Wedding Dress von Lina_Kudo (»Hochzeitskleid« (Seiya&Usagi)) ================================================================================ Kapitel 6: Escape ----------------- ******************************************Rückblick****************************************** »Ich werde morgen bei deiner Hochzeit dabei sein. Ich werde für euch ein Stück spielen, wie du es dir ursprünglich gewünscht hast in der Einladung. Aber mehr … kann ich dir nicht erfüllen. Das schaffe ich einfach nicht, verstehe das bitte. Nach der Hochzeit werde ich unauffällig verschwinden. Wir werden uns danach nie mehr wiedersehen. Bitte werde glücklich und vergiss mich. Damit würdest du mir echt den allergrößten Gefallen tun.« Bevor sie überhaupt etwas dagegen einwenden konnte, war ich schon verschwunden und hatte sie hinter mich gelassen. Ohne dass ich es kontrollieren konnte, begann ich zu rennen. Mit tränenverschleiertem Blick steuerte ich auf meinen Untergang zu … Es war vorbei. Für immer. ******************************************Rückblick****************************************** KAPITEL 6: ESCAPE »Habe ich dich nun für immer verloren?« Noch nie in meinem Leben war ich so unglücklich gewesen. Nicht nur, dass es sich schrecklich anfühlte: Es war … falsch. Schließlich fand doch heute meine Hochzeit statt - Unglück war hier eindeutig fehl am Platz. Und doch lag mir der gestrige Abend noch tonnenschwer in den Knochen. Seine Umarmung … in der ich mich so wohl und gleichzeitig so schuldig gefühlt habe, gerade weil ich dort Geborgenheit verspürt hatte in einer Intensität, wie ich es noch nie erlebt hatte. Es war wie ein Rausch gewesen, in dem ich gefangen war, als ich seine Wärme und seinen Geruch wahrgenommen und in mich eingesogen hatte. Doch den absoluten Höhepunkt bildete natürlich sein Lied. Sein Lied, welches die tiefste Faser meines Herzens berührt hatte … Das Lied, welches mich ununterbrochen begleitete seit dem Moment, an dem ich es zum ersten und bisher auch einzigen Mal gehört hatte. Das Lied, das mich unbarmherzig in seiner Gewalt hielt und mich nicht freiließ. Seine Botschaft dahinter war eindeutig. Selbst für mich. Langsam öffnete ich meine Augen. Es war nun allerhöchste Zeit, mich meinem Schicksal zu stellen. Ich sah geradeaus, direkt zu Mamoru, meinem zukünftigen Ehemann, der neben dem Altar stand und mich bereits sehnsüchtig erwartete. Warum konnte ich diese Sehnsucht nicht mit ihm teilen? Dieses Glück, welches in seinen Augen aufblitzte? Warum spürte ich nichts davon oder ließ mich davon anstecken? Das wäre bei diesem Anlass das einzig Richtige gewesen. Stattdessen ließ ich meinen Blick umherwandern. Er blieb auf dem Flügel stehen, zu der Person, die dort saß: Seiya. Er sah wie immer wunderschön aus, trug einen schwarzen Anzug mit einer roten Krawatte, die ihm hervorragend stand. Er sah mich nicht an, starrte zu den Klaviertasten, sodass ich seine Mimik nicht erkennen konnte. Doch ich musste sie nicht sehen, um zu wissen, wie todtraurig er über diesen Moment war. Mindestens genauso wie ich. Was hatte ich da gerade gedacht?! Verdammt – ich würde jeden Moment den Mann meiner Träume heiraten! Schon so viele Jahre hatte ich diesen Moment herbeigesehnt. Und jetzt, wo ich endlich am Ziel meiner Wünsche ankam, hatte ich nichts Besseres zu tun, als mir über einen anderen Mann den Kopf zu zerbrechen?! Was war bloß in mich gefahren? Ich bemerkte meinen Vater neben mir erst, als er sich unauffällig räusperte - so gefesselt war ich von Seiyas Anblick. Erschrocken sah ich zur Seite, direkt in die Augen meines Vaters, der mir mit gemischten Gefühlen seinen Arm hinhielt. Auch für ihn war das natürlich ein ergreifender Moment. Welchen liebenden Vater würde es da anders gehen? Dankend hakte ich mich bei ihm ein, und erst durch seine Hilfe schafften meine Beine es endlich, sich in Bewegung zu setzen. Ganz langsam, ein Bein nach dem anderen erweckte ich aus seinem schlummernden Schlaf. Ich war so unendlich froh und erleichtert darüber, dass wenigstens er da war und mir beistand; dass er einfach nur anwesend war und ich den beiden Männern nicht ganz alleine entgegentreten musste. Auch wenn er natürlich nicht die geringste Ahnung hatte, was in mir vorging und die große Unsicherheit von meiner Seite sicher auf meine Nervosität schob. Hatte ich überhaupt selbst eine Ahnung darüber? Der Weg war auch so schon beschwerlich genug, ohne dass meine Beine dabei waren, ihren Dienst zu verweigern – ich hatte das Gefühl, durch Treibsand zu gehen. Niemals hätte ich gedacht, dass es so schwer werden würde: Der Gang zum Altar. Er war wahrlich der schwerste Gang meines Lebens. Nie hätte ich das für möglich gehalten. Seit dem zarten Alter von vierzehn Jahren hatte ich davon geträumt, Mamoru Chiba zu heiraten. Ich konnte mir nichts Schöneres und Erfüllenderes vorstellen und hatte dieses Ereignis kaum abwarten können. So ungeduldig war ich. Heute war ich einundzwanzig und am märchenhaften Ende meines größten Traumes angelangt. Doch warum schrie dann mein Herz nur so sehr vor Schmerzen? Die ersten Töne der bittersüßen Melodie hallten in der Kirche wider, die Seiya zu spielen begann. Wer hätte gedacht, dass es noch schlimmer werden könnte? Es war wie ein Stich ins Herz, das mich zusammenfahren ließ, als ich sie vernahm. Schockiert starrte ich nach vorne; meine Augen wurden leer und ausdruckslos. Alles um mich herum verschwamm. Als würde ich bloß eine leblose Hülle zurücklassen und mein Geist von mir weichen. Als würde das alles … gar nicht mir passieren. Als wäre ich nur eine teilnahmslose Zuschauerin, die diese tragische Szene von der Ferne stumm beobachtete. Es war die Melodie des Liedes, welches Seiya mir gestern vorgesungen hatte. Bereits gestern hatten mir seine Zeilen entsetzlich wehgetan. Mehr als man es sich vorstellen konnte. Schon da hatte ich seinen Schmerz wahrgenommen; konnte ihn in meinem Herzen spüren. Seine Trauer, sein Schmerz, seine Verzweiflung, seine Hoffnungslosigkeit. Noch nie hatte mich etwas mit solch einer Wucht getroffen wie das hier. Das Leid meines besten Freundes. Was hätte ich alles getan, um es ihm zu nehmen. Um ihn davon zu befreien. Doch dafür müsste ich alles aufgeben, wofür wir alle gekämpft und unser Leben auf’s Spiel gesetzt hatten. Stand mir das zu? Konnte ich das meinen Freunden und Verbündeten antun? Durfte ich diesen hohen Preis zahlen? Konnte ich eine ganze Welt ins Verderben stürzen, nur um eine einzige Person von ihren Qualen zu erlösen? Von all den Qualen, die ich auch hier und jetzt durch jeden einzelnen Klang des herzzerreißenden Klavierstücks spürte? Mit jedem einzelnen Ton, den er gerade spielte. Jeder Klang war vermischt mit der Pein und dem Kummer seines Herzens. Alles, was sich in all den Jahren bei ihm angestaut haben musste, trafen mich nun mit einem gigantischen Schlag und ließen mich in ein völliges Chaos der Gefühle versinken. Denn im Gegensatz zu gestern war ich diesmal nun wirklich kurz davor, die heilige Grenze zu überschreiten. Die Grenze unserer Freundschaft. Würde ich dieses Limit sprengen, wäre es endgültig vorbei. Dann gab es kein Zurück mehr. Dann … würde ich Seiya für immer verlieren. Allein diese Vorstellung ließ mein Herz sich krampfhaft zusammenziehen. Unentwegt pochte es heftig gegen meine Brust, als wollte es sich mit Händen und Füßen dagegen wehren. Aber gegen was überhaupt? Was war das nur für ein höllischer Schmerz? Etwa … sein Schmerz? Konnte es so einen unmenschlichen, verbotenen Schmerz überhaupt geben? Durfte es ihn geben? Denn das war das ultimative Folterinstrument. Die brutalste Mordwaffe, die einen von innen langsam und qualvoll umbrachte. Wie konnte er das nur durchhalten? Wie hatte er diesen Schmerz all die Jahre über durchhalten können? Ich sah zu Seiya, der unbeirrt weiter mit geschlossenen Augen sein Stück spielte und sich scheinbar nicht aus der Ruhe bringen ließ. Er brachte damit all seinen Herzschmerz hinein. Wie ein amoklaufender Wirbelsturm erfasste mich sein Elend und riss mich unbarmherzig mit sich fort. Es klang wie ein Abschied für immer. Es war seine persönliche Art, mir für immer »Lebe wohl« zu sagen. Ich zuckte erneut unweigerlich zusammen, als Seiya seine unsagbar blauen Augen aufmachte und direkt in meine sah. Es war, als würde er damit meine schlimmste Befürchtung bestätigen. Als würde er die vernichtende Antwort auf meine unausgesprochene Frage mit Gewalt in meine Seele einhämmern. Ich hörte seine niederschmetternde Antwort … »Ja, unsere Freundschaft ist nun ein für alle Mal vorbei. Finde dich damit bitte ab, Usagi. Je schneller, desto besser.« Nein … Das durfte nicht sein. Das konnte und wollte ich nicht wahrhaben. Ich konnte ihn nicht verlieren. Ich konnte mir kein Leben ohne ihn vorstellen. Ohne ihn … konnte ich nicht leben … Diese Erkenntnis traf mich abermals wie ein harter Hammerschlag. Blinzelnd vor Schmerz wandte ich mich von ihm ab und sah zu Mamoru, der mittlerweile gemerkt haben musste, dass mit mir etwas nicht stimmte. Ich konnte das aus seiner irritierten Miene herauslesen. Fragend sah er mich mit hochgezogener Augenbraue an. Ich öffnete meine Lippen, doch es verließ nicht mehr als ein Hauchen meine Kehle. Doch der entsetzte Ausdruck in seinen Augen verriet mir, dass er mich richtig verstanden hatte. Dass er meine Worte korrekt von den Lippen abgelesen hatte. »Es tut mir leid, Mamoru. Vergib mir bitte …« Überfordert riss ich mich von meinem Vater los, machte kehrt und rannte aus der Kirche. Raus in das Ungewisse. Raus in die Freiheit … Mir gar nicht bewusst, dass ich damit alles unwiederbringlich zerstörte … An die möglichen Folgen verschwendete ich keinen einzigen Gedanken. Ich wollte einfach nur noch weg. Weg von allen … … und ließ dabei eine fassungslose Menschenmenge zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)