Leave Time For Love von Aphrodi ================================================================================ Speculations ------------ Sakuma ging still neben den anderen beiden her, war voll und ganz in seine Gedanken versunken und hatte noch dazu kein Interesse an einem Gespräch. Genda und Fudou schwiegen ebenfalls. Die Stimmung zwischen ihnen war nicht gut, das konnte man sogar als Außenstehender leicht sehen, und dennoch gingen sie den Weg zur U-Bahn-Haltestelle gemeinsam. Genda hatte mitten im Film angedeutet, dass die letzte Bahn gleich fahren würde und dass sie, wenn sie diese noch nehmen wollten, so langsam losgehen müssten.   Eigentlich war am Freitag noch geplant gewesen, das ganze Wochenende bei Kidou zu bleiben, doch der Samstag lief anders als geplant – streng genommen schon die Nacht von Freitag auf Samstag – und so waren alle ganz froh, dass sie die kommende Nacht zu Hause schlafen würden. Sakuma wollte sicher nicht noch ein mit Fudou verbringen, wenn er daran dachte, dass er dieses Mal wohl wirklich dran wäre. Ein Tag Bedenkzeit würde dem sicher als Frist reichen. Außerdem hatte er mieserabel geschlafen und war zusätzlich schlecht gelaunt. Genda wollte ebenfalls nicht noch eine Nacht bei Kidou verbringen und Fudou kam einfach so mit.   Zugegeben, ein wenig verwunderte Sakuma letzteres. Es wäre die Chance für Fudou gewesen, alleine mit Kidou zu sein. Und dennoch ging er lieber mit ihnen zur Haltestelle. Warum? Vielleicht kannte er die Antwort tief drinnen auch schon und wollte es nur nicht wahrhaben. Der Morgen hatte genau so viele Fragen hinterlassen wie böse Vorahnungen und keine davon konnte Sakuma sich selbst beantworten. Und an allem war Fudou Schuld.   Es war still am Frühstückstisch – verdächtig still. Nur einer wagte es, die Stille zu durchbrechen.   „Kidou, du siehst ja richtig erholt aus. Bist wohl der einzige hier, der letzte Nacht keinen Spaß hatte.“   „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es allzu spaßig bei euch war.“   „Fehlt es dem großen Kidou tatsächlich an Durchblick? Das ist ja was ganz Neues“, gab Fudou gackernd von sich und biss in seinen Toast. Immer noch amüsiert grinsend traf sein Blick auf Sakumas, der ihn das erste Mal heute wirklich ansah. Zuvor hatte er jeden Blick in seine Richtung vermieden, egal, was er auch versucht hatte. Jedes Wort war ignoriert worden. Doch jetzt nicht mehr – Fudou hatte wieder seine Aufmerksamkeit. Und es lag sicher nicht nur an dem Schlafmangel, dass er so grimmig drein blickte.   „Das würde ich so nicht sagen. Ein Blick in Sakumas und Gendas Gesicht sagt mir aber, dass sie kaum ein Auge zugetan haben. Ihre Augenringe und ihr fahles Gesicht sprechen dafür. Noch dazu sehen sie angespannt aus. Hätte einer von ihnen Spaß gehabt, wäre seine Miene sicher erhellter.“   „Pff, das ist doch Sakumas übliches Gesicht. Ich seh da keinen Unterschied. Und Genda hatte eine tolle Nacht, nicht wahr?“   Mit hochgezogener Augenbraue blickte Kidou zu Genda und Sakumas grimmiger Blick tat es ihm gleich. Genda sollte eine tolle Nacht gehabt haben? Das konnte sich Sakuma nicht vorstellen. Er sah ebenfalls gerädert aus und dann hatten sie sich auch noch irgendwie im Flur gestritten. Sakuma hatte das Bedürfnis sich ihm zu erklären, aber konnte er sich bei Genda wirklich entschuldigen ohne, dass er nachhaken würde? Wenn er das tat, musste eine gute Ausrede parat sein.   „Es war okay“, bestätigte Genda knapp und wich den Blicken seiner Freunde aus. Stattdessen stürzte er sich wieder auf sein Frühstück, als würde es im nächsten Moment zu Staub zerfallen, wenn er es nicht schnell verschlang.   „Nicht so schüchtern, Genda~ Wir wissen doch beide, dass wir eine sehr tolle Nacht zusammen hatten.“   Doch Genda ging nicht weiter darauf ein und Kidou schien es auch ruhen lassen zu wollen. Nur Sakuma starrte seinen Nebenmann mittlerweile an. Was hatte er mit Fudou zusammen gemacht, dass er es als sehr toll beschrieb? War es möglich, dass Fudou die Liste der Verfügbaren runter gewandert war, nachdem er selbst und Kidou in dieser Nacht unerreichbar für ihn gewesen sind? Aber das würde Genda doch niemals tun... oder?   Den ganzen Tag hatte Sakuma dieser Verdacht gequält. Er hatte versucht, es irgendwie aus ihrem Verhalten heraus zu interpretieren, wog Wahrscheinlichkeiten ab, doch alles blieb reine Vermutung. Er konnte die Antwort nur von einem bekommen und das war Genda. Fudou glaubte Sakuma sowieso nicht. Er hatte diese Eigenschaft, Dinge so wirken zu lassen, wie sie gar nicht waren. Ob er das mit Absicht tat oder nicht, wusste er nicht, aber er vermutete, dass es wirklich Berechnung war. Allein schon der Fakt, dass er sich nie gegen Unterstellungen rechtfertigte, selbst wenn sie nicht der Wahrheit entsprachen, sprach für Absicht. Oder lag es daran, dass man ihm sicher nicht glauben würde, wenn er es abstritt?   Sakuma wurde aus Fudou nicht schlau. Er war definitiv nicht leicht zu lesen und gab sich mysteriöser als er wahrscheinlich war. Und all seine Aktionen wirkten so furchtbar zufällig, dass es schwer zu sagen war, was er als nächstes plante.   „Sakuma... Willst du noch mit mir in den Konbini?“   „Hm? Aber du sagtest doch selbst, es sei die letzte Bahn. Wenn wir die nicht bekommen-“   „Egal. Wir nehmen uns ein Taxi und du fährst mit zu mir, wie wäre das? Du hast doch bestimmt auch Hunger.“   Dieser Vorschlag war ebenso unvorhersehbar gewesen für Sakuma wie das, was Fudou üblicherweise so brachte. Und jetzt fing Genda auch schon damit an. Langsam aber sicher verlor er die Gabe, seine Freunde einschätzen zu können. Überrascht sah er Genda an und überlegte kurz. Es stimmte – er hatte Hunger. Sie hatten schon vor Stunden zu Abend gegessen und vor lauter Stress waren die Portionen, die er runter bekam, besonders klein gewesen.   „Dann komme ich mit“, willigte Sakuma schließlich ein. Fudou blieb unbeeindruckt und lief stumm neben ihnen her. Es sah nicht einmal so aus, als beachtete er sie großartig. Dass er sich nicht selbst einlud, irritierte Sakuma kurz, doch er war auch froh darüber. Es passte alles wie die Faust aufs Auge. Sakuma wollte sowieso noch mit Genda reden und die Gelegenheit drängte sich ihm geradezu auf. Er würde sie auf jeden Fall auch nutzen.   „Na dann, viel Spaß euch beiden.“   Mit diesen Worten trennte sich Fudou an der nächsten Kreuzung von ihnen. Er selbst ging zur Haltestelle und die zwei Jungs gingen zum nächsten Konbini. Jetzt wurde es ernst und Sakuma drückte einen dicken Kloß seinen Hals herunter. Wie sollte er ihn fragen? Einfach gerade heraus? Wäre er enttäuscht von ihm, dass er so etwas überhaupt in Erwägung zog? Sakuma selbst wäre es jedenfalls, wenn Genda ihn umgekehrt fragen würde, ob er Sex mit Fudou hatte. Das wäre aber auch empörend! Obwohl es mittlerweile sogar nicht mehr unwahrscheinlich war...   Er sprach es nicht an bis sie den Konbini erreichten. Aber auch Genda war verdächtig kurz angebunden. Nur ein oberflächliches Gespräch über die Auswahl des Essens brachten sie zustande und am Ende landeten ein Donburi mit frittierten Riesengarnelen und eins mit gebratenem Lachs in ihrem Besitz. Nett verabschiedeten sie sich noch vom Kassierer und landeten wieder auf der schummrig beleuchteten Straße.   „Lass uns noch ein Stückchen gehen...“, murmelte Sakuma schließlich ohne Genda anzusehen. Er hielt die Plastikverpackung in der Hand und klammerte sich fast schon daran. Ohne auf eine Antwort zu warten ging er voran, die Lippen kurz zusammengepresst. Jetzt musste er ihn darauf ansprechen – es war die Gelegenheit.   Doch Genda war schneller.   „Hör mal, wegen letzter Nacht. Es tut mir leid. Ich wollte dir nicht zu Nahe treten.“   Sein Blick zu Genda verriet, dass ihn das wirklich schwer belasten musste. Er sah angespannt aus. Hatte er wirklich so stark darunter gelitten? War das der Grund, warum er ihn jetzt noch einmal zur Seite genommen hat? Sakuma fühlte sich schlecht und sein Gewissen meldete sich erneut. Den ganzen Tag hatte er Genda so ein unangenehmes Gefühl verschafft und wahrscheinlich war er selbst sogar der Grund dafür, dass sein Freund jede vergangene Minute ein unglückliches Gesicht gemacht hat. Bei dem Gedanken wurden seine Knie weich – kaum aufrecht halten konnte er sich.   „Du Dummkopf! Warum entschuldigst du dich bei mir?! Ich bin so ekelhaft zu dir und du... du bist so ein einfühlsamer Mensch! Du bist immer für mich da, egal was ich tue. Also entschuldige dich nicht dafür, dass du mich unterstützt, wo du nur kannst!“   Die Worte fanden ihren Weg wie von selbst, ohne dass Sakuma darüber nachdenken konnte. Und so langsam kam ihm die Erkenntnis, die er selbst nie erlangen wollte. Neben Genda fühlte er sich wie ein verdammt hässlicher Mensch – nicht optisch, aber charakterlich. Genda hatte er damit für einen Moment still bekommen. Der überraschte Blick verwandelte sich in ein sanftes Lächeln.   „Es tut mir leid, dass ich die letzte Nacht so zu dir war. Fudou hatte mir zugesetzt und- Das soll alles keine Ausrede sein. Ich muss für meine Taten selbst gerade stehen. Ich konnte einfach keine Nähe mehr ertragen...“   „Aber ich hab dich mit Fudou alleine gelassen. Ich hätte wissen müssen, dass es so endet.“   „Lass es. Gib dir nicht die Schuld für Dinge, die ich mir selbst eingebrockt habe. Ich werde mit Fudou schon alleine fertig, also mach dir keine Gedanken mehr darüber, ja?“   So ganz überzeugt sah Genda nicht aus, dennoch nickte er. Wenn Sakuma sich das wünschte, dann würde er sich zurückhalten. Er würde ihm vertrauen und hoffen, dass er wirklich alleine klar käme. Ob er die Sorge allerdings abschalten konnte, das wusste er nicht.   „Hast du mit Fudou geschlafen?“   Die plötzliche und unerwartet herausgeplatzte Frage von Sakuma, die die Stille zwischen ihnen zerschnitt, ließ Genda zur Salzsäule erstarren. Traf sich gut – Sakumas Beine wollten sich sowieso kein Stück mehr bewegen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)