich in ein sanftes Lächeln.   „Es tut mir leid, dass ich die letzte Nacht so zu dir war. Fudou hatte mir zugesetzt und- Das soll alles keine Ausrede sein. Ich muss für meine Taten selbst gerade stehen. Ich konnte einfach keine Nähe mehr ertragen...“   „Aber ich hab dich mit Fudou alleine gelassen. Ich hätte wissen müssen, dass es so endet.“   „Lass es. Gib dir nicht die Schuld für Dinge, die ich mir selbst eingebrockt habe. Ich werde mit Fudou schon alleine fertig, also mach dir keine Gedanken mehr darüber, ja?“   So ganz überzeugt sah Genda nicht aus, dennoch nickte er. Wenn Sakuma sich das wünschte, dann würde er sich zurückhalten. Er würde ihm vertrauen und hoffen, dass er wirklich alleine klar käme. Ob er die Sorge allerdings abschalten konnte, das wusste er nicht.   „Hast du mit Fudou geschlafen?“   Die plötzliche und unerwartet herausgeplatzte Frage von Sakuma, die die Stille zwischen ihnen zerschnitt, ließ Genda zur Salzsäule erstarren. Traf sich gut – Sakumas Beine wollten sich sowieso kein Stück mehr bewegen. Penguin -------                                               „Hast du mit Fudou geschlafen?“   Es herrschte eine Totenstille zwischen Sakuma und Genda. Jeder der beiden versuchte in dem Gesicht des anderen zu lesen, was der dachte. Der Fakt, dass Genda nicht sofort antwortete und es damit nicht einmal direkt abstritt, war verdächtig. Aber so wie er Sakuma ansah, fand er die gerade noch so plötzlich gestellte Frage auch nicht weniger seltsam.   In Sakumas Gedanken brach ein riesiges Chaos aus und er wusste nicht, welche seiner Erwartungen er verhängnisvoller fand – die simple Antwort auf seine Frage oder was Genda nun über ihn dachte eben aufgrund dieser. Er hatte ja schon vermutet, dass er das Thema sensibler angehen müsste, wenn er es überhaupt hätte ansprechen dürfen. Aber jetzt war es zu spät. Er hatte ihn einfach gefragt, gerade heraus. Das Ausgesprochene konnte nicht ungehört gemacht werden.   „Das-“, begann Genda und suchte offenbar noch nach Kraft für seine Stimme, dann räusperte er sich kurz, um den Kloß in seiner Kehle zu lockern. „Was soll die Frage?“   Der Angesprochene hob die Augenbrauen an. Warum musste er sich jetzt für die Frage rechtfertigen? Oh ja, vielleicht, weil er ihm hier gerade irgendwie unterstellte, er könnte auf Jungs stehen und weil es bis gestern Nacht auch absolut nicht naheliegend wirkte, dass Sex zwischen Fudou und einem seiner Freunde überhaupt möglich war. Trotzdem fand Sakuma die Frage weiterhin berechtigt. Und wich ihm Genda hier gerade aus?   „Ist doch nur 'ne Frage“, versuchte Sakuma es irgendwie herunterzuspielen, aber Genda schien das nicht zu überzeugen. Stattdessen schnaufte er kurz. Sakuma presste die Lippen zusammen und krallte sich ein wenig fester in die Plastikbox in seinen Händen. Noch mehr und er könnte den Reis gleich vom Boden einsammeln.   „Nur 'ne Frage...“, wiederholte Genda ungläubig. „Warum denkst du sowas? Hat er dir irgendwas gesagt?“   „Nein, hat er nicht. Nicht direkt. Ich hab halt nur... Es ist mir so in den Kopf gekommen.“   „Aber doch sicher nicht einfach nur so. Also sag mir, was ist der Grund für diese Annahme? Und glaubst du wirklich, dass ich es mit Fudou tue?“   Sakuma schluckte. Er wurde von Genda in die Ecke gedrängt. Nicht körperlich aber geistig, denn je mehr er wissen wollte, desto mehr musste er sich erklären. Und diese Erklärung konnte er auf keinen Fall preisgeben. Wenn er Genda von der Erpressung und dem, was sich letzte Nacht in dem Zimmer abgespielt hatte, erzählen würde... Er wollte nicht, dass sein Freund es wusste und würde alleine mit Fudou fertig werden. Und zu allem Überfluss konnte er Kidou nur schützen, wenn er den Mund hielt.   „Lass uns das einfach vergessen, ja? Es war ein dummer Gedanke von mir und es tut mir leid, dass ich es in Betracht gezogen habe. Außerdem wissen wir doch, dass du auf Mädchen stehst“, gab Sakuma mit einem aufgesetzten Grinsen von sich und hoffte, dass es Genda beschwichtigen würde. Er wollte tatsächlich nicht mehr darüber reden und fühlte sich ziemlich unwohl gerade. Hätte er doch bloß nichts gesagt. Doch Genda schien das nicht zu reichen. Er packte Sakumas Arm so abrupt, dass es um das Donburi nun wirklich geschehen war und es mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden landete. Mit ziemlich festem Blick sah er dem Kleineren direkt ins Gesicht.   „Nein! Ich vergesse es nicht!“   Sakumas Augen weiteten sich und sein Herz fing an zu rasen. Selten hatte er Genda so bestimmend gesehen und das Wissen, dass er aus dieser Situation nicht mehr so leicht rauskommen würde, machten es ihm deutlich schwerer, sich auf den Beinen zu halten. Sein ganzer Körper fing an zu zittern. Jetzt musste er es ihm sagen, oder?   Das Donburi war für den Moment Nebensache.   „Sakuma! Sag mir die Wahrheit. Ich sehe doch, dass du mir was verheimlichst.“   „Es... tut weh. Deine Hand...“   Der strenge Blick auf Gendas Gesicht löste sich ein wenig und die Gesichtsmuskeln entspannten sich mehr und mehr, während Sakuma den Blick von ihm wegdrehte und jedem weiteren Augenkontakt auswich. Er löste die Hand von dem umfassten Arm und ließ ihn somit frei ohne eine Antwort bekommen zu haben. Eigentlich hatte er beharrlich sein wollen, doch Sakuma so zu sehen und zu wissen, dass er ihn offenbar bedrängte, ließ ihn seinen Plan wieder verwerfen. Er konnte das nicht.   Letztendlich hatte keiner von ihnen eine Antwort bekommen.   „Lass uns nach einem Taxi gucken“, sagte Genda so ruhig er konnte und hockte sich auf den Boden, um den zerstörten Plastikbehälter mitsamt dem Inhalt bestmöglich aufzusammeln. Wirklich zu retten war er nicht mehr, denn durch die Risse und Löcher von Plastiksplittern war längst Dreck an das Essen gelangt. Ein Teil davon hatte sich über dem Bürgersteig verteilt und so entsorgte er das, was er tragen konnte, im nächsten Mülleimer.   Wortlos folgte Sakuma ihm bis zum nächsten Taxistand, wo sie in eines der wartenden Fahrzeuge einstiegen und nach kurzer Fahrt vor Gendas Zuhause ankamen. Wäre der Taxifahrer nicht gewesen, hätten sie wahrscheinlich erneut kein Wort miteinander gewechselt, doch durch seinen Versuch ein oberflächliches Gespräch aufzubauen, kommunizierten sie recht schnell wieder miteinander. Doch keiner der beiden wagte es, ein Wort über das zu verlieren, was zuvor noch Thema war.   „Der war ja ganz schön gesprächig.“   „Ich vermute, das ist eine Masche.“   „Oder ihm hilft das gegen die Langeweile.“   „Auch möglich“, merkte Genda an und ging mit seinem Freund hinein ins Haus. Wo sich sein Zimmer befand, wusste Sakuma und so wurde er aufgefordert, schon mal vorzugehen. Sie mussten möglichst leise sein, denn alle anderen im Haus waren schon zu Bett gegangen. Nachdem er das übrige Donburi erwärmt und auf zwei Teller aufgeteilt hatte, folgte Genda Sakuma ins Zimmer. Der hatte es sich auf dem Bett bequem gemacht und hielt einen großen Plüschpinguin – ein Geschenk von ihm an Genda – im Arm. Den Bruchteil einer Sekunde konnte der Torhüter das bedrückte Gesicht sehen, das sich sofort zwanghaft erhellte, als die Zimmertür aufging.   „Manchmal glaube ich, du kommst lieber wegen ihm her als wegen mir“, scherzte Genda in dem Versuch, die Stimmung zu heben und deutete auf den Pinguin. Dann setzte er sich neben Sakuma und reichte ihm einen der Teller und ein paar Essstäbchen.   „So ist es ja auch. Pengu ist einfach zu süß!“   „Pengu? Also hast du ihm jetzt einen Namen gegeben?“   „Klar, du hast es ja nicht gemacht“, merkte Sakuma an und nahm einen Happen Reis in den Mund. Eigentlich hatte er Genda das große Plüschtier in Form eines Kaiserpinguins zu Beginn des neuen Schuljahres geschenkt. Er wusste, dass im neuen Fußballclub eine harte Zeit auf sie zukommen würde durch all die neuen Mitspieler – Senpais, die schon einen Stammplatz hatten und ihnen in ihrer körperlichen Entwicklung voraus waren, aber auch Raimons Topspieler wie Gouenji im Sturm oder Endou im Tor. Gerade letzterer wirkte wie eine unüberwindbare Wand für Genda, denn jeder, der Endou Mamoru kannte, wusste, was für ein Ausnahmespieler er war. Da war für jeden anderen Torhüter ein Platz auf der Bank vorprogrammiert. Der Pinguin sollte als Trostspender und Mutmacher immer für Genda da sein, wenn er ihn brauchte. Und er sollte ihm zeigen, dass seine Freunde immer für ihn da waren, wenn er unglücklich war.   Und trotzdem hatte Genda aufgehört mit seinen Freunden über das zu sprechen, was ihn belastete.   „Ich hätte ihn sicher nur Sakuma genannt.“   „Sehe ich denn aus wie ein Pinguin?“   „Weiß nicht. Wäre das für dich ein Kompliment?“   Sakuma lachte auf und Genda lächelte ihn breit an. Es war alles wie immer – sorgenlos und beschwingt heiter. Jedenfalls oberflächlich. Und für diesen Moment fühlte sich Sakuma wirklich so, als würden all die bleischweren Lasten von ihm abfallen. Als würde er schweben. Und auch Genda sah glücklich aus. Plans (1) --------- „Ich kann nicht glauben, dass ich schon wieder verloren habe...“, gab Sakuma seufzend von sich und legte den Controller auf dem Bett ab. Pengu hatte es sich zwischen seinen Beinen bequem gemacht und verfolgte Niederlage um Niederlage. Es sah nicht so aus, als ob Sakuma den Pinguin in nächster Zeit noch einmal rausrücken wollte.   „Mach dir nichts draus. Du bist sicher nur müde.“   „Oder es ist einfach nicht mein Tag.“   Wahrscheinlich war es eine Mischung aus beidem, denn der Schlafmangel der letzten Nacht hatte sich längst bemerkbar gemacht. Sakuma war unkonzentriert und seine Augen brannten und nach dem, was Fudou getan hatte, zu urteilen war definitiv nicht sein Tag gewesen. Sein Blick glitt zu Genda, der neben ihm auf dem Bett saß, während er selbst reflexartig Pengu an sich drückte.   „Noch eine Runde?“, fragte Sakuma, doch der Angesprochene schüttelte den Kopf und lächelte schwach. Sein Blick fiel ebenfalls auf den Pinguin.   „Lieber nicht. Lass uns schlafen gehen und morgen weiterspielen, ja?“   „Na gut“, murmelte Sakuma und streckte sich einmal kurz, bevor er die Hände wieder um Pengu schlang. Das lange Sitzen hatte ihn fast ein wenig einrosten lassen. Jedenfalls fühlte sein Körper sich so an.   „Dann geh ich schon mal ins Bad.“   Ohne ein weiteres Wort schloss Sakuma die Augen und lehnte sich zurück gegen die Wand. Genda rutschte in der Zwischenzeit vom Bett und sammelte sich seine Schlafklamotten zusammen. Und auch seine Zahnputzsachen mussten erst einmal aus der Tasche gekramt werden.   „Hey... ähm. Wegen vorhin. Was du da gesagt hast“, brachte Sakuma irgendwie heraus und Genda fuhr zu ihm herum. Der Stürmer hatte die Augen immer noch geschlossen und krallte sich fester in das Plüschtier.   „Hm?“   „Also bei diesem Frage-Spiel von Fudou... Du meintest, du würdest es lieber haben, wenn dein bester Freund dir seine Liebe gesteht als in einer Friendzone zu stecken.“   Genda schluckte und seine Handflächen wurden ein wenig feucht. Wieso musste Sakuma das jetzt ansprechen? Worauf wollte er hinaus? Eigentlich konnte sich Genda das sogar denken, aber das machte es nicht besser. Die aufkommende Nervosität wurde dadurch nämlich nur noch verstärkt. Und so wie Sakuma aussah, war der auch nicht weniger angespannt.   Genda war auf dieses Gespräch längst noch nicht vorbereitet, egal wie oft er es in seinem Kopf durchgespielt hatte.   „J-ja...“, bestätigte er nur kurz. Zu mehr war er nicht im Stande.   „Weißt du, ich hab mich gefragt... warum du das gesagt hast. Also... warum würdest du das lieber wollen?“   Sakuma öffnete die Augen, als er eine Bewegung auf dem Bett wahrnahm und blickte zu Genda, der seine Sachen lieblos aus den Händen gelegt hatte und neben ihn rutschte. Sein Blick war undefinierbar, doch die leichte Röte auf seinem Gesicht zeugte davon, dass ihm das Thema unangenehm zu sein schien.   „Weil ich...“, begann Genda und straffte die Schultern ein wenig – passend zu seinem ernsten, angespannten Gesicht. „Ich denke, es ist besser die Wahrheit zu sagen, als ewig mit einer Lüge zu leben. Und vielleicht fühlt der Andere ja das Selbe und hat sich nur nie getraut...“   „Nur was ist, wenn er eben nicht das Selbe fühlt? Dann ist doch alles zerstört.“   „Nicht unbedingt. Wenn ihr wirklich beste Freunde seid, dann werdet ihr damit umgehen können, meinst du nicht?“   „Hmm... vielleicht...“   Es wurde für einen Moment still. Keiner der beiden Jungs wagte es, weiterzusprechen, obwohl sie noch so viel zu sagen hatten. Genda war der erste, der irgendwie versuchte, das Gespräch voranzutreiben und nahm allen Mut zusammen.   „Sakuma...“, murmelte er und streckte die Hand ein wenig aus. Doch auf halbem Weg an ihr Ziel – Sakumas Hand an Pengu – änderte sich ihre Richtung und sie landete zittrig auf dem Kopf des Plüschpinguins. Wenigstens seinen Blick konnte er noch fest auf Sakuma gerichtet halten. Er schluckte kurz.   „Du liebst Kidou, nicht wahr?“   Sakuma wusste nicht, was ihn mehr erschrecken sollte – der aufgewühlte Blick, mit dem Genda ihn ansah oder dass sein Geheimnis schon wieder von jemandem durchschaut wurde. Es durchfuhr ihn wie ein Blitzschlag und er musste kurz überlegen, ob er das wirklich gehört oder sich nur eingebildet hatte. Vielleicht war es nur ein freundlicher Hinweis seines Unterbewusstseins gewesen, denn dieser Moment zwischen ihm und Genda war doch ein wenig... seltsam. Und sein Herz schlug ihm längst bis zum Hals. Seine Gesichtsfarbe musste auch ziemlich ulkig aussehen, denn er fühlte sich als wäre er leichenblass und knallrot zugleich.   „Woher weißt du das?!“   „Es ist ehrlich gesagt ziemlich leicht zu bemerken, wenn man dich ein wenig beobachtet“, merkte Genda an und tätschelte Pengu noch kurz, bevor er die Hand wieder zurück zog und sich gegen die Wand zurücklehnte. Er seufzte kurz.   „Aber...!“, begann Sakuma, doch ihm hatte es die Sprache verschlagen. Es war leicht zu bemerken – erst Fudou und jetzt Genda. Wer hatte es denn sonst noch alles bemerkt? Und wusste Kidou es vielleicht auch schon?! Ganz sicher, so intelligent wie er war. Seine Beobachtungsgabe war überragend. All dass jagte Sakuma einen Schauer über den Rücken.   „Was soll ich denn jetzt tun, Genda? Meinst du, Kidou denkt genau so wie du und würde es begrüßen, wenn ich es ihm sage?“   Mit den Augen eines aufgescheuchten Rehs sah Sakuma zu Genda hoch und erhoffte sich die Lösung all seiner Probleme.   „Ich denke, er ist weltoffen genug, um damit umzugehen.“   „Denkst du denn, dass er mich....auch...?“   „Keine Ahnung, ehrlich. Er ist nicht der Typ, der seine Gefühle nach außen trägt.“   Wo Sakuma den Pinguin hatte, um seinen nervösen Händen Bewegung zu gönnen, nutzte Genda inzwischen den Stoff seiner Hose und zupfte daran herum. Keiner von beiden sah großartig zufrieden aus und die Anspannung lag immer noch in der Luft. Sie wurden nachdenklicher, bedrückter, und starrten vor sich hin auf das, was sich gerade so anbot. Ihre Füße. Den Fernseher, das Bücherregal.   „Ich hab Angst davor, ihm die Wahrheit zu sagen. Kannst du ihn vielleicht vorher ein wenig für mich aushorchen? Dann kann ich besser abschätzen, ob es clever ist, es zu sagen oder nicht.“   Überrascht drehte Genda den Kopf zu Sakuma und stutzte. So richtig gefiel ihm die Idee nicht und er zweifelte auch daran, dass er Kidou die nötigen Informationen entlocken konnte. Dennoch nickte er einwilligend.   „Ist gut, ich werde mal mit ihm reden.“   „Aber pass auf, dass du das nicht zu offensichtlich machst!“   „Werde ich.“   „Danke!“, sagte Sakuma glücklich und rutschte irgendwie noch ziemlich ungelenk vom Bett. So ganz gehorchte sein Körper ihm offenbar noch nicht wieder und die Nervosität hatte sich längst noch nicht ganz abgebaut. Aber er fühlte sich irgendwie befreit. Er zog sich den Pullover mitsamt dem Shirt über den Kopf und ließ beides noch ineinander verheddert auf das Bett fallen, während Genda ihn kurz fassungslos anstarrte und dann fluchtartig – er versuchte immerhin ruhig zu wirken – mit seinen Sachen den Raum verließ.   Genda hätte wissen müssen, dass das erst der fatale Anfang des Ganzen war, denn wenig später fand er sich neben Sakumas warmem Körper im Bett liegend wieder. Nur Pengu trennte sie von jeglichem Kontakt – noch. Trotzdem konnte er Sakumas Atem an seinem Nacken spüren oder bildete es sich zumindest ein. Sein Kopf spielte fiese Spielchen mit ihm und er hatte es schwer, seine unteren Körperregionen unter Kontrolle zu halten.   Auf eine weitere schlafraubende Nacht. Plans (2) --------- Ungeduldig trommelten die Finger seiner linken Hand unter einem kaum hörbaren dumpfen Klang auf der hölzernen Tischplatte. Es war ein eigenwilliger Rhythmus, der von Unmut zeugte und von Minute zu Minute monotoner wurde. Die andere Hand spielte gelangweilt mit dem Strohalm – ließ ihn zwischen den Fingern hin und her tanzen. Ein Blick fiel auf die Armbanduhr an seinem Handgelenk, wodurch die Melodie abrupt verstummte.   Ein genervtes Seufzen entwich seinen gepflegt zarten Lippen und er stützte den Ellenbogen auf den Tisch, nur um seinen Kopf auf seine Hand zu lehnen. Anderenfalls würde er ihm wahrscheinlich bis in die Kniekehlen hängen. Gedankenverloren sah er aus halb offenen Augen zu dem Glas vor sich und rührte in monotonen Bewegungen den Eistee um, wodurch die Eiswürfel ein wohlklingendes Klirren erzeugten.   Es waren jetzt schon 15 Minuten. Man ließ ihn ernsthaft warten. Ihn. Es war ein Unding.   Als Fudou schließlich durch die Eingangstür des Cafés trat, welches sie als gemeinsamen Treffpunkt ausgemacht hatten, wurde er von einem entgeisterten Blick begrüßt. Er hatte den Zorn eines Gottes auf sich gezogen, dabei wusste doch jeder, dass mit denen nicht zu Spaßen war.   Aphrodi richtete den Oberkörper auf und verschränkte die Arme vor der Brust, während er sich auf der Sitzbank der einzeln abgeteilten Tische zurücklehnte – abwehrend, beleidigt.   Er hatte allen Grund dazu.   „Was machst du für ein Gesicht?“, fragte Fudou, doch weder seine Stimme noch seine Gestik zeugten von ehrlichem Interesse an einer Antwort. In Aphrodi löste alles zusammen nur noch mehr Wut aus, doch die Ader an seiner Stirn konnte gerade noch so vor dem Hervortreten gehindert werden. Sie hätte in seinem hübschen Gesicht auch nur wie ein Störfaktor gewirkt. Die zusammengezogenen Augenbrauen und die krampfhaft nach unten gerichteten Mundwinkel mussten reichen. Ein auffälliger Blick auf seine Armbanduhr wurde von Fudou ignoriert. Das musste doch Absicht sein.   „Hallo, Aphrodi. Tut mir leid, dass du warten musstest. Als Entschädigung geht die Rechnung auf mich, such dir aus, was du willst“, sprach Aphrodi das aus, was er in dieser Situation als angemessene Begrüßung empfand, dabei musste er all sein gerade verfügbares schauspielerisches Talent aufbringen. Der angesäuerte Unterton dagegen war nicht vorgespielt.   Fudou hob kurz die Augenbrauen an und prustete. Lässig ließ er sich auf die Sitzpolster gegenüber fallen. Der vorbeigehenden Bedienung schnitt er mit dem Arm den Weg ab und bestellte wenig charmant das selbe Getränk, das Aphrodi vor der Nase stehen hatte – Oolong-Eistee.   „Du solltest mit dem Drama aufhören. Das gibt böse Falten da zwischen den Augenbrauen.“   „Hmpf!“, war der einzige Laut, den Aphrodi zustande brachte. Im Ernst, das war leichter gesagt als getan, wo er ihn doch die ganze Zeit provozierte. Aber der Blonde konnte auch anders. Er beugte sich wieder vor, legte die Unterarme auf den Tisch und nahm einen Schluck von seinem Eistee. Er hatte der Bedienung schon beim Bestellen gesagt, dass die Rechnung auf seine Verabredung gehen würde. Als sie Fudou schließlich sein Glas hinstellte, blickte sie kurz zu Aphrodi und nickte ihm völlig entschlossen zu – damit waren sie Verbündete.   „Nun erzähl! Warum hast du mich herbestellt?“, fragte Aphrodi schließlich, denn Fudou schien nicht von alleine mit der Sprache herauszurücken. Er hasste es, Leuten Informationen aus der Nase zu ziehen. Natürlich hatte er sich diese Frage selbst schon gestellt seitdem am vorigen Abend eine überraschende Nachricht von dem Anderen eingegangen war. Sie hatten nicht viel miteinander zu tun, sahen sich lediglich ab und zu bei Fußballspielen und standen sich dabei ausnahmslos als Gegner gegenüber. Aphrodi wusste nicht einmal, woher Fudou seine Nummer hatte.   „Weil ich Großes mit dir vorhabe.“   „Geht das auch konkreter?“   Skeptisch blickte Aphrodi den Anderen an. Und er wurde nur skeptischer, als sich Fudou mit einem selbstverliebten Grinsen nach vorne beugte – ihn dabei unheilvoll anvisierend – und einen Arm lässig auf den Tisch stützte. Hey, immerhin klang Fudou gerade wie ein schmieriger Produzent, der ihm versprach, ihn groß raus zu bringen, nur damit er sich schließlich bei ihm hochschlafen müsste!   „Was denn, vertraust du mir nicht?“, fragte Fudou mit offen aufgesetzter Empörung. Sein Grinsen wurde einen Moment lang fieser – selbstverliebt war er trotzdem noch.   „Dir sitzt der Schalk im Nacken. Natürlich höre ich mir erst einmal an, was du zu bieten hast. Und ich will alle Einzelheiten wissen.“   „Wenn's unbedingt sein muss. Ich will, dass du Kidou um den Finger wickelst.“   Aphrodis verlor die Kontrolle über sein Gesicht – das Ergebnis war eine wunderschöne Grimasse. Er hatte mit vielem gerechnet, aber das war fern von allem, was ihm seit gestern durch den Kopf gegangen war. Der Versuch seine Fassung wiederzuerlangen war erfolgreich, doch seine Augen strahlten noch immer tiefe Verwirrung und Unverständnis aus.   „Warum... das?“   „Weil ich denke, dass du sein Typ bist. Du bist nicht hässlich, dein Charakter ist nicht abstoßend und du bist zugegeben ein Spieler, der die Aufmerksamkeit von ihm auf sich ziehen kann. Es ist offensichtlich, dass ihn nur besonders talentierte und fähige Fußballer interessieren. Er braucht jemanden, der mit ihm mithalten kann – im Geiste und am Ball.“   Da hatte Fudou gerade noch einmal die Kurve gekriegt.   Und trotzdem war es nicht das, was Aphrodi eigentlich gemeint hatte.   „Was bezweckst du damit?“   „Ich hätte gern freie Bahn und er ist mir im Weg. Also brauche ich dich als Abschleppwagen“, erklärte Fudou und wedelte abfällig mit der freien Hand in der Luft. Für diesen einen Moment war sein Gesicht überraschend ernst, trotzdem wirkte er sehr gelassen. Vielleicht, weil er sich sicher war, dass Aphrodi Erfolg hätte und ihm helfen würde? So richtig überzeugt war der Blonde immer noch nicht. Es stimmte, dass Kidou eine interessante Person war – sowohl auf als auch neben dem Platz. Er war clever, höflich und vernünftig, hatte viele Talente und besaß eine sehr ruhige Ausstrahlung. Ein Interesse in diese Richtung hatte Aphrodi aber bislang nicht für ihn empfunden.   „Und das kannst du nicht ohne mich?“   „Nö.“   Fudou hätte blind sein müssen, um die Skepsis auf Aphrodis Gesicht nicht zu bemerken. Natürlich machte er es ihm nicht einfach. Und natürlich war er darauf vorbereitet. Er konnte ein Spiel und dessen Teilnehmer mindestens genau so gut lesen wie Kidou. Das war eine der wenigen Gemeinsamkeiten, die beide hatten, doch Fudou scheute sich nicht, sie auch für schmutzige Tricks zu nutzen. Es kümmerte ihn nicht, wie er gewann, so lange er am Ende der Sieger war.   „Kidou an deiner Seite wäre nicht nur für mich profitabel, es hätte auch für dich Vorteile“, begann Fudou schließlich und stocherte mit dem Strohhalm betont unschuldig in seinem Eistee. Seinen Blick hatte er abgewendet und auf das Glas gerichtet – desinteressiert daran dem Anderen wirklich einen Vorteil zu verschaffen. Aber irgendwie musste er ihn ja ködern. „Verlässliche Quellen haben mir gezwitschert, dass du nächstes Jahr Schülersprecher werden willst. Meinst du nicht, jemand wie er könnte dein Image sehr stark aufpolieren? Du bist beliebt für einen Schüler im ersten Jahr, keine Frage, aber ich bin der Ansicht, Kidou an deiner Seite könnte sowohl deine Bekanntheit als auch das Vertrauen in deine Fähigkeiten deutlich steigern. Seine Familie ist immerhin bekannt wie ein bunter Hund. Wäre er dein Freund, würde er dich sicherlich auch mit klugen Ratschlägen unterstützen. Und denk nicht nur so kleingeistig: Der Posten als Schülersprecher wäre nur der Anfang. Auf Partys der High Society triffst du 'nen Haufen versnobter, aber einflussreicher Leute, die dir viele Türen öffnen können, von denen andere nur träumen.“   Fudou hob den Blick von seinem Eistee und schaute prüfend, aber gleichzeitig stark von dem überzeugt, was er sagte, zu Aphrodi. Der hatte ein Pokerface aufgesetzt und ließ sich seine Worte noch auf der Zunge zergehen. Der Gedanke gefiel dem Blonden – sehr sogar. Er musste zugeben, dass Fudous Argument Wirkung zeigte und das ergebene Lächeln auf seinem Gesicht sprach ebenfalls dafür. Aphrodi war klar, dass Fudou das nur sagte, um ihn zu manipulieren, damit er die Drecksarbeit für ihn machte. Aber die Aussicht war verlockend und der Andere war ihm schlichtweg egal. Er tat das für sich selbst, nicht für Fudou.   Und Kidou war eine interessante Person.   Aphrodi nahm einen langen Zug durch den Strohhalm und leerte damit sein Glas. Dann stand er auf und sah zu Fudou herunter, der längst siegessicher grinste. Ergebend zuckte er mit den Schultern und schmunzelte.   „Ich mache es. Schick mir seine Nummer, damit ich den ersten Stein ins Rollen bringen kann. Aber misch dich nicht ein! Ich mache das auf meine Art“, sagte er noch, die Mimik ernster werdend dabei. Aphrodi wollte auf keinen Fall, dass Fudou es versaute, nur, weil er ungeduldig wurde. Denn das könnte seinem Ruf am Ende sogar noch schaden, statt ihm einen Schub zu geben. Und er war nicht der Typ dafür, jemandem erst Hoffnungen zu machen, nur, um dann seine Gefühle zu verletzen – wenn auch ungewollt.   „Was auch immer“, meinte Fudou desinteressiert, denn so lange Aphrodi seine Arbeit machte, war ihm egal, was er so trieb. Und jetzt, wo er seinen Willen bekommen hatte, blickte er ihn nicht mal mehr an. So ein Eistee war doch aber auch viel interessanter. Er müsste dem Blonden ja jetzt auch nicht dramatisch hinterher sehen, während der das Café verließ – ohne eine Verabschiedung übrigens. So viel zur Höflichkeit.   Aber das kümmerte Fudou schließlich auch nicht. Er war völlig zufrieden, denn er hatte seinen Zug gut durchdacht und war überzeugt, dass er spielentscheidend sein würde. Kidou wurde aus dem Weg geräumt und Genda war längst dabei, sich selbst aus dem Spiel zu nehmen.   Nicht mehr lange, Sakuma. Secret ------ “Weiter so! Nicht nachlassen! Lass ihn nicht an dir vorbei ziehen!”   Die Stimme des Kapitäns war energisch und streng. Der Drittklässler kannte beim Training meist kaum erbarmen mit seinen Mitspielern, es wurde ihnen viel abverlangt. Doch das war gut so – jedenfalls hatte Kidou das oft genug betont. Er schätzte den Führungsstil ihres Kapitäns, war er doch selbst zu seiner Zeit bei Teikoku für seine Strenge und Erbarmungslosigkeit bekannt gewesen. Nur wer hart an sich arbeitete würde schließlich sein Ziel erreichen.   Dass Sakuma ein Problem mit der Art des Kapitäns hatte, kam daher mehr als überraschend, doch es ließ sich nicht leugnen. Immer wieder hatte er es schwer gehabt, seine Zickereien herunter zu schlucken und nicht den Respekt vor seinem Senpai zu verlieren. Bis jetzt hatte er sich gut gehalten und sich jegliches Gegrummel für den Weg nach Hause aufgespart und auch jetzt kämpfte er wie immer mit sich.   „Zu langsam, Sakuma! Gouenji steckt dich in die Tasche!“   Ein Blick von Kidou zu seinem Freund verriet ihm, dass der sich schwer damit tat, die Worte des Kapitäns herunterzuschlucken. Er hatte seine Fäuste geballt und presste die Zähne zusammen. Kommentarlos lief er auf seine Position zurück und machte sich auf das nächste Zweikampfduell gefasst.   „Super, Gouenji!“, lobte Endou seinen alten Kameraden und besten Freund lautstark – er war noch ganz der Motivator, auch wenn er nicht Kapitän und noch dazu nur ein Erstklässler war. Es war wie unzählige Nadelstiche in den Rücken, was Sakuma hinter sich hörte. Endou hatte den Schuss von Gouenji halten können und warf den Ball zur Seite, damit der nächste Spieler die Zweikampfübung antreten konnte, um bestenfalls – und schlimmstenfalls für Sakuma – als Abschluss aufs Tor zu schießen.   Ich bin eben kein Kazemaru, dachte Sakuma sich. Er war nicht so schnell und er war kein geübter Verteidiger. Angriff lag ihm eher und so fiel es ihm natürlich schwer gegen großartige und angriffsstarke Spieler wie Gouenji und Kidou mitzuhalten. Letztendlich verlor er jeden Zweikampf gegen beide und noch genug gegen seine anderen Mitspieler, um frustriert und angespannt den Trainingsplatz zu verlassen. Einerseits war er froh, dass das Training vorbei war, denn so verstummte die Stimme des Kapitäns, die für ihn von Tag zu Tag widerlicher Klang. Sakuma konnte sie einfach nicht mehr hören. Er konnte nicht mehr ertragen, wie sie ihn wieder und wieder kritisierte.   Andererseits hatte er sich heute auch nicht beweisen können. Das Training hinterließ einen bitteren Nachgeschmack.   Sakuma griff sich seine Tasche, nachdem er in seine Schuluniform geschlüpft war und ließ den Blick zu Kidou schweifen. Eine Augenbraue hochziehend begann er, seinen Freund interessierter anzusehen. Nicht, weil er irgendwelche Hintergedanken hatte, nein, sondern weil der wieder einmal an seinem Handy hing. Ein immer noch ungewohnter Anblick für Sakuma und er konnte sich nicht einmal vorstellen, was plötzlich so wichtig war. Sonst war Kidou so selten an seinem Handy – jedenfalls hatte er ihn nicht oft daran gesehen. Doch seit wenigen Tagen hatte er es ständig in der Hand.   „Uh, Kidou~ wer bringt dich denn da so zum Lächeln?“, fragte Fudou scheinheilig und machte ein paar Schritte auf den Angesprochenen zu, versuchend ihm über die Schulter zu luken und einen Blick auf das Display zu erhaschen. Natürlich ließ Kidou dies nicht zu, drehte sich ein Stück und hielt das Handy so geschickt, dass es jedem Blick verwehrt blieb.   „Das ist privat.“   „Ach komm, lass mich mal gucken~ Oder geht da was?“   „Was?“   „Na zwischen dir und dieser unbekannten Person~ Was denn sonst?“   Fudous neckende Art brachte Kidou leicht aus dem Konzept. Er hütete seine Privatsphäre wie seinen Augapfel und dass sie hier so vor versammelter Mannschaft breitgetreten wurde, war ihm unangenehm. Ein wenig versteift räusperte er sich und stecke das Handy in seine Tasche zurück. Das Lächeln war lange schon verflogen.   „Ich wüsste nicht, wo dich das was angeht. Genau so wenig wie den Rest in diesem Raum“, merkte Kidou an, als er seine Tasche schulterte und sich von Fudou – der ihm penetrant auf die Pelle gerückt war – löste und den Clubraum verließ.   Fudou konnte darüber nur amüsiert glucksen und schaute ihm hinterher, bevor sein Blick zu Sakuma wanderte. Dieser folgte seinem besten Freund nach draußen. Arme angesäuerte Jungfrau, dachte sich Fudou, während er ihm mit einem diabolischen Grinsen nachsah.   „Also geht mich das auch nichts an?“, fragte Sakuma mit einem undefinierbaren Unterton in der Stimme – ein Mix aus Enttäuschung und Ärger vielleicht, der mit einem Hauch von Hoffnung positiv verfälscht wurde. Denn immer noch glaubte er nicht ganz, was Fudou da gesagt hatte. Sie waren so gute Freunde, da war es doch nur normal dem anderen von einer Liebelei zu erzählen, wenn es eine gab. Jedenfalls empfand Sakuma das so.   „Du jetzt auch noch? Es ist eine ganz normale Nachricht von einem Freund.“   „Von einem Freund, aha?“   „Was soll der Tonfall, Sakuma?“   Kidou sah nicht so begeistert aus und seine Stimme sprühte ebenfalls nicht vor Heiterkeit. Dass er gerade mit einem vom Training angesäuerten Sakuma zu tun hatte, machte ihm zu schaffen – würde es wohl jedem. Eigentlich fand er es trotzdem unfair, dass er sich eine Szene von ihm machen lassen musste. Für nichts! Aber er hatte Verständnis für die Laune seines Freundes, also bemühte er sich, nicht ebenfalls den falschen Tonfall zu erwischen. Wegen so etwas wollte Kidou nicht streiten.   „Kenn ich diesen Freund?“, fragte Sakuma schließlich. Die Neugierde war einfach zu groß und vielleicht war es gar nicht so schlecht, wenn er wüsste, mit wem er es zu tun hatte. Immerhin könnte er dann viel besser einschätzen, was er von all dem halten sollte. Und wie viel an Fudous Vermutung dran wäre. Sein Blick war fast bohrend, so intensiv wie er auf Kidou gerichtet war. Doch dieser hielt Sakuma unbeirrt stand, vielleicht auch, weil er sich hinter den Goggles so wunderbar abschotten konnte. Sie ließen kaum einen Hinweis zu, wie es in seinem Kopf aussah.   „Tust du, aber es ist doch egal, wer es ist. Wir schreiben nur, das ist alles. Es gibt wichtigeres oder zumindest sollte es das für dich geben. Genda zum Beispiel, der-“   Weiter kam er nicht, denn hinter ihnen ging die Tür zum Clubraum auf und besagter Genda trat heraus. Das Gespräch war nun völlig verstummt und so endeten sie in einem dieser peinlichen Momente, bei dem der Neuankömmling – hier der Torhüter – ziemlich genau wusste, dass er in ein Gespräch geplatzt war, welches eigentlich nicht für seine Ohren bestimmt war. Im Zweifelsfall ging es sogar um ihn selbst.   „Dann können wir ja jetzt los“, kam es nur knapp von Kidou, der sich von seinen Freunden abwendete und den Heimweg antrat. Einen kurzen, prüfenden Blick später in Richtung Sakuma folgte Genda seinem ehemaligen Kapitän schweigend. Zwangsläufig setzte sich auch der Grauhaarige in Bewegung, kaute auf seiner Unterlippe und war alles andere als zufrieden. Er musste sich bemühen, das Gespräch nicht wieder aufzugreifen, schließlich wollte er doch Antworten. Aber es war klar, dass er keine bekommen würde – jetzt erst recht nicht. Den letzten unterbrochenen Satz hatte Sakuma längst vergessen.   Es war still, auf unangenehme Art, denn keiner der drei Jungs sagte ein Wort. Schweigend gingen sie nebeneinander her und waren in ihre Gedanken versunken. Sakuma gingen Fudous Worte nicht aus dem Kopf. Konnte es da tatsächlich jemanden für Kidou geben, der ihn glücklich machte? War er möglicherweise in diese Person verliebt? Wenn ja, dann wäre klar, dass Kidou ihn nicht liebte. Dieser Gedanke ließ Sakmuas Magen krampfen – ein wirklich unangenehmes Gefühl. Er war eifersüchtig. Vielleicht war es unberechtigt, aber er konnte es nicht stoppen.   „Da fällt mir ein: Tsunami hat mich zu sich nach Okinawa eingeladen. Ehrlich gesagt hat er jetzt sogar schon öfter gefragt. Da bald Umi no Hi ist, wäre es vielleicht einen Ausflug wert“, durchbrach Kidou die Stille mit einer Überraschung der anderen Art. Sakuma zog die Augenbrauen hoch und fragte sich, ob Tsunami der geheimnisvolle Nachrichtenschreiber sei, während Genda seinen Mund zu einem schwachen Lächeln verzog.   „Ich bin dafür, dass wir hinfahren. Es ist lange her, dass wir einen Ausflug unter Freunden unternommen haben.“   „Aber ohne Fudou! Nur wir drei, so wie früher“, bestimmte Sakuma energisch und lockte damit auch ein müdes Lächeln auf Kidous Gesicht. Es blieb zu hoffen, dass der penetrante Kerl nichts von ihrem Plan mitbekam, denn sonst wäre er kaum mehr abzuschütteln – eine grauenhafte Vorstellung, wie Sakuma fand. Er war ihm immer noch seine Jungfräulichkeit schuldig...   „Nur wir drei“, bestätigte Genda ihm und rang sich dabei ein Lächeln ab. Wie ehrlich dieses nun war, darüber machte Sakuma sich keine Gedanken. Er hatte wichtigere Dinge im Kopf und war froh, dass man ihm überhaupt sein Einverständnis verkündete.   „Dann ist es fix. Ich werde Tsunami nachher schreiben und ihm sagen, dass ihr mich begleiten werdet. Ein entspannender Tag am Meer wird uns sicher gut tun.“   Kidou wusste natürlich, dass sowohl Genda als auch Sakuma sehr unter dem Stress des Trainings litten. Er kannte sie gut und es war gerade bei dem Grauhaarigen leicht herauszulesen, so wenig wie er seine Gefühle zurückhielt. Bei dem Torhüter dagegen hatte es sich ja schon vor Tagen abgezeichnet. Vielleicht würde sie dieser Kurzurlaub mit positiver Energie aufladen, die sie im Training beflügeln würde.   Ihr gemeinsames Strandabenteuer sollte nicht mehr lange auf sie warten. Umi no Hi - Marine Day (1) -------------------------- Es war heiß. Zu heiß, wenn man Sakuma nach seiner Meinung fragte. Auf Okinawa war es noch einmal ein paar Grad wärmer als in Tokyo und selbst da war der Sommer dieses Jahr nur schwer erträglich. Die Klimaanlage zu Hause rettete ihn jedes mal wieder. Doch hier konnte er nicht in das innere eines gut klimatisierten Hauses flüchten.   Sie waren noch gar nicht lange auf Okinawa angekommen und trotzdem fürchtete Sakuma, dass sein luftiges Oversized-Shirt bald an ihm kleben würde. Kein schöner Gedanke. Ein Blick zu Kidou verriet ihm nicht besonders viel. Er wirkte gelassen und cool, so als ob ihm die Hitze nicht viel ausmachen würde. Wie viel davon allerdings nur ein Pokerface war, wusste er nicht. Das leichte Glitzern an Kidous Schläfen allerdings verriet, dass auch er schwitzte. Und Genda beklagte schon, dass er sich die Haare nicht mehr geschnitten hatte. Seine wilde, dicke Mähne hing ihm bis über die Schultern und heizte sowohl den Kopf als auch den Nacken ordentlich auf.   „Wir müssen dringend an den Strand. Ich muss mich abkühlen und meine Klamotten los werden“, bestimmte Sakuma und zupfte immer wieder an seinem T-Shirt, um sich einen leichten Windhauch über die Haut zu jagen. Es half immerhin wirklich ein wenig.   Für seinen Vorschlag erntete er einen kurzen Blick von Kidou, verlor die Aufmerksamkeit seines Schwarms dann aber wieder gegen die Armbanduhr, die teuer um dessen Handgelenk hing. Kidous Mundwinkel zuckten kurz, dann richtete er sich wieder an Sakuma und Genda.   „Zuerst müssen wir Tsunami treffen. Normalerweise wäre der Strand dafür genau der richtige Ort, aber heute dürfte es anders sein. Er sagte, er würde mit seinem Fußballclub an der Parade teilnehmen.“   „Und die findet wahrscheinlich nicht am Strand statt“, murmelte Sakuma hoffnungslos. Er seufzte kurz, aber nahm es dann mit Fassung. Die nötige Abkühlung würde er noch bekommen – ganz bestimmt. Und immerhin würde sein T-Shirt bei den Temperaturen in der Zwischenzeit ziemlich schnell trocknen...   Plötzlich regte sich etwas in seinem Blickwinkel und als er zur Seite guckte, sah er eine mit Wasser gefüllte Plastikflasche neben seinem Kopf. Er folgte dem ausgestreckten Arm mit den Augen und blickte in Gendas sanft lächelndes Gesicht. Für einen Moment griff er schweigend nach der Flasche, dann hellte sich auch seine verdutzte Mimik auf und verwandelte sich in ein Lächeln.   „Danke.“   „Nicht dafür. Bei der Wärme ist es wichtig, genug zu trinken, sonst dehydrierst du.“   Das wusste Sakuma natürlich auch – theoretisch – aber einen Genda dabei zu haben, der einen daran erinnerte, dass man trinken musste, war doch so viel bequemer. Ein bisschen erinnerte ihn das an seine Mutter, wenn er ehrlich war, aber auf der anderen Seite war es dann doch auch einfach ein Zeichen dafür, was für einen guten Freund er da hatte. Er nahm ein paar Schlücke aus der Wasserflasche und reichte sie dann an Genda zurück.   „Du auch“, kommentierte er knapp und folgte dann Kidou, der sich wieder in Bewegung gesetzt hatte. Und so entging ihm, wie Genda die noch geöffnete Flasche nahezu anstarrte, als wäre sie ein besonders wertvoller Gegenstand, dessen Berührung seine Lippen nicht würdig waren.       Noch bevor sie ankamen, war die leicht schrille, traditionell japanische Musik der Parade durch die Lautsprecher der Laternen zu hören und lotste sie auf den rechten Weg. Viel verpasst hatten sie offenbar noch nicht, denn ein Blick zur Seite verriet, dass erst eine überschaubare Anzahl an Wagen vorbei gefahren waren. Der Anfang der Parade war noch zu sehen. Im Grunde glich sich das Bild, das ihnen geboten wurde, auch stark mit dem, was sie schon in der Ferne sehen konnten. Es waren tatsächlich viele Wagen, die alle einem aus Holz geschnitzten Boot ähnelten – nur eben auf Rädern, doch das Fahrwerk wurde gut durch eine mit Stoff behangene Platte versteckt. An den Booten waren Lampions befestigt und verschiedene Trommeln brachten zusätzliches Flair. Ein paar Menschen waren auf den Wagen, der Großteil ging allerdings nebenher, trommelte, tanzte und sang, während ein paar der Teilnehmer den Wagen an einem Seil zogen, wie es auch schon die Fischer früher getan hatten.   Viele Paradeteilnehmer waren in traditionelle Kleidung gehüllt oder trugen zumindest grüppchenweise die selbe Happi – eine kurzärmlige Jacke, wie sie auf Festivals getragen wird. Eine zu Dreierreihen aufgestellte Menge aus vielen Damen mittleren Alters trug farbenfrohe, teils einheitliche Yukatas, die sie ebenso als kleine Grüppchen erschienen ließ wie die verschiedenen Teams, die die Paradeboote zogen. Und dennoch tanzten sie alle gemeinsam. Ihre sanften Bewegungen waren so synchron, dass sie eine wundervolle Einheit bildeten.   Lautes Gegröle zog die Blicke vieler auf sich – unter anderem auch die von Sakuma, Genda und Kidou. Es war schon von Weitem zu hören, obwohl der Wagen noch gar nicht vor ihnen vorbei fuhr. Und trotz der Entfernung war ein rosa Haarschopf zu erkennen, der sich langsam näherte. Sie waren mit Abstand der lauteste Wagen und offensichtlich hatten die Mitglieder des Fußballclubs viel Spaß und feierten sich selbst ungemein. Tsunami befand sich auf dem Dach des Schiffs, gemeinsam mit noch einem anderen Jungen und trommelte, was das Zeug hielt. Nur sein grölender Gesang war unstetiger als sein Trommelspiel, doch er gliederte sich damit perfekt in den chaotischen Krach ein, der von allen Mitgliedern aus ging. Einzig allein die Managerin ging mit einem ruhigen Lächeln hinter dem Wagen hinterher.   „Yo!!! Da seid ihr ja!“, brüllte Tsunami von seinem Wagen herunter. Kidou verzog keine Miene, aber Sakuma lächelte müde. Ihm war das ein wenig peinlich so vor all den Leuten mit Tsunamis lautem Organ. Dass der Junge in seinen Augen kaum Benimmregeln gelernt hat, wusste er schon. Doch das hier war ein ganz neues Level für Tsunamis große Klappe.   Die Jungs hoben grüßend die Hand, lächelten teilweise mit aufgesetzt guter Miene und- Ein Blick zu Kidou ließ Sakumas Herz einen Satz machen. Das Lächeln, welches gerade sein Gesicht zierte, war so schön, dass er Probleme damit hatte, seinen Herzschlag unter Kontrolle zu bekommen. Allgemein sah er Kidou selten lächeln, aber die Art, wie er die Mundwinkel sanft und nur ein Stück weit hochgezogen hatte, sentimental und sehnsüchtig – da konnte er gar nicht anders, als ihm noch mehr zu verfallen. Dass er gerade starrte, bemerkte Sakuma gar nicht, so fixiert war er auf das fremde Gesicht. Und Kidou wirkte ja selbst viel zu sehr damit beschäftigt dem Wagen hinterher zu schmachten, als dass er irgendetwas mitbekommen würde.   „Wo treffen wir Tsunami gleich?“, mischte sich Genda in den Starrwettbewerb ein, den er eher skeptisch beobachtet hatte. Wenigstens half die Frage dabei, Kidou wieder von seinem Statuen ähnlichen Zustand zu befreien. Zu Sakumas Ernüchterung wischte es ihm allerdings auch das Lächeln vom Gesicht und seine Mimik wurde wieder so neutral wie zuvor.   „Folgen wir einfach der Parade, dann kommen wir automatisch da an, wo auch Tsunami und seine Freunde sein werden.“   Ohne auf Zustimmung zu warten, verließ Kidou den Straßenrand und kehrte zurück auf den Bürgersteig. Die anderen Beiden folgten, so wie sie es noch aus ihrer Teikoku-Zeit gewohnt waren. Wenn Der Kapitän sprach, dann wurde getan, was er sagte. Während Sakumas Blick so von hinten auf Kidou lag, bemerkte er langsam aber sicher, dass dieser verdammt oft und lange zur Parade schaute. Jedoch nicht, weil er interessiert das Geschehen verfolgte. Es war nicht mehr zu bestreiten, dass irgendetwas an Tsunamis Wagen seine Aufmerksamkeit fesselte.   Der Gedanke gefiel Sakuma ganz und gar nicht. Wieder schlug sein Herz schneller, aber es fühlte sich ganz und gar nicht mehr gut an – eher krampfend. Es tat weh. Doch irgendwie schaffte er es sich einzureden, dass alles nur seine Einbildung war. Sicher war da gar nichts und er interpretierte viel zu viel hinein – völlig zu Unrecht.   Langsam schlenderten sie vorwärts, passten sich dem Tempo der Parade an und hatten damit genug Zeit, um immer wieder in die Schaufenster der Cafés, Restaurants und kleinen Souvenirläden zu gucken. Es gab spezielle Tagesangebote auf Menütafeln, die bevorzugt aus Fisch oder anderen Meeresbewohnern bestanden, um den Tag gebührend zu feiern mit allem, was das Meer eben zu bieten hatte. Zu Sakumas Enttäuschung entdeckte er allerdings keinen einzigen Pinguin in den Schaufenstern oder an den Außenständen, dafür aber einen Haufen Wale.   Es dauerte nicht lange, da hatten sie beinahe den Strand erreicht und damit gleichzeitig den Endpunkt der Parade, an dem sich viele der Teilnehmer sammelten und auch die verschiedenen Wagen vorerst geparkt wurden. Die Stimmung war heiter und ausgelassen und die Truppe um Tsunami konnte es kaum erwarten, ihre Privatparty auszuweiten und damit die anderen Leute zu infizieren. Ein paar der Jugendlichen tanzten mit den Frauen mittleren Alters und überall hätte das wohl ein wenig schräg gewirkt. Hier auf Okinawa tickten die Uhren bekanntlich anders und so war es für keinen ein seltsamer Anblick, vermutete Sakuma jedenfalls den anderen Gesichtern nach zu urteilen.   „Yo! Da seid ihr ja wieder! Hat euch die Parade gefallen?“, fragte Tsunami lautstark und kam mit einem breiten Grinsen auf sie zu. Er war tatsächlich noch ein Stück gewachsen, wie Sakuma feststellte – im Gegensatz zu ihm selbst. Irgendwie warteten seine eigenen Wachstumshormone scheinbar auf irgendwas. Sogar Kidou wuchs ihm schon über den Kopf.   „Sie war sehr.... intensiv und ausgelassen“, merkte Kidou freundlich an und schob seinen Blick an Tsunami vorbei. Hinter dem Großen trat ein weiterer Junge heran, den Sakuma noch nie zuvor gesehen hatte. Seine Haare waren wuschelig blau, der Rahmen einer Brille umspielte seine lilafarbenen Augen. „Lange nicht gesehen, Otomura.“   „Und trotzdem noch wiedererkannt. Du hast dich nicht verändert, Kidou.“   „Du auch nicht“, bemerkte der Spielmacher mit einem Lächeln, das Sakuma stutzen ließ. Skeptisch beobachtete er die Interaktion zwischen den beiden, mischte sich dann aber selbst ein.   „Wir hatten das Vergnügen noch nicht. Ich bin Sakuma Jirou“, stellte er sich schließlich höflich vor – unbeachtet dessen, dass er sich in den Vordergrund drängte, damit Kidou und der Fremde ihren Blickkontakt lösten. Irgendein Instinkt in ihm alarmierte ihn bereits, doch er konnte ihn nicht deuten. Alles, was er wusste, war, dass dieser Tag nicht so schön werden würde, wie er sich das vorgestellt hatte. Und das, obwohl Fudou nicht da war.   „Otomura Gakuya, ein alter Klassenkamerad von Tsunami.“   „Genda Koujirou, freut mich.“   „Wenn das jetzt geklärt ist, dann können wir ja weiter! Das Meer wartet auf uns!“, stellte Tsunami energisch klar und war schon ganz heiß darauf ein paar Wellen zu reiten, so wie er sich sein Surfbrett unter den Nagel riss. Otomura holte währenddessen zwei Gepäckstücke aus ihrem Paradewagen und nickte ihnen dann zu, um aufzubrechen. Hinter einem „Tsunami! Hilf gefälligst beim Aufräumen!!!“, hastete Tsunami voller Elan davon.   Die Jungs taten es ihm gleich – in einem gemächlicheren Tempo – und Sakuma konnte die lang ersehnte Abkühlung gar nicht mehr erwarten. Umi no Hi - Marine Day (2) -------------------------- Sakuma mochte ihn nicht.   Er konnte sich nicht einmal erklären warum, aber von Beginn an war da diese Antipathie seinerseits, die Otomura nicht wett machen konnte. Dabei war der gar kein Fiesling und völlig anders als Fudou. Trotzdem störte sich Sakuma daran, wie er mit Kidou interagierte. Sehr sogar.   Im Gegensatz zu Fudou provozierte Otomura nicht, wenn er mit Kidou sprach. Sein Gesicht war freundlich genauso wie seine Stimme. Er war nett. Er war ruhig. Und er lächelte sogar ehrlich, wenn er Sakuma mit seinem Blick fixierte. Keines dieser höhnischen Grinsen, die er von Fudou gewohnt war. Und trotzdem konnte Sakuma den Kerl nicht ausstehen und hegte ihm gegenüber ähnliche Gefühle wie die, die er für Fudou gerade noch so übrig hatte.   Was hatten die beiden eigentlich so viel zu bereden? Er hatte Kidou noch nie ein einziges Wort über diesen Kerl sagen hören und jetzt war er plötzlich wichtiger als seine Freunde? Dass er immer wieder solche Anfälle hatte, in denen er seine alten Kameraden links liegen ließ, war Sakuma ja bewusst – eigentlich war er darüber hinweg und wusste mittlerweile damit umzugehen -, aber dieser Kerl machte alles anders.   Ganz besonders bedrohte er den Ausflug, auf den Sakuma sich schon gefreut hatte. Nur Kidou, er und Genda. Tsunami war okay, denn so wie er ihn kannte, beschäftigte sich der Surfer sowieso lieber mit seinen Wellen, zu denen er sich längst ins Meer gestürzt hatte, als dauerhaft bei ihnen zu hocken. Und er war außerdem niemand, der Kidou so beschlagnahmen würde.   Otomura tat das und zwang Sakuma dazu, wortlos bei ihnen zu hocken. Viel verstand er von dem Gespräch allerdings nicht, obwohl er genau neben ihnen saß. Irgendwas über den Rhythmus, Takte, seltsame Rechnungen die aus dem Nichts zu kommen schienen, aber Kidou wusste genau, wovon der andere sprach. Es war frustrierend.   Wo Sakuma schon dem Gesprächsverlauf nicht folgen konnte, hatte er wenigstens Zeit sie beim Sprechen zu beobachten. Kidou wirkte nicht verändert. Sein Gesicht war so nichtssagend wie immer – was sicher auch an den Goggles lag, die seine Augen verdeckten –, aber er wirkte sehr interessiert an dem Inhalt ihres Gesprächs. Otomura sah freundlich aus, hatte ein leichtes Lächeln aufgesetzt und seine von langen, dunklen Wimpern umrahmten Augen suchten immer wieder Kidous Blick.   Hätte Sakuma nicht mit eigenen Ohren gehört, über was für abstruse Dinge sie gerade sprachen, müsste er wohl glauben, dass sie flirteten. Und obwohl er es ja besser wusste, brodelte die Eifersucht in ihm. Kurz vernahm er, dass Genda aus dem Wasser zurück kam, sah dann aber doch wieder zu Otomura. Ein Fehler, wie sich herausstellte. Im nächsten Moment spürte er etwas kaltes zwischen Brust und Schulter und konnte zusehen, wie glasklares Wasser zwischen seinen Brustmuskeln runterfloss und eine glänzende Spur sich bis zu seinem Hosenbund hinunter zog. Entgeistert sah er nach oben zu Genda, aus dessen Handflächen noch die letzten Wasserreste heruntertropften.   „Nun sei nicht beleidigt“, begann Genda und lächelte sanft. Er setzte sich so nass wie er war einfach in den Sand, der es sich nicht nehmen ließ, gleich an seiner Badeshorts und seinen Beinen zu kleben. „Du hast gesagt, du bräuchtest dringend eine Abkühlung und trotzdem warst du noch nicht einmal im Meer baden seitdem wir angekommen sind. Also wollte ich das Meer zu dir bringen.“   Dem viel zu liebevollen Lächeln konnte Sakuma gar nicht lange böse sein und so seufzte er nur, als sich seine Gesichtsmuskeln wieder entspannten.   „Ich weiß, aber-“   „Kein Aber. Entweder du stehst jetzt freiwillig auf und kommst mit ins Wasser oder ich muss dich ganz peinlich tragen.“   „Ist ja gut, du musst mich nicht bedrohen“, merkte Sakuma ergebend an und stand auf, warf dabei aber noch einen Blick zu Kidou und Otomura. „Kommt ihr mit? Eine Runde Wasserball macht mit mehr Leuten einfach mehr Spaß.“   „Geht ihr ruhig, ich bleib hier und passe auf unsere Sachen auf“, entgegnete Otomura und sah nicht einmal so aus, als würde er großartig darum trauern, dass er ganz alleine auf ihrem Platz bleiben würde. Sakuma vermutete, dass es an den Kopfhörern lag, die mit Sicherheit nicht wasserfest waren. Und aus Gründen, die er nicht kannte, hatte Otomura diese rosa Dinger nämlich noch nicht einmal abgenommen – auch nicht bei dem fragwürdigen Geplauder eben.   „Gut, dann bis gleich“, verabschiedete sich Kidou von seinem alten Bekannten und stand ebenfalls auf, was Sakuma ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Er war wirklich froh seinen Freund jetzt endlich mal für sich zu haben und wenn es nur für eine halbe Stunde war. Mit dem Wasserball bewaffnet ging er voran und hatte von jetzt auf gleich eine wunderbare Stimmung, die ihn zufrieden vor sich hin pfeifen ließ. Freudig drehte er den Ball in seinen Händen und begab sich in das erfrischend kühle Nass, watete tiefer hinein, bis zum Bauchnabel.   Schmunzelnd warf er den Wasserball in die Luft und schlug ihn mit der Handfläche zu seinen Freunden. Aus dem erst noch anständig verhaltenen Hin und Her wurde ziemlich schnell ein hitziger Wettkampf, bei dem die Schläge härter und die Zuspiele schwerer zu bekommen waren. Keiner wollte den Ball auf die Wasseroberfläche aufkommen lassen. Sakuma war immer öfter gezwungen nach den fiesen Zuspielen zu hechten, um sie noch irgendwie mit der Hand zu erreichen und so war er längst von Kopf bis Fuß nass. Die Haare hingen ihm strähnig herunter und tropften kühl auf seinen Rücken. Genda sah auch nicht besser aus. Nur Kidou war entweder besser im Wasserballspielen als sie oder hatte streng darauf geachtet, nicht nass zu werden. Seine Dreadlocks und seine Goggles blieben bislang jedenfalls trocken.   „Sieht aus, als wären wir kein Match für Kidou“, stellte Sakuma amüsiert fest und fing den nächsten zugespielten Pass mit den Händen auf. „Er ist definitiv noch zu trocken.“   „Sehe ich auch so.“   Genda und Sakuma grinsten unheilvoll, aber nicht bösartig, als sie sich Kidou näherten. Dieser konnte in dem hohen Wasser leider nicht so schnell entkommen, wie er wollte. Seine Bewegungen wurden schwer und träge, obwohl er sich so schnell bewegte wie immer – richtig vorwärts kam er nicht und schon hatte sich Genda auf ihn gestürzt und ihn mit unter die Wasseroberfläche gerissen.   Amüsiert lachte Sakuma auf und feierte das Bild vor sich. Auch Kidous bedröppelter Blick, als er wieder auftauchte, war köstlich und bremste sein Lachen nicht. Gendas Antlitz setzte noch einen drauf. Er hatte den Pony komplett wie einen tropfenden Schleier vor den Augen hängen und sah aus wie ein Löwe, den man ins Wasser geschmissen hatte.   Hätte er mal nicht zu so laut gelacht.   „Oh nein, nicht ich! Lasst mich!“, sagte Sakuma panisch. Als er bemerkte, dass ihn unheilvolle Augen anvisiert hatten, war er viel zu nah dran. Er konnte gar nicht mehr fliehen und war schnell zum nächsten Opfer geworden. Plötzlich befand auch er sich unter Wasser. Dieses Mal lachten die anderen Beiden.   Es entwickelte sich eine Wasserschlacht – jeder gegen jeden. Wer Glück hatte und nicht runtergerissen wurde, bekam eine Ladung Wasser ins Gesicht gespritzt. Sakuma wurde offenbar geschont, da er seit dem einen Mal nie direkt angegriffen wurde, doch sich immer wieder mit dem Gesicht schützend wegzudrehen, machte ihn schnell zu einem einfachen Angriffsziel. Die Arme, die sich um seinen Oberkörper schlangen gehörten Genda, musste er feststellen. Die Augen zusammengekniffen wartete er förmlich darauf jeden Moment unter Wasser gedrückt zu werden.   Doch erst einmal geschah nichts.   Ungläubig – er konnte sein Glück kaum fassen und traute dem Ganzen noch nicht so richtig – öffnet Sakuma die Augen und blinzelte. Er hatte sogar aufgehört zu zappeln, so verdutzt war er. Den Kopf ein Stück weit gedreht sah er zu Genda hoch, konnte aber sein Gesicht nur ungenau aus dem Augenwinkel erkennen.   „Worauf wartest du?“   „Du bist mir noch nicht trocken genug. Lohnt sich doch gar nicht, wenn du klitschnass bist.“   „Sehr witzig. Du hast nicht nur 'ne Mähne wie ein Löwe, offenbar verwandelst du dich auch langsam in einen. Man spielt nicht mit seinem Essen, das weißt du doch.“   „Ich hatte auch gar nicht vor, dich zu fressen – noch nicht“, merkte Genda an, die Stimme dunkler und einen Deut rauer als es Sakuma gewohnt war. Ehrlich gesagt hatte er seinen Freund so noch nie gehört. Irritiert stutzte er. Dass sie immer noch so im Wasser standen – er in den muskulösen Armen von Genda – realisierte Sakuma noch gar nicht.   „Vielleicht gehst du lieber wieder raus. Klingt so, als hättest du dir was eingefangen“, stellte er fest. Es gab tatsächlich Leute, die sich im Sommer eine Grippe zulegten und mit einem Kratzen im Hals fing alles an.   „Aber wer taucht dich dann unter, wenn ich jetzt gehe?“   „Du kannst ja Kidou-“, begann Sakuma, brach den Satz dann aber ab als er feststellte, dass Kidou gar nicht mehr da war. Es machte sich eine Unruhe in ihm breit, die dazu führte, dass suchende Augen den Strand abscannten, bis sie ihn fanden – er war längst wieder auf ihrem Platz, genau wie Tsunami. Sakuma griff die fremden Arme vor seinem Bauch und zog an ihnen. Die stumme Aufforderung kam an. Genda ließ ihn los und sah ihn mit einem leicht verunglückten Lächeln an, das irgendwie hilflos wirkte.   „Wir sollten auch zurück“, war alles, was Sakuma noch zu sagen hatte, bevor er sich selbst auf den Weg aus dem Wasser machte, den Ball dabei mit sich nehmend.   Genda bevorzugte es allerdings noch etwas zu Schwimmen und folgte ihm nicht. Umi no Hi - Marine Day (3) -------------------------- Als Sakuma zu ihrem Platz zurückgekehrt war, staunte er nicht schlecht. Die Jungs hatten einen kleinen quaderförmigen Grill angefacht, auf dem die Kohle allerdings noch nicht ganz zu glühen begann. Beklagen würde er sich über die Idee natürlich nicht, sein Magen hatte beschlossen, dass sie sogar wundervoll war. Und grillen am Strand hatte was.   „Yo, Sakuma! Komm her und guck dir das an!“, tönte es von Tsunami herüber, als Angesprochener sich gerade sein Handtuch vom Boden aufsammelte und es ein wenig ausklopfte, um sich abzutrocknen.   „Huh?“   „Komm schon!“   Mit leichter Skepsis ging er zu Tsunami und hockte sich zu ihm – ungeachtet dessen, dass er gerade mit seiner nassen Badeshorts die Decke voll tropfte, die sie zum gemeinsamen Sitzen ausgebreitet hatten. Ein kurzer Blick ging zu Kidou, noch bevor er auf das fremde Handy schaute, das ihm so penetrant vors Gesicht gehalten wurde.   Tachimukai. Tachimukai in ein Yappi gehüllt, um ihn herum noch andere, die Sakuma allerdings nicht kannte.   „Macht er sich nicht gut in dem Aufzug?“, fragte Tsunami grinsend, seine Stimme klang von einem Hauch stolz begleitet nur noch euphorischer. „Zugegeben, ein paar Muckis mehr würden ihm gut tun, aber das kommt noch! Er wird noch groß und kräftig.“   Bei seinen letzten Worten zog Tsunami das Handy zurück und sah sich das Foto selbst noch einmal an, das riesige Grinsen überzog dabei sein halbes Gesicht. Wie recht er mit der Annahme hatte, ahnte Tsunami heute natürlich nicht.   „Ist das von heute?“   „Ja! Ich hatte eigentlich gehofft, dass er auch kommen könnte, aber er ist in Fukuoka eingespannt. Macht aber nichts. Dafür kommt er nächste Woche für ganze 10 Tage!“   Sakuma hob eine Augenbraue an, sein Blick wurde ein bisschen skeptischer. Offenbar standen sich die zwei immer noch ziemlich nahe oder Tsunami freute sich über jeden Besucher so sehr. Vermutlich nicht, denn dass er und Tachimukai eine besondere Verbindung miteinander hatten, war ihm schon bei der Football Frontier International nicht entgangen. Er selbst hatte gar keinen Kontakt mehr zu denen, die er bei dem Turnier damals getroffen hatte. Weder zu den Italienern, noch zu seinen alten Mannschaftskollegen, wenn die nicht gerade auf seine Schule gingen und das taten doch überraschend viele.   Schuld daran war Kidou gewesen, der unbedingt weiterhin mit Gouenji und Endou auf die selbe Schule gehen wollte. Und jetzt war er da – mit Genda und Fudou – wobei sich der Rest von Teikoku irgendwo anders tummelte. Seine alten Freunde. Vielleicht war er bei all dem hier nicht besser gewesen als Kidou, der egoistischerweise seine alten Freunde hinter sich gelassen hatte – nicht zum ersten Mal.   Jetzt, wo Sakuma sah, dass es auch Freundschaften gab, die sich über eine Distanz von mehr als 1000 km hielten, fühlte er sich mies. Er bereute es und wollte versuchen, in den anstehenden Ferien zu versuchen, das wieder zu kitten, was er in den letzten Monaten fahrlässig zerstört hatte.   Erst eine Bewegung holte Sakuma aus seinen tiefen Gefühlen voll von Reue. Zu seinem Entsetzen musste er feststellen, dass Genda wieder da war – er hatte es gar nicht bemerkt – und dass Kidou und Otomura aufgestanden waren. Gemeinsam entfernten sie sich von ihrem kleinen Lager. Sakuma spürte einen Drang aufzustehen und ihnen nachzulaufen, aber sein Körper reagierte nicht. Er war immer noch mitgenommen von seinen letzten Gedanken – träge und antriebslos.   „Lauft lieber nicht zu weit weg, sonst essen wir hier alles alleine!“, drohte Tsunami scherzend, während er den kleinen Grill mit Fleisch und Schaschlikspießen vollpackte. Wie viel davon allerdings wirklich nur ein Spaß war, war fraglich, schließlich gab es beim BBQ nur ein Regel: Iss so viel du kannst, bevor es ein anderer tut!   „Wohin gehen die?“, fragte Sakuma ganz und gar nicht glücklich mit der Situation und starrte ihnen regelrecht hinterher, doch das brachte ihm auch nicht die erhoffte Information. Genda schwieg ihn mit ernster Miene an, wodurch er seinen Blick automatisch eine Antwort fordernd zu Tsunami wechselte.   „Huh? Wer weiß das schon“, begann der schließlich heiter und wedelte mit den großen Stäbchen in seiner Hand, die er dazu benutzte, das Fleisch auf dem Grill zu wenden. „Hier gibt es viele schöne Orte, an denen man ungestört sein kann.“   „Ungestört?“, fragte Sakuma unglaubwürdig und die Alarmglocken in seinem Kopf begannen zu läuten. Sie würden doch nicht etwa-?!   „Klar! Ich hab Otomura lange genug gesagt, er soll seine Chance nutzen, wenn sie da ist. Entweder man schafft es, die Welle zu reiten, oder man scheitert bei dem Versuch. Aber wenn man sich von vorn herein nicht traut, wird man das Meer nie bezwingen!“   „W-Was?“   „Ihr müsst wissen, Otomura hat es auf seinen Tanabata-Zettel geschrieben. Eigentlich guck ich ja nicht, aber es hat sich zufällig so ergeben, da hab ich es gesehen. Ich möchte Kidou noch einmal wiedersehen, stand da! Und da hab ich gedacht, hey, ich lad ihn hier her ein. Cool oder? Das macht mich zu einem Amor der See!“   Sakumas Gesicht war wie versteinert, dafür brodelte es in seinem Inneren wie verrückt. Panik, Angst, Eifersucht. Ein abscheuliches Gemisch aus Emotionen machte sich in ihm breit und überforderte ihn so weit, dass er kaum mehr klar denken konnte. Es war so als bewegte sich sein Körper von ganz allein, während er aufstand, doch losrennen konnte er nicht. Eine Hand hatte sich fest um sein Handgelenk geschlungen und ließ es nicht zu, dass er lospreschte. Mit Schock und Wut in seinen Augen lodernd sah er herunter zu dem Übeltäter, der ihn nicht gehen lassen wollte. Als er Genda in das strenge Gesicht sah, zogen sich die Augenbrauen nur noch tiefer und enger zusammen, sein Mund verzog sich zu einem dünnen Strich.   „Lass mich los, Genda!“   „Nein.“   Die verdächtig ruhige, aber betonte und ziemlich knappe Antwort, veranlasste Sakuma dazu, wild an seinem Arm herumzureißen. Auch seine Stimme wurde heller und kratziger. Die orangefarbenen Augen glühten förmlich unheilvoll.   „Ich sag es noch einmal. Lass los, sonst-!“   „Du wirst ihnen nicht nachgehen“, war die eindringlich ruhige Antwort von Genda, der seinem Blick stand hielt, mit dunklen Augen, die fest auf Sakuma gerichtet waren. „Mach das Kidou nicht mit deinem Egoismus kaputt.“   Der Spruch saß und schmerzte viel mehr als jeder Schlag, den Genda hätte austeilen können. Und weil geschlagene Hunde beißen, feuerte Sakuma zurück: „Du bist der schlechteste Freund, den man haben kann!“ Er riss sich von der Hand los, die ihn plötzlich gar nicht mehr richtig festhielt und rannte wütend davon, zu Gendas Erleichterung in eine andere Richtung als die, in der Kidou mit Otomura verschwunden war. Aber das machte sein krampfendes Herz nicht wett.   „Tut mir leid, dass du das mit anhören musstest“, entschuldigte sich Genda betont ruhig bei Tsunami als er ebenfalls aufstand, um Sakuma nachzugehen. Es dauerte nicht lange, bis er ihn gefunden hatte. Ein paar hundert Meter weiter saß er vorne am Strand, das Wasser umspielte dabei immer wieder seine Füße bei jeder kleinen Welle, die den Sand um ihn herum mit Meerwasser benetzte. Sakuma hatte die Knie angezogen und das Kinn auf seinen Unterarmen aufgestützt. Sein Blick ging weit in die Ferne auf das Meer hinaus.   Genda setzte sich schweigend zu ihm, was Sakuma dazu veranlasste, den Kopf wegzudrehen.   „Geh weg, ich will dich nicht sehen.“   „Sakuma, sei nicht albern.“   „Bin ich nicht. Macht es Spaß mich so zu hintergehen?“   „Du weißt, dass das nicht stimmt. Hör lieber auf damit, du bereust es später nur“, merkte Genda wieder betont ruhig an. Eine Hand wischte sich angestrengt über sein Gesicht, dann seufzte er. Doch Sakuma schien sich nicht beruhigen lassen zu wollen.   „Aber ich bin im Recht! Kidou ist irgendwo da draußen mit diesem Kerl und macht weiß Gott was! Und du lässt mich nicht einmal zu ihm, um das zu verhindern!“, meckerte Sakuma frustriert und stark angesäuert. Allein wenn er daran dachte, wurde ihm schlecht und sein Magen war kurz davor zu rebellieren. Sein Kidou war mit einem anderen Kerl zusammen! Das konnte er jawohl nicht zulassen! Dass Genda dazu nur resigniert schwieg, veranlasste Sakuma weiterzumachen.   „Dabei weißt du, was ich für ihn fühle! Und nicht einmal an unsere Abmachung hast du dich gehalten. Du solltest rausfinden, was Kidou über mich denkt und hast mir bis heute nichts gesagt! Hast du es überhaupt versucht?!“   „Hab ich. Ich wusste nur nicht... wie ich es dir sagen soll“, murmelte Genda und hatte seinen Blick nun selbst aufs Meer gerichtet, als wäre es so viel leichter als Sakuma anzusehen, der natürlich den Kopf zu ihm herum wendete. Große geweitete Augen lagen auf ihm, was er förmlich spüren können musste.   „Du hast es gewusst und die ganze Zeit über kein Wort gesagt?!“   „Ich konnte nicht.“   „Also was- Was hat er gesagt?!“   ~   „Es gibt da schon jemanden, den ich mag. Ich fühle mich geehrt, aber leider muss ich ablehnen.“   Otomura sah ihn einen Moment lang angespannt an, dann verzog sich sein Mund zu einem leichten, aber irgendwie schiefen Lächeln. Er steckte die Hände in die Hosentaschen und ließ seinen enttäuschten Blick über die Wasseroberfläche schweifen.   „Verstehe. In den zwei Jahren ist viel passiert, da ist es verständlich, dass du jemand anderen gefunden hast.“   „Ich hätte das selbst nicht gedacht, und dann traf es mich plötzlich wie ein Schlag, als ich es verstand. Aber unabhängig davon – ich hab unseren Sommer nie vergessen und das werde ich auch nicht.“   „Ich auch nicht“, sprach Otomura und musste ehrlich schmunzeln bei dem Gedanken daran, wie grün hinter den Ohren sie damals noch waren. Auch wenn es jetzt vorbei war und ewig eine schöne Erinnerung bleiben würde, war er froh über Kidous Ehrlichkeit und seinen eigenen Mut. Nun war er vollkommen frei und musste nicht ewig einer Fernbeziehung hinterher träumen, die er nie eingegangen war.   Sein Herz würde sich jemand anderem öffnen. Umi no Hi - Marine Day (4) -------------------------- „Er liebt jemand anderen.“   Wieder und wieder hörte er Gendas Worte in seinem Kopf, so als würde eine kaputte Platte abgespielt werden. Und mit jedem Mal, brannten sie sich tiefer in seine Gedanken ein. Obwohl es nur ein Satz war, löste er so viel in Sakumas Körper aus, dass er nicht wusste, was davon er wirklich noch bewusst kontrollierte.   Seine Beine, die ihn Schritt für Schritt durch den Sand trugen – so hastig, dass er in kurzer Zeit mehrere hundert Meter hinter sich gebracht hatte –, steuerte er selbst. Er wollte einfach nur weg, aus Angst er könnte die Tränen nicht zurückhalten. Dass seine Augen anfingen zu brennen, hatte er schon bemerkt, als er noch stand. Und während er rannte, sammelte sich immer mehr Tränenflüssigkeit in ihnen.   Das Krampfen seines Herzens ließ sich nicht unterdrücken, genau so wenig, wie die Leere, die sich in ihm breit machte. Er fühlte sich elendig und auch sein Magen begann zu rebellieren. Sakuma presste eine Hand auf seinen Mund. Er wurde langsamer, bis er nur noch in Schritttempo voran kam. Wenigstens sein Frühstück konnte er irgendwie bei sich behalten... Doch das unerträglich depressive Gefühl blieb.   Mittlerweile machten sich seine Gedanken in alle Richtungen davon. So abwesend wie er mit seinem Geist war, blendete er alles um sich herum aus als wäre er genau so alleine, wie er sich in seinem Inneren fühlte. Sakuma suchte nach Gründen, manche davon bei Kidou, manche bei sich selbst. Irgendworan musste es ja liegen, aber alles, was er fand, waren schlichtweg nur Vermutungen. Ob es nun daran lag, dass er nicht attraktiv genug, zu anstrengend oder zu langweilig war, konnte er natürlich nicht mit Sicherheit sagen. Oder vielleicht lag es auch daran, dass Kidou gar nicht an Typen interessiert war, aber- Was lief dann mit diesem Otomura? War er sogar der Kerl, den Kidou liebte?   Sakuma biss sich auf die Unterlippe. Er konnte keine seiner Fragen beantworten, nur Kidou konnte das. Aber mit ihm darüber zu reden schien im Moment völlig ausgeschlossen. Es war schlimm genug, dass Kidou nichts von ihm wollte, aber um so ein Gespräch führen zu können, müsste er ihm erst einmal seine Liebe gestehen. Er war nicht wahnsinnig genug, um das jetzt noch zu tun. Dieses miese Gefühl gerade musste er nicht noch schlimmer machen – eine direkte Abfuhr von Kidou wäre unerträglich.   Kidou musste nicht wissen, dass er in ihn verliebt war. Das war so viel einfacher. Ein paar kleine Zweifel kamen Sakuma allerdings, denn sein Schwarm war clever und hatte ein gutes Auge für seine Umgebung. Er drängte einen dicken Kloß in seiner Kehle herunter, als er daran dachte, dass Kidou vermutlich längst Bescheid wusste. Wie sollte er ihm so noch unter die Augen treten? Vielleicht war es sogar besser, wenn er ihn meiden würde – ein super Einfall, wo sie hier gerade gemeinsam Urlaub machten.   Langsam beruhigte sich sein bebender Körper wieder. Er hatte nicht nur physisch einen großen Abstand gewonnen, sondern auch mental. Zwar zog ihn die unliebsame Nachricht immer noch runter, die Angst saß ihm immer noch in den Knochen und die sich nicht abstellen lassende Eifersucht in ihm zerrte mit seinem Kummer an seinem Herzen um die Wette, aber die Tränen hatten gestoppt. Sakuma wischte sich über die Augen und zog einmal die Nase hoch.   Es tat gut, allein zu sein, aber gleichzeitig fühlte er sich auch im Stich gelassen.   Er wollte gerade niemanden sehen – oder besser, Sakuma wollte nicht so gesehen werden, doch eine starke Schulter zum Ausweinen war das, was er gerade brauchte, gemeinsam mit einer festen Umarmung. Er brauchte Genda, schoss es ihm durch den Kopf. Aber der würde nicht kommen – nicht nach dem, was er ihm an den Kopf geworfen hatte. Es war sicher besser so, dachte sich Sakuma, denn er konnte sich nicht immer auf Genda verlassen. Kidou hatte sich in jemanden verliebt und irgendwann würde sich auch Genda verlieben. Dann wäre er ganz alleine.   Als sich Sakuma einmal umdrehte, konnte er gar nicht mehr ausmachen, wo ihr Pavillon stand, unter dem sie sich aus Schutz vor der Sonne zusammengesetzt hatten. Vermutlich war das Fleisch längst gar. Sie würden ohne ihn essen müssen, denn zurückgehen kam für ihn momentan nicht in Frage. Sakuma seufzte. Er beschloss, noch ein wenig spazieren zu gehen, was eigentlich nur daran lag, dass er nicht wusste, wohin mit sich. Er war ziellos.   „Sakuma?“   Die fragend klingende Stimme, die seinen Namen aussprach, ließ Sakuma inne halten. Er drehte den Kopf in ihre Richtung und fühlte sich sofort irgendwie unwohl, nebst der Vertrautheit, die er mit ihr verband. Seine Augen wurden trotzdem groß, als er in das Gesicht des Auslösers sah.   „Gouenji“, stellte Sakuma überrascht fest und in dem Moment, als ihm klar wurde, dass er ihn direkt anblickte, drehte er das Gesicht ein Stück zur Seite und bereute es gleich im nächsten Moment. Er hatte aus dem Affekt gehandelt, aus Angst, man könnte ihm die Tränen noch ansehen, aber unauffälliges Verhalten war das auch nicht gerade. „Ich wusste nicht, dass du nach Okinawa fährst. Kidou hat gar nichts gesagt.“   Dass Sakuma seinen Namen aussprach, mochte sein Herz gar nicht, denn es revanchierte sich mit einem Stich. In der Zwischenzeit schloss Gouenji die blau-weiße Kühlbox und stand auf.   „Ich hab ihm auch nichts davon erzählt. Es bot sich als gute Gelegenheit an, ein paar alte Freunde wiederzusehen.“   Die Worte von Gouenji klangen ein wenig sentimental, glaubte Sakuma und so hob er seine Augenbrauen an. Er folgte dem Blick des anderen aufs Meer, wo er eine ziemliche Kante in kurzen Hosen wadentief im Wasser stehen sah – völlig regungslos.   „Ist das Hijikata?“, fragte er schließlich. Auf die Distanz konnte er es nicht erkennen, aber es erschien sinnvoll und eine Ähnlichkeit war auch da. Gouenjis Nicken bestätigte seine Annahme letztlich sogar.   „Gouenji-nii-chan!“, rief ein kleiner Junge, der zu ihnen gelaufen kam und Sakuma in etwa genau so blöde anguckte wie er ihn. Er wusste von Gouenjis Schwester, aber das war ihm neu. Und wenn er ehrlich war... Der Junge sah ihm nicht einmal ähnlich. „Wer ist der Junge? Ist er ein Pirat?“   Einen Moment verzog Sakuma entgeistert sein Gesicht. Trotz Augenklappe war dies das erste Mal, dass er so etwas hörte. Kinder.   „Und er guckt auch noch so grimmig!“   Der kleine Kerl zerrte wirklich dezent an Sakumas Nerven. Ja, er guckte vielleicht nicht wie ein Sonnenschein, aber er hatte Gründe, die dieser Dreikäsehoch wohl erst in 10 Jahren verstehen würde! Er war wirklich nicht in Stimmung für den freundlichen Kindergärtner von nebenan.   „Erinnerst du dich nicht an ihn, Eiji? Er hat mit deinem Bruder und mir für Inazuma Japan gespielt“, erklärte Gouenji mit einem sanften Lächeln auf dem Gesicht. Daraufhin guckte der kleine Junge Sakuma noch einmal fester an, musterte ihn von oben bis unten, nur um dann ziemlich ratlos zu Gouenji hoch zu sehen.   „Eigentlich haben wir immer nur darauf gewartet, dass An-chan im Bild war. Aber wenn er ein Freund von ihm und Gouenji-nii-chan ist, dann ist er in Ordnung. Ich geh An-chan Bescheid sagen!“, sagte Eiji und lief den Wellen entgegen, laut nach seinem Bruder brüllend und mit den Armen wedelnd.   Sakuma wollte gar nicht bleiben. Er hatte nicht das Bedürfnis mit jemandem zu reden, immer noch in depressive Stimmung gehüllt, wie er war. Nur Genda hätte bleiben dürfen – irgendwie. Aber jetzt, wo der Junge Hijikata holte, konnte er wohl kaum einfach abhauen. Aus Anstand heraus beschloss er, zu bleiben und wenigstens Hallo zu sagen. Danach würde er sich so schnell wie möglich aus dem Staub machen.   „Hijikatas Familie hat dich schon adoptiert, huh?“   „Ja“, bestätigte Gouenji und sah dabei tatsächlich irgendwie stolz und zufrieden aus. „Ich komm immer wieder gerne her.“   Sakuma wusste nicht, was er dazu sagen sollte, deswegen schwieg er einfach. In seinem Zustand fiel es ihm schwer, sich auch nur irgendwie für ihn mitzufreuen. Er kam sich furchtbar vor deswegen. Zumindest ein Lächeln rang er sich ab und zu seinem Glück wurde die unangenehme Stille schnell wieder durchbrochen von Hijikata, der sich zu ihnen gesellte mit Angelrute an die Schulter gelehnt und einem Haufen Kinder im Schlepptau.   „Sakuma! Ich wusste gleich, dass du es bist!“, sagte Hijikata und lachte dunkel auf. „Wir haben uns ja lange nicht gesehen! Genießt du das Meer an Umi no Hi?“ Der Blick in Sakumas Gesicht war offenbar Antwort genug, denn Hijikata hob seine Augenbrauen fragend und sah für einen Moment hilflos zu Gouenji. Ihm war der Blicktausch nicht entgangen, aber er hatte keine Lust darüber zu reden. Es musste nicht gleich jeder wissen, dass seine Liebe nicht erwidert wurde.   „Ist lange her“, bestätigte Sakuma und zwang sich dazu, zu sprechen und nicht depressiv zu wirken – schon allein, weil er nicht wollte, dass die zwei den Braten rochen. Dass er hier völlig allein im Nirgendwo herumrannte und damit schon verdächtig genug war, ignorierte er. Es war ihm an der Nasenspitze anzusehen, dass etwas nicht in Ordnung war, doch Hijikata hatte selbst kein Interesse, nachzuhaken, wie es aussah.   „Ich war gerade dabei unser Essen zu fangen. Hast du Lust, mitzuessen? Wir haben reichlich!“, bot er an. Die Kinder – teilweise hinter Hijikatas Beinen versteckt – und Gouenji sahen ihn ebenfalls fragend an.   „Danke, aber ich bin nicht hungrig.“   Vielleicht bildete er es sich ein, aber der Blick, den er auf Gouenjis Gesicht erkannte, war ernst und skeptisch. Obwohl die Sonnenstrahlen seine Haut erhitzten, jagte er Sakuma einen Schauer über den Rücken.   „Hast du mir nicht mal von diesem Pinguin-Lokal erzählt?“, fragte Gouenji an Hijikata gewandt. „Nach dem Essen können wir doch mal da vorbeischauen. Ist schließlich Umi no Hi.“   „Pinguin....Lokal?“, fragte Sakuma ungläubig und wurde hellhörig. Zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit war sein Herz nicht dunkel und schwer. „Wie ein Katzen-Café nur mit Pinguinen?“   „Ja, die haben dort echte Pinguine. Man kann sogar bei der Fütterung zusehen, wenn man rechtzeitig da ist“, stellte Hijikata fest und nickte Gouenji zu, um seine Idee zu bestätigen. „Aber zuerst wird gegessen!“ Gouenji lächelte zufrieden. Die Kinder wurden nebst dieser Information ziemlich unruhig, denn sie wollten unbedingt mitkommen, um die Pinguine zu streicheln und waren empört, als Hijikata ihnen mitteilte, dass das nicht ginge und sie zu Hause bleiben müssten. Sie waren zu klein, denn das Lokal erlaubte den Eintritt erst ab dem High-School-Alter. Sakuma konnte das sogar nachvollziehen. Kinder konnten viel zu laut und hysterisch sein, das würde die armen Pinguine sicher verstören. Aber in ihrem Alter wusste man, wie man sich Tieren gegenüber verhielt. In diesem Moment war Sakuma wirklich froh, dass er High-School-Schüler war.   Natürlich blieb er zum Essen, wie könnte er sich die Pinguine auch entgehen lassen? Gerade, wo allein der Gedanke an sie sein Herz zu kitten begann.     Umi no Hi - Marine Day (5) -------------------------- Dank der Vorfreude auf die Pinguine bekam Sakuma tatsächlich etwas von dem Fisch runter, den Hijikata gefangen und gegrillt hatte. Es roch nicht nur gut, sondern schmeckte mit seiner leichten Rauchnote auch wunderbar, obwohl er nicht so stark gewürzt war. Es herrschte eine angenehme Atmosphäre zwischen ihnen und die Kinder sorgten dafür, dass es an Heiterkeit nicht fehlte – trotzdem fühlte sich Sakumas rastlos. So wirklich hingehören tat er hier nicht und das lag nicht nur daran, dass er das Gefühl hatte, er könnte stören. Auch die Stimmung passte nicht zu dem, was gerade in ihm vorging und er wollte auf keinen Fall irgendjemandem zur Last fallen. Er hatte schon genug Baustellen mit anderen. Gouenji und Hijikata sollten nicht da mit reingezogen werden, schließlich könnten sie ohne ihn einfach Umi no Hi genießen.   Aber sie hatten drauf bestanden. Und ohne Hijikata und Gouenji gab es für ihn keine Pinguine.   Sakuma knabberte an dem heißen Fisch und wurde von Minute zu Minute unruhiger. Immer wieder wanderte sein Blick über den Strandabschnitt in der Angst, einen seiner Freunde auftauchen zu sehen – höchstwahrscheinlich Genda. Wer sonst, außer Genda? Wenn überhaupt jemand kommen würde. Kidou war offensichtlich beschäftigt und störte sich sicher nicht einmal daran, dass er nicht da war. Er seufzte. Das negative Gefühl in ihm breitete sich wieder aus, aber er wollte sich nicht selbst runterziehen. Die Pinguine halfen Sakuma, irgendwie die bösen Gedanken zu vertreiben.   „Schmeckt es dir, Sakuma?“, fragte Hijikata und als er den Blick von seinem Fisch hob, sah er, wie stolz der Koloss grinste. Sakuma nickte kurz, rang sich dann ein Lächeln ab.   „Er schmeckt sehr gut“, bestätigte er noch einmal mit Worten, weil es einfach höflicher war, als nur wortlos dazusitzen und nicht mal ein Kompliment zu machen. „Ich finde es beeindruckend, wenn jemand in unserem Alter gut kochen kann. Genda kann... das auch.“   Sein letzter Satz ließ Sakuma stutzen. Genda. Nicht einmal, wenn er bewusst vermeiden wollte, an seine Freunde zu denken, bekam er sie aus seinem Kopf. Natürlich nicht – sie waren schließlich die besten Freunde. Neben seiner Familie waren sie alles, was er hatte und was neben Fußball überhaupt eine große Bedeutung für ihn besaß. Er vermisste sie jetzt schon. Die Erkenntnis zauberte ihm einen Hauch von Verzweiflung in sein Lächeln.   „Meine Geschwister sind einfach solche Mähdrescher, wenn es ums Essen geht. Da muss immer genug auf dem Tisch sein! Und dementsprechend viele Rezepte hab ich schon ausprobiert. Mittlerweile hab ich alles im Kopf“, erklärte Hijikata und tippe dabei mit seinem Zeigefinger auf seine Schläfe, dann lachte er mit schamesroten Wangen.   „Vieles von dem Gemüse, das er benutzt, ist aus eigenem Anbau“, erklärte Gouenji, nachdem er seinen Bissen heruntergeschluckt hatte. „Diejenige, die ihn mal heiratet, bekommt also einen ganzen Gemüsegarten dazu.“   Der amüsiert wirkende Blick, den Gouenji dabei Hijikata zuwarf, ließ ihn nur noch mehr rot anlaufen. Schnell wedelte er abwehrend mit den Händen, brachte aber kein Wort raus und verfiel stattdessen wieder in ein hilfloses, überspielendes Lachen.   „An-chan heiratet mal eine ganz tolle Frau!“ - „Aber ich heirate doch An-chan!“ - „Du?!“ - „Ja, und ich werde eine schöne Braut!“ - „Ihr habt beide Unrecht! An-chan heiratet Gouenji-nii-!“   Weiter kam der älteste Spross nicht, da hatte ihm Hijikata auch schon mit sehr nervösem Gesichtsausdruck den Mund mit seiner großen, muskulösen Hand zugehalten. „Das reicht jetzt! Für euch alle!“   Während die Kinder verstummten und sich in dem ein oder anderen Auge eine Träne sammelte, sah Sakuma einen Moment lang ebenso stumm zu Gouenji. Er hatte keine Miene verzogen, sah aber auch nicht geschockt oder überrascht aus. Er beschloss, sich wieder dem mittlerweile abgekühlten Fisch zu widmen und nagte die restlichen essbaren Teile vorsichtig um die Gräten herum ab.   Das Liebesleben anderer war im Moment einfach nicht interessant genug, um sich darüber Gedanken zu machen – außer es war Kidous Liebesleben.       Ein paar jammernde Kinder und ein geliehenes T-Shirt später befanden sie sich vor dem Eingang des Pinguin-Lokals. Schon das Schild oberhalb des Eingangs und der Aufsteller vor der Tür waren mit Bildern von Pinguinen versehen, ansonsten sah es von draußen allerdings sehr unscheinbar aus und vor allem so klein, dass man nicht vermuten würde, darin Pinguine zu finden. Sakuma war aufgeregt, war er schon den ganzen Weg zum Lokal gewesen, aber jetzt, wo sie vor dem Eingang standen, pochte sein Herz fester und schneller als üblich. Seine Hände spielten nervös mit dem fremden T-Shirt, das an ihm nicht so figurbetont saß, wie es bei Gouenji der Fall gewesen wäre. Er hatte einfach weniger Muskeln und war auch sonst kleiner und zierlicher als der Stürmer.   „Lasst uns reingehen“, schlug Gouenji vor, nachdem sie irgendwie einen Augenblick zu lange vor der Tür versackt waren. Ohne auf eine Reaktion zu warten – es war eher eine Aufforderung, wie Sakuma feststellen musste – ging der Blonde voran, gefolgt von Hijikata und ihm.   Leider musste Sakuma schnell feststellen, dass ihm der hünenhafte Hijikata erst einmal die Sicht versperrte, als sie das Lokal betraten. Links und rechts neben sich, konnte er eine Bar erkennen, ein paar Tische, an denen sicher gut sechs Leute Platz hatten, aber weit und breit kein Pinguin in der Nähe. Nur ein paar Angestellte und Gäste waren in seinem Blickfeld. Es war nicht voll, was vermutlich an Umi no Hi lag, denn viele Leute waren am Strand und genossen den Tag mit ihren Familien schwimmend, planschend, angelnd, segelnd – es gab so viele Möglichkeiten.   Genau das war ihr Glück. Ohne es zuerst sehen zu können, wurde er an einen der kleinen Tische direkt vor dem Becken der Pinguine geführt, der gerade so genug Platz für sie drei bot. Sakumas Augen wurden groß. Größer. Ein Leuchten machte sich in ihnen breit. Vor ihm tummelten sich vier Pinguine vor einem offenen Glasfenster, versuchten einander wegzudrängen, um den Fisch zu ergattern, der ihnen von einer jungen Dame vor den Schnabel gehalten wurde. Sie kicherte und quietschte leise vergnügt.   „Ihr seid gerade rechtzeitig zur Fütterungszeit da“, klärte sie ein Kellner auf, der seitlich von ihrem Tisch stand und ein Auge auf die junge Dame hatte, die sich gerade mit den Pinguinen beschäftigte. „Wenn ihr mögt, könnt ihr ihnen auch einen Fisch geben.“   Das ließ sich Sakuma natürlich nicht zweimal sagen. Er tauschte kurz einen Blick mit seinen ehemaligen und aktuellen Mannschaftskollegen und erntete dafür ein lächelndes Nicken. Dann konnte ihn nichts mehr halten und er gesellte sich zu der jungen Dame. Die Pinguine sahen ihn an und für ihn war es Liebe auf den ersten Blick. Er war aufgeregt – aber das war nicht alles, was sein Herz zum rasen brachte. Er war glücklich. All der Schmerz und alle bösen Gedanken waren für diesen Moment weiter weg als Hawaii.   Die junge Dame reichte die kleine Zange an ihn weiter und er griff damit einen Fisch aus dem Metalleimer, was beim ersten Anlauf nicht so gut funktionierte. Er brauchte ein bisschen Zeit, um sich an die Handhabung zu gewöhnen, damit er die Fische sicher zwischen die Zange bekam – zwischenzeitlich machten die Pinguine Quatsch miteinander, watschelten aufgeregt hin und her oder stupsten sich liebevoll mit dem Schnabel an.   Dann war es soweit – Sakuma fütterte ihnen seinen ersten Fisch und war so verzückt und erfreut bei dem Anblick, dass er sich fühlte, wie ein Kind an seinem Geburtstag. Nein, noch besser! Es war so süß, wie sich die kleinen Pinguine um den Fisch kabbelten. Jeder wollte ihn und dementsprechend gab es viel Gedränge und Geschubse, während ihre Hälse immer länger zu werden schienen.   „Na, na, jeder von euch bekommt etwas. Ihr müsst euch nicht streiten“, kommentierte Sakuma liebevoll und beobachtete, wie der glückliche unter ihnen den Fisch hinunterschlang.   „Du magst Pinguine, nicht wahr?“   Sakuma drehte den Kopf zu dem Kellner um, von dem die Frage kam. Er nickte, die Überraschung auf seinem Gesicht wich schnell wieder dem glücklichen Strahlen, das die Pinguine auf sein Gesicht zauberten, seit er sie erblickt hatte.   „Ich auch. Wir alle hier mögen Pinguine, deshalb arbeiten wir so gerne in diesem Lokal.“   „Verstehe ich. Ich würde auch jeden Tag herkommen.“   Leider ging das natürlich nicht. Okinawa war alles andere als einen Katzensprung von Tokyo entfernt. Aber das würde ihn nicht daran hindern, den Moment zu genießen. Unter der Aufsicht des Kellners fütterten Sakuma und noch ein paar andere Gäste die Pinguine weiter, bis alle Fische weggefuttert waren. Dabei stellte sich einer der Pinguine als besonders gefräßig heraus.   „Das ist Kuro, er kriegt den Hals nie voll genug“, merkte der Kellner schmunzelnd an und da Sakuma seine Neugierde anzusehen war, fuhr er fort: „Er hier ist unser Prince Charming, Teppei. Die Leute lieben ihn. Er ist sehr neugierig und beschäftigt sich gerne mit den Gästen, die herkommen. Und die anderen beiden sind Penta und Peeko. Sie sind Ehemann und Ehefrau.“   Sakuma staunte nicht schlecht. Teppei klang wirklich am niedlichsten, aber auch die anderen Pinguine waren total süß. Vor allem, dass zwei von ihnen verheiratet waren – natürlich nur bildlich, aber egal! Trotzdem verwunderte ihn etwas.   „Als einziges Weibchen bei drei Männchen... Gibt es da denn keinen Streit? Ich meine, es sind nach wie vor Tiere.“ Und selbst Menschen hatten oft nicht einmal den Anstand die Finger von vergebenen Personen zu lassen...   Der Kellner schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Pinguine sind Partner fürs Leben. Wenn sie sich gefunden haben, bleiben sie zusammen und ziehen ihre Kinder gemeinsam groß. Teppei und Kuro sind einfach nur ihre guten Freunde.“   „Partner fürs Leben...“, murmelte Sakuma, während sich seine Lider ein wenig senkten. Die Pinguine watschelten vergnügt über den Boden, dann machte der erste von ihnen einen Sprung in das Wasserbecken, welches sich in ihrem von Glasscheiben abgesperrten Gehege befand. Der einzige, der zurück blieb und den Kellner und ihn ansah, war offenbar Teppei.   „Ja. Deswegen kommen auch viele Paare bei ihren Verabredungen hier her, manche heiraten sogar bei uns, weil sie die Pinguine als Symbol der Liebe und einer langen, glücklichen Partnerschaft ansehen und glauben, sie würden auch ihnen Glück bringen.“   „Und... funktioniert es wirklich?“   „Hmm...“, machte der Kellner überlegend, dann lächelte er. „Ich führe keine Statistik, aber ich glaube daran. Und das ist doch die Hauptsache, oder?“   Ob der Glaube daran wirklich half, alles glücklich und harmonisch zu machen? Sakuma war sich nicht so sicher, aber vermutlich lag es daran, dass er gerade keine schöne Erfahrung gemacht hatte. Jetzt konnte man natürlich sagen, es war ja auch nicht die große Liebe, aber ob es so etwas wirklich gab, wusste Sakuma nicht mehr genau. Die große Liebe, die ein Leben lang anhielt. Schön wäre es jedenfalls.   Als er zurück zu ihrem Tisch ging, waren Gouenji und Hijikata in ein heiteres Gespräch vertieft. Irgendwie kam er sich so vor, als ob er gerade ein Date crashen würde und der Gedanke an die lange anhaltende, glückliche Liebe, die die Pinguine ihnen bringen würde, machte es nicht besser. Beide wirkten auch so harmonisch miteinander, was Sakuma ein wenig neidisch machte.   „Hattest du Spaß mit den Pinguinen?“, fragte Hijikata und sah sehr zufrieden aus, was ihm das Gefühl wieder ein bisschen nahm, dass er sie stören würde. Beide wirkten nicht so, als hätten sie ein Problem damit, dass er wieder zurück war. Er nickte und setzte sich zu ihnen auf den freien Platz.   „Offenbar hast du einen neuen Freund gefunden“, merkte Gouenji mit einem amüsierten Lächeln, das fast schon liebevoll war, an. Er sah an ihm vorbei auf die Glasscheibe und Sakuma tat es ihm gleich, drehte sich ein Stück und sah den Pinguin, der im Wasser umher schwamm und ihn ansah.   „Das ist Teppei“, sagte Sakuma ruhig, konnte sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen und legte seine Handfläche an die Glasscheibe, die gleich neugierig von dem Pinguin unter die Lupe genommen wurde. „Kannst du ein Foto von uns machen, Gouenji?“   Ohne zu antworten zückte der Blonde sein Handy, was eigentlich auch Antwort genug war. Sakuma brachte sich noch in die richtige Pose und dann war das Bild von ihm und Teppei für die Ewigkeit festgehalten. „Sieht aus, als wirst du vermisst“, kommentierte er dann, Sakuma hob die Augenbrauen und sah ihn irritiert an gepaart mit einem Hauch Verständnislosigkeit.   „Ich hab eine Nachricht von Genda.“ Umi no Hi - Final ----------------- Sakuma staunte noch immer nicht schlecht. Eine Nachricht von Genda, hatte Gouenji gesagt. Er wusste nicht, was in dieser besagten Nachricht stand, aber trotzdem beunruhigte ihn allein der Gedanke daran. Er wurde vermisst, so hatte Gouenji es ausgedrückt. Genda vermisste ihn? Oder ihre gesamte Truppe?   „Und von Kidou?“, fragte Sakuma viel hoffnungsvoller, als er eigentlich sein wollte. Vermutlich lautete die Antwort nein. Warum sollte er auch? Er liebte ihn ja nicht einmal, wahrscheinlich fand er es gar nicht so schlimm, dass Sakuma weg war. Er hatte ihn viel zu oft sitzen lassen. Mit dieser Erkenntnis und einer angekauten Unterlippe sah Sakuma gespannt zu Gouenji – nie hätte er gedacht, dass ein Kopfschütteln sein Herz einmal so schwer machen würde. Aber was hatte er auch erwartet? Offensichtlich zu viel...   „Was schreibt Genda denn?“, wollte Sakuma schließlich wissen und seufzte einmal schwer. Natürlich war er neugierig, immerhin ging es um ihn, aber auf der anderen Seite graute es ihm davor. Denn jetzt, wo er davon gehört hatte, musste er darauf eingehen und ihm antworten lassen, oder? Alles andere würde man ihm sicherlich übel nehmen. Er war verletzt – immer noch, das wurde ihm schlagartig klar, als er mit dieser Nachricht wieder in die Realität zurückgeholt worden war. Sogar Teppeis Blick wirkte eher mitleidig in diesem Moment. Wahrscheinlich Einbildung.   Gouenjis sah wieder auf den Bildschirm seines Handys. Irgendetwas Aufschlussreiches aus ihm herauszulesen gelang Sakuma nicht, er begann mit den Fingerspitzen auf seinem Oberschenkel zu trommeln – ungehört, zum Glück. „Dass du verlorengegangen bist und er gerne Hijikatas Nummer von mir hätte.“   „Hijikatas?“, fragte Sakuma ungläubig und sah genau wie Gouenji auch zu ihm rüber.   „Wahrscheinlich, damit er Genda Bescheid geben kann, falls er dich irgendwo sieht. Sicher hat er nicht damit gerechnet, dass ich bei ihm bin.“   Sakuma schwieg einen Moment und senkte den Blick auf die kleine runde Tischplatte. Er merkte, wie sich das schlechte Gewissen in ihm ausbreitete. Jetzt suchten sie ihn wahrscheinlich schon eine ganze Weile erfolglos und er verbrachte seine Zeit freudig mit einer Truppe Pinguinen, ohne sich Gedanken darüber gemacht zu haben, wie es seinen Freunden gerade ging. Furchtbar egoistisch kam er sich vor und dennoch blieb dieses Gefühl, sie nicht sehen zu wollen. Es war nicht so, dass er sie nicht mehr mochte, aber Sakuma graute es vor dem Aufeinandertreffen – jetzt, wo er alles wusste. Und er konnte zumindest sagen, dass Genda über seine indirekte Abfuhr ebenfalls im Bilde war.   „Ich schreib ihm, dass du bei uns bist“, erklärte Gouenji und zog ihn so aus seinen Gedanken. Obwohl es eine simple Aussage war, sahen die Augen des Blonden dabei fragend drein, so als wollte er Sakumas Einverständnis prüfen. Der nickte ergebend. Sie hatten es schließlich verdient zu erfahren, wo er sich gerade befand und er wollte nicht, dass sie sich sorgten.   Wenn er Glück hatte, würde ihnen diese Information erst einmal reichen. Sakuma blickte sich um und bestellte bei dem Kellner von eben eine Cola mit viel Eis. Das war bei der Hitze auf Okinawa, die noch immer die ganze Insel ins Schwitzen brachte, nicht übertrieben, währenddessen nahm er nur beiläufig Gouenjis Tippen wahr. Nur wenig später – Sakuma schätzte, dass nicht einmal eine Minute vergangen war – kam offenbar die Antwort, die wieder die Aufmerksamkeit aller auf das Handy zog.   „Sie kommen dich abholen.“   „Das müssen sie nicht. Wir können uns genau so gut später wiedertreffen, am Strand zum Beispiel, wo wir unseren Platz hatten. Oder an irgendeinem anderen Treffpunkt.“   „So ist es besser. Wir wollen doch nicht, dass du dich am Ende noch verläufst“, mischte sich Hijikata mit einem netten Grinsen ein, sein Vorschlag nahm Sakuma einfach mal eiskalt jede Möglichkeit sich ganz aus Versehen zu verlaufen. Sie ließen ihm keine Wahl.   Bis sie allerdings da waren, dauerte es noch. Sakuma hatte genug Zeit, um immer mal wieder an seiner Cola zu nippen, den Kopf zurück auf seine Handfläche zu stützen und dem Treiben der Pinguine zuzusehen. Glücklich mochte er dabei nicht aussehen, eher gedankenverloren, denn in seinem Kopf herrschte ein regelrechtes Chaos. Er malte sich aus, wie das Wiedersehen mit seinen Freunden ablaufen würde. Alles mögliche spielte Sakuma in seinem Kopf durch, nichts davon war wirklich beruhigend. Er war angespannt und konnte vor lauter Beunruhigung die Pinguine nicht mehr so genießen, wie sie es verdient hatten. Er bemerkte Hijikatas und Gouenjis gelegentliche Blicke zwar, aber mehr kam von ihnen nicht. Sie unterhielten sich wieder und überbrückten so die von Sakuma ausgehende Stille an ihrem Tisch immerhin.   „Sie sind da“, merkte Gouenji an und brachte Sakuma dazu, den Kopf zu ihm drehen. Er sah, wie Gouenji den Blick von seinem Handy hob und dem Kellner ein Zeichen gab, herzukommen, um zu bezahlen. Da Sakuma weder Handy noch Geld noch sonst irgendetwas dabei hatte, mussten die Jungs sein Getränk mitbezahlen, was sie ohne mit der Wimper zu zucken machten. Dass er ihnen nur in Badehose über den Weg gelaufen war, hatten sie also nicht vergessen.   „Danke“, brachte Sakuma irgendwie hervor, denn sobald er den Mund aufmachte, hatte er das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Sein Magen war so flau, dass er für nichts garantieren konnte. So wie er sich fühlte, war sein dunkler Teint längst fahl und blässlich.   Gouenji nickte ihm zu. Sakuma würde ihm so schnell wie möglich das Geld wiedergeben, genau wie das geliehene T-Shirt natürlich. Bestenfalls hatten die Jungs seine Sachen dabei, aber wenn nicht, dann hatte er noch dutzend andere Gelegenheiten – ob nun noch auf Okinawa oder wieder zurück in Tokio. Es eilte hoffentlich nicht. Sakuma trank seinen letzten Rest Cola in einem großen Zug aus und hätte sich dabei beinahe noch verschluckt, weil er so unruhig atmete. Auch seine stark an die Oberfläche gepressten Finger zerdrückten das Glas zum Glück nicht und ließen seine Hand unversehrt. Er versuchte bedacht ruhig zu atmen.   Das gelang ihm aber nur so lange, bis sie die Türschwelle passiert hatten und ihm neben den gleißend orangefarbenen Strahlen der tiefstehenden Sonne auch die Blicke seiner Freunde entgegen kamen. Sie waren nicht böse oder besorgt. Zu aller erst sah Sakuma zu Kidou – ganz aus Reflex. Hätte er es steuern können, wäre er wohl der Letzte gewesen, dessen Gesicht er hätte sehen wollen. Nun war sein ängstlich-neugieriger Blick auf ihn gerichtet, mit großen Augen und schließlich viel zu enttäuscht darüber, dass Kidou ein genau so unlesbares Pokerface aufgesetzt hatte, wie so oft. Diese verfluchten Goggles! Gendas Gesicht war allerdings viel unerträglicher, wie Sakuma feststellte, als sich ihre Augen trafen. Er musste unverzüglich wegsehen, wurde nervöser und war kurz davor, sich vor allen zu übergeben. Viel zu mitfühlend, viel zu sanft schaute Genda ihn an, doch das Schlimmste war das Wissende in seinen Augen. Er wusste, dass Sakuma unglücklich verliebt war und jeder Blick zu ihm haute es ihm erneut um die Ohren.   Es kam Sakuma vor wie Minuten, die ihn schließlich fast reuevoll den Kopf leicht senken ließen und deutlich dazu beitrugen – neben der Hitze natürlich –, dass seine Handflächen ins Schwitzen gerieten. Dabei waren es Sekunden, die leicht an beiden Händen abzählbar waren.   „Zum Glück hat Hijikata dich gefunden“, stellte Tsunami mit einem äußerst zufriedenen, heiteren Grinsen fest und ging auf seinen guten Freund zu. Dass es eigentlich ganz anders war, behielt Sakuma mal für sich, war ja auch unwichtig, wie er fand. Währenddessen kam der Surfer ein paar Schritte auf sie zu und legte Hijikata kumpelhaft einen Arm um die breiten Schultern. „Hier gibt es viele versteckte Klippen. Du denkst, du befindest dich in einem dichten Wald und dann hört plötzlich einfach der Boden auf! Aber der gute Hijikata kennt sich hier bestens aus!“   „Ich wäre schon nicht durch den Wald gelaufen“, murmelte Sakuma, der ernste Blick von Genda ließ ihn sich nur schuldiger fühlen als er es schon längst tat. Der hatte sich definitiv Sorgen gemacht, ganz besonders, wenn Tsunami mit solchen Horroroszenarien gekommen war. Es tat ihm auch leid, okay? Aber er konnte auch ganz gut auf sich aufpassen, wie er fand, also musste sich niemand Panik machen, nur weil er mal für ein paar Stunden weg war.   Offenbar hatte Tsunami seine gute Laune nicht verloren, obwohl Sakuma lange als verloren galt. Er war wie immer voller Energie – die Umarmung glich beinahe einem Schwitzkasten, aber Hijikatas störte sich mit seinem muskulösen Nacken nicht daran. Nicht gerade erfreut stellte Sakuma dann noch fest, dass auch Otomura dabei war. Ihm wurde wieder schlecht, bei der Vorstellung, was er und Kidou getan hatten und dieses Mal lag das nicht an der Anspannung, sondern war tatsächlich dem Ekel über seine viel zu lebhafte Fantasie geschuldet.   „Ich hatte dich nicht hier erwartet“, merkte Kidou in Gouenjis Richtung an, dann legte sich auf ihrer beider Gesichter ein Schmunzeln.   „Geht mir genau so.“   „Tsunami meinte, es gäbe nachher noch ein Feuerwerk. Habt ihr Lust, euch uns anzuschließen?“   Gouenjis Blick schweifte kurz zu Hijikata ab, dann schüttelte er den Kopf flüchtig. „Wir müssen zurück zu den Kleinen“, sagte er und sah dabei selbst nicht ganz zufrieden aus, Hijikata hingegen hatte damit kein Problem, wie es schien.   „Ich hatte ihnen längst versprochen, das Feuerwerk anzusehen. Wenn wir sie geholt haben, können wir uns immer noch mit Kidou und den anderen treffen“, schlug er schließlich vor. Sakuma ließ den Blick an allen Beteiligten entlangwandern und konnte auf keinem der Gesichter Ablehnung sehen. Er selbst hatte auch nichts dagegen, daher war es abgemacht. Tsunami und Hijikata machten einen Treffpunkt für ihre Gruppen aus – sie wussten schließlich mehr über den besten Aussichtspunkt –, dann trennten sich ihre Gruppen wieder. Erst als sie schon gut 100 Meter gegangen waren, die Sakuma mit Schweigen verbracht hatte und damit, jeden Blickkontakt zu meiden, bemerkte er, dass er immer noch Gouenjis Shirt trug und ihm nicht mal das Geld für die Cola gegeben hatte. Dabei hatten die anderen seine Sachen mitgebracht.   Immer wieder bemerkte Sakuma die Drehbewegung von Gendas Kopf und jedes Mal ignorierte er die Tatsache, dass er von ihm angesehen wurde. Er sagte nicht einmal ein Wort, genau wie der Torhüter – eigentlich waren es Tsunami und Otomura, die ein Gespräch führten, dem Kidou zumindest aufmerksam zu folgen schien. Sie berichteten über irgendeine High School Anekdote, der Sakuma nicht intensiv genug zugehört hatte, um den Zusammenhang zu verstehen. Es interessierte ihn im Moment schlichtweg gar nicht und Tsunami sorgte mit seiner lebendigen Erzählweise sowieso dafür, Lärm für fünf zu machen. Sakuma musste nicht auch noch daran teilhaben.   Erst als sie die Strandpromenade erreichten, fanden Sakumas ziellos umherwandernden Augen etwas, von dem er seinen Blick nicht abwenden konnte. Unzählige bunte Papierlaternen waren im Sand arrangiert worden, sodass sie sich zu einem riesigen, bezaubernden Bild vereinten, erleuchtet von Teelichtern, deren Strahlkraft noch nicht ganz so gut zur Geltung kam. Trotzdem war der Anblick jetzt schon wunderschön – irgendwo zwischen kitschig und romantisch, irgendwie das Herz erwärmend. Die Laternen waren grüppchenweise und farblich passend angeordnet. So fanden sich neben ein paar japanischen Schriftzügen einzelne Unterwasserlebewesen wie Fische, Krabben, Seesterne und Muscheln wieder. Manch eine Reihe Lichter glich den Wellen des Meeres, andere waren einfach nur schnörkelige Verzierungen.   Am Strand hatten sich viele Leute versammelt, die wie sie stehen geblieben waren, um das leuchtende Kunstwerk zu begutachten, ein kleiner Junge hockte besonders interessiert vor den vielen Lichtern. Tsunami stieß einen entnervten Schrei aus und beklagte sich lautstark, dass Tachimukai nicht da war, um sich das anzusehen. Am Ende reichte es nur für ein paar Fotos, die er ihm schickte, sodass er wenigstens ein bisschen Teil an diesem Anblick haben konnte, auch wenn er das Motiv nicht einmal ganz drauf bekam.   „Das sieht schön aus“, kommentierte Genda plötzlich neben ihm und sah von den Lichtern zu Sakuma hinüber, die Stimme sanft und ein Stück weit verträumt klingend. „Findest du nicht auch?“ Er nickte – das war erst einmal alles an äußerlich sichtbarer Reaktion. Innerlich war er völlig aufgebracht, sodass er kein Wort heraus bekam. Vielleicht wollt er auch gar nicht, denn er fühlte sich immer noch schlecht und er hatte keine Ahnung, was er überhaupt sagen sollte. Angespannt ballten sich seine Hände zu Fäusten, Sakuma schluckte noch einen Kloß herunter und wendete sich dann Genda zu, dem er ins Gesicht sah und- Er stellte fest augenblicklich fest, dass es ein Fehler war, ihn anzusehen. Automatisch senkte Sakuma den Blick wieder.   „Ich wollte noch... sagen... Wegen vorhin. Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst.“   Er sah noch, wie Genda den Mund öffnete, um etwas zu entgegnen, aber er kam nicht weit, denn Kidous Stimme ertönte ein Stück weit entfernt: „Wir gehen schon mal weiter. Kommt einfach nach, sobald ihr fertig seid. Ihr müsst nur der Musik folgen.“   „Wir sind schon fertig!“, merkte Sakuma an und ging eilig an Genda vorbei. Er hatte gesagt, was er sagen wollte und fühlte sich jetzt ein Stück weit befreit. Die Last, die von seinen Schultern gefallen war, ließ ihn einmal durchatmen. Es lag noch viel Ballast auf seiner Seele, aber er würde ihn Stück für Stück abbauen, bis er wieder frei und sorglos war. Genda ging ihm nach und schnell hatten sie wieder zum Rest der Gruppe aufgeschlossen, die von Tsunami zu einem Strandlokal geführt wurde, das noch recht neu aussah, so wenig verwittert wie das Holz der Wände und des angebauten großzügigen Balkons war, der als Außenfläche diente. So wie sich Tsunami benahm, war er trotzdem längst Stammgast, sogar die Mitarbeiter begrüßten ihn mit Namen. Ohne Beziehungen hätten sie in dem überfüllten Lokal sicher auch keinen Platz mehr bekommen – der Balkon war längst voll besetzt bei dem Wetter.   Gemeinsam und mit reichlich Getränken ausgestattet, überbrückten sie die Zeit bis zum Feuerwerk und warteten auf Gouenji, Hijikata und seine Geschwister. Tsunami bestellte für alle einen Snack in Form von zwei Portionen Takoyaki und Sakuma bereute schnell, sich von ihm das hiesige Regionalgetränk, eine äußerst saure Limonade namens Shekwasha, aufgequatscht haben zu lassen.   Von dem schönen Ausflug war für Sakuma nicht mehr viel übrig. Er wollte keine Spaßbremse sein – wirklich nicht – und bemühte sich zu lachen, wenn Tsunami wieder eine Anekdote erzählte, interessiert zuzuhören, während Kidou und Otomura sich über ihre Rolle als Spielmacher unterhielten, die unterschiedlichsten Arten von Teams, gegen die sie mal angetreten waren. Er versuchte auch, sich einzubringen und nicht in jede Geste oder jedes Lächeln seitens Kidou oder Otomura zu viel zu interpretieren. Er wollte ja wirklich, aber ihm wurde es schnell zu viel. Sakuma mochte sich selbst nicht dafür.   „Es ist so stickig hier drin. Ich geh kurz raus, ein bisschen frische Luft schnappen“, sagte Sakuma, stand auf und ging raus, ohne einen der anderen anzusehen. „Wir kommen dann auch gleich!“, hörte er Tsunami noch sagen und von Otomura kam die Feststellung, dass es nicht mehr lange dauern würde bis zum Feuerwerk. Insgeheim hoffte er, dass es noch lange dauern würde, damit er mehr als nur ein paar Minuten alleine hatte, die er damit verbringen konnte, sich auf das Holzgeländer des Balkons zu lehnen und trübselig auf das Meer hinaus zu starren. Nicht, das es da noch viel zu sehen gab, denn es war mittlerweile komplett dunkel geworden. Ein paar Lichter erhellten den Strand, aber einzig das stete Rauschen der Wellen verriet, was sich dort in der Dunkelheit verbarg. Sakuma seufzte leise – in der lauten Geräuschkulisse der ausgelassenen Leute an ihren Tischen ging es sogar für ihn beinahe unter. So hörte er auch nicht, dass jemand sich zu ihm gesellte, nahm ihn erst wahr, als er eine Bewegung neben sich bemerkte und drehte irritiert den Kopf zur Seite. Seine Augen wanderten hoch in das nur zu bekannte Gesicht.   „Genda...“, murmelte Sakuma, wendete den Blick dann wieder ab und richtete ihn zurück auf den Strand.   „Stör ich?“   „Nein, schon gut.“   „Es ist zu viel für dich, das verstehe ich. Wenn du willst, dann-“   Sakuma schnaufte ein wenig erzürnt und empört gleichzeitig. „Sag das nicht so daher. Niemand, dem es nicht genau so geht, versteht mich. Du weiß doch nicht einmal ansatzweise, wie das ist.“ Seine Worte kamen am Ende bissiger raus, als er es gewollt hatte. Aber ehrlich, sowas sagt man immer leicht daher, dabei versteht es doch keiner. Erst recht nicht Genda. Er hätte längst eine Freundin haben können, wenn er nicht so schüchtern wäre, aber zu ihm sagte keine nein. Garantiert nicht.   „Da wäre ich nicht so sicher“, murmelte Genda mehr in sich hinein. So nah wie Sakuma ihm war, hörte er es trotzdem. Ihre Blicke trafen sich für einen Moment, sein eigener fragend, Gendas konnte er nicht genau einordnen – irgendwo zwischen hoffnungslos, ernst und bedrückt. Sakuma konnte nicht glauben, dass es seinem Freund genau so gehen sollte, wie ihm. Er schüttelte den Kopf, letztendlich verstand er nicht, was Genda damit wirklich hatte sagen wollen und ihm war auch gerade nicht danach, sich mehr damit auseinander zu setzen. Ein Gespräch zwischen zwei hoffnungslos abservierten High School Schülern, darauf konnte er dankend verzichten, er brauchte nicht noch mehr Stimmungskiller.   „Hast du Lust, dir ein bisschen die Beine zu vertreten?“, fragte Genda schließlich und durchbrach die Stille, die zwischen ihnen herrschte, erneut. „Jetzt, wo es dunkel ist, kommen die vielen Lichter sicher noch viel besser zur Geltung.“   „Aber das Feuerwerk startet bald.“   „Bis dahin sind wir zurück. Komm, ist doch besser, als hier herum zu stehen.“   Genda deutete ihm auffordernd an, loszugehen. Unter einem angestrengt klingenden Seufzen ließ Sakuma schließlich von dem Holzgeländer ab und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. „Na gut, gehen wir.“   Obwohl es schon dunkel war, waren am Strand noch viele Leute unterwegs. Immer wieder saßen kleine Grüppchen im Sand, manche hatten kleine Campingleuchten dabei, eine größere Gruppe stand sogar um einen Feuerkorb herum, an dem sie Marshmallows rösteten. Genda und er gingen erst einmal schweigend durch den Sand – langsam bemerkte er, wie erschöpft seine Waden schon von dem ständigen Gang durch den nachgebenden Boden waren, vermutlich würde er am nächsten Tag Muskelkater haben. Ab und zu schweifte sein Blick in der Umgebung herum, bis sie schließlich ihr Ziel erreichten. Und Genda hatte recht behalten, die Lichter waren im Dunkeln noch viel schöner als vorher. Die Teelichter leuchteten intensiv, zauberten an jede der Papierwände einen hellen Kreis und trotzdem kamen die verschiedenen Farben des Papiers noch wunderbar zur Geltung.   Das bunte, strahlende Bild vor sich zauberte Sakuma eine leichte Gänsehaut, sodass er die Arme vor der Brust verschränkte. Irgendwie fühlte er sich geborgen, so inmitten der Lichter, die ihn an einen bunten, prachtvollen Blumengarten erinnerten.   „Lass mich ein Foto machen.“   Auf die Aufforderung hin machte Sakuma ein paar Schritte zur Seite, doch bevor er über die Laternen steigen konnte, fing Genda an, leise zu lachen und erntete dafür einen fragenden Blick.   „Von dir, Sakuma“, klärte ihn Genda auf. Sakumas Mimik wechselte von fragend zu ungläubig. Wirklich begeistert war er von der Idee nicht, würde das überhaupt gehen?   „Es ist doch viel zu dunkel. Am Ende erkennt man mich eh nicht.“   „Das geht bestimmt, wenn du dich in den Sand hockst und näher an den Lichtern bist. Das Blitzlicht schafft das schon.“   „... Na gut. Aber du kommst mit rauf“, bestimmte Sakuma und suchte sich einen günstigen Platz zwischen de Lichtern, der groß genug für sie beide war, setzte sich mit dem Hintern in den Sand und wartete. Er sah in dem schwach beleuchteten Gesicht ein Schmunzeln, dann kam Genda mit dem Handy in der Hand zu ihm und hievte seine langen Beine über die Papierlaternen, vorsichtig genug, sodass kein Sand mit nach oben flog und sie darunter begrub.   Als Genda endlich neben ihm zum Sitzen kam, brachte sich Sakuma in Position, lehnte sich zu ihm rüber und lächelte dem Handy entgegen, das am ausgestreckten Arm schräg über ihnen hing. Während das Aufleuchten des Blitzlichts das bevorstehende Foto ankündigten, spürte er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter. Und dann wurde es so hell, dass er die Augen halb zukneifen musste.   „Ah...! Jetzt hatte ich sicher die Augen zu“, kommentierte Sakuma frustriert, er konnte kaum richtig gucken, denn wo immer er in der Dunkelheit auch hinsah, sah er einen hellen Fleck, so als hätte sich das Blitzlicht in sein Auge gebrannt. Es würde Minuten dauern, bis das wieder verging.   „Versuchen wir es noch mal ohne Blitzlicht.“   Und wieder Lächelten sie in die Kamera, dieses Mal ohne die Gesichter zu verziehen. Als Genda ihm danach das Handy hinhielt, um ihm das Foto zu zeigen, konnte Sakuma es noch immer nicht richtig erkennen, aber er war sich sicher, dass es trotzdem eine schöne Atmosphäre hatte, selbst wenn die Belichtung sich als nicht ideal erwies. Wenn er so ein Foto mit Kidou hätte... Sakuma ohrfeigte sich innerlich für diesen Gedanken.   Erst als er wieder aufstehen wollte, bemerkte er, dass Gendas Hand noch immer auf seiner Schulter lag und er ihn damit halb im Arm hatte. Außerdem sah er ihn an. Verunsichert schaute Sakuma zurück, er konnte sehen, wie Genda schluckte.   „Was...?“   „Sakuma, ich-“   Weit hinter Sakuma zerbarst plötzlich eine Rakete, malte flackernd leuchtende Strahlen in den dunklen Nachthimmel, gefolgt von einem lauten Knall. Er drehte ruckartig den Oberkörper, sah blaue, gelbe, rote Feuerwerksblumen, die wieder von lautem Knallen begleitet wurden.   „Das Feuerwerk! Wir müssen zurück!“, stellte Sakuma hektisch fest und war jetzt erst recht drauf und dran aufzustehen, aber Gendas Hand, die seinen Arm packte, wollte ihn nicht gehen lassen. In ihm machte sich längst das Gefühl breit, dass er wüsste, was Genda ihm gerade sagen wollte. Jetzt schluckte auch Sakuma, die Augen groß und ungläubig.   „Wir müssen nicht zurück, wenn du nicht willst. Die Wahrheit ist... Ich will lieber mit dir hier bleiben. Alleine.“   Das letzte Wort war so betont, dass die Aussage unmissverständlich wurde, wenn man dazu noch die ernsten, eindringlichen Augen Gendas sah. Sakuma war regungslos – er konnte sich gar nicht bewegen, selbst wenn er es versuchte. Im Augenblick brachte sein Körper nichts zu Stande, sogar die Sprache hatte es ihm verschlagen. Gendas Hand ließ von seinem Arm ab, strich ihm liebevoll über die Wange und- Näherte sich ihm Gendas Gesicht?!   Sakumas Herz raste, überschlug sich und drohte komplett auszufallen. Sein ganzer Körper spannte sich an. Als ginge es ums Überleben, bewegte sich zumindest sein Arm reflexartig und drückte Genda die Hand auf seinen Mund. Aber das schien ihn nicht abhalten zu wollen. Das Streicheln auf seiner Wange stoppte, dafür schmiegte sich die raue Handfläche an Sakumas Handrücken und umfasste ihn schließlich bestimmend genug, um seinen Mund zu befreien. Ihre Blicke trafen sich, ein zarter Kuss wurde auf Sakumas Handfläche gehaucht, der ihm das Blut in den Kopf steigen ließ.   „Ich liebe dich, Sakuma“, sagte Genda leise, irgendwo zwischen rau und sanft.   Nicht, dass er es nicht schon vermutet hätte, aber das zu hören, ließ Sakuma die Luft anhalten. Seine Hand gehörte längst Genda, denn sie hatte ihren Widerstand komplett aufgegeben – Verräterin. Er wusste nichts zu antworten, hatte es schon schwer genug, seine Atmung wieder in Gang zu bekommen und wollte eigentlich nur weglaufen, egal ob es seinen Waden gefiel oder nicht. Doch er wusste auch, dass Genda ihn nicht gehen lassen würde, so bestimmend, wie seine große Hand seine Schulter einnahm. Eine Flucht war unmöglich.   „Tut mir leid, ich... wollte dich nicht so überfallen“, sagte Genda schließlich und sah aus, als würde er mit sich selbst hadern. Er war offensichtlich genau so überfordert mit der Situation. Dass Sakuma nicht antwortete, bewegte ihn vermutlich dazu, weiterzusprechen. Aber was hätte er auch sagen sollen? Genda wusste doch, dass er Kidou liebte und das änderte sich eben nicht von jetzt auf gleich. „Ich weiß, du liebst ihn, aber wenn du mich mal mit anderen Augen siehst, dann kannst du dich vielleicht auch in mich verlieben. Es muss nicht sofort sein. Ich warte auf dich Da ist niemand anders, den ich will – nur du.“   Genda war ernst, todernst, irgendwie beeindruckte es Sakuma ein bisschen. Im Gegensatz zu ihm, hatte er sich nicht getraut, Kidou seine Liebe zu gestehen. Er hatte ihm nie ins Gesicht gesagt, dass er so wichtig war, dass er auf ihn warten würde – egal wie lange es auch dauern mochte. Er hatte in Genda nie etwas Anderes als einen Freund gesehen, vermutlich war er nicht einmal dieser Rolle richtig gerecht geworden, so wie er den Torhüter teilweise behandelt hatte, aber sich jetzt in ihn zu verlieben, das konnte er sich nicht vorstellen. Es war absurd. Wahrscheinlich dachte Kidou genau das selbe über ihn...   Sakuma senkte den Blick. Es war ihm unangenehm, er konnte ihn einfach nicht weiter ansehen. Auch das Feuerwerk war längst zur Nebensache geworden. Zwar hörte er das Knallen der Raketen immer noch, schenkte ihm aber keine Beachtung. Nicht mal ein Blick ging in dessen Richtung. Er ließ seinen Kopf gegen Gendas Schlüsselbein sinken, sein Pony verschleierte sein Gesicht zum Großteil.   „Ich will dich nicht verlieren“, murmelte Sakuma und sprach damit die Angst aus, die sich in ihm breit machte. Eine Angst, die er auch schon bei Kidou gehabt hatte – ein Grund, ihm nichts von seinen Gefühlen zu sagen.   „Wirst du nicht, das verspreche ich dir.“   Er hoffte wirklich inständig, dass Gendas Worte nicht nur so daher gesagt waren. Aber in diesem Moment lag sein innigster Wunsch ganz wo anders. Er wollte sich neu verlieben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)