Ein würdiger Traum von Sharry (Der Preis des Vertrauens) ================================================================================ Kapitel 27 - Die Maske ---------------------- Kapitel 27 – Die Maske   -Zorro- Er hielt den Kopf gesenkt, als er in der Mitte der Stuhlreihe voller unverheirateter Frauen saß. Das Mädchen links von ihm atmete ungewöhnlich laut, der Geruch seines komischen Parfüms kitzelte ihm in der Nase und irgendwie juckte ausgerechnet jetzt sein rechter Fuß ganz furchtbar. Sein Herz schlug wie wild. Hätte ihm jemand gesagt, dass er eines Tages auf einem Marineball in einem kleinen Kleidchen und hohen Schuhen darauf warten würde, dass ihn irgendein Kerl zum Tanzen auffordern würde, hätte er diesen ausgelacht. Er hätte ihn noch nicht einmal ernst genug genommen um ihn zu erledigen. Aber viel schlimmer war doch, dass ausgerechnet er, stolzer Schwertkämpfer, selbstbewusster Mann, gerade so nervös war, dass ganze Wasserfälle aus Schweiß seinen Rücken hinunter jagten. Ein lauter Gong ertönte und die riesigen Türen zu seiner Rechten öffneten sich lautlos. Ein einstimmiges „Oh!“ ertönte aus den Reihen der Männer und Zorro hielt den Atem an, seinen Blick auf das kleine goldene Kreuz gerichtet. Kanan war nicht glücklich gewesen. Ihrer Meinung nach war es ein absoluter Fauxpas goldenen Schmuck mit Silbernen zu mischen. Aber er war sich sicher, dass der Samurai es ihm gegeben hatte, nur um ihn unter der Menge wieder zu erkennen. Und obwohl er sich nicht auf dessen Schutz ausruhen wollte,  so war es doch beruhigend zu wissen, dass der andere da war. Es war fast so, wie der Rücken des Koches an seinem in einem Kampf. Aber den Gedanken verwarf er ganz schnell wieder, wenn der Koch ihn so sehen würde… Die ersten Männer schritten an ihm vorbei und er konnte es nicht glauben. Einer der ersten Quadratlatschen, die ihn passierten, gehörten zweifelsohne zu dem hirnamputierten Schwertkämpfer. Zorro erkannte ihn sofort an der Art seiner Schritte und seines unverwechselbaren Geruchs. Was hatte der Idiot nur vor? Das konnte doch nicht sein Ernst sein?! Am liebsten wäre Zorro aufgesprungen und hätte den anderen aufgehalten, doch er konnte sich beherrschen. Und sowas schimpfte sich bester Schwertkämpfer der Welt? Wütend wartete er ab, bis jemand vor ihm zu stehen kam. Erneut erklang ein Gong und sofort wurde ihm eine Hand gereicht. Nun gut, das Spiel konnte er auch spielen. Er war mit Sicherheit nicht hilflos. Auf den nächsten Gong hin ergriff er beherzt die unbekannte Hand und beim Letzten erhob er sich schließlich und ließ sich auf die Tanzfläche führen. Dort verneigte er sich mit einem Knicks, wie es Kanan ihm eingetrichtert hatte und wartete. Nichts nahm er um sich war, außer seinen laut pulsierenden Herzschlag. Dann erklang die Musik und wie auf Befehl machte er drei kurze Schritte nach vorne, verneigte sich erneut, hob die Hände und erschrak. Der Mann, der ihm gegenüberstand, war Homura. Sein Herz raste, doch er durfte es sich nicht anmerken lassen! Nicht bei ihm! Vorsichtig legte er seine Hand auf dessen Oberarm, da er natürlich nicht an die Schulter dran kam, und ließ zu, dass der Mann der Marine eine Hand um seine Hüfte legte. Seine Haut verbrannte beinahe unter diesen Fingern, die ihn damals so schwer verletzt hatten. Er konnte beinahe spüren, wie die riesige Wunde, die längst Geschichte war, wieder aufriss, als der andere ihn fest packte und ihn mit sich zog. Homura lächelte ihn durch die weinrote Maske hinweg an und Zorro konnte schon so etwas wie Sieg in seinen Augen sehen. Aber nicht mit ihm! Er brauchte keinen Samurai um mit diesem Typen fertig zu werden. Er setzte sein bestes Nami-Lächeln auf, ergriff die Hand des anderen noch etwas fester und zeigte ihm alles was er geben konnte. Nicht umsonst hatte Shakky gerade seinen Busen besonders in Szene gesetzt. Dann würde er eben mit den Waffen einer Frau kämpfen. Zu seinem Glück war er wirklich gar nicht mehr so schlecht im Tanzen. Seitdem er gelernt und vor allem verstanden hatte, was Dulacre ihm beigebracht hatte, war es deutlich einfacher, immer noch furchtbar, aber machbar. Er musste nur dran denken, es bewusst einzusetzen. Als der drittbeste Schwertkämpfer der Welt ihn für eine Drehung losließ bemerkte er, dass relativ viele Augen auf ihnen lagen. Nun ja, Kanan hatte ihm bereits erklärt, dass die Farbe seines Kleides, obwohl Weiß ja gar keine Farbe war, nur von wenigen Auserwählten getragen wurde. Natürlich sein Glück, dass ausgerechnet Eizen ihn schätzen gelernt hatte. Einer der wenigen Menschen, die den Hochadel beeinflussen konnten. So würde ihn spätestens am nächsten Morgen die ganze Welt kennen. Bei der zweiten Drehung sah er die goldgelben Augen seines Lehrmeisters, die ihn fassungslos anstarrten. Der andere hatte sogar aufgehört mit dem Mädchen im auffallend grünen Ballkleid zu tanzen und sah ihn einfach nur mit offenem Mund an. Sein trotziges Lächeln wuchs noch eine Spur weiter, als ihm auffiel, dass der andere ihn tatsächlich nicht erkannt hatte und er grinste ihn überlegen an. Er hatte doch gesagt, dass er nach seinen eigenen Regeln spielen würde. Wieder nah an der Brust seines Tanzpartners war es ihm unmöglich Dulacre zu beobachten, allerdings hatte er gerade auch etwas andere Probleme. „Sie sehen wirklich zauberhaft aus, werte Loreen“, ertönte die aalglatte Stimme Homuras über ihm. Die Stimme, die ihm damals seinen Tod vorausgesagt hatte. Liebevoll sah er zu dem anderen hinauf. „Ich danke Ihnen“, antwortete er höflich, während er sich ausmalte auf welche grausamen Arten er den anderen eines Tages besiegen würde. Das erste Lied endete, doch Homura hielt ihn fest, es war offensichtlich, dass er ihn noch nicht hergeben würde. Der nächste Tanz war deutlich langsamer und bot auch den Tanzenden die Möglichkeit sich zu unterhalten, als hätte der Ältere es so geplant. „Ich muss sagen, ich bin ganz überrascht, dass der werte Dulacre den Platz vor Ihrem Stuhl nicht beansprucht hat“, führte er das scheinbar belanglose Gespräch fort. „Ach, glauben Sie, ich wäre auf ihn angewiesen?“, erwiderte er sorglos. Homura fiel darauf hinein. „Oh nein, es freut mich nur ungemein, dass ich derjenige sein durfte, der Sie zum ersten Tanz führen durfte.“ „Wirklich? Sagen Sie bloß, Sie erhoffen sich etwas davon?“ Sein Herz raste, aber nach außen hin verriet nichts seine Angst. Er würde aus diesem Machtspiel als Sieger hervor gehen, so viel war sicher. Selbst wenn der andere seinen aufgeregten Herzschlag hören konnte, würde er nicht klein bei geben. Aber er hatte den Älteren wohl unterschätzt, denn er lächelte nur und drehte ihn einmal aus. Als er ihn wieder zu sich zog, legte er die Arme um Zorro, sodass er ihn umarmte und sie nebeneinander im sogenannten Körbchen tanzten. „Wie gefällt Ihnen denn Ihr erster Ball, Loreen?“, fragte er ruhig, während sie Arm in Arm die anderen Tanzenden beobachteten und im Gleichschritt vor und zurückgingen. „Bisher habe ich wenig davon gesehen“, entgegnete er ebenso ruhig. „Es ist schon eine andere Welt, in die man da hinein taucht, nicht wahr?“ Dem konnte selbst Zorro nicht widersprechen. „Natürlich ist diese Welt für einfache Bürgerliche nichts weiter als ein Traum, eine Fantasie für eine Nacht. Für unseresgleichen ist sie jedoch unabdingbare Realität.“ Homura lächelte zu ihm hinab, ehe er ihn wieder von sich stieß um die traditionelle Tanzposition wieder einzunehmen. „Unseresgleichen?“, hinterfragte Zorro ahnungslos. Der Ältere lachte leise. „Man sieht Ihnen an, dass Sie nicht aus einfachem Hause kommen, werte Loreen. Dulacre mag Sie für ein gewöhnliches Mädchen halten, aber ich sehe, wer Sie wirklich sind.“ „Ach, tatsächlich?“ Es kostete ihn viel Mühe nicht laut loszulachen. Wenn der andere wirklich wissen würde, wer er war, würden sie nicht mehr so ruhig vor sich hin tanzen. „Loreen“, sprach der andere nun äußerst ernst, „Ich weiß, dass Dulacre durch seine dunkle Geheimnistuerei eine gewisse Ausstrahlungen auf junge Damen wie Sie hat.“ Immer noch hörte Zorro nicht auf zu lächeln, er war viel zu neugierig, wohin dieser Tanz ihn führen würde. Er hatte nicht erwartet, dass der Ball direkt mit der ersten Herausforderung losgehen würde. Langsam schwang seine Sorge in Häme um. Er hatte den anderen für eine Bedrohung gehalten, aber als Loreen konnte er es locker mit ihm aufnehmen. „Aber glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass er keinen guten Umgang für eine Frau Ihres Niveaus darstellt.“ „Glauben Sie das?“, fragte er wieder nur schlicht und folgte den Schritten des anderen. „Loreen, jeder Mann hier in diesem Raum stellt eine bessere Partie für Sie da, als ein dahergelaufener Samurai. Und ein jeder hier ist mehr denn gewillt, Ihnen das zu bieten, was Sie verdienen.“ Also subtil war das ganze ja wohl überhaupt nicht. „Ich weiß, dass eine warmherzige, gutmütige Person wie Sie es sind, die stille Hoffnung hat, einen Verbrecher wie Dulacre zu retten. Aber Sie müssen auch an sich selbst denken. Eine Dame wie Sie, sollte auch Ihren Ruf beachten.“ „Herr Homura?“, brachte er sich endlich ein, „Was möchten Sie mir sagen?“ Der Ältere beugte sich tief zu ihm hinab und flüsterte beinahe. „Meine Liebe, was auch immer er Ihnen bieten mag oder versprochen hat. Ich kann Ihnen mehr bieten und ich gehöre zu den angesehensten Vizeadmirälen der Marine. Mir stehen alle Türen offen. Ich kann für Sie sorgen. Egal was Sie möchten, Sie werden es kriegen, denn Sie verdienen das Beste, was diese Welt zu bieten hat. Loreen, glaube mir, gemeinsam öffnen sich uns sogar die Tore nach Mary Joa.“ Überrascht verpasste Zorro einen Schritt und stolperte beinahe über seine eigenen Füße, wenn nicht die starken Hände des Vizeadmirals ihn halten würden. Hatte der Kerl, der mit Mihawks älterer Schwester verlobt gewesen war, gerade versucht sich an ihn ran zu machen? Das war ja sowas von eklig! Der Kerl konnte locker sein Vater sein. Homura lächelte ihn freundlich an, während die Musik um sie langsam leiser wurde. „Ich verstehe, dass das alles etwas plötzlich für Sie kommt. Ich möchte Ihnen nur deutlich machen, dass Dulacre nicht Ihre einzige Möglichkeit ist. Sie können so viel mehr erreichen, wenn Sie mit mir kommen.“ Und dann konnte Zorro sein Lachen nicht mehr zurück halten. Umliegende Tänzer wandten sich nach ihm um, aber es war unmöglich für ihn aufzuhören. Er konnte sehen, dass Homura seine Reaktion nicht einzuordnen wusste. „Mein werter Homura“, antwortete er bemüht kontrolliert, aber es war einfach zu abstrus, „Sie glauben also zu wissen, was ich will und brauche?“, sprach er weiter, ungeachtet etwaiger Zuhörer, „Und Sie glauben, dass gerade Sie es mir bieten können?“ Er grinste immer noch breit, doch Homuras Lächeln war eingefroren. „Sie haben keine Ahnung, wer ich bin, Homura, und Sie haben keine Ahnung von dem was ich will oder dem, was ich brauche.“ Die Musik verstummte. Der zweite Tanz war vorüber. „Allerdings haben Sie gar nicht so Unrecht, wenn Sie behaupten, dass ich das Beste verdiene.“ Langsam machte er einen Schritt auf den anderen zu. „Also warum glauben Sie, sollte ich mich mit einem drittklassigen Schwertkämpfer abgeben, wenn ich den Besten haben kann?“ Mit einem breiten Grinsen knickste er knapp. „Ich danke Ihnen für diesen Tanz.“ Diesen Kampf hatte er gewonnen, während er erhaben die Tanzfläche verließ und ein paar Stufen hinauf zur Bar schritt. Jetzt waren sie auf Gleichstand. Das war die Rache für das, was der andere ihm angetan hatte. Dafür, dass er damals ihre Party zerstört hatte. Jenen Tag zerstört hatte, den sein Kapitän so sehr hatte feiern wollen. Erst als er oben angekommen war und sich den ersten Punch von einem Tablett genommen hatte, merkte er, dass fremde Augen auf ihm ruhten. Aber das war ihm egal, schließlich hatte er gewonnen. „Du magst den großen Auftritt, oder?“ An einem der runden Tische saß der Samurai, alleine, ein halbleeres Weinglas in der Hand. „Das verstehst du also unter nicht auffallen?“ Schnaubend setzte Zorro sich ihm gegenüber und schlug die Beine übereinander. Er rollte mit den Augen, war sich aber nicht sicher, ob der andere das durch die Maske sehen konnte. „Das wäre nicht passiert, wenn du Idiot nicht das erstbeste Mädchen im grünen Kleid ausgesucht hättest.“ Er konnte sehen, wie der andere unter seiner Maske errötete. Die Musik hatte längst wieder eingesetzt und Zorro beobachtete die Tanzenden. Ganz vorneweg konnte er Jiroushin und eine wunderschöne Blondine sehen. Sie war gertenschlank und fast so groß wie der Konteradmiral selbst und die Art wie sie tanzten zeigte einem jeden, dass sie einander liebten. Zorro konnte nicht verleugnen, dass er recht zufrieden war mit seiner Leistung. Ach, was sollte er sein Licht unter den Scheffel stellen? Er war gerade die personifizierte Form von Stolz. Er hatte seinem überheblichen Gastgeber, von wegen Lehrmeister, gezeigt, dass er selbst als schwächliches Mädchen sehr wohl in der Lage war, auf sich aufzupassen und gleichzeitig hatte er Homura bloßgestellt. Wer hätte ahnen können, dass dieser Ball ihm doch noch Spaß machen würde? Mit einem Schluck leerte er den doch recht kräftigen Punch und stellte das Glas ab. Es brauchte nur wenige Sekunden, bis ein graumaskierter, junger Mann kam und es unter tiefem Verbeugen wegnahm. Zorro fiel sein seltsamer Hals- und Armschmuck auf, enganliegende Metallreifen, doch er sagte nichts. „Explodierende Metallketten“, murmelte der Samurai und sicherte sich so wieder Zorros Aufmerksamkeit, „So kann man sicher gehen, dass keiner der Sklaven hier etwas Dummes anstellt.“ Seine Stimme war kühl, aber auch herablassend, es war offensichtlich, dass der Ältere nichts von Sklavenhaltung hielt. „Also“, fuhr der andere fort, jetzt da der Pirat ihn wieder ansah, „Worüber hast du dich mit Nataku unterhalten? Er wirkte am Ende eures Tanzes doch deutlich unglücklicher als zu Beginn.“ Überrascht legte er den Kopf schief. Anscheinend hatte er doch nicht so laut gesprochen, wie er geglaubt hatte. Der Samurai hatte seine Worte nicht hören können, obwohl die Musik gefehlt hatte, die jetzt dafür sorgte, dass ihr Gespräch ungehört blieb. Wieder sah das verzauberte Mädchen auf die tanzenden Paare hinab. Sollte er dem anderen davon erzählen? Ihm noch mehr Sorgen aufbürden, als die, die er eh schon mit sich rum schleppte. Schließlich hatte er die Gefahr doch alleine bannen können, oder etwa nicht? „Also?“, wiederholte Dulacre nach einigen Minuten ruhig und sah ihn mit seinen durchdringenden Augen weiterhin bestimmt an. Bemüht unbekümmert kratzte er sich unter seiner Maske und zuckte kurz mit den Schultern. „Am Anfang haben wir uns etwas über deine Blödheit lustig gemacht.“ Nun wurden die Falkenaugen minimal zornig, doch er sagte nichts, sondern gab den überlegten Strategen. „Ich meine, du warst vermutlich der einzige Mann im ganzen Saal, der mich ignoriert hat. Ausgerechnet du.“ Das klang verletzter als er in Wirklichkeit war. Es war ihm eigentlich egal, ob der andere ihm zum ersten Tanz aufgefordert hätte oder nicht, aber dass er ihn nicht erkannt hatte, das war das Problem. Sie hatten die vergangenen Wochen so viel Zeit miteinander verbracht, sodass selbst er den kühlen, maskulinen Geruch des anderen zu gut kannte und ausgerechnet der andere, der einzige, der wusste, wer er wirklich war, erkannte ihn nicht, wenn er mal ein anderes Kleid und eine Maske trug? Und dann immer seine großen Reden darüber, dass er Zorro beschützen wollte, schließlich hatte er ihm doch diese blöde Kette gegeben. „Aber dann haben wir festgestellt, dass wir unterschiedliche Dinge wollen und die Unterhaltung war für mich beendet.“ Das war keine Lüge. Der Samurai betrachtete ihn nachdenklich, antwortete jedoch nicht, sondern leerte sein Weinglas. Augenblicklich tauchte ein graumaskiertes Mädchen mit langem Pferdeschwanz auf und füllte es nach. Auch sie trug den seltsamen Schmuck. „Deine Fertigkeiten haben sich eindeutig weiterentwickelt“, nahm der Schwarzhaarige das Gespräch wieder auf und trank einen erneuten Schluck, ohne die Bedienung auch nur eines Blickes zu würdigen, „Mit diesem Tanz hast du dich nicht blamiert und es ist beruhigend zu sehen, dass du die neu erlernte Technik doch schon so selbstverständlich anwenden konntest.“ Sie sahen einander an und dann seufzte der Samurai. „Du hast es also wiedermal nur unterbewusst eingesetzt.“ Zorro nervte es, wie der andere ihn trotz Maske lesen konnte, und noch mehr hasste er, dass der Andere natürlich Recht hatte. Vor allem hier und jetzt wollte er keine Lektion von seinem Lehrmeister erhalten, sondern nur den stärksten Alkohol, den der andere aufbringen konnte. „Meine liebe Loreen!“, ertönte unerwartet die bärenstarke Stimme des Bürgermeisters, welcher sich überglücklich und etwas außer Atem neben sie warf. Als hätte der Wikinger seine Gedanken gehört, stellte er ein Glas vor Zorros Nase. Leider war der Inhalt grässlich pink und eine grüne Gummischlange räkelte sich darin. Etwas entsetzt starrte er das Gebilde an, nicht sicher, was er damit sollte. „Tenkai, das waren kaum zwei Tänze“, murrte seine strenge Gattin in einem beleidigten Ton, während sie sich elegant zwischen ihren Mann und dem Samurai auf einen Stuhl sinken ließ, ein ebenso pinkes Glas in ihrer Hand. Falkenauge auf der anderen Seite schien sich über Zorros Blick zu amüsieren. „Und worüber unterhaltet ihr beiden Hübschen euch?“ Koumyou versuchte verzweifelt das Thema abzuleiten, das Bier am hin und her schwenken. „Wir reden nur übers Tanzen“, antwortete Dulacre wahrheitsgemäß und erwiderte ruhig den Blick seines alten Bekannten. Frau Koumyou auf der anderen Seite war immer noch äußerst erbost. „Ja und Sie Flegel haben sich den ersten Tanz von einem dahergelaufenen Marinekadetten abluchsen lassen. Schämen sollten Sie sich.“ „Er ist kein Kadett“, murmelte der Bürgermeister unbehaglich, „Das ist Homura Nataku, ein hochrangiger Marineoffizier.“ „Na und?“, herrschte die Frau in der schwarzen Robe, „Wir haben uns so viel Mühe gegeben, dass Loreen die Frau des Abends wird und Sie schenken ihr noch nicht einmal einen Blick.“ Wie eine wütende Mutter rügte sie ihn. „Und getanzt haben Sie auch noch nicht mit ihr. Wie soll das arme Ding sich nur fühlen?“ Dem Piraten war bewusst, dass er das arme Ding war, von dem sie redete, aber ihm wurde der Gegenangriff abgenommen. „Ich möchte Sie daran erinnern, wer ich bin“, sprach Dulacre kühl, „Mein Gast hatte einen ausgezeichneten Tanzpartner in Herrn Homura und ich habe ihn mit dem Blick gewürdigt, den mein Gast verdient.“ Die Frau des Bürgermeisters schien verletzter zu sein, als Zorro selbst, der nun mit dem Samurai im Augenkontakt stand. Doch für ihn war es unmöglich zu sagen, was der andere in Wirklichkeit dachte. Ergeben nahm er einen Schluck von dem grausam-süßen Getränk, dessen Geschmack wie flüssiger Zucker das Brennen des Alkohols überlagerte. Wer trank sowas freiwillig? Plötzlich wandte der Ältere den Blick ab, als ein laut lachendes Pärchen zu ihnen geeilt kam. Strahlend, wie das Licht der Sonne ließ sich die breit lächelnde Frau des Konteradmirals neben ihm nieder. Ihr hautenges schwarzes Kleid mit kleinen grünen Steinchen, betonte ihre wunderschöne Figur. Ihr langes blondes Haar fiel offen ihren Rücken hinab und tanzte bei jeder Bewegung. Zorro konnte nicht anders, als zu erröten. Er konnte nicht anders, als in ihren warmen, himmelblauen Augen hinter der simplen Maske zu versinken, während sie ihn anlachte, immer noch ein bisschen außer Atem vom Tanzen. Obwohl er nun im Körper einer Frau war, wusste er doch augenblicklich, was Jiroushin an ihr fand. Nicht nur ihre Schönheit war beeindruckend, ihr ganzes Wesen sprühte nur so vor Lebensfreude und Warmherzigkeit. „Sie müssen Loreen sein.“ Ihre Stimme war überraschend tief und lasziv, als wollte sie ihn direkt verführen. „Ich freue mich so, Sie endlich kennen zu lernen. Ich bin Lirin.“ Sie nahm seine Hand. Ihr Griff war bestimmt aber weich, stark aber sanft. Der Konteradmiral neben ihr, der breit grinsend Falkenauges Weinglas leerte, worauf dieser ihn nur kühl ansah, beugte sich zu Zorro rüber und begann ihm von seiner Frau zu erzählen. Wenn die beiden ihn so angrinsten konnte man fast meinen, dass sie Geschwister waren. Das gleiche breite Grinsen, die gleichen wohlgeformten Wangenknochen und die gleichen freundlichen Augen, die sich nur in ihrer Farbe unterschieden. Dieses Pärchen war das komplette Gegenteil von Falkenauge und ihm. Warte! Halt! Schnell überdachte er seine Gedanken, während er höfliche Plaudereien mit den beiden austauschte, die von dem Samurai nur beobachtet wurden, während sich das ältere Ehepaar verabschiedete und zu einer älteren Gruppe von Politikern gesellte. Sowas sollte er nicht denken! Nur weil der Rest der Welt von so einem Schwachsinn ausging, hatte ihn das nicht zu interessieren. Dulacre war sein Lehrmeister, sein… Freund und der Kerl, den er eines Tages besiegen würde. Alles andere war irrelevant. Nach einigen Minuten der freundlichen Unterhaltung, die von dem lauten Lachen des glücklichen Pärchens erwärmt wurde, erhob sich der Konteradmiral bereits wieder. „Meine liebe Loreen, bitte tanzt mit mir.“ Überrascht sah Zorro ihn an, unsicher was er tun sollte. Doch dann wurde ihm bewusst, dass sich hinter ihm bereits die ersten Männer auf dem Weg zu ihm gemacht hatten, zweifellos um ihn zum Tanzen aufzufordern. Also blieb ihm gar nichts anderes übrig. Freundlich lächelnd nahm er die Hand des anderen an und folgte ihm zurück auf die Tanzfläche, vorbei an einigen enttäuschten Gesichtern. -Mihawk- Er beobachtete seinen Wildfang dabei, wie er sich langsam mit seinem Kindheitsfreund um die eigene Achse drehte. Das weiße Kleid ein so passendes Pendant zu dem weißen Marinemantel des Konteradmirals. „Dulacre“, erreichte ihn die fröhliche Stimme Lirins, die ihn lächelnd ansah, „Möchtest du nicht auch mit mir tanzen?“ Die Frau seines Kindheitsfreundes hatte ihn immer schon akzeptiert. Wenn sie Vorbehalte gegen ihn hatte, versteckte sie diese nur zu gut. Auch in diesem Moment war sie die Freundlichkeit in Person. „Es tut mir leid, Lirin“, und das meinte er auch wirklich so, „Aber ich tanze nicht.“ Ihre leuchtend blauen Augen wurden groß, doch sie lächelte nur sanft. „Das ist in Ordnung.“ Mit ruhigen Bewegungen nahm sie einem vorbeieilenden Kellner ein mit klarer Flüssigkeit gefülltes Glas ab. „Sie ist wirklich wunderschön“, meinte sie nur. Dulacre folgte ihren Augen auf die Tanzfläche. Ihr Blick lag ganz offensichtlich auf dem verzauberten Piraten. „Ich verstehe, was dir an ihr gefällt.“ Dulacre trank seinen Wein. Es war nicht so, als ob er die Blondine wirklich als seine Freundin betrachten würde. Sie hatten sich in den vergangenen Jahren das ein oder andere Mal gesehen und sie hatte ihn immer sehr herzlich angenommen. Tiefgründige Gespräche hatten sie bis auf eine einzige Ausnahme hin noch nie geführt. Allerdings war sie einer der wenigen, der er erlaubte ihm beim Vornamen zu nennen, was schon einiges bedeuten konnte. „Durch eine fünf-minütige Konversation? Das glaube ich kaum“, antwortete er mit leichtem Sarkasmus. Allerdings wiedersprach er nicht ihrer Vermutung, dass er den Piraten mochte. Vor allem mochte er diese kleinen Kämpfe mit dem Jungen, oder dieses kleine, böse Grinsen, dass der Jüngere ihm gerne schenkte. Gerade lächelte er nur eine Spur freundlicher zu Jiroushin hinauf. „Sie ist stark“, meinte sie nur ehrlich, „Sie ist so ein hübsches, zerbrechliches Ding, dass ich sie am liebsten in Watte einpacken würde.“ Dann sah sie Dulacre direkt an. „Aber sie scheint so, als hätte sie in ihren jungen Jahren schon mehr erlebt, als andere in ihrem ganzen Leben. Hinter ihrem Lächeln ist so viel verborgen.“ Ihre überraschend gute Menschenkenntnis verblüffte den Samurai, doch dann wurde ihm wieder bewusst, dass seine Gesprächspartnerin diejenige gewesen war, die Jirous Maske vor so vielen Jahren runter gerissen hatte, damals, als sie noch Piraten gewesen waren. Lirin hatte eine Gabe Menschen innerhalb weniger Sekunden zu sehen, wie sie waren. „Sie trägt drei Gesichter“, murmelte sie eher zu sich, als zu ihm, „Eines höflich und freundlich, eines kühl und berechnend.“ Diese Aussage überraschte den Samurai hingegen kaum, schließlich kannte er sowohl Loreen als auch Lorenor. Er selbst hatte bemerkt, wie der andere zwischen seinen beiden Persönlichkeiten hin und her wechselte, abhängig davon, in welcher Gesellschaft er sich befand. „Und dann ist da dieses Dritte.“ Lange betrachtete sie die beiden Tanzenden. Dulacre folgte ihrem Blick. Sein Wildfang schien wirklich Spaß zu haben. Er hatte ihn noch nie so lachen gesehen, wie gerade in den Armen seines Kindheitsfreundes. „Du solltest wirklich gut auf sie aufpassen“, sagte sie dann und richtete ihren Blick wieder auf ihn, „Sie scheint dich gern zu haben.“ -Zorro- Es sollte ihm unangenehmer sein, mit einem Marineoffizier zu tanzen, als Mann, in einem Kleid, von allen als Frau verurteilt, unter dem immer gegenwärtigen Blick seines verfluchten Möchtegernvormundes. Aber tatsächlich machte es ihm beinahe Spaß. Der Konteradmiral war wie ein kleiner Junge, verdrehte manche Schritte ins Lächerliche, pfiff schief und schräg zur lauten Musik und klatschte außerhalb vom Takt. Lachend hüpfte er um Zorro herum, absolut ohne jegliches Rhythmusgefühl. Wie ein Kind griff er nach dem verzauberten Piraten und drehte sich mit ihm im Kreis. Umstehende Blicke nahm er kaum war und Zorro kam nicht drum hin, sich fallen zu lassen. Der Pirat hatte die Zeit mit dem Samurai schätzen gelernt, hatte den ernsthaften, überlegten Freund schätzen gelernt. Die gemeinsame Zeit sowohl beim Training als auch abseits davon war für ihn sehr wertvoll geworden. Er hatte viel gelernt und war erwachsen geworden. Der Samurai hatte ihm beigebracht, dass er die Kontrolle nicht verlieren durfte, dass er nicht einen Moment unaufmerksam sein durfte, wenn er der Beste werden wollte. Doch darüber hatte er etwas ganz Wichtiges wirklich vergessen. Etwas, von dem er nie erwartet hätte, dass er es vermissen würde. In den Armen des albernen Blondschopfes konnte er das erste Mal seit Ewigkeiten sein Gehirn ausschalten und einfach nur eine gute Zeit haben. Sie beide stolperten über ihre eigenen Füße und lachten sich gegenseitig aus. Die Hände des Konteradmirals führten ihn blindlings unter die Tanzenden, die ihnen erschrocken auswichen. Die belebte Musik und das Lachen des Älteren hallten in seinen Ohren, während er zum ersten Mal, seit dem er seine Freunde verlassen hatte, einfach so sinnlosen Spaß hatte. Das letzte Mal war so lange her und hatte so furchtbar geendet. „Vertrau mir mal, Loreen“, hörte er plötzlich den Konteradmiral zu ihm runter rufen. Verwirrt sah er zu dem anderen hinauf, der seine Hände ergriff und ihn in einen unerwartet schnellen Tanz beförderte. Ohne zu wissen, was er tat, sah er einfach nur in die grünen Augen seines Tanzpartners, der ihn angrinste. „Was hast du vor?“, murmelte er unsicher, doch der andere grinste nur. Im nächsten Moment packten ihn große, starke Hände an der Hüfte und schleuderte ihn in die Luft. Sein Herz setzte einen Satz aus. Aus Reflex zog er die Arme an, während er rasend schnell sich um die eigene Achse rotierte. Im nächsten Moment fing der andere ihn wieder auf, ließ Zorros zierlichen Körper beinahe durch seine Finger gleiten und warf ihn durch seine langen Beine hindurch. Im letzten Atemzug spürte Zorro, wie seine Handgelenke vom anderen ergriffen wurden und er ihn zurückzog und wieder hochwarf. Als er die Augen wieder öffnete, lag er in den Armen des Konteradmirals, der sich zur ausklingenden Musik noch langsam drehte. Umstehende beobachteten sie beeindruckt. Überrascht atmete er aus, während er langsam begriff, was der andere gerade mit ihm getan hatte. Der Konteradmiral lachte immer noch: „Du bist wirklich leicht wie ein kleines Kind!“ „Du bist hier das einzige Kleinkind“, erwiderte er grinsend, dankbar darüber, dass der andere ihn wieder auf seine eigenen zwei Beine ließ. Doch unerwartet wurde der Ältere etwas ernster. „Loreen, ich muss mit dir reden“, fing er an, doch unterbrach sich selber. „Entschuldigung Konteradmiral.“ Eine unbekannte, tiefe Stimme ertönte hinter Zorros Rücken, der gerade erst versuchte die neue Tanzerfahrung zu verdauen und gleichzeitig zu erahnen, was der andere mit ihm besprechen wollte. Warum wollte jeder immer was mit ihm bereden? „Dürfte ich mir Ihre Tanzpartnerin ausleihen?“ Langsam drehte sich der Pirat um. „Natürlich Vizeadmiral Comil“, antwortete der Konteradmiral neben ihm und salutierte automatisch. Doch Zorro nahm das gar nicht wahr. Er starrte geschockt auf den breitschultrig gebauten Mann, mit blond wallender Mähne, Halbglatze und Schnurrbart. Weder der schwarze Anzug noch der typische Admiralmantel konnte die üppige Körpermitte verbergen. Die Augen hinter der schwarzen Maske waren zu kleinen Schlitzen zusammengekniffen und der schwülstige Mund zeigte kein Lächeln. Aber das war nicht das, was den Piraten schockierte, als er sich ruckartig verbeugte und zuließ, dass der andere seine Hand nahm. „Ich bin äußerst überrascht“, fing der Mann der Marine an zu sprechen, während Zorro seinem Blick kaum standhalten konnte, „Mit Ihnen hätte ich hier tatsächlich nicht gerechnet.“ Sein tiefer Bass vibrierte schonungslos bis ins Mark des verzauberten Piraten. „Was wohl der geschätzte Hakkai davon hält? Da vorne steht er, übrigens.“ Comil nickte nach rechts und Zorro folgte seinem Blick. Dort, nicht mal zehn Schritte entfernt, am Rande der Tanzfläche, stand der Kommandant der ehemaligen G6, eine Augenklappe über dem einst intakten rechten Augen. Eine Gesichtshälfte war durch die kaum verheilte Brandwunde komplett entstellt, und der einst freundliche, gütige Mann wirkte verhärmt und kalt. Selbst die schwarze Maske konnte ihn nicht schützen. „Sieh dir an, was aus ihm geworden ist“, murmelte der Mann vor Zorro leise, „Sieh dir an, was du getan hast, Lorenor Zorro!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)