Ein würdiger Traum von Sharry (Der Preis des Vertrauens) ================================================================================ Kapitel 19 - Der Besuch ----------------------- Kapitel 19 – Der Besuch   -Zorro- Er erstarrte mitten in der Bewegung. Seine Augen mussten ihn betrügen, das konnte doch gar nicht wahr sein. „Lady Loreen?“ Die Händlerin an dem kleinen Stand mit den bunten Feuerzeugen nahm er kaum war. Zu groß war der Schock in seinen Gliedern. Er war auf dem kleinen Marktplatz von Sasaki, einige Kleinigkeiten für Kanan besorgen, nichts Wichtiges, da diese eines ihrer Kinder besuchte. Wie immer trug er die ihm raus gelegten Sachen. Ein sommerliches weißes Kleid mit aufgedruckten roten und pinken Rosen, die zum Saum hin größer wurden. Ein rosa Tuch um den Hals. Wie in Trance überquerte er den gefüllten Platz, ignorierte die Menschen um sich herum, die ihn freudig grüßten, ignorierte den Korb in seiner Armbeuge, der immer wieder andere Leute anrempelte. Alle paar Schritte setzte sein Herz aus, während er die Passanten beobachtete, die dort an einem unscheinbaren Lebensmittelgeschäft standen. Als er die leicht gereizte Stimme der Frau hörte, vergaß er einen Moment zu atmen. „Ist das alles, was wir brauchen?“ Sie waren hier! Sie waren tatsächlich hier! Was taten sie hier? Es war noch zu früh! Sie sollten nicht nach Sasaki kommen! „Nicht ganz, Nami-Maus. Ich würde gerne noch frisches Gemüse einkaufen. Aber dazu brauchst du mich nicht zu begleiten. Auch wenn mich deine Anwesenheit natürlich äußerst glücklich stimmen würde.“ Vor ihm standen Sanji und Nami von der Strohhut-Bande. Panik, Verzweiflung, Freude und Sehnsucht erfüllten ihn. Sie waren hier und ihnen ging es gut! Sie hatten tatsächlich überlebt! In diesem Moment kreuzten die Augen der Navigatorin seinen Blick und wurden groß. „Aber das ist doch…“  Nun war es zu spät. „Lady Loreen.“ Ohnmächtig trat Zorro einen Schritt zurück, während die Orangenhaarige mit dem Koch im Schlepptau auf ihn zukam. Nami schien hellauf begeistert, während ihn seine eigenen Gefühle übermannten. Sie erkannte ihn nicht. Warum erkannte sie ihn nicht? Warum sollte sie ihn auch erkennen? „Mein Gott, es ist mir eine Ehre Sie zu treffen. Ich verfolge Sie in der Zeitung. Ihr Modebewusstsein und ihr glückliches Händchen für Preise sind für jede junge Frau ein Vorbild. Ihr Klamottenstil ist beeindruckend und erst dieses Kleid…“ Sie redete immer weiter auf ihn ein, doch Zorro konnte nicht viel mehr, als zu ihr aufblicken und erleichtert feststellen, dass sie gut aussah, gesund aussah. Nun mischte sich auch der Koch ein. Er sah ebenfalls deutlich besser aus, als die letzten Bilder, die der Schwertkämpfer von ihm in Erinnerung hatte. Um ehrlich zu sein, sah er großartig aus, als käme er geradewegs aus den heißen Quellen. Doch es war äußerst ärgerlich, dass der Blondschopf nun deutlich größer war, als er selbst. „Ich… muss mit euch reden!“, unterbrach er unerwartet den Redeschwall der Piraten. Diese sahen ihn überrascht an, während sein Herz immer schneller schlug. Er hatte nicht mit ihnen gerechnet. Er hatte sich noch keinen Plan zusammengelegt. Er konnte jetzt nur handeln. Doch dieser Ort war nicht der richtige, um ihnen die Wahrheit zu sagen, zu viele fremde Ohren. Zwar wäre es ihm lieber gewesen, mit der gesamten Crew auf einmal zu sprechen, aber jetzt, in diesem Moment hatte er keine andere Wahl. Er musste mit ihnen reden, so schnell wie möglich! „Folgt mir bitte.“ Er wartete gar nicht auf eine Antwort, sondern eilte auf den Wald zu. Er vertraute darauf, dass die Neugierde der beiden anderen sie folgen ließ. Und er sollte nicht enttäuscht werden. Schon nach wenigen Schritten, hatten sie ihn eingeholt und bedrängten ihn mit Fragen, denen er nur mühsam ausweichen konnte. „Ich werde alles erklären, sobald wir im Haus sind“, antwortete er schließlich, ein wenig unsicherer als ihm lieb war. Während er durch den Wald und an der Lichtung vorbei stürmte, konnte er das geflüsterte Mistrauen Namis gemischt mit den geschwafelten Liebeserklärungen Sanjis in seinem Rücken vernehmen. Es gab ihm ein furchtbares Gefühl und der Weg zum alten Herrenhaus schien schier unendlich. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten sie es schließlich. Da Mihawk auf einem Termin in Suzuno war, empfing Zorro und seinen beide Freunde nur die Dunkelheit des Hauses. Er zögerte für einen Augenblick, dann brachte er sie schließlich ins Wohnzimmer, wo munter ein Feuer im Kamin prasselte. Einen Moment stockte er. Wieso brannte da ein Feuer? Und wieso machte es ihm solche Angst? Wieso hatte er Angst? Schließlich saßen Nami und Sanji auf dem großen Sofa und er stand neben dem Sessel, auf dem Mihawk normalerweise Platz nahm. Dann wurde es still um sie. Nach wenigen Sekunden fuhr sich Nami nervös über den Unterarm. „Also, was wolltest du mir uns besprechen?“ Sie schien ihm nicht zu vertrauen. Warum sollte sie auch? Es war ein reines Wunder, dass er sie ohne eine Erklärung überhaupt bis hier bekommen hatte. In seinem Blumenkleid stand Zorro vor ihnen, vor seinen Freunden. Es sollte doch so einfach sein. Bisher hatte er sich überhaupt keine Sorgen über diesen Augenblick gemacht, allerdings hatte er auch geglaubt, dass er noch einige Tage bis dahin Zeit gehabt hätte. „Ist alles in Ordnung?“, fragte nun auch der Blondschopf besorgt, nachdem Zorro immer noch nicht antwortete. Der ehemalige Piratenjäger nahm einmal tief Luft. „Ich bin es.“ Verwirrt sahen ihn die beiden anderen an. „Ich bin Zorro!“ Im nächsten Moment wurden die Augen der beiden Piraten groß, während sie ihn ungläubig anstarrten. Sanji öffnete den Mund, doch ein lauter Knall gefolgt von Falkenauges dunkler Stimme übertönte ihn. „Hey, bist du da? Ich hab ein paar Gäste auf dem Markt getroffen, die du mit Sicherheit gerne treffen würdest.“ Bevor er den Satz beendet hatte, tauchte eben besagter Samurai auch schon in der Tür vom Flur auf, gefolgt von den restlichen Strohhüten. Allen voran Ruffy. Dieser zeigte sein übliches Grinsen, als er Zorro erblickte. Sie waren alle da. Seine Familie. Jetzt war er endlich bei ihnen. Jetzt würde er endlich nach Hause kommen. Jetzt würde alles gut werden. In wenigen Minuten würde Ruffy ihn glücklich umarmen und am Abend würden sie ein großes Fest feiern. „Was ist denn hier los?“, fragte der junge Kapitän unschuldig, aber bevor Zorro auch nur die Stimme erheben konnte, lachte Sanji schaurig auf. „Das ist doch wohl ein schlechter Scherz.“ Selten hatte die Stimme des Kochs so tonlos geklungen. „Was ist denn, Sanji?“, hakte der Kanonier nach. „Dieses Mädchen da behauptet sie sei Zorro!“, antwortete jedoch Nami, eine Spur lauter als nötig. Das hier entwickelt sich nicht so, wie es sollte. „Wie bitte? Das da soll Zorro-Bro sein?“, murmelte Franky mit hochgezogenen Augenbrauen. „Nein“, widersprach das Mädchen, „ich bin nicht…“ „Wie? Du bist doch nicht Zorro? Aber Nami hat doch gerade gesagt…“ „Doch, ich bin Zorro!“, übertönte er den Einwand des Skeletts, „Ich will nur nicht, dass Franky mich Bro nennt, kapiert?!“ Etwas atemlos stand er vor ihnen, die ihn ansahen, wie einen Außerirdischen. Nur Ruffy blickte betreten zu Boden. „Was für ein Schwachsinn. Zorro ist tot“, ertönte Nami erneut erbost, „Du willst mir etwa weiß machen, dass ein schmächtiges Mädchen wie du, unser Schwertkämpfer sein soll? Das ich nicht lache!“ „Es ist leider wohl die Wahrheit“, brachte sich nun unerwarteter Weise der Samurai ein, „Ob ihr es wahrhaben wollt oder nicht. Lady Loreen ist niemand anderes als Lorenor Zorro.“ Erneut sammelten sich alle Blicke auf ihm und Zorro fiel das Atmen schwer. Das alles verlief gar nicht so, wie er sich das vorgestellt hatte. „Warum sollten wir einem Samurai vertrauen?“ Robins Zweifel war berechtigt. „Was hätte der denn davon uns zu belügen?“, widersprach Lysop etwas verwirrt. „Du glaubst wirklich, dass der Marimo überlebt haben könnte?“ Auch Sanji schien nicht überzeugt. „Naja, möglich wäre es, oder nicht?“ Franky zuckte etwas unsicher mit den Achseln. „Aber warum ist er denn jetzt ein Mädchen?“, fragte Brook kleinlaut. „Ja, und warum wirkt er so jung?“, flüsterte der junge Arzt, „Sie sieht gar nicht wie Zorro aus.“ „Das weiß ich nicht!“, antwortete er selbst, wobei es ihm überhaupt nicht gefiel, dass die anderen so von ihm sprachen, als wäre er nicht anwesend. „Aber ihr müsst mir glauben, dass ich es bin!“ Seine Stimme versagte ihm für einen Moment, „Bitte.“ „Da!“, rief plötzlich Nami und zeigte mit ausgestrecktem Zeigefinger auf ihn, „Sie kann unmöglich Zorro sein, der würde niemals betteln!“ Brook nickte äußerst zustimmend. „Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ein Schwertmeister wie Zorro freiwillig in einem Kleid rumlaufen würde.“ „Die Artikel in der Zeitung sprachen von einer sprachgewandten, liebenswerten, jungen Frau. Das stimmt natürlich kaum mit unserem wortkargen, sozialscheuen Schwertkämpfer überein“, mutmaßte nun auch Robin, ein Hand nachdenklich ans Kinn haltend. „Aber ich bin es!“ Seine Stimme war laut gewesen, verzweifelt. Wieso wollten sie ihm nicht glauben? „Ich kann es auch beweisen!“, brüllte er erneut, während er hilfesuchend, zwischen seinen Freunden hin und her blickte, „Ich weiß noch genau, was ich dem Koch auf dem Turm gesagt habe!“ Und dann sah Sanji ihn an. Sein eines zu sehendes blaues Auge war geweitet und dann nickte er. Doch nun sah er nicht mehr so gesund und glücklich aus, wie vor wenigen Minuten. Er war blass und hatte tiefe Ringe unter den Augen. Er wirkte zermürbt, aber auch entschieden. „Du brauchst es nicht zu wiederholen. Ich glaube dir.“ Diese Worte beruhigten sein schnell schlagendes Herz. Wenn zumindest der Koch ihm glaubte, konnte er die anderen auch überzeugen. Bald wäre alles gut. Nur warum klang seine Stimme so kalt. „Aber ich finde das ändert nichts, selbst wenn sie Zorro sein sollte.“ Lysops Worte kamen unvorbereitet. „Ich meine, nehmen wir mal an, dass sie wirklich Zorro ist und dieser nicht gestorben sein sollte. Brauchen wir ihn überhaupt?“ Zorro konnte nicht atmen. „Vor allem jetzt, da er nur ein schwächliches Mädchen ist?“ Was ging hier vor? „Eigentlich hast du Recht. In diesem Zustand ist er uns nicht von großem Nutzen.“ „Ich hätte keine Lust das Frauenschlafzimmer mit ihm zu teilen.“ „Könnte er denn überhaupt kämpfen?“ „Also ich weiß nicht, ob ich eine Frau als Schwertmeister ernst nehmen könnte.“ „Ich könnte ihn überhaupt nicht ernst nehmen. Und er hat mein Feuerzeug zerstört.“ „Und was hat es mit diesen Zeitungsartikeln auf sich?“ „Also wir brauchen nicht noch eine Schwester, die wir beschützen müssen.“ „Und wirklich hübsch ist sie auch noch nicht mal.“ „Außerdem wollten wir doch den Ausguck jetzt umbauen. Die Pläne sind schon fertig.“ Wie erstarrt sah er seinen Freunden zu, wie sie wild miteinander redeten. Sie alle redeten über ihn, als wäre er eine Last, als wäre er ein Übel, über dessen Verlust sie nicht einmal sonderlich traurig waren. Als hätte sein Tod sie nicht berührt. Als hätte er einfach nur einem nützlichen Zweck gedient. Nur Ruffy beteiligte sich nicht und blickte immer noch zu Boden, den Hut tief ins Gesicht gezogen. Er war seine letzte Hoffnung. „Ruffy.“ Seine Stimme brach erneut. Er hätte nie gedacht, dass es so werden würde, dass es sich so anfühlen würde, dass er so hilflos sein würde. „Ich… Bitte glaub mir doch. Ich bin Zorro.“ Die anderen Stimmen erstarben, als Ruffy langsam die Arme verschränkte. „Es ist nicht so, als ob ich dir nicht glauben würde“, sprach er ganz ruhig und sachlich, „Im Gegenteil. Ich glaube dir, dass du Zorro bist.“ Langsam sah er auf. „Aber Lysop hat Recht.“ Sein Blick war überraschend kalt. „Das ändert überhaupt nichts.“ „Wie bitte? Wie meinst du das?“ Blanke Panik erfüllte Zorro. Doch Ruffy sah ihn einfach nur an. „Versteh mich nicht falsch, Zorro. Ich bin froh, dass du lebst. Ich hätte ewig ein schlechtes Gewissen gehabt, wenn du wegen mir gestorben wärest.“ Dann zuckte er mit den Schultern. „Aber ich kann dich nicht mehr gebrauchen. Erst Recht nicht jetzt, wo du ein schwaches Mädchen bist. Du bist mir nicht mehr von Nutzen.“ Es war, als hätte jemand ihm die Eingeweide rausgerissen. Vor innerem Schmerz keuchte er auf. „Aber… aber… du bist doch mein Käpt’n!“ Er konnte kaum noch einen klaren Gedanken fassen. „Nein, du gehörst nicht mehr zu meiner Crew!“ Mit diesen Worten wandte sich Ruffy von ihm ab und schritt gefolgt von den anderen seiner Bande den Flur entlang zur Haustüre. „Nein! Warte!“ Hilflos rannte Zorro den anderen hinterher, den Flur hinunter, der immer länger zu werden schien. Doch egal wie schnell er auch lief, die anderen entfernten sich immer weiter von ihm. Ihre Worte voller Verachtung und Gleichgültigkeit hallten von den Wänden wider, während sein Herz immer schneller schlug und sein Körper brannte. Schließlich gaben seine Beine unter ihm nach und er fiel auf die Knie. Er konnte die Tränen nicht aufhalten, während er immer noch das Gefühl hatte, als würde ihn etwas von innen heraus zerreißen. Schreiend schlug er mit den Fäusten immer wieder auf den harten Boden. Ein großer Schatten waberte über ihn und Falkenauges Stimme hallte wie die Stimme des Untergangs von weither und es wurde immer dunkler um ihn. „Und nun, Lorenor Zorro, bist du ganz alleine. Ausgestoßen von der Gesellschaft und verlassen von deinen Freunden. Dein Leben hat keinen Wert mehr. Aber ich werde dich nicht töten. Diesen Trost werde ich dir nicht geben. Sodass du jeden einzelnen Tag diesen Schmerz spürst und dir nichts sehnlicher wünschst als nie geboren zu sein. Du warst es eh nie wert.“ Er schlug die Augen auf. Sein Herz raste wie wild, doch er bekam keine Luft. Vor Panik schlug er um sich, befreite sich aus den Ketten, die ihn festhielten. Er fiel und kam auf den Boden auf. Kraftlos blieb er liegen. Sein Körper brannte immer noch und Tränen rannen seine Wangen hinab. Er konnte immer noch nicht atmen. Verzweifelt krallte er die Hände in seine Schultern und schrie. Er war alleine. Er hatte sie alle verloren. Nein, er hatte sie nicht nur verloren, sie hatten ihn verlassen. Er hatte nie schwach sein wollen, doch sie waren ihm wichtig geworden und nun ließen sie ihn zurück. Diese Grausamkeit konnte er nicht ertragen. Warum war er nicht einfach gestorben? Er wusste nicht, wo er war, doch plötzlich hörte er das Knallen von Türen, laute Schritte und besorgte Stimmen. Fremde Hände schüttelten ihn, doch er wollte nicht mehr, er konnte einfach nicht mehr. Es hatte keinen Sinn mehr, es gab für ihn keinen Grund mehr weiter zu gehen. „Zorro!“ Der Klang seines Namens. Wer auch immer es war, er hatte ihn verlassen. „Warum? Warum tut ihr mir das an? Warum lasst ihr mich zurück?“ Seine Stimme brach unter schluchzen und er weinte, unaufhaltsam. „Geht nicht. Lasst mich nicht allein!“ Starke Arme legten sich um ihn, drückten ihn gegen einen warmen Körper. Hielten ihn. „Du bist nicht alleine.“ Sanft streichelte eine große Hand seinen Kopf. „Ich bin hier. Ich passe auf dich auf.“ Verzweifelt vergrub er seine dünnen Finger im Hemdstoff und weinte, während die Hand in seinem Haar im stetigen Rhythmus auf und ab glitt, während der Arm in seinen Rücken ihn fest hielt, während das Herz, an dessen Brust er lehnte immer ruhiger schlug. „Es ist alles in Ordnung.“ Beinahe zärtlich wurden diese Worte an sein Ohr geflüstert. „Es war nur ein Traum, Lorenor. Niemand hat dich verlassen.“ Ganz langsam wurde ihm bewusst, was das bedeutete. Ganz langsam verstand er. Ganz langsam begriff er. Es war ein Traum gewesen. Es war keine Realität. Sie hatten ihn nicht verstoßen. Doch warum tat ihm alles weh? Warum hatte er solche Schmerzen? Er hob den Kopf und sah in gelbgoldene Augen. Falkenauge. „Was ist passiert?“, flüsterte er ohnmächtig. Der Samurai fuhr fort, mit seinen Fingern durch sein Haar zu gleiten. „Ich weiß es nicht. Ich habe dich schreien gehört. Du hattest wohl einen Albtraum. Es ist noch mitten in der Nacht.“ Erst jetzt wurde ihm seine Umgebung bewusst. Er hockte neben seinem Bett im Gästezimmer, verheddert in Laken, um ihn herum war es düster. Nur das fahle Licht des Vollmondes erhellte das Zimmer, gab Umrissen einen grotesken Schatten. „Und Ruffy?“ Der Samurai ließ ihn los und lehnte sich ein bisschen zurück, die eine Hand immer noch in seinem Haar. „Der Strohhut segelt vermutlich immer noch mit dem Rest eurer Crew in Richtung Sarue, wo sie in knapp 20 Tagen ankommen sollten.“ Es war nur ein Traum gewesen. Nur ein fürchterlicher, grausamer Traum. Allmählich konnte er wieder atmen. Es war alles in Ordnung. „Besser?“, fragte Falkenauge, ihn immer noch ernst ansehend. Er nickte, während er sich ungelenk die Tränen aus dem Gesicht rieb. Beschämt über sein Verhalten und immer noch mit pochendem Herzen. Doch der Ältere erhob sich nur und zog ihn auf die Beine. „Dann solltest du jetzt noch etwas versuchen zu schlafen. Morgen wird bestimmt ein anstrengender Tag.“ Wieder nickte er nur, kaum in der Lage den anderen anzusehen. Seine Beine bebten bedrohlich, so dass er sich auf der Bettkannte niederließ. Die Angst immer noch zum Greifen nah. Zu seiner Überraschung, ging der Samurai plötzlich vor ihm in die Hocke und sah zu ihm auf. Die Falkenaugen schimmerten im Mondlicht und seine markanten Züge wirkten überraschend sanft. „Hör mal, Lorenor. Es war nur ein Traum.“ Natürlich. Es war nur ein Traum. Nichts davon war in Wirklichkeit passiert. Das brauchte der andere ihm nicht zu sagen. Der Alte machte sich lächerlich mit seinen weichen Worten. Und trotzdem, trotzdem wurde da eine Furcht in ihm genährt. Ein Samen gepflanzt. Vielleicht würde es nicht so übertrieben, wie in seinem Traum sein, aber vielleicht würden sie ihn ablehnen. Vielleicht würden seine Freunde ihn so nicht mehr um sich haben wollen. Vielleicht würden die einzigen Menschen, die ihn akzeptiert hatten, sich von ihm abwenden. Und das noch nicht mal aus offensichtlichen Gründen, wie in seinem Traum. Aber wie sollte zum Beispiel sein Verhältnis mit Sanji so wie früher werden, wenn dieser ihm in jedem Kampf auf die Brüste starrte? Wenn er noch nicht einmal mehr mit ihm streiten würde, weil er jetzt eine Frau war. Könnte er überhaupt noch neben Sanji und Ruffy die Sturmspitze im Kampf erfüllen? Würde er selber damit leben können, wenn nicht? Selbst wenn die anderen ihn annehmen würden, würde er je akzeptieren können, dass er nicht mehr der war, der er für diese Crew geworden war? Wäre er bereit zurückzustehen und sich unter anderem von Brook beschützen zu lassen? Konnte er das tun, ohne jeden Tag wütend zu sein, wütend darauf, dass die anderen noch waren, wer sie waren, während er sich verändert hatte? Konnte er überhaupt noch zu ihnen zurück, selbst wenn sie ihn mit offenen Armen empfangen würden? Konnte er zurück ohne wieder zu dem Mann zu werden, der er einst war? Würde sein Stolz ihm erlauben, einer dieser Crew zu sein, ohne Lorenor Zorro zu sein? Plötzlich legten sich zwei Hände sanft an die Seiten seines Gesichts. Ruhig sah der Samurai zu ihm auf. „Denk nicht so viel nach. Diese Ängste sind nicht Realität. Sie zeigen dir nur, dass dir etwas wirklich wichtig ist und du nicht bereit bist, dies aufzugeben.“ Dulacre lächelte. Es war ein ungewohntes Bild. „Deine Freunde werden auf dich warten, ganz gleich, wie lange du brauchst, um zu dir selbst zu finden. Und bis dahin…“, der Samurai erhob sich, hielt immer noch sein Gesicht, „hast du hier Menschen, die für dich da sind.“ Warm waren seine Worte und für einen Moment fühlte Zorro sich zum ersten Mal, seit er seine Crew verlassen hatte, geborgen und in Sicherheit. Dann beugte der Samurai sich vor und legte einen Moment seine Stirn gegen Zorros, sodass sie sich unglaublich nah waren. „Und egal was passiert, Lorenor“, seine Tonwahl war gewohnt ernst, ließ keinen Zweifel zu, „Du kannst immer nach Sasaki zurückkehren, ganz gleich ob als Loreen oder als Zorro.“ Dann ließ er ihn los und schritt zur Tür. „Schlaf jetzt.“ Die Stimme des Samurais war wieder schroff und gebieterisch. „Nicht, dass du mir morgen beim Training wieder so unkonzentriert bist.“ Leise fiel die Tür hinter dem Samurai wieder ins Schloss. Nur ein Traum… -Mihawk- Schwer atmend lehnte er sich gegen die Wand neben der Tür zum Gästezimmer. Was hatte er sich da nur ins Haus geholt? Selten hatte ihn ein Anblick so verstört, wie dieses Mädchen, weinend und schreiend auf den Boden liegend, als wäre dieser emotionale Schmerz auch körperlich gewesen. Er hatte nicht geglaubt, noch einmal von solchen Schreien geweckt zu werden. Er hatte gehofft, dass die Qualen eines anderen ihn nie mehr so mitnehmen würden und doch stand er mitten in der Nacht hier und musste sein schlagendes Herz beruhigen. Als die wehklagende Stimme seines Gastes durch das Haus gehallt hatte, war er hochgeschreckt, wie damals, als er noch ein Junge gewesen war. Wie damals, hatte ihn diese Angst erfasst, diese Furcht, dass etwas Schlimmes passiert war. Dann hatte er dieses Kind auf dem Boden gefunden, unerreichbar für Dulacres Worte, immer noch gefangen in dessen Traumwelt. Er wollte nicht, dass dieser Moment ihn berührte, aber in Wahrheit, hatte sich dieses Bild schon tief in seine Erinnerungen gefressen. Die Tränen des Anderen, seine Ängste, seine Verzweiflung hatten den Samurai zutiefst verstört. Irgendetwas in ihm wollte nicht, dass der andere so leiden musste. Irgendetwas in ihm hatte erkannt, dass es etwas gab, vor dem er den anderen nicht beschützen konnte, doch das wollte er sich nicht eingestehen. „Herr?“ Erschöpft und doch hellwach hob er den Kopf. Im dunklen Gang stand die Haushälterin. Die hochgewachsene Frau trug ein langes dunkles Nachthemd und ihr schwarzes Haar fiel offen über die Schultern hinab. Ihr rundliches, sonst so mütterliches Gesicht, wurde durch die scharfen Schatten der Dunkelheit markant und hart. In der einen Hand hielt sie eine Pistole, in der anderen ein Kurzschwert. Zusammen mit den wilden Haaren und ihrem durchdringenden Blick sah sie aus, wie eine gefürchtete Amazone und nicht, wie eine gutmütige Hausangestellte. Begehrenswert und gefährlich zugleich. Für den Bruchteil einer Sekunde war Dulacre sich sicher gewesen, dass seine Schwester dort stehen würde, bereit zum Kampf. Das Adrenalin und seine müden Augen machten sich über ihn lustig. „Ist was passiert?“ Er schüttelte leicht den Kopf. „Es ist nichts, nur ein Traum.“ Die angespannte Körperhaltung des ehemaligen Kindermädchens schwand und nun wirkte sie wieder, wie eine ältere, liebevolle Mutter, die Waffen völlig fehl am Platz. „Geht es ihr gut?“ Die Sorge in ihrer Stimme war die einer Mutter, der Blick jedoch durchdringend, auf der Suche nach kleinsten Hinweisen und Antworten auf Fragen die sie nicht stellen würde. Langsam nickte er, natürlich entging dies seinen scharfen Augen nicht. „Ich denke schon. Es war zu erwarten, dass dies passiert. Sie sollten wieder ins Bett gehen.“ Noch während er sprach, begann die Haushälterin ihr Kleid hochzuschieben und ihre Pistole im Strumpfband zu verstauen. „Und was ist, wenn es wieder passiert?“ Er seufzte. „Machen Sie sich keine Sorge, ich werde wach bleiben. Der Morgen ist so oder so nicht mehr weit entfernt und ich muss noch einige Unterlagen durcharbeiten.“ Kanan schien nicht überzeugt. „Ich weiß nicht warum, aber irgendwie beschleichen mich leise Zweifel, dass Eure Worte sie wirklich beruhigt haben können.“ „Es ist nicht die richtige Uhrzeit für eine solche Unterhaltung“, entgegnete er mürrisch und stieß sich von der Wand ab. „Das ist es für Euch nie“, antwortete sie ebenso missmutig. Doch als er sie ansah, zuckte sie nur mit den Schultern und wandte sich zum Gehen. Erneut seufzend durchquerte er den Gang und ging in sein altvertrautes Arbeitszimmer. Da hier der Mond nicht durchs Fenster hinein winkte, war es noch düsterer, als im Flur. Doch seine Augen störten sich nicht groß daran, als er sich hinter seinen Schreibtisch fallen ließ und auf den Wald hinaus starrte. Er war wütend und besorgt. Gefühle, die er nicht fühlen sollte. Vor allem nicht wegen einem missratenem Schüler. Mit einer Hand griff er nach der untersten Schublade und zog eine eckige Flasche hervor, in der eine klare Flüssigkeit hin und her schwappte. Die heutige Nacht brauchte etwas Stärkeres als Wein. -Zorro- Sein Hals tat ihm weh, seine Augen brannten, seine Glieder schmerzten. Müde rollte er sich aus dem Laken. Er wusste nicht, wann er wieder eingeschlafen war, doch erholt war er bei Weitem nicht. Schwerfällig richtete er sich auf. Mühsam schleppte er sich in das Badezimmer nebenan. Immer noch verfolgten ihn die Bilder seines Traumes. Doch während er auf der einen Seite versuchte diese furchtbaren Gedanken zu vergessen, konnte er auch nicht verdrängen, dass er in dieser Nacht in den Armen es besten Schwertkämpfers der Welt geweint hatte. Schon wieder! So viel zum Thema Stolz. Erschöpft stand er vor dem übergroßen Waschbecken und vergrub sein Gesicht unter dem kalten Wasserstrahl in der Hoffnung, etwas wacher zu werden. Kraftlos hielt er sich den Magen. Es fühlte sich immer noch so, als hätte er einige kräftige Schläge einstecken müssen. Ihm war nie bewusst gewesen, wie sehr der Kopf den Körper beeinflussen konnte, obwohl er das immer ausnutzte, soweit es zu seinen Gunsten ging. Sein Spiegelbild sah ihn zerknirscht an und zum ersten Mal hatte er das Gefühl, dass tatsächlich er selbst aus dem Spiegel zurück schaute. Traurige Ironie. Während er es sich so bequem wie möglich auf der Kloschüssel machte, klopfte es an der Tür zum Gästezimmer. „Hey, Süße, ich bin’s“, erklang sogleich auch die Stimme der Haushälterin, die wie immer ungefragt hereintrat, „Ist alles in Ordnung bei dir?“ „Klar“, antwortete er, doch sah überrascht hinab. Blut Er musste sich verletzt haben, deswegen auch die Schmerzen. Vielleicht waren es innere Verletzungen. Chopper hatte ihm oft erklärt, dass Alkohol im Zusammenhang mit hartem Training eine Belastung für den Darm darstellen konnte und es würde ihn nicht überraschen, wenn dieser Körper nicht viel aushalten könnte. In diesem Moment kam Kanan ins Bad, während er halbnackt auf der Toilette saß. „Du siehst etwas blass aus“, meinte sie liebevoll, wobei er genau in diesem Moment etwas errötete, „Geht es dir gut?“ „Natürlich“, murmelte er, während er versuchte den Beweis unauffällig verschwinden zu lassen. „Aber Kind“, lächelte sie liebevoll, „Dafür brauchst du dich doch nicht zu schämen. Das ist ganz normal.“ Überrascht sah er auf. „Ist es dein erstes Mal?“ „Wie bitte?“ Wie meinte sie das? Hatte sie gesehen, wie Dulacre in der Nacht sein Zimmer verlassen hatte? Was reimte sie sich zusammen?! „Na, dass du Besuch von Tante Rosa hast?“ „Wer ist Tante Rosa?“, fragte er nach, während er die Spüle betätigte und sich die Hände waschen ging. Die Haushälterin lachte kurz. „Ach, so nennen Frauen ihre monatlichen Blutungen, weißt du?“ Für eine Sekunde erstarrte Zorro. „Was?“ „Ja, ich hab das Blut auf deinem Laken gesehen. Das ist ganz normal, Kindchen. Vermutlich hast du deshalb auch Magenkrämpfe.“ Langsam drehte er sich zu ihr herum. „Du hast also zum ersten Mal deine Tage?“ Ihm blieb nichts anderes übrig als zu nicken. „Dann bist du ja wirklich ein kleiner Spätentwickler. Wie alt bist du eigentlich, Süße?“ „20.“ „Ach, tatsächlich? Schon so erwachsen? Aber mach dir keine Sorgen. Jeder Körper ist anders. Es ist völlig in Ordnung, dass Tante Rosa dich erst jetzt besuchen kommt. Das macht dich nicht weniger zu einer Frau oder so. Du hast dir einfach mehr Zeit gelassen.“ Er sah sie ziemlich unbeeindruckt an. Es war nicht wirklich so, als brauchte er ihre Bestätigung, dass alles mit seinem Körper in Ordnung war. Denn das Einzige, was er sicher wusste war, dass er alles andere als normal war. „Weißt du denn überhaupt, wofür die monatliche Blutung wichtig ist?“, hakte sie nach, „Weißt du, wenn eine Frau in ein bestimmtes…“ „Ja!“, unterbrach er sie schnell, „Ich meine, Nein. Ich muss dieses Gespräch nicht mit Ihnen führen. Ich weiß, warum Frauen ihre Tage kriegen und ich weiß alles, was es über Sex zu wissen gibt.“ Er konnte nicht verhindern, dass er immer roter wurde. Er war kein ungebildeter Mann. Selbstredend wusste er solche Dinge über den weiblichen Körper. Auch wenn er selbst vermied, sich genauere Vorstellung über die Periode einer Frau zu machen. Das war nicht so sein Lieblingsthema und er konnte wirklich drauf verzichten, sich mit der Haushälterin darüber zu unterhalten. „Ich bin wirklich gut aufgeklärt. Sie brauchen sich keine Umstände zu machen.“ Wieder lachte Kanan leise. „Weißt du denn auch, wie eine Frau die Hilfsmittel anwendet?“ Aus dem nichts zog die ältere Dame mehrere Schachteln hervor und hielt sie ihm entgegen. „Ich… denke schon“, meinte er, war jedoch selbst nicht überzeugt von seinen Worten. „Okay, Loreen. Ich lass dich jetzt alleine und kümmer‘ mich um dein Bettzeug.“ Er nickte nur dankbar auf die Worte der Haushälterin, die ihm gerade einen zehnminütigen Vortrag über Damenhygieneartikel gehalten hatte und nun das Bad verließ, damit er praktische Erfahrung sammeln konnte. Vom Nebenzimmer sprach Kanan weiter: „Ich denke, du solltest Training und Tanzstunden heute ausfallen lassen.“ „Wie bitte? Wieso das denn?“ Er konnte nicht ganz den Trotz aus seiner Stimme verbannen. „Ich bin doch nicht krank, ich habe nur…“ Er konnte diesen Satz nicht vervollständigen, sonst würde er seine gesamte Männlichkeit aufgeben. „Ich weiß, Kind, ich weiß. Aber du wirst vermutlich heute ziemlich erschöpft sein. Es ist besser wir gehen es etwas ruhiger an.“ Er wollte etwas erwidern, da hörte er bereits die Tür zufallen. Jetzt war er alleine, er und dieses komische kleine Ding in seiner Hand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)