di|let|tie|ren von -Zerschmetterling- ================================================================================ Kapitel 1: Die große Stärke der Narren ist es, dass sie keine Angst haben, Dummheiten zu sagen. (Jean Cocteau) -------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Als es an der Bürotür klopfte, war Sasuke gerade mitten in der Arbeit. Er brütete nun schon seit mehreren Stunden über der Forschungsarbeit eines Kollegen, die gewisse Mängel aufwies und dringend verbessert werden musste. Das Problem war, dass auch er kein Zauberer war, der aus Scheiße Gold machen konnte.  Oder in dem Fall aus Pfuscherei eine methodisch saubere wissenschaftliche Studie. Wo er allerdings schon beim Thema war, konnte er sich auch genauso gut mit diesem Uzumaki beschäftigen, der eigentlich schon vor sieben Minuten einen Termin bei ihm gehabt hätte.   „Hehe, hallo. Mein Name ist Naruto Uzumaki“, der Junge grinste ihn fröhlich an. „Ich komme wegen der Klausur, die bei mir nicht verbucht wurde.“   Sasuke schenkte ihm nur einen ganz kurzen Blick. Mehr brauchte es auch nicht, um sich ein Bild von ihm zu machen. Ausgewaschene Jeans, einen viel zu großen Pullover und unordentliches blondes Haar. Insgesamt sah er eher danach aus, als hätte er sich darauf vorbereitet den Rest des Tages mit Pizza und Bier auf dem Sofa zu verbringen, als auf ein Gespräch mit seinem Dozenten.   „Richtig.“   Er wandte sich kurzerhand wieder seinem Bildschirm zu, so als würde es ihn nicht sonderlich interessieren, dass der Junge aufgetaucht war. Tat es ja auch nicht. Allerdings handelte es sich in konkret diesem Fall eher um eine pädagogische Maßnahme. Uzumaki hatte ihn warten lassen, dafür konnte er ruhig ein wenig zappeln. Allerdings schien es seinen Studenten nicht sonderlich zu stören, denn er setzte sich einfach unaufgefordert auf den leeren Stuhl gegenüber von seinem Schreibtisch, die Arme lässig auf den beiden Lehnen abgelegt und ein breites Grinsen im Gesicht. Sasuke konnte ihn schon jetzt nicht leiden. Alles an ihm schrie laut und deutlich Idiot.   „Wie ist das denn jetzt?“, ergriff Uzumaki wieder das Wort. „Sie haben ja gesagt, dass Sie keinen Fehler gemacht haben, aber irgendwie habe ich trotzdem noch kein Ergebnis eingetragen bekommen.“   Penetrant. Das war das erste, was Sasuke zu seiner Stimme einfiel. Penetrant und durchdringend. Vielleicht auch ein kleines bisschen zu hoch. Jedenfalls nicht besonders angenehm und er bereute es fast schon ein kleines bisschen, dass er den Kerl persönlich zu sich ins Büro bestellt hatte. Vielleicht hätte er ihn doch einfach nur mit einer knappen Mail abwimmeln sollen. Für einen Rückzieher war es jetzt jedoch zu spät. Er drehte sich zu ihm herum und setzte eine undurchschaubare Miene auf.   „Ihre Klausur wird als Fehlversuch verbucht, das heißt, ich kann Ihnen kein Ergebnis eintragen. So gesehen liegt der Fehler bei Ihnen und nicht bei mir.“   Naruto sah ihn aus großen Augen an. Sasuke konnte richtiggehend sehen, wie sein Gehirn zu rattern begann und die neuen Informationen verarbeitete. Anscheinend hatte er insgeheim doch damit gerechnet, dass er irgendwie noch bestanden hatte. Aber das war vollkommen zwecklos. Selbst ein halbwegs trainierter Affe hätte seine Fragen besser beantwortet. Und der Affe hätte es vielleicht sogar hingekriegt, seinen Namen einzutragen.   „Was? Fehlversuch? Aber ich war richtig gut“, behauptete Uzumaki überzeugt.   Sasuke musste den Drang unterdrücken, skeptisch eine Augenbraue nach oben zu ziehen. Das hier war wirklich reine Zeitverschwendung, denn der Typ war offensichtlich noch dümmer, als er gedacht hatte. Trotzdem schien er absolut von seinen Fähigkeiten überzeugt zu sein. Sein Selbstbewusstsein war nicht gespielt. Er glaubte wirklich, dass er eine gute Leistung erbracht hatte. Oftmals hielten sich die größten Idioten selbst für die hellsten Köpfe und das war wohl auch bei Naruto Uzumaki der Fall.   „Tut mir Leid, Sie enttäuschen zu müssen, aber Sie waren nicht richtig gut“, zerstörte Sasuke ungerührt seine Illusion. „Und das ist sowieso nicht das Hauptproblem.“   Frustriert ließ sich Naruto zurück in den Stuhl fallen und verschränkte die Arme vor der Brust. Es wirkte fast ein bisschen so, als hätte Sasuke gerade sein Weltbild zerstört.   „Und was ist dann das Hauptproblem?“   In seinem Tonfall konnte man deutlich den Widerwillen heraushören. Er sah seine Felle davonschwimmen und ahnte wohl, dass dieses Gespräch mit einer Enttäuschung für ihn enden würde. Sasuke konnte es nicht leiden, wenn man ihm trotzig kam. Immerhin war er derjenige von ihnen beiden, der eine Doktorarbeit in dem Fachbereich geschrieben hatte und dementsprechend wohl besser beurteilen konnte, ob jemand eine gute Leistung gebracht hatte oder nicht. Und das hatte er definitiv nicht. Angefangen bei den idiotischen Antworten, die nicht mal ansatzweise eine fundierte Grundlage besaßen, bis hin zu dem falsch eingetragenen Namen. Wortlos schob er ihm die Klausur zu und deutete dann auf die Kopfzeile.   „Sie hätten an dieser Stelle Ihren Namen einsetzen müssen. Und nicht einfach nur die Vorgabe abschreiben.“   Naruto beugte sich weiter nach vorne und runzelte dann angestrengt die Stirn. Wahrscheinlich weil die Schrift von ihm aus gesehen auf dem Kopf stand oder aber er hatte Probleme das Geschmiere zu entziffern. Einen Schönschreibewettbewerb hätte er damit sicher nicht gewonnen. Verlegen lachend kratze er sich am Hinterkopf.   „Oh hehe, stimmt“, stellte er dann fest und zuckte mit den Schultern. „Naja, kann mal passieren, oder? Können Sie das nicht einfach noch nachträglich ergänzen?“   Nachträglich ergänzen? Verärgert kniff Sasuke die Augen zusammen. Naruto wollte es sich wohl wirklich einfach machen. Nicht nur, dass ihm sein Fehler scheinbar nur minimal peinlich war, er war sich auch nicht zu schade, ihn zu einem Betrug anzustiften. Normalerweise würde Sasuke es für einen Scherz halten, aber Uzumakis Miene war vollkommen ernst, als er den Kopf leicht schief legte und ihn bittend ansah. Abweisend verschränkte er die Arme vor der Brust.   „Ich kann nicht einfach Ihren Namen auf die Klausur schreiben.“   Das wäre ja noch schöner. Und wenn er schon mal dabei war, könnte er ja auch gleich noch ein paar richtige Antworten ergänzen, damit statt einer 5,0 eine 3,0 auf dem Deckblatt stand. Doch bei all dem Einsatz für die Anerkennung seiner Klausur, hatte Naruto die Note wohl noch gar nicht bemerkt, denn sonst würde ihm aufgehen, dass er sowieso durchgefallen war.   „Achso, verstehe. Aber da ich schon mal da bin, könnte ich das doch schnell machen“, schlug er stattdessen grinsend vor.   Sasuke musste den Drang unterdrücken laut zu lachen. Und es kam wirklich nicht häufig vor, dass er das Bedürfnis dazu hatte. Meistens konnte er sich höchstens zu einem kurzen Schmunzeln hinreißen lassen und das auch nur in den seltensten Fällen. Zum Beispiel, wenn Suigetsu mal wieder eine gepfefferte Abfuhr von irgendeinem heißen Typen bekam und sich anschließend frustriert an der Bar volllaufen ließ.   „Es geht nicht darum, wer den Namen einträgt“, stellte Sasuke klar.   Naruto schürzte die Lippen und sah ihn aus misstrauisch zusammengekniffenen Augen an. Er konnte die Anspannung in seinem Körper sehen und wie er allmählich ungeduldig wurde. Offensichtlich fragte er sich, was dieses Gespräch eigentlich sollte und Sasuke konnte ihm ja schlecht sagen, dass er ihn nur zu sich ins Büro bestellt hatte, um sein dummes Gesicht zu sehen. Oder überhaupt mal sein Gesicht zu sehen. Schließlich wollte er wissen, welcher seiner Studenten nicht mal in der Lage dazu war, seinen eigenen Namen aufzuschreiben.   „Worum geht es dann?“, wollte Naruto wissen.   Sasuke griff nach dem Klausurbogen und verstaute ihn wieder bei den anderen Arbeiten in der Schublade. Dann schob er sie mit einem Ruck zu. Es hatte etwas Endgültiges und er wollte ihm damit klarmachen, dass er seine Chance verspielt hatte. Auch wenn er genau genommen nie eine gehabt hatte.   „Sie hätten Ihren Namen von vornherein eintragen müssen. Jetzt ist es zu spät.“   Ungläubig sah Naruto ihn an. Wahrscheinlich hatte er gehofft, dass Sasuke nochmal ein Auge zudrücken würde, aber da hatte er völlig falsch kalkuliert. Denn so jemand war er nicht. Wer keine Leistung brachte, hatte es auch nicht verdient seinen Kurs zu bestehen. Und er verteilte keine Punkte aus Mitleid.   „Aber warum haben Sie mich dann herbestellt? In Ihrer Mail stand, dass ich einen Termin ausmachen soll, wenn ich die Klausur verbucht haben möchte.“   Sasuke zuckte mit den Schultern.   „Ich dachte mir, ich gebe Ihnen einen gut gemeinten Rat fürs nächste Mal. Damit Ihnen zumindest die Nachholklausur verbucht werden kann.“   Wieder konnte er ganz genau sehen, wie sich Narutos Miene veränderte. Er war nicht besonders gut darin, seine Emotionen zu verbergen, geschweige denn sie unter Kontrolle zu halten. Sein Kiefer war leicht angespannt und in seinen Augen loderte die Wut. Trotzdem musste er sich zusammenreißen. Er war der Student, Sasuke war sein Professor. Das bedeutete, dass er am eindeutig längeren Hebel saß.   „Und das ging nicht per Mail?“, fragte Naruto mühsam beherrscht.   Demonstrativ wandte Sasuke sich wieder seinem Bildschirm zu und öffnete ein paar Dokumente. Für ihn war das Gespräch an dieser Stelle beendet und er hatte keine Lust mehr, weiter mit seinem Studenten zu diskutieren. Naruto war offensichtlich aufgebracht und hatte wahrscheinlich das Bedürfnis seinem Ärger irgendwie Luft zu machen, aber das war sein Problem. Sasuke würde für ihn nicht das Ventil spielen.  Trotzdem sprach nichts dagegen, ihn noch ein wenig zu provozieren. Wenn Naruto  dann ausrastete, konnte er ihn aus seinem Büro schmeißen und am besten direkt aus dem ganzen Kurs.   „Ich wollte sicher gehen, dass Sie auch verstehen, was ich Ihnen sagen will, Herr Uzumaki“, erklärte er deswegen in einem betont beiläufigen Tonfall. „Was schriftliche Anweisungen angeht, scheinen Sie ja nicht gerade der Versierteste zu sein.“   Aus dem Augenwinkel sah er, wie Naruto empört die Wangen aufblies.   „Ich… was?“, rief er aus. „Wollen Sie damit sagen, dass ich dumm bin?“   Sasuke unterdrückte ein Schmunzeln und hielt den Blick auf den Bildschirm gerichtet.   „Nein, manchmal ist es besser nicht alles auszusprechen, was man denkt.“   Der Körper des Jungen bebte vor unterdrücktem Zorn und er schlug mit der flachen Hand auf die Platte des Schreibtischs. Ein paar vereinzelte Blätter wurden aufgewirbelt. Hauptsächlich Notizen, die Sasuke sich zur Arbeit des Kollegen gemacht hatte. Er warf ihm einen mahnenden Blick zu, zeigte sich ansonsten aber gänzlich unbeeindruckt von der Aktion.   „Hören Sie mal, Professor Uchiha“, zischte Naruto wütend. „Sie sind vielleicht mein Dozent, aber das gibt Ihnen nicht das Recht so mit mir zu reden.“   Eigentlich war genau das der Fall. Dass er sein Dozent war, gab ihm das Recht, ihn wann immer er wollte in sein Büro zu zitieren. Es gab ihm das Recht, ihn so oft er wollte auf seine Unzulänglichkeiten hinzuweisen. Und es gab ihm das Recht, ihn jederzeit durch die Prüfung fallen zu lassen oder ihn sogar aus seinem Kurs auszuschließen. Kurz gesagt, Sasuke konnte tun und lassen, was er wollte, solange er nicht gegen das Gesetz verstieß und Naruto musste damit leben. Er löste den Blick vom Bildschirm und sah seinen Studenten genervt an.   „Professor Doktor Uchiha.“   Naruto sah ihn verwirrt an.   „Was?“   Sasuke stieß resigniert die Luft aus. Sein Student war wirklich ein wenig schwer von Begriff.   „Professor Doktor Uchiha“, korrigierte er dann noch einmal. „So lautet mein vollständiger Titel. Und Sie sind vielleicht mein Student, aber das gibt Ihnen ebenfalls nicht das Recht, in meinen Kursen herumzudilettieren.“   Nicht, dass seine anderen Studenten davon absehen würden, aber dieser hier war schon ein besonders anstrengendes Exemplar. Getreu dem Motto große Klappe nichts dahinter. Beleidigt verschränkte Naruto die Arme vor der Brust und versuchte ihn mit wütenden Blicken zu durchbohren, die jedoch einfach an Sasuke abprallten.   „Das Wort haben Sie sich doch jetzt ausgedacht, damit ich mich dumm fühle“, behauptete er überzeugt.   Als ob er so etwas nötig hätte. Abgesehen davon war Naruto dumm. Daran gab es nichts zu bezweifeln. Allerdings würde er das wohl niemals einsehen.   „Ich muss Sie schon wieder enttäuschen, Naruto. Dieses Wort existiert und ich fürchte, dass ein einzelnes Wort nicht ausreichen wird, um Ihnen zu einer introspektiven Erkenntnis zu verhelfen.“ Demonstrativ warf er einen Blick auf die Wanduhr über der Tür. „Es tut mir auch Leid, aber meine Sprechzeit ist jetzt vorbei und ich muss Sie bitten, mein Büro zu verlassen.“   Natürlich war seine Sprechzeit nicht vorbei. Noch lange nicht. Allerdings hatte er keine Lust sich weiter mit dem Thema zu befassen und wollte stattdessen mit der Arbeit an der Studie vorankommen. Aus irgendeinem Grund schien er nur von Dilettanten umgeben zu sein, denen er erklären musste was sie falsch gemacht hatten und in weniger als drei Stunden hätte er sowieso Feierabend. Gelangweilt wandte er sich wieder seinem Computer zu und überflog nochmal die letzten Zeilen des Dokuments, an dem er vorhin gearbeitet hatte.   „Herr Naruto Uzumaki.“   Verwundert sah er von seinem Bildschirm auf. Er hätte seine Aufforderung ja wohl kaum deutlicher formulieren können, doch Naruto hatte sich keinen Zentimeter von der Stelle gerührt und saß immer noch auf dem unbequemen Plastikstuhl, die Arme vor der Brust verschränkt und die Lippen fest aufeinandergepresst. In seinen Augen blitzte es herausfordernd und er wirkte fast ein wenig überheblich.   „Was?“   Es wunderte ihn, dass der Kerl immer noch nicht genug hatte. Normalerweise waren seine Studenten recht schnell eingeschüchtert, wenn er ihnen die Meinung direkt ins Gesicht sagte und meistens konnten sie es gar nicht erwarten, sein Büro endlich wieder zu verlassen. Mit jeder Minute, die sie hier verbrachten wurden sie stiller, wichen seinen Blicken aus und rutschten nervös auf dem Stuhl hin und her. Aber Naruto war definitiv anders. Er saß noch immer hier, war dabei viel zu zappelig, was jedoch eher an seiner unterdrückten Wut als an der Nervosität lag, und erwiderte seinen Blick standhaft. Auf jeden Fall war er alles andere als kleinlaut. Wohl viel eher vorlaut.   „Für Sie immer noch Herr Naruto Uzumaki“, berichtigte er ihn. „So lautet mein vollständiger Name.“   Sasuke war natürlich nicht entgangen, dass er dabei seinen Tonfall imitiert hatte. Es war respektlos und gleichzeitig auch irgendwie mutig, was ihm eine gewisse Anerkennung abrang. Trotzdem konnte er die offensichtliche Stichelei nicht einfach so hinnehmen und lächelte seinen Studenten spöttisch an.   „Gut, dass Sie ihn zumindest kennen. Dann können Sie Ihren Namen ja auch das nächste Mal in die Klausur eintragen, Herr Naruto Uzumaki.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)