Ein würdiger Traum von Sharry (Der Preis des Vertrauens) ================================================================================ Kapitel 10 - Der Streit ----------------------- Kapitel 10 – Der Streit   -Zorro- Langsam ließ er seinen Blick durch die Menge gleiten, während verschiedene Leute sich zu Wort meldeten. Jiroushin saß einige Plätze vom Samurai entfernt, direkt neben seiner glatzköpfigen Bürgermeisterin, die nun in diesem Moment aufstand und mit harten Worten und knappen Sätzen ihre Meinung kundtat. Der Konteradmiral hatte einen höflichen Gesichtsausdruck aufgesetzt, doch er schien leicht erzürnt, ganz im Gegensatz zum Samurai, der eher gelangweilt als alles andere wirkte. Das konnte er schon eher nachvollziehen. Vielleicht hätte er doch zu diesem Frauenkaffee gehen sollen anstatt sich hier öde Vorträge von alten Männern anzuhören. Moment mal! Nein, lieber langweilige Reden über Fische als Klatsch und Tratsch mit Frauen, die am Ende seine Haare flechten wollten. Wenn er sich anstrengte, könnte er möglicherweise mit offenen Augen schlafen, das wäre doch gar keine schlechte Idee. In diesem Moment erweckte ein entstehender Tumult seine Aufmerksamkeit. Mehrere Leute am Runden Tisch vor ihm waren aufgestanden, ihre Stimmen wurden immer lauter und versuchten sich zu übertönen. „… keine Lösung. Wir haben das schon die letzten vier Sitzungen besprochen“, knurrte ein junger Mann im perfekt sitzenden Nadelstreifenanzug und pochte auf den Tisch. Die Bürgermeistern Mifa unterbrach ihn grob: „Nur weil Sie sich den Kopf nicht zerbrechen wollen, heißt das nicht, dass es keine Mittel und Wege gibt.“ Die einzige andere Frau am Tisch, die neben dem Weltaristokraten saß, erhob sich und es wurde etwas ruhiger. Ihre dunklen mandelförmigen Augen lagen auf den Unterlagen, die sie in der Hand hielt. „Laut unseren Verträgen ist es mir rechtlich nicht ersichtlich, wie wir unseren Vertragspartnern weitere Voraussetzungen aufbürden wollen. Die vertraglichen Vereinbarungen sind eindeutig.“ Nun wurde es nur noch lauter. Der einzige am Tisch, der weiterhin noch kein Wort gesagt hatte, war Falkenauge, der genauso gut hätte schlafen können, so desinteressiert blickte er drein. Der Bürgermeister an seiner Seite hatte sich mittlerweile aus dem Tumult zurückgezogen, da ein vernünftiger Wortwechsel nicht mehr möglich schien. „Was ist denn das Problem?“, fragte Zorro nun erneut die Dame neben sich. Die Frau des Bürgermeisters seufzte schwer. „Es ist ein altbekanntes Problem, dass wir hier haben. Durch unsere Nähe sowohl zum Sabaody Archipel als auch zur Weltregierung unterliegt unsere Wirtschaft starken Einflüssen. Die Weltregierung zum einen kontrolliert unsere Firmen unglaublich genau, da sie großen Einfluss auf die restliche Handelspolitik auf der ganzen Welt haben. Über das Sabaody Archipel auf der anderen Seite erhalten wir unsere meisten Wirtschaftspartner. Doch dadurch, dass dort viele Gesetze…“, sie zögerte einen Moment, ehe sie weiter flüsterte, „Sagen wir einfach, auf dem Archipel ist mehr erlaubt als überall sonst auf der Welt. Und wir sitzen in der Zwickmühle.“ Er verstand das Problem immer noch nicht. „Wieso?“ Für ihn hörte sich das so an, als ob diese Inseln großen wirtschaftlichen Einfluss hatten. Es gab schlimmeres, worüber man sich aufregen konnte, keine florierende Wirtschaft zum Beispiel, verhungernde Menschen, Kriege. „Die Weltregierung verbietet uns jegliche Unterstützung von rechtswidrigen Firmen, aber wenn wir nicht mit den Unternehmen des Archipels zusammenarbeiten und ihnen nicht weiterhin Ware liefern, würde unsere Industriestärke um über 80% Einbuße hinnehmen müssen. Doch diese stellen ihre eigenen Produkte hauptsächlich durch Sklavenarbeit her. Solange wir deren Produkte kaufen, unterstützten wir also die Sklaverei. Es ist ein Teufelskreis“, murmelte sie bedrückt, „Bisher haben wir versucht unsere Handelspartner durch vertragliche Bedingungen von dem erhöhten Einsatz von Sklaven abzubringen, aber wie gesagt, sie befinden sich im rechtsfreien Raum. Wir können nicht wirklich was dagegen tun. Am Ende sind wir die Verlierer.“ Immer noch verstand Zorro nicht wirklich. Er verstand sich nicht auf Marktwirtschaft und wusste nicht, warum man Dinge von jemandem kaufte, die man nicht haben wollte. „Und wenn man einfach Produkte bei anderen kaufen würde? Man könnte ja weiterhin an die Menschen vom Sabaody Archipel verkaufen, das ist ja kein Verbrechen, aber einfach von anderen, nicht straftätigen Firmen die Produkte erwerben, oder etwa nicht?“ Die Frau des Bürgermeisters starrte ihn einen Moment durchdringend an. Er hatte halt keine Ahnung, weder von Politik noch von der Handelswelt und erst recht nicht von rechtlichen Fragen. Aber warum hatte er auch den Mund aufmachen müssen? Falkenauge hatte ihn gewarnt. Hatte ihm gesagt, dass er nur zuschauen sollte und nun würde er es doch noch ins Peinliche ziehen. Er war ja so gut in solchen Sachen. Eigentlich wollte er durch seine Anwesenheit die Schuld bei dem anderen Schwertkämpfer senken, aber wenn Frau Koumyou ihn für ungebildet hielt, würde er das wohl kaum schaffen. Die Frau im grünen Kleid war aufgestanden. Es wurde immer besser, jetzt würde sie ihn vor allen Anwesenden lächerlich machen. „Eine fabelhafte Idee!“   Augenblicklich wurde es still, als sie ihre Stimme erhob. Alle starrten sie an, einschließlich des Mannes im Fischglas. Nun gut, viel schlimmer konnte es jetzt auch nicht mehr kommen. „Frau Koumyou. Haben Sie als Zuschauerin etwas beizutragen?“, fragte der halbtote Gesprächsführer am entfernten Ende des Tisches zynisch. Doch davon ließ sie sich nicht beirren. „Diese junge Frau hier hat in bescheidenen Worten eine mögliche Lösung für unser Problem dargeboten. Während wir unnötig verschachtelte Wege der Rechtswissenschaften in Kauf genommen haben, war sie gradlinig in der Lage, das zu erkennen, was unsere besten Wirtschaftsforscher nicht sehen konnten.“ Alle starrten ihn an. Doch, es konnte schlimmer kommen. Was hatte er gerade getan? Er verstand kaum ein Wort von dem, was diese Frau von sich gab. Ihm wurde abwechselnd kalt und heiß, er hatte keine Ahnung von dem was sie sagte. Er verstand ja noch nicht einmal das eigentliche Problem der Inseln. „Möchte die junge Dame uns ihre Idee mitteilen?“, fragte das Fossil noch eine Spur kälter. Er schüttelte schnell und etwas panisch den Kopf, einige Männer hinter ihm lachten, doch sie verstummten urplötzlich. Ihm wurde bewusst, dass der Blick des Samurais auf sie gerichtet war. Zu seiner Überraschung lächelte die immer noch stehende Frau neben ihm nur leicht. „Wie Sie sehen ist meine Begleitung, Lady Loreen, zu gut erzogen um vor der Anwesenheit so hochrangiger Persönlichkeiten wie Ihnen das Wort zu ergreifen. Erlaubt mir, die Gedanken der jungen Dame Ihnen vorzutragen.“ Alle Blicke richteten sich nun auf den alten Mann. Dieser wandte sich dem Weltaristokraten zu, der bis dato seine eigenen Fingernägel begutachtete. Ein bisher unbemerkter Schrank von einem Kerl der hinter ihm stand beugte sich zu ihm herab und nickte dann schließlich dem Moderator zu. Offensichtlich war der Taucher zu wichtig, um selbst mit ihnen zu kommunizieren. „In Ordnung. Treten Sie bitte hervor und erzählen Sie uns was die junge Dame für eine besondere Idee hatte.“ Mit großen Schritten ging die Frau im grünen Kleid zum Tisch und verbeugte sich knapp. „Vielen Dank. Die junge Dame heißt im Übrigen Lady Loreen. Möglicherweise möchten Sie diesen Namen in Erinnerung behalten. Die Idee ist sowohl simpel als auch genial. Sie werden mir in wenigen Sekunden zustimmen.“ Und dann begann sie zu sprechen. Die Rede, die sie führte, erinnerte Zorro kaum an die einfachen Worte, die er gedankenlos von sich gegeben hatte und unzählige Begriffe verstand er nicht. Doch alles was ihm plötzlich bewusst war, waren diese stechenden gelben Augen, die nur auf ihm ruhten. -Mihawk- Er war erstarrt, als Seira Koumyou aufgestanden war und alle Aufmerksamkeit im Raum auf den verfluchten Piraten gerichtet hatte. Was hatte dieses unachtsame Kind nun wieder angestellt? Nur mit halbem Ohr verfolgte er die minutenlange Ausführung der Rednerin während sein Blick auf seinem Wildfang lag. Was hatte er sich da nur ins Haus geholt? Seine Sorgen wurden von unerwartetem Applaus unterbrochen und er wandte sich wieder der Frau des Bürgermeisters zu, die selbstbewusst lächelte. Ein altbekannter Geschäftsführer war unerwartet aufgestanden. „Das ist unüberlegter Mumpitz. Mir scheint, weder Sie noch ihre junge Begleitung haben Fachwissen über die Komplexität eines Unternehmens. Als könnten wir einfach unsere Handelspartner wechseln und bedenken Sie die Mehrkosten. Wenn Sie so etwas…“ Er verstummte auf Geheiß des Moderators, die Angegriffene widersprach jedoch wortgewandt. „Natürlich sind diese Gedankengänge noch nicht ausgereift, dafür war im Eifer des Gefechts noch keine Zeit und trotzdem erscheint mir diese Idee als umsetzbarer, als alles, was Sie und Ihre Wirtschaftshunde bisher entworfen haben.“ „Es reicht.“ Die monotone Stimme des Fossils brachte alle zum Verstummen. „Ich habe genug gehört. Meine werte Dame, setzen Sie sich wieder.“ Über das fiese Grinsen des Unternehmers hinweg, begab sich Frau Koumyou wieder auf ihren Platz. Erst dann erhob Eizen wieder das Wort und richtete es an Frau Rihaku, die stumm neben dem Weltaristokraten saß und aussah, als würde sie nur darauf warten, von einem Künstler gemalt zu werden. „Überprüfen Sie die Verträge und alle Handelsrechte darauf, ob eine Umsetzung dieses unkonventionellen Einfalls möglich ist ohne dass einer unserer Vertragspartner eine Klage erheben könnte.“ Die Angesprochene nickte. Zufrieden faltete der Wortführer die Hände. „Damit ist dieser Tagespunkt für heute abgeschlossen. Sie alle werden schnellstmöglich über das Ergebnis unserer Nachforschungen informiert.“ Der Geschäftsführer öffnete empört den Mund: „Diese Diskussion ist noch nicht beigelegt!“ Kalt lächelte der Mann neben dem Weltaristokraten. „Doch, das ist sie. Nächstes Thema: Die Verbindung der fünf großen Inseln Sasaki, Sadao, Suzono, Saure und Suzuki durch einen Seezug. Kosten und Nutzen im Vergleich.“ Die angespannte Stimmung legte sich schnell und so sank Dulacres Aufmerksamkeit wieder auf einen ungeahnten Tiefpunkt, während sein Blick weiterhin auf seinem Wildfang lag. „Geistreich und gewitzt.“ „Wie bitte?“, wandte er sich fragend an den Bürgermeister, der lächelnd neben ihm saß. „Ihr Gast. Sie mag zwar noch jung und etwas naiv sein, aber das scheint sie durch Weltoffenheit und Gewitztheit auszugleichen. Wahrlich eine faszinierende junge Frau und ein guter Fang würde ich meinen“, murmelte der Ältere leise und klopfte ihm auf den Unterarm. „Wie meinen Sie das?“, fragte er zu schnell und fast auch schon laut genug, um von den anderen gehört zu werden, „Ich bin nicht… wir sind nicht…“  stammelte er und spürte wie das Blut in seinen Kopf schoss. „Keine Sorge. Geben Sie einfach nur gut auf Ihren Gast Acht. Hier gibt es einige gierige Augen und wer weiß, am Ende findet sie vielleicht jemanden, der sie nicht so feindlich ansieht.“ „Ich habe keine Ahnung wovon…“ Koumyou lehnte sich gegen sein Ohr. „Dulacre, wir wissen beide, dass dir das Mädchen wichtig ist, so wie du über sie wachst. Aber wenn du sie wie einen Fußabtreter behandelst, wird sie dich verlassen. Frauen möchten wie Damen behandelt werden.“ „Wie bitte?“ Mit polterndem Stuhl war er aufgestanden. Alle starrten ihn an. „Herr Mihawk. Möchten Sie etwas beitragen?“, wurde er höflich vom Moderator angefragt. Zu seinem Glück stand Jiroushin ebenfalls auf, ehe er auch nur erahnen konnte, in welches Gespräch er sich eingebracht hatte. „Ich stimme Herrn Mihawk zu. Dieses Konzept ist viel zu kurzfristig gedacht. Bitte denken Sie auch an die Generationen, die nach uns kommen, sollen sie für unsere Gier nach Luxus büßen?“ Der Konteradmiral sprach weiter, sodass die Aufmerksamkeit auf diesem lag und er selbst nur schnell seinen Stuhl aufhob und wieder Platz nahm, während er seinen heruntergefallenen Hut auf den Tisch legte. Der Bürgermeister zu seiner Linken verbarg ein Lächeln hinter seinen gefalteten Händen. „Es ist ganz anders!“, zischte er den Älteren an. „Jaja, das sagen sie immer“, antwortete dieser nur ruhig. „Nein wirklich! Sie ist keine typische Dame, die erobert werden will. Wer hat Ihnen sowas erzählt?“ Sein Gesprächspartner zuckte mit den Achseln. „Unser lieber Herr Cho war sehr gesprächig. Aber nur weil eine Dame sagt, dass sie nicht umworben werden will, heißt das noch lange nicht, dass das auch die Wahrheit ist.“ Schon lange hatten die beiden das Gespräch der Versammlung gedanklich verlassen. Er schüttelte den Kopf und schaute zu dem Mädchen herab, welches aufmerksam der Frau des Bürgermeisters lauschte und dabei den Redner im Blick hielt. „Und selbst wenn…“, seufzte er schließlich, „Sie wird mich so oder so verlassen.“ Dessen konnte er sich zum Glück sicher sein. Schließlich suchte der andere seine Freunde, seine Familie, und er war nur das Kindermädchen… Die Versammlung ging noch mehrere Stunden, ehe der Moderator mit der Sonnenbrille sie auf Geheiß des Weltaristokraten beendete, obwohl die meisten Anwesenden noch mitten in einer Diskussion über eine Steuererhöhung steckten. Der mächtigste Mann des Raumes war wenige Sekunden später bereits verschwunden. Erst dann erhoben sich auch die Übrigen. Überraschend viele Unternehmer wandten sich ihm zu. Dulacre hatte geglaubt, dass sie ihm alle aus dem Weg gehen würden, doch manche bedankten sich begeistert für sein beherztes Eingreifen in der Diskussion, an die er sich nicht mal mehr erinnern konnte. Der Bürgermeister an seiner Seite verstrickte ihn immer wieder in mehr oder minder interessante Unterhaltungen. Offensichtlich hoch erfreut darüber, einen Samurai an seiner Seite zu haben. Nur langsam kamen sie durch die Menge. „Mir scheint unsere Damen sind gute Freunde geworden“, neckte der Bürgermeister und deute nach vorne. Genau in diesem Moment erhellte ein sanftes Lachen den vollen Raum und die umliegenden Gespräche über Geld und Macht wurden leiser. Dort in der Mitte, umgeben von dutzenden Menschen, stand die junge Frau im dunkelblauen Kleid mit einem etwas unbeholfenen Lächeln, während ein Mann mit Brille ihre Hand in seine nahm und begeistert auf sie einredete. Sie antwortete leise, so dass alle Umstehenden noch ruhiger wurden. Der ungehobelte Piratenjäger schien eine unglaubliche Wirkung auf die frevelhaften Wichtigtuer zu haben. Mit großen Schritten bahnte Dulacre sich einen Weg durch die Anzugträger, die sofort abweisend zur Seite wischen, sobald sie ihn erkannten. Je näher er kam, desto besser konnte er die Stimme seines Gastes vernehmen. „…freut mich außerordentlich. Ich muss noch viel lernen, aber Ihr Lob bedeutet mir viel.“ „Loreen.“ Einige sahen überrascht und erbost zu ihm auf, während er sich in ihre unterhaltsame Runde mischte. Als Pirat war er in ihrer Mitte letzten Endes nicht willkommen. Titel des Samurais hin oder her. „Dulacre!“, begrüßte ihn der verzauberte Pirat aber besonders freudestrahlend und legte ihm eine Hand auf den Unterarm. Er spielte seine Rolle fast zu gut. „Darf ich dir Herrn Souzin vorstellen? Er ist Bürgermeister von der Insel Sarue.“ Der Brillenträger reichte ihm die Hand mit einem leichten Zittern. Seine angegrauten schwarzen Haare und die eng zusammenstehenden Augen gaben ihm etwas Ernstes. „Sie haben eine außergewöhnliche Gattin, mein Herr.“ Er schüttelte die Hand des Anderen eine Spur zu stark, doch die Frau an seiner Seite lachte nur, wenn auch höher als für gewöhnlich. „Nein, Sie missverstehen Herr Souzin. Ich bin nur…“ Hastig brach der Pirat ab. „Sie ist meine Begleitung und Sie haben Recht. Sie ist eine wahre Bereicherung.“   Nun brachte sich Frau Koumyou ein. „Shoun, du solltest die beiden unbedingt mal nach Sarue einladen.“ Der wohl vertraute Bürgermeister nickte. „Eine gute Idee, Seira.“ „Bring mich hier aus. Meine Füße sterben gleich ab“, hörte der Samurai plötzlich die leise Stimme seines Wildfangs nahe seinem Ohr. Er nickte kaum merklich mit einem heimlichen Grinsen. „Sie sollten auch zum jährlichen Ball kommen“, fügte die Brillenschlange hinzu, während der Mann mit den Wikinger-Zöpfen sich neben Falkenauge stellte und ihm auf die Schulter klopfte. „Das war ein gutes Zusammenkommen, wo viel Fortschritt erzielt wurde.“ „Das ist wohl richtig.“ Die Menge teilte sich blitzartig, als Rishou Eizen das Wort ergriff. Sein dunkler Anzug und seine lichtundurchlässige Sonnenbrille wirkten wie ein Magnet. Alle Augen waren auf den Versammlungsführer gerichtet. „Sie haben mich sehr beeindruckt, Frau Koumyou. Wortgewandt und diplomatisch. Ich hoffe die politische Bühne wird in Zukunft noch mehr von Ihnen sehen.“ Die Angesprochene verneigte sich dankend, biss sich jedoch auf die Lippe um sich eine bissige Antwort zu verkneifen. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit zu dem unerwarteten Mittelpunkt der Hauptversammlung. „Auch Sie haben mich beeindruckt, junge Dame. Es scheint ganz so, als ob Frau Koumyou Recht behalten sollte. Lady Loreen. Ein Name, den man sich merken sollte. Geistesgegenwärtig und geschickt haben Sie bemerkt, was wir alle übersehen haben. Mich interessiert Ihre Geschichte, mein Kind. Leider fehlt mir heute die Zeit um sie zu hören, aber ich denke, die Gelegenheit wird sich noch ergeben.“ Er nickte knapp als Zeichen der Wertschätzung, ehe er nun den Samurai ansah. „Erst verstand ich nicht, warum Sie dieses Jahr teilnehmen wollten und auch noch einen Gast mitbrachten. Ich gestehe jedoch wahrlich, dass ich Sie unterschätzt habe. Sie sind ein würdiger Nachfolger Ihres Vaters und es ist gutzuheißen, dass sie über den Titel des Samurais den Weg zurück zur Gerechtigkeit gefunden haben.“ Wieder nickte er, „Ich empfehle mich.“ Dann ging er, ohne auch nur einem von ihnen die Möglichkeit zur Antwort zu geben. Einen Moment wurde es ruhig um sie. „Nun, mein werter Herr Mihawk. Bleiben Sie und Lady Loreen auch hier über Nacht? Würden Sie uns gerne zum Essen begleiten?“, ergriff die Frau des Bürgermeisters als erste das Wort. Die Hand seines Gastes lag immer noch auf seinem Unterarm. Er spürte deutlich, wie der andere seine Füße etwas entlastete. In sich hinein grinsend schüttelte er höflich den Kopf. „Vielen Dank für Ihre Einladung, Frau Koumyou, aber wir werden doch lieber den Heimweg antreten. Morgen erwartet uns noch viel Arbeit.“ Das ältere Ehepaar begleitete sie bis zum Ausgang, ehe sie sich in Richtung Stadtzentrum aufmachten. Er selbst half seinem Gast in den Mantel und schlenderte langsam mit dem Piraten zum Hafen. Mittlerweile hatten sie die anderen Versammlungsteilnehmer hinter sich gelassen. Der Himmel hatte schon ein tiefes Orange angenommen. Sie hatten den ganzen Tag in diesem stickigen Raum verbracht. „Meine Füße bringen mich um“, murrte der Grünschopf schließlich. Leise lachte Dulacre und bot dem anderen wieder seinen Arm an, was dieser zu seiner Überraschung auch jetzt noch akzeptierte, obwohl niemand mehr in ihrer Umgebung war. „Ich befürchte, ich muss mich bei dir bedanken. Dafür, dass du diesen grausigen Tag durchgestanden hast“, lachte er erneut. „Ach, so schlimm war er gar nicht“, murmelte der andere kleinlaut. Verwundert blickte er zu dem Mädchen hinab, während sie den Hafen entlang gingen. „Wie meinst du das? Stunden lang auf einem Stuhl sitzen und unnötigen Fachsimpelleien zuzuhören fandst du toll?“ Lorenor schüttelte den Kopf sachte. „Nein, das nicht.“ Doch der Jungspund lächelte sanft. „Und was dann?“, fragte er ohne den Blick abzuwenden. „Ach, es ist nichts“, sagte dieser schließlich als sie den Steg zu seinem Schiff erreichten. „Und warum grinst du dann wie ein Honigkuchenpferd?“ „Tu ich gar nicht!“, widersprach das Mädchen, „Es ist nur…Sie waren nett.“ Überrascht zog er die Augenbrauen hoch. „Sie waren nett? Die meisten Menschen sind freundlich wenn man sich kennenlernt. Das nennt man höfliche Etikette.“ Doch die junge Frau an seinem Arm blickte nur aufs brennende Meer hinaus. „Willst du mir etwa sagen, du kennst keinen freundlichen Umgang?“ „Doch“, antwortete der Pirat schließlich, „Aber ich bin nicht gerade der Typ Mensch, den man gerne zu einem Kaffekränzchen einlädt.“ Er blieb stehen und sah den anderen an. Zum Glück hatten sie bereits das Sargboot erreicht. „Setz dich schon mal, ich komme sofort“, murmelte er tonlos. Während er die Taue löste, glitt ihm ein eisiger Schauer über den Rücken. Die Worte des anderen waren trotz all dem Sarkasmus erbarmungslos ehrlich, aber auch sehr einsam. Doch nun verstand er den Piraten deutlich besser. Natürlich, mit einer Mutter die nur in fremden Zungen sprach und diesen grünen Haaren mochten die anderen Einwohner ihn als Sonderling abgetan haben. Später hatte er als Piratenjäger sich den Ruf als Dämon des East Blues erschaffen. Sein Anblick hatte vermutlich ausgereicht um Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen. Der Seitenwechsel zur Piraterie war sicherlich nicht förderlich. Im Gegenteil. Zu Angst und Schrecken waren Verachtung und Hass hinzugekommen. Ein solcher Mensch konnte von anderen nicht viel Wärme erwarten. Doch heute hatten die Anwesenden seinen Gedanken Wertschätzung und Respekt entgegen gebracht. Sie waren höflich und freundlich zu dem Piraten, obwohl sie ihn nicht kannten. Das musste für ihn ganz unwirklich erscheinen. Wie traurig musste so ein Leben sein? Er selber war wohlbehütet als Mihawk aufgewachsen. Erst als er stark genug geworden war, hatte er die abschätzenden Blicke selbst gewählt. Der andere hatte unter diesen Blicken stark werden müssen. Seufzend sprang er auf das kleine Boot. Dieser Jungspund warf ihn immer wieder aus seiner Komfortzone. Doch das Schicksal war ihm gnädig. Die Schuhe lagen achtlos auf dem Boden, während das Mädchen mit angewinkelten Beinen auf seinem Thron hockte und die Augen geschlossen hatte. Lorenor Zorro, der ehemalige Piratenjäger und Dämon des East Blue, schlief. Es war schon dunkel, als sie Sasaki erreichten. Der gefährliche Pirat hatte beinahe die ganze Fahrt über geschlafen. Erst vor wenigen Sekunden war er aufgewacht und hatte leise grummelnd angefangen sich die Schuhe wieder anzuziehen. Dulacre hatte seinen Begleiter lange betrachtet, ehe dieser aufgewacht war. Nun hatte er seine Aufmerksamkeit auf das naheliegende Land gerichtet. Immer noch spukten die Worte des anderen in seinem Kopf und er wusste einfach nicht, was er darauf antworten sollte. Doch auch der Grünschopf sagte nichts, sondern versuchte weiterhin sich die Schuhe anzuziehen, was ihm offensichtlich nicht gelang. „Na aufgewacht, Prinzessin?“, fragte er schließlich, ohne den anderen jedoch anzusehen. „Ach, halt die Klappe“, grummelte der Pirat entnervt, „Das ganze Gerede auf deinem Treffen hat mich halt zu Tode gelangweilt. Kein Wunder, dass ich eingeschlafen bin.“ „Ach, das klang eben noch ganz anders“, neckte er den Jüngeren. Sein Gast grummelte nur leise weiter vor sich hin, während sie anlegten. Wie zuvor am Morgen überbrückte er den kleinen Spalt zum Steg mit Leichtigkeit und sicherte sein Schiff. „Na komm, Lorenor. Oder willst du die ganze Nacht hier verbringen?“ Der Angesprochene hockte immer noch auf seinem Thron und versuchte die Schuhe anzukriegen. „Ich hab’s gleich“, knurrte das Mädchen, doch selbst in der Dunkelheit konnte er erkennen, dass das heute nichts mehr werden würde. Seufzend ging er zurück aufs Boot und griff nach einem Schuh, sowie dem linken Fuß des Kindes. Augenblicklich riss der Jüngere seinen Fuß weg, doch die blutigen Blasen hatte Falkenauge bereits gesehen. Kopfschüttelnd stand er auf. „Du hast es immer noch nicht gelernt.“ Ohne die Widerworte des anderen abzuwarten hob er ihn einfach hoch. „Was soll das? Lass mich runter!“, wütete das Mädchen in seinen Armen und versuchte sich mit abgehakten Bewegungen aus seinen Händen zu strampeln. „Stell dich nicht so an“, meinte er nur und schritt Richtung Dorf, „Du musst noch so viel lernen, Lorenor.“ Wütend verschränkte das Mädchen an seiner Brust die Arme. „Was hat das damit zu tun?“ Die Straßen des Dorfes waren noch gut besucht. Viele Einwohner genossen den Feierabend in einem Restaurant oder bei einem schönen Spaziergang. Manche betrachteten sie, doch niemand sagte etwas. „Der Lehrmeister deines Dojos wird dir mit Sicherheit beigebracht haben, wie man eine Waffe pflegt und warum.“ Der Pirat nickte, die Stirn in Falten gelegt. „Natürlich. Eine Waffe, die das Leben beschützen soll, muss auch für diese wertvolle Aufgabe gepflegt werden.“ Dulacre nickte: „Eine Ansicht, die ich voll und ganz unterstütze. Jedes Schwert muss mit Respekt behandelt werden. So wie die Waffe einem dient, so dient man der Waffe.“ Dann sah er den anderen ernst an, ohne seinen Weg zu unterbrechen. „Und welche Waffe ist die wichtigste?“ Sein Schüler legte verwirrt den Kopf schief. „Die, die ich führe?“ Er schüttelte den Kopf. „Da haben wir auch schon deinen Irrglauben. Die wichtigste Waffe ist nicht die, die du führst, sondern du selbst!“ „Das macht keinen Sinn“, meinte der Grünschopf verwirrt. „Nur weil du es nicht verstehst“, antwortete er beinahe sanft, während sie den Weg durch das Dorf fortsetzten. „Hör zu. Dein Körper ist deine wichtigste Waffe und dein höchstes Gut. Es geht nicht nur darum, deinen Körper zu trainieren und zu stählen. Du magst deine Schwerter noch so gut pflegen, deinen Körper können sie nicht ersetzen. Diese Lektion musst du wohl noch lernen.“ Der Pirat in seinem Arm schnaubte verächtlich. „Wegen ein paar Blasen machst du so einen Aufstand? Nur mal so nebenbei, in meinem Alter macht ein bisschen Muskelkater nichts. Wer weiß, wie das bei einem Greis wie dir ist.“ Mittlerweile hatten sie den Rand des Dorfes erreicht.   „Spuck nur weiter vorlaute Töne, Lorenor. Solange du diese Lehre nicht begriffen hast, wirst du nie ein Meister der Schwertkunst.“ „Ach, halt die Klappe!“ Doch der Jungspund wehrte sich nicht mehr und betrachtete einfach nur noch stur die Dunkelheit um sie herum. In eisigem Schweigen führten sie ihren Weg durch den Wald fort. Die Frau in seinen Armen war leicht wie eine Feder und wenn Lorenor nicht so böse gucken würde, wäre er wahrlich schön anzusehen, im fahlen Licht des fast vollen Mondes. Vor ihnen lag die Lichtung, wo er den anderen gefunden hatte. Ihr Disput vor wenigen Sekunden war nicht mehr wichtig, während ihm ein Lächeln über die Lippen glitt. Wie immer an diesem Ort erfüllte ihn eine dankbare Ruhe. Vor wenigen Tagen hatte der Mann in seinen Armen und in Gestalt einer Frau sein gesamtes Leben auf den Kopf gestellt. „Hier hat alles begonnen“, murmelte er. „Hä?“, fragte der Grünschopf unelegant zu ihm auf. „Hier habe ich dich gefunden. Friedlich schlafend. Wer hätte ahnen können, dass in diesem Körper so ein Teufelskerl steckt“, lachte er leise, „Und Kanan nimmt dich immer noch in Schutz“, fügte er hinzu und ging weiter. Der junge Pirat sagte nichts sondern sah nur auf die Lichtung. „Die Frau des Bürgermeisters erinnert mich sehr an Kanan“, flüsterte er irgendwann abwesend und zusammenhanglos. Wieder lachte er auf. „Das mag daran liegen, dass Seira die jüngste Tochter Kanans ist.“ „Wirklich? Wie alt ist Kanan denn überhaupt.“ Er zuckte mit den Achseln während sich vor ihnen das große Herrenhaus erhob. „Keine Ahnung. Alles was ich weiß, ist dass sie bereits meine Mutter aufzog und dass ihre älteste Tochter zu der Zeit bereits verheiratet war. Aber ist ja auch egal. Sie war immer schon da und wahrscheinlich wird sie uns alle überleben.“ Sie hatten das Haus beinahe erreicht. „Es war ein guter Tag“, sagte er und öffnete die Türe ohne den Piraten loszulassen. „Lass mich runter“, befahl eben dieser. Laut lachend ignorierte er dies und trat seine Stiefel aus. „Das ist nicht zum Lachen“, motzte das Kind griesgrämig ohne sich allerdings zu wehren. Wahrscheinlich hatte er sich in seine Rolle ergeben. Zumindest für den Augenblick. Im Flur war es dunkel. „Kanan scheint nicht mehr hier zu sein“, stellte er ruhig fest und ging langsam über den kühlen Fußboden. „Vielleicht ist sie schon im Bett?“, mutmaßte der Grünschopf nachdenklich. „Nein. Wenn sie hier wäre, hätte sie uns längst gehört. Sie ist besser als jeder Wachhund.“ Er zuckte mit den Schultern und stapfte die Stufen hoch. „Aber wo ist sie dann?“ Die grünen Augen blitzten in der Dunkelheit. „Höre ich da etwa Sorge?“, neckte er seinen Wildfang. Dieser biss sich nur wütend auf die Lippe. „Sie ist wahrscheinlich im Haus der Koumyous und passt auf die Katzen auf.“ Mit dem Ellenbogen drückte er die Klinke zum Gästezimmer hinunter. Hier roch es wie immer angenehm nach Lavendel und ein geöffnetes Fenster ließ frischen Wind hinein. Mit einem leisen Grinsen warf er seine Begleitung auf das Bett, wie an dem Abend, an dem der andere betrunken war. Doch diesmal landete er nicht lachend auf den weichen Laken sondern schloss nur angespannt die Augen und löste die Brosche aus den Haaren. Einen Moment beobachtete er, wie der Pirat sich die langen Haare über die Schulte legte, ehe er zum Fenster hinüber ging und es schloss. Im dunklen Glas spiegelte sich der Grünschopf, der hilflos versuchte den Reisverschluss des Kleidrückens zu öffnen. Er lachte leise: „Brauchst du Hilfe, Lorenor?“ „Ach halt den Mund. Ich schaff das schon alleine“, knurrte sein Lieblingsfeind, was bei seiner sanften Stimme ihn eher belustigte. Mit einem gespielten Seufzen lehnte er sein geliebtes Schwert gegen die Wand und stellte sich hinter den anderen. Dieser versuchte seinen Händen zu entgleiten, natürlich ohne Erfolg. „Stell dich doch jetzt nicht so an. Ich hab dich bereits nackt gesehen und schon mehrmals getragen.“ „Das ist ja gerade das Peinliche. Ich bin keine Dame, verstanden? Und jetzt geh einfach!“ Der andere schien noch gereizter als sonst. Bildete er es sich ein, oder zitterten die zarten Schultern unter seinem Griff ein bisschen? „Ich weiß, wer du bist, Lorenor, keine Sorge“, antwortete er schließlich mit einer Bestimmtheit die ihm im ersten Moment gar nicht so bewusst war. Irgendwas an dem Piraten war anders als sonst. Schämte er sich so sehr, dass er ihn getragen hatte? War er wirklich so stolz, dass er jede Hilfe als Verrat an sich selbst und dem anderen empfand? Kopfschüttelnd zog er den Reißverschluss ganz hinunter. „So siehst du, war das so schlimm…?“ Er stoppte. Die Haut an Schultern und Nacken, die er nun erkennen konnte, schimmerte seltsam. Grob packte er nach dem oberen Kleidzipfel. Der Grünschopf versuchte sich von ihm loszureißen, doch er war schneller. Mihawk griff dem jungen Schwertkämpfer an der Schulter und riss die eine Kleidhälfte so unsanft zur Seite, dass die Naht am Reißverschluss leicht riss. „Zieh es aus!“, knurrte er. Der Grünschopf befreite sich aus seinem Griff und stolperte vom Bett. „Jetzt mach keine Szene draus“, antwortete das Mädchen gereizt und hielt sich mit einer Hand das Kleid hoch, während er sich mit der anderen Hand am Spiegel festhielt. „Es ist nichts und wenn…“ „Zieh das Kleid aus!“ Er konnte die Wut in sich spüren, konnte spüren, wie er wieder kurz davor war, die Kontrolle zu verlieren. „Sofort!“ Er konnte nicht verhindern, dass seine Stimme dunkel und hasserfüllt wurde. Er konnte nicht verhindern, dass seine, noch immer nach der Frau, ausgestreckte Hand zitterte und er konnte nicht verhindern, dass der andere ihn mit einem so ausdruckslosen Gesicht anschaute. Dann sah Lorenor zur Seite und ließ das Kleid los. Sanft fiel es erst von den Schultern und dann die Brust und Oberarme hinab. Zaghaft zupfte Zorro an den Hemdsärmeln und dann glitt der Stoff ganz zu Boden, ließ den Piraten in nichts außer Unterwäsche. „Schon wieder!“, knurrte er, während er den anderen zornig anstarrte. „Du verstehst es einfach nicht!“ Er sah den nackten Rücken des anderen im Spiegel. Sah sein eigenes vor Wut verzerrtes Gesicht. Doch alles was er wirklich sah, war der zierliche Körper seines Schülers. Schultern, Arme, Brust, Bauch, Beine, egal wo er hinsah, alles war gerötet oder blutunterlaufen. Die gesamte Haut schimmerte in einem sich abwechselnden Meers aus Farben, von Gelb zu Grün über Blau zu Violett. Deutlich konnte er seinen eigenen Handabdruck am rechten Oberarm erkennen, dort wo seine Fingernägel sich in die Haut gedrückt hatten, war sie beinahe Schwarz. Da wo die Träger des Sportbustiers lagen, waren tiefe Schürfwunden in den Schultern eingebrannt. Der Pirat hatte nicht wegen der Farbe willen ein anderes Kleid anziehen wollen, wurde ihm mit einem Schlag bewusst. Der andere hatte sich nicht wegen den Schuhen so langsam durch den Wald fortbewegt und das Sträuben aus seinem Griff hatte nichts mit falschem Stolz zu tun. Mit einer leichten Röte auf den Wangen hatte Lorenor seinen Blick stur auf den Boden gerichtet. „Ich weiß! Ich bin schwach! Es ist so beschämend, aber ab morgen werde ich noch härter…“ „Halt den Mund!“ Er war lauter geworden, als er wollte. Überrascht starrte der andere ihn an, doch er schüttelte nur den Kopf, immer und immer wieder. „Ich kann dich nicht mehr trainieren!“, meinte er schließlich, viel leiser als zuvor. „Was? Wieso?!“ Die hohe Stimme seines Schülers war entsetzt. „Weil du es nicht begreifen willst!“, schrie er nun hilflos. Die Augen des Kindes wurden groß. „Es geht nicht um deine Stärke oder um deinen Willen zu kämpfen!“ Wieder schüttelte er stumm den Kopf, nicht in der Lage auszudrücken, was er sagen wollte. „Ich kann niemanden trainieren, der sich selbst aufgegeben hat!“ „Aber, ich will doch gar nicht…“ Mit erhobener Hand unterbrach er den schwachen Einwand des anderen. „Und noch einmal, ich rede nicht von deinem Kampfeswillen. Ich rede von dir! Denn es ist offensichtlich, dass du dir selbst nichts mehr wert bist!“ Geschockt sah der andere ihn an, den Mund leicht geöffnet. „Du bist unglaublich stark, Lorenor. Stärker als je ein Mensch, den ich in deinem Alter kennen gelernt habe und genau das wird dein Untergang sein.“ „Ich verstehe nicht…“ Kalt lachte er: „Nein, das ist mir nun auch klar geworden. Du verstehst es einfach nicht. In deinem Wahn alle zu beschützen. In deinem Stolz allen Ehre zu bringen. In deiner Verzweiflung nach Anerkennung. Du siehst es nicht!“ Lange sah er das Kind vor sich an, erlaubte ihm nicht zu sprechen. „Weißt du noch? Du dachtest ich sei wütend auf dich, weil du mich um Hilfe gebeten hast und ich habe dir gesagt, es sei nicht so. Ich habe gelogen!“ Erneut wollte der Pirat etwas sagen, doch er unterbrach ihn. „Seit diesem einen Morgen bin ich so unglaublich wütend auf dich. Es zerreißt mich beinahe, dass du es nicht kapieren kannst. Dass du es nicht sehen kannst und dann bist du auch noch so unverschämt und sagst, es sei nichts. Du verstehst es einfach nicht und dafür hasse ich dich!“ „Was verstehe ich nicht? Weswegen bist du so wütend? Erklär es mir, erklär mir, warum du mich anschreist!“, widersprach der andere ihm, nun ebenfalls mit erhobener Stimme, „Sag mir, warum du mich hasst!“ Für eine unendliche Sekunde wurde es still im Raum, während sie einander anstarrten und keiner nachgeben wollte. „Weil du gestorben bist!“, entfuhr es ihm leise. „Weil du für die anderen dein Leben gelassen hast! Weil du nicht an dich selbst gedacht hast!“ Mit jedem Wort wurde er lauter. „Weil du deinen eigenen Wert nicht erkennst! Weil du alle anderen beschützt aber nicht dich selbst! Weil du mich dazu zwingst, dich zu beschützen!“ Einen Moment lang setzte sein eigener Herzschlag aus. „Du siehst nicht, was du all diesen Menschen bedeutest, deiner Crew, Kanan, sogar mir! Es ist für dich einfacher dich selbst aufzugeben, als dir von anderen helfen zu lassen. Als würde es deiner verfluchten Ehre etwas abtun, wenn du jemandem erlauben würdest, etwas von deiner Last abzunehmen. Durch deinen starken Willen alles alleine schaffen zu wollen hast du nicht nur alles verraten, was dich zum Menschen macht, nein du hast auch noch all deine Freunde und mich verraten!“ „Ich weiß.“ Überrascht sah er zu dem Piraten hinüber, der zitternd die Hände zu Fäusten geballt hatte. „Ich weiß, dass ich meine Menschlichkeit aufgegeben habe. Aber wenn es ein Monster braucht, um meine Freunde zu retten, werde ich das gerne sein!“ Wütend schlug er gegen die Wand. Mörtel und Staub rieselte zu Boden. „Nein! Verdammt nochmal! Der einzige, der das Monster sieht, bist du!“ Aufgebracht fuhr er sich durch die Haare. „Ich hab mich noch nie mit einer so emotional verkrüppelten Person unterhalten wie mit dir, Lorenor“, knurrte er hilflos, „Sag mir, willst du es nicht sehen oder kannst du es nur nicht?“ Der Pirat blieb stumm. „Lorenor, wieso bist du für die anderen gestorben? Damals im East Blue gab es nichts Wichtigeres für dich, als deinen Traum zu erfüllen. Wieso hast du ihn aufgegeben?“ Die grünen Augen sahen ihn nicht an. Langsam drehte das Mädchen sich um und sah zum Fenster hinaus. Nun konnte er deutlich die Blutergüsse zwischen den Schulterblättern sehen. „Die Dinge haben sich verändert“, seufzte der Grünschopf schließlich. „Damals hatte ich nur meinen Traum, wofür ich bereit gewesen wäre zu sterben. Aber was ist mein einer Traum gegen acht andere, großartige, würdige Träume?“ Dann sah er ihn wieder an, „Wie soll ich der beste Schwertkämpfer der Welt werden, wenn ich nicht einmal meinen Kapitän und die Crew beschützen kann? Sie haben mir mit ihrem Leben vertraut, es schien mir nicht zu viel, dafür mit meinem zu bezahlen.“ Mit jedem Wort wuchs das Lächeln im kindlichen Gesicht, „Und wenn diese Einstellung mein Untergang sein soll, dann soll es so kommen.“ „Und was ist mit deiner Crew?“, fragte Falkenauge ihn ruhig, „Es ist bewundernswert, deine Stärke, wirklich. Aber hast du nicht einmal daran gedacht, wie sich jeder andere aus deiner Crew fühlt, wenn er dir nicht helfen darf, wenn er dich nicht beschützen darf? Du sagst sie vertrauen dir, aber du hast ihnen nie gezeigt, dass du ihnen vertraust. Du vertraust ihnen genug, um sich selbst zu beschützen, aber offensichtlich nicht genug, um dir beizustehen. Du bist stolz auf dich, auf deine Stärke, und eines Tages, wenn du wieder bei deiner Crew bist und ihr diese Geschichte euren Nachfolgern erzählt, wirst du der unangefochtene Held sein. Aber was ist mit deinen Freunden? Was ist mit den Menschen die gerade um dich trauern? Die sich selbst dafür die Schuld geben, dass du gestorben bist, dass sie dich nicht beschützen konnten? Sie verstehen nicht, warum du ihnen nicht erlaubt hast, dich zu beschützen.“ Langsam verschwand das Lächeln des anderen wieder. „Schon damals auf dem East Blue musste ich dich beschützen. Ich musste dir das Recht auf Leben geben, da du es dir selber nicht erlauben wolltest. Ich nahm mir diese Verantwortung, weil ich stärker bin und du Respekt vor mir hast. Eine Verantwortung, die ich mir nie aussuchen wollte. Aber ich habe dich nicht beschützt vor irgendwem anders, sondern nur vor dir selbst. Vor deiner eigenen Selbstaufgabe, weil du anscheinend keinen Selbsterhaltungstrieb besitzt. Offensichtlich weißt du nicht, wie man sich selbst schützt.“ Nun sah der andere ihn aus zusammengekniffenen Augen an. Langsam verschränkte er selbst die Arme. „Ich weiß immer noch nicht, was mit dir passiert ist und wie du hier hergekommen bist, aber ich weiß, warum du zu mir geschickt wurdest.“ Langsam kam er auf den anderen zu, der ihn mit großen Augen ansah. Nach einer Ewigkeit fasste er seinen Entschluss. „Ich werde dich weiter trainieren, aber unter einer Bedingung.“ Der Pirat nickte. „Solange, bist du wieder bei deiner Crew bist, bist du wieder in deinem Körper bist, solange werde ich da sein.“ Ernst griff er den anderen am Unterarm. „Lorenor, lass mich dich beschützen!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)