Geschäftsbeziehung von -Zerschmetterling- ================================================================================ Kapitel 1: Wer lügt, hat die Wahrheit immerhin gedacht. ------------------------------------------------------- Sasuke Uchiha war ein Mensch, der tat, was getan werden musste. Ohne mit der Wimper zu zucken. So war es schon immer gewesen. Angefangen in der Schulzeit, als er Narutos Klausuren gleich mit ausgefüllt hatte, bis hin zum heutigen Tag, an dem er seiner Mutter ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, eiskalt ins Gesicht gelogen hatte. Die Lüge war absurd. Nichts, was ein Mensch, der ihn auch nur halbwegs kannte, glauben könnte, doch sie hatte es geglaubt. Und wenn er ehrlich war, gab es auch nicht besonders viele Menschen, die ihn wirklich kannten.   Eigentlich sollte er wohl einfach nur erleichtert sein, dass seine Eltern es geschluckt hatten. Nur musste er seinen Worten nun Taten folgen lassen. Für ihn selbst war das zwar kein Problem, aber Naruto würde wohl protestieren und das bedeutete, dass er mit dem Idioten eine Diskussion führen musste, worauf er nun wirklich keine Lust hatte. Seufzend steckte er den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn herum. Aus dem Wohnzimmer konnte er überdrehte Stimmen hören, die darauf hindeuteten, dass Naruto sich mal wieder irgendeinen Schwachsinn im Fernsehen ansah.   Vielleicht sollte er sich den Stress einfach sparen und direkt von vornherein seine Trumpfkarte ausspielen. Immerhin wohnte sein bester Freund bei ihm und würde ohne sein Wohlwollen längst auf der Straße sitzen. Die meisten hätten Sasuke so ein soziales Verhalten gar nicht zugetraut, am allerwenigsten er selbst, aber als Naruto schließlich mit gepackten Koffern vor seiner Tür gestanden hatte, hatte er nur geseufzt und ihn hereingelassen. Es war Winter. Es war kalt. Und er hatte einen schwachen Moment gehabt. Vielleicht war dieser Moment ja jetzt im Nachhinein doch noch zu etwas gut. Manch einer würde es Erpressung nennen, er nannte es vorausschauendes Management von Gefälligkeiten.   In einer fließenden Bewegung schlüpfte er aus seinen Schuhen und hängte dann die Jacke an den Garderobenständer. Naruto musste ihn bereits gehört haben, denn er steckte neugierig den Kopf aus dem Wohnzimmer und bekam kurz darauf leuchtende Augen, als er sah, dass Sasuke etwas vom Asiaten mitgebracht hatte. Ja, diesmal hatte er sich vorbereitet, denn wenn man Naruto mit irgendetwas besänftigten konnte, dann war es Essen. Es knisterte leise, als er die dünnen Papiertüten auf dem Tisch abstellte und der Duft breitete sich sofort im ganzen Raum aus. Es roch nach gebratenen Nudeln und gebackenem Hähnchen. Vor allen Dingen aber roch es nach Fett.   „Ah, Sasuke, du bist der Beste“, jubelte Naruto begeistert und stürzte sich sofort auf die Tüten.   Er strahlte über das ganze Gesicht und hatte offensichtlich gute Laune. Noch. Sasuke entschied, dass er ihm bis nach dem Essen eine Schonfrist gewähren würde, aber danach mussten sie über das Thema reden. Viel Zeit blieb ihnen nicht mehr und es hatte keinen Sinn das Ganze unnötig aufzuschieben, also wollte er es so schnell wie möglich hinter sich bringen.   Natürlich reagierte Naruto genauso, wie  er es erwartet hatte.   „Du hast was?!“   Sasuke seufzte entnervt und schloss die Augen. Es war nicht so, dass Naruto ihn nicht verstanden hatte, denn das hatte er definitiv. Die Akustik in ihrer Wohnung war ausgezeichnet und Sasuke hatte extra den Ton des Fernsehers leiser gestellt, damit er in Ruhe mit seinem besten Freund reden konnte. Er wollte ihn wohl einfach nicht verstehen. Oder er hoffte, er hätte sich verhört. Hatte er aber nicht. Dass es kein besonders erfreuliches Gespräch werden würde, war vorauszusehen gewesen, aber er machte es ihm nun wirklich nicht gerade leicht.   „Ich habe meinen Eltern gesagt, dass wir beide ein Paar sind“, wiederholte er leicht gereizt.   Er mochte es nicht, wenn er sich wiederholen musste. Das tat er nur äußerst ungern. Auch in der Firma achtete er darauf klare Anweisungen zu geben, damit er sich später nicht mit tausenden von dummen Fragen herumschlagen musste. Unglücklicherweise war Naruto der König der dummen Fragen und das stellte er gerade mal wieder eindrucksvoll unter Beweis.   „Aber warum?“   Die Antwort war einfach. Sasuke war ohne es zu ahnen in eine Falle getappt. Ein Krisengespräch, das ihn einige Nerven gekostet hatte und noch immer konnte er Itachi nicht verzeihen, dass er ihn vorher nicht gewarnt hatte. Er war vollkommen unvorbereitet gewesen und hatte dementsprechend recht wenige Argumente vorbringen können. Die Problematik war in seinen Augen absurd, aber noch viel absurder war die Lösung, die sein Gehirn spontan ausgearbeitet hatte. Eine Kurzschlusshandlung, in Anbetracht der Tatsache, dass er seinen Posten verlieren könnte.   „Ich habe dir schon mal gesagt, dass es um meine Beförderung ging.“   Sasuke massierte sich den Nasenrücken. Das hier war ganz eindeutig nicht sein Tag. Vielleicht sollte er das Gespräch mit Naruto an der Stelle abbrechen, eine entspannende Dusche nehmen und dann früh ins Bett gehen. Es hatte einfach keinen Sinn mit dem Idioten zu diskutieren, er würde es sowieso nicht verstehen. Momentan begriff Sasuke ja noch nicht mal selbst so richtig, was da genau geschehen war und wie es soweit kommen konnte. An sich war er ein sehr rationaler und besonnener Mensch, aber unter dem schneidenden Blick seines Vaters, hatte er schließlich doch die Fassung verloren. Ein wenig. Und auch nur innerlich. Aber es war passiert und deswegen befand er sich jetzt in dieser äußerst unkomfortablen Situation.   „Warum wollen deine Eltern denn überhaupt unbedingt, dass du in einer Beziehung bist?“, fragte Naruto verzweifelt.   Verzweifelt war genau das richtige Wort. Sasuke hatte ihm praktisch keine Wahl gelassen, hatte ihn nie gefragt, ob er damit einverstanden war, seinen Fake-Freund zu spielen. Naruto schuldete ihm etwas und Sasuke war sich nicht zu schade, es einzufordern. Aber auch seine Familie hatte ihm keine Wahl gelassen. Wenn er den Posten als Geschäftsführer wollte, musste er sich wohl oder übel in feste Hände begeben.   „Es geht um das Bild, das die Geschäftspartner von mir haben werden“, Sasuke schob die Decke ein wenig  zur Seite und setzte sich dann neben Naruto auf die Couch. Das hier konnte noch ein wenig länger dauern. „Mein Vater ist der Meinung, dass es den Eindruck erwecken könnte, als wäre ich kein stabiler und verlässlicher beruflicher Partner, wenn ich ledig bin und noch nicht einmal sowas wie eine längerfristige Beziehung habe.“   Narutos Blick drückte genau das aus, was er auch selbst dachte. Eine Beziehung auf geschäftlicher Ebene war ja wohl kaum mit einer romantischen Beziehung zu vergleichen und solange Sasuke Ergebnisse lieferte, hatten die Geschäftspartner keinerlei Gründe seine Kompetenz in irgendeiner Hinsicht anzuzweifeln. Und er lieferte ausgezeichnete Ergebnisse. Seit er vor einem Jahr begonnen hatte, die verschiedenen Abteilungen des Unternehmens zu durchlaufen, waren die Gewinne systematisch angestiegen, was vor allem an den strukturellen Verbesserungen lag, die er vorgenommen hatte. Die Arbeit war sein Leben und es hatte einen Grund, dass er so gut war. Er steckte alles da hinein und so etwas wie eine Beziehung würde ihn nur ablenken.   „Aber warum musstest du dann mich da mitreinziehen?“, jammerte Naruto.   Sein Gesicht war zu einer unglücklichen Grimmasse verzogen, doch wenn er auf Mitleid spekulierte, stand er auf verlorenem Posten. Denn Sasuke hatte kein Mitleid mit ihm.   „Es war die plausibelste Lösung“, antwortete er schlicht.   Obwohl es äußerst seltsam war sich das einzugestehen, entsprach es tatsächlich der Wahrheit. In Sasukes Umfeld gab es nicht besonders viele Menschen, mit denen er es länger als zwei Stunden am Stück aushielt. Die meisten gingen ihm schon nach kürzester Zeit so massiv auf die Nerven, dass er jeglichen Folgekontakt möglichst vermied. Noch weniger Menschen hatten es geschafft, sich tatsächlich seinen Respekt zu erarbeiten. Naruto war zwar ein Idiot, aber sein Durchhaltevermögen hatte ihn schon immer irgendwie beeindruckt. Obwohl es meistens keine zwanzig Sekunden dauerte, bis er ihm auf die Nerven ging, konnte er ihn seltsamerweise ohne Probleme in seiner Nähe ertragen. Sein bester Freund war das größte Paradoxon in Sasukes Leben.   „Plausibel?“, Naruto zog ungläubig eine Augenbraue nach oben. Aus seinem Mund hörte sich das Wort irgendwie falsch an. „Wir sind beide kein bisschen schwul und kennen uns schon seit der Grundschule. Was ist daran bitte plausibel?“   Die Antwort war einfach. Nichts. Trotzdem hatten seine Eltern ihm die Geschichte abgekauft und das war das Wichtigste. Mehr noch, seine Mutter hatte fast schon erleichtert gewirkt. Es war einfach nicht in ihren Kopf gegangen, dass Sasuke mit seinem Leben auch ohne Partnerschaft zufrieden war. Die Arbeit machte ihn glücklich. Allein zu sein machte ihn glücklich. Er brauchte keine verdammte Beziehung. Aber all das wollte sie einfach nicht verstehen. Stattdessen hatte sie die Vermutung aufgestellt, dass er schwul sein könnte und hatte ihm versichert, dass es für sie kein Problem wäre.   Es war richtig, dass er kein Interesse an Frauen hegte, aber genau dasselbe traf auch auf Männer zu. Er hatte einfach nicht das Bedürfnis, seine Zeit mit sinnlosen zwischenmenschlichen Interaktionen zu vergeuden und sich von einer anderen Person abhängig zu machen. Nicht das Geschlecht war das Problem, sondern das Konzept Beziehung an sich. Dennoch war er auf den Zug aufgesprungen und hatte es sich einfach gemacht, indem er ihre Theorie einfach bestätigt hatte: Naruto war sein fester Freund. Aus diesem Grund waren sie auch zusammengezogen und er hatte sich bisher einfach nicht getraut, mit seinen Eltern darüber zu sprechen. Problem gelöst.   „Es geht nicht darum, dass es für uns plausibel ist, Naruto“, erklärte er ungeduldig. „Die Leute aus dem Vorstand müssen uns die Sache einfach nur abkaufen und sobald ich zum Geschäftsführer ernannt wurde, können wir das Theater auch wieder beenden.“   Naruto sah ihn skeptisch an. Er wusste, dass er im Prinzip keine Wahl hatte und doch schien er sich nicht wirklich damit abfinden zu wollen.   „Und wann ernennen sie dich zum Geschäftsführer?“   Schmunzelnd rutschte er ein Stück näher an Naruto heran und legte ihm eine Hand auf den Oberschenkel.   „Das hängt ganz davon ab, wie überzeugend wir sein können, mein Liebster.“   Sasuke Uchiha war ein Mensch, der tat, was getan werden musste. Das fing damit an, dass er extra nach der Arbeit beim Asiaten vorbeifuhr und etwas zu Essen für sie besorgte und endete damit, dass er ohne mit der Wimper zu zucken seinen besten Freund dazu zwang, eine Beziehung mit ihm vorzutäuschen, selbst wenn dieser gerade ein Gesicht machte, als würde er seine gebratenen Nudeln jeden Moment rückwärts wieder nach oben befördern. So war es schon immer gewesen und so würde es auch immer sein. Die Lüge war absurd, aber er würde dafür sorgen, dass man sie ihnen glaubte.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)