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Christmas in a Lion‘s Den

FF-Adventskalender Tag 2
von

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The First Lion


 

„Dad hat mir sicher dieses Kleid mit den schwarzen Pailletten auf dem Dekolletee gekauft“, sagte Narcissa in die Stille während sie die Große Halle und einen immer noch frühstückenden Frank hinter sich ließen. „Es ist cremefarben mit einem schlanken, schwarzen Bund um die Taille. Der Rock fällt glatt und schimmert im Kerzenlicht. Ich habe ihm extra Bilder aus dem Katalog in meinen letzten Briefen beigelegt. Sonst schnallt er das immer nicht. Als ich das in meinem zweiten Jahr vergessen habe, hat er mir diesen furchtbaren, waldgrünen Umhang geschenkt. Ich sah in dem Teil aus wie ein Tannenbaum und ich musste ihn den ganzen Weihnachtsabend über tragen.“

Rufus kam sich unglaublich blöde vor.

In seiner Umhangtasche wartete der Brief, den er an seine Mutter schicken wollte, darauf, an ein Eulenbein gebunden zu werden. Er hatte ihr versprochen, ihr zu schreiben, schon als er ihr gestanden hatte, dass er über die Ferien in Hogwarts bleiben wollte, um für seine OWL zu lernen. Natürlich, seine Mutter wusste, dass das nur die halbe Wahrheit war.

„Andromeda hat mir die Ohrringe bestellt, die wir in den Sommerferien bei Gleamings in der Winkelgasse gesehen haben. Ich hab die Quittung in die Finger gekriegt.“

Es war nicht fair seine Mutter auf der großen Feier, auf die Onkel Brutus und sein mindestens genauso verrückter Vater mit Pech die halbe Quidditchliga einluden, allein zu lassen. Sie war geknickt gewesen, das hatte er ihr angesehen, als sie sich auf dem Bahnsteig von ihm verabschiedet hatte.

„Meine Mutter hat vermutlich wieder alles durchgeplant“, fuhr Narcissa fort. Gedankenverloren drehte sie eine ihrer blonden Strähnen auf ihren Zeigefinger. Mittlerweile hatten sie die große Treppe erreicht. „Das Geschenk. Das Geschenkpapier. Die Schleife um das Paket. Der Zeitpunkt, zu dem sie mir das Geschenk überreichen will.“

Er liebte seine Mutter. Irgendwie liebte Rufus sogar seinen Vater und das, obwohl er ihm beinahe alle Knochen gebrochen hatte, als er ihn mit vier Jahren auf seinen ersten, eigenen Sauberwisch gesetzt hatte. Aber noch so ein Fest wie die letzten vierzehn hielt er nicht aus.

„Von Onkel Orion und Tante Walburga habe ich mir einen neuen Teppich gewünscht. Letztes Jahr Silvester hat mir Regulus auf meinen alten gereihert und nicht einmal der Hauself hat die Flecken rausbekommen. Er sagt, Sirius habe ihm einen komischen Trank in den Kürbissaft gekippt, aber ich wette mit dir, das war Elfenwein.“

Nein, wenn er schon nicht anwesend war, verdiente seine Mutter wenigstens diesen Brief. Es war ein dicker Brief. Er enthielt einen langen Bericht über seine Zeit als Vertrauensschüler und über den Unterricht. Er hatte ihr von Frank geschrieben und von der Zweitklässlerin, die ihn vor einer Woche auf malaiisch nach dem Weg gefragt hatte. Angesichts des Briefs, den Narcissa in der letzten halben Stunde am Slytherintisch aufgesetzt hatte, ohne ihren Toast auch nur anzurühren, wirkten die zehn Seiten in seiner Umhangtasche irgendwie lächerlich.

„Bella schenkt mir sicher einfach irgendwas. Das tut sie immer. Vermutlich ist es schwarzmagisch. Entweder das, oder es glitzert. Hey, vielleicht ist es schwarzmagisch und glitzert, gleichzeitig!“

Rufus schluckte. Er ahnte, auf welchen Punkt dieses Gespräch zusteuerte und er wünschte sich längst, Frank hätte seinen zweiten Gang Rührei stehen lassen und ihn begleitet.

„Tinkerbell schenkt mir höchstens ein Häufchen unter Lestranges bestem Drachenlederschuh.“

„Ich dachte“, warf Rufus ein, während er über eine Trickstufe hinweg stieg, „du magst Lestrange nicht sonderlich?“

Rufus kannte Rodolphus Lestrange nur aus Erzählungen. Er hatte Hogwarts abgeschlossen, noch bevor Rufus eingeschult worden war, aber vermutlich war das kein Verlust. Nach allem, was er wusste, war Lestrange Schulsprecher von Slytherin gewesen und arbeitete mittlerweile für das Wizengamot. Einmal war er mit einem Bericht über die Kriminalität von Muggelgeborenen im Propheten gewesen, aber Rufus gab da nicht viel drauf. Dass er vor ein paar Wochen Narcissas ältere Schwester geheiratet hatte, wusste er nur, weil Narcissa ihm Tagelang mit ihrer Kleiderplanung in den Ohren gelegen hatte.

Neben ihm schnalzte Narcissa mit der Zunge.

„Natürlich mag ich Lestrange nicht sonderlich. Bella und er haben die romantische Anziehung einer toten Katze.“

Gerne hätte Rufus behauptet, dass ihn das verwunderte, oder zumindest, dass Lestrange dafür verantwortlich zu machen war, wenn diese Ehe scheiterte, aber nach allem, was er in den letzten Jahren von Narcissas Schwester mitbekommen hatte, brachte er das nicht über sich.

Sie erreichten den letzten Absatz und bogen in den Gang ein, der sie zum Westturm bringen würde.

„Aber das ist nicht der Punkt.“

„Ich weiß“, antwortete er. Er vermied es, sie anzusehen. Rufus wusste, dass sie abwechselnd die Fäuste ballte und dann wieder eines der Portraits an den Wänden anstarrte, als habe es ein Dreijähriger mit den Überresten seines Goldfischs gemalt. Das hatte sie bereits auf der Treppe getan.

„Ich habe mich auf Weihnachten gefreut.“

Nein, du hast dich auf die Geschenke gefreut, dachte Rufus, hütete sich aber davor, es auszusprechen. Über das langweilige Weihnachtsfest, das ihr jedes Jahr mit den übrigen Blacks feiert, regst du dich auf, seit es dir zu langweilig geworden ist, dich über die Hochzeit deiner Schwester zu beschweren.

„Ich weiß“, sagte er stattdessen. „Sieh es so – stattdessen feierst du jetzt eben mit uns.“

Narcissa kicherte, aber es wirkte zu schrill, als dass sie wirklich belustigt hätte sein können.

„Mit euch und Lady Sapphire“, antwortete sie. „Und vielleicht mit Stevey Laughalot, wenn er bis dahin nicht an seinem Besen festgefroren ist. Es wird bestimmt toll. Ihr feiert in eurem Gemeinschaftsraum und stopft Süßigkeiten aus dem Honigtopf in euch rein, und ich feiere in meinem Gemeinschaftsraum und höre mir die hundert besten Fouls der Slytherinhausmannschaft an.“

Unwillkürlich sah Rufus fort.

„Wir können uns gerne in der Großen Halle treffen“, bot er an, schalt sich aber im nächsten Moment einen Narren. Natürlich konnten sie sich außerhalb der Gemeinschaftsräume treffen. Aber letztendlich, das wusste Rufus auch, lief es darauf hinaus, dass sie die Abende mit ihren verbliebenen Hauskameraden verbrachten. Für Rufus war das nicht so wild, immerhin war Frank in seinem Haus, aber für Narcissa? Sein Weihnachtsfest allein mit einer Katze und einem Quidditchidioten zu verbringen, war auch für Rufus keine sonderlich anziehende Aussicht.

Aber er würde Narcissa kaum in den Gemeinschaftsraum von Gryffindor schmuggeln können. Das gehörte sich nicht, erst recht nicht für einen Vertrauensschüler.

Missmutig blickte er zu den Portraits, die sie passierten. Trotz Narcissas finsterer Blicke interessierte sich kaum eines der Bilder für sie. Eine Hexe zauberte Mistelzweige von einer Ecke ihres Bilderrahmens zur anderen und warf ihnen nur über ihre Schulter einen skeptischen Blick zu. Im Bild daneben schlief eine Gruppe Zauberer ihren letzten Rausch aus. Ein leerer Weinkelch rollte zwischen ihnen umher, wann immer einer Schlafenden ihn versehentlich anstieß.

Nur ein junger Mann, ein paar Bilderrahmen weiter, erwiderte seinen Blick. Dunkle Haare umrahmten sein Gesicht und als sie näher kamen, erkannte Rufus eine ganze Armee von Sommersprossen. Der Mann trug eine Tunika, die Rufus mit den mäßigen Geschichtskenntnissen, die Professor Binns in seinem Unterricht zu vermitteln vermochte, als frühmittelalterliche Muggelkleidung einordnete. In seinen Händen hielt er einen Bogen, aber an seinem Gürtel hing neben einem Köcher auch ein Zauberstab. Der Mann im Portrait hob fragend die Augenbrauen. Kurz sah er so aus, als wollte er etwas sagen, doch dann grinste er nur anzüglich.

Entnervt wandte Rufus den Blick ab.

Ein paar Portraits, die Rufus sich nicht ansah, später, erreichten sie die Eulerei. Rufus wollte die Tür öffnen, doch Narcissa schob sich an ihm vorbei. Die Hand auf der Klinke, hielt sie inne. Rufus spürte, dass sie ihn ansah. Dieses Mal erwiderte er den Blick.

„Sie werden mich nicht dafür enterben“, sagte sie, doch sie klang nicht so sicher, wie sie es sollte.

„Dafür, dass du Weihnachten schwänzt?“ Rufus schüttelte den Kopf. „Nein.“

„Aber sie werden enttäuscht sein.“

„Mein Vater wird toben“, warf er ein. „Er wirft wieder eine seiner Feiern.“

„Er erwartet, dass du dich mit den richtigen Leuten anfreundest, oder?“

„Er erwartet, dass ich einen Vertrag bei den Montrose Magpies unterschreibe.“

Er spürte, wie sie ihn musterte – die dicken Brillengläser, die Pickel, gegen die sie sicher dreitausend Weghexzauber kannte, die Nase, die seit dem letzten Quaffel ein wenig schief war.

„Bevor du bei den Magpies unterschreibst, wirst du Auror, Rufus.“

Er wollte ihr bereits zustimmen – bevor Rufus bei den Magpies unterschrieb, würde er auch einen Job im Fahrenden Ritter nehmen – stockte dann aber doch.

Er und Auror?

Auror?

Einen Moment lang starrte er sie an. Wie kam sie bitte auf den Gedanken? Sicher, er brachte die soliden Noten, die für den Job nötig waren, aber ansonsten hatte er kaum die notwendigen Qualifikationen. Sie würden ihn allein schon wegen seiner schlechten Augen nicht zulassen. Dass er in der vierten Klasse mal einem Fünftklässler alle Haare vom Kopf gehext hatte, würde wohl kaum als Ausgleich reichen.

Er schüttelte den Kopf.

„Davor nehmen sie Frank.“

Frank. Vielleicht war das tatsächlich etwas für seinen Freund. Eher zumindest als für Rufus. Einen Augenblick lang stellte er sich Frank vor, wie er in einer Aurorenuniform durch dunkle Gassen jagte und Schwarzmagier verhexte. Rufus hätte es beinahe glauben können – hätte er sich nicht an den heutigen Morgen erinnert und an all die Morgen davor. Es war nicht der erste gewesen, an dem Frank, auf der Jagd nach seinem Wecker, erst ein Loch in seinen Baldachin geflucht und sich dann zur Krönung auch noch heillos in seinem Bettlaken verknotet hatte, aber einer der spektakulärsten.

Erneut trafen sich ihre Blicke, dann lachten sie beide.

Narcissa verstummte, plötzlich. Sie zog die Augenbrauen hoch, ihr Blick war eher irritiert als fragend.

„Die Tür ist abgeschlossen.“

Immer noch halb lachend stockte auch Rufus.

„Das kann nicht sein.“

Bereitwillig hob Narcissa die Hand von der Klinke und trat einen Schritt zurück. Eine auffordernde Handbewegung später verschränkte sie die Arme vor der Brust und wartete.

Unter ihrem skeptischen Blick griff Rufus seinerseits nach der Klinke und drückte sie hinunter – nur um festzustellen, dass er sie nicht hinunterdrücken konnte. Er rüttelte an ihr.

Nichts geschah.

„Das kann nicht sein“, murrte er erneut, dieses Mal mehr zu sich selbst als zu Narcissa. „Wer schließt bitte die Eulerei ab? Wer hat überhaupt einen Schlüssel?“

Automatisch ging er die Reihe der infrage kommenden Personen durch, Professor Dumbledore, die Hauslehrer, Mr Filch. Professor Kesselbrand, wenn es hoch kam. Vielleicht die anderen Lehrer, aber eigentlich konnte er sich keinen Reim darauf machen, was beispielsweise Professor Spavin mit dem Zutrittsrecht zur Eulerei wollte. Soweit er wusste, hatte sie nicht einmal eine eigene Eule, nur ne Allergie.

Und Schüler waren noch unwahrscheinlicher.

Er knurrte.

Wenn das ein Streich war, dann war es kein guter. Rufus zog den Zauberstab.

„Alohomora!“, befahl er, doch nichts geschah. Nicht beim ersten Versuch. Nicht beim Zweiten. Den Dritten verkniff er sich, nicht nur, weil Narcissa die Nasenflügel aufblähte.

 

Fünf Minuten später wusste Rufus, dass sich diese Tür nicht bewegen würde. Nicht mit den drei dutzend Öffnungszaubern, die er während seiner Schulzeit gelernt hatte, nicht einmal mit dem für fest verschlossene Einmachgläser und erst recht nicht mit gutem Willen. Finster starrte er die Tür an, doch sie blieb unbeeindruckt. Seine nächste Aktion war, angesichts der Tatsache, dass er immer noch Rufus Kann-die-Regeln-auch-rückwärts Scrimmy war, ungewöhnlich, aber zumindest sehr gryffindorig. Er verlagerte sein Gewicht auf ein Bein und holte mit dem anderen aus.

Einen Augenblick später stieß er einige Worte aus, für die er anderen Schülern Sätze aufgegeben hätte. Seine Augen tränten.

Hinter ihm lachte es. Tief, schadenfroh und eindeutig nicht Narcissa – was kein Wunder war, denn die war klug genug, das Kichern hinter ihrer Hand zu verstecken. Rufus warf einen Blick über seine Schulter. Der Mann mit dem Bogen hatte den Rahmen gewechselt. Er hatte sich ein Bild mit der Unterschrift Vergil Rosier IV. ausgesucht, von dem aus er eine perfekte Aussicht auf ihre Bemühungen hatte, und fläzte auf Vergils verlassenem Ohrensessel.

Rufus verdrehte die Augen.

Neben ihm ließ auch Narcissa den Zauberstab sinken.

„Das“, zischte sie, „ist nicht witzig.“

Kurz sah er ihren Blick zu dem Portrait hinter ihnen flackern, mit diesem Funkeln, das bei ihr normalerweise entweder einen fiesen Fluch oder einen Überfall mit ihrer verhexten Puderquaste bedeutete. Dann verschränkte sie die Arme vor der Brust.

Hinter sich hörte er den Zauberer etwas rufen, das er ihm nicht sonderlich englisch vorkam, aber verdächtig wie ein Sprengzauber klang. Rufus blendete ihn aus. In den Schulregeln gab es keine vorgeschriebene Strafe für Schüler, die die Tür zur Eulerei sprengten, aber Rufus hatte keinen Bedarf, zum Präzedenzfall zu werden.

„Vielleicht ist es besser so“, sagte Narcissa neben ihm, den Blick stur auf das Schloss vor sich gerichtet. „Wenn meine Mutter die Eule heute Abend nicht mehr bekommt, kann sie mich heute Abend auch nicht erwürgen.“

Rufus blickte ebenfalls auf das Schloss. Auch wenn er es in den letzten Minuten bereits drei Mal getan hatte, beugte er sich auf Schlüssellochhöhe und spähte hindurch. Nichts. Von der anderen Seite steckte kein Schlüssel und auch sonst nichts, was das Schloss blockieren konnte. Eigentlich sah er durch das Loch nur einen Haufen Eulenmist.

„Sondern erst morgen früh?“, fragte er beiläufig.

Narcissa schnaubte.

„Nicht hilfreich, Scrimmy. Nicht. Hilfreich.“

Er erwiderte ihren Blick mit einem finsteren Starren, doch sie entschuldigte sich nicht für den verhassten Spitznamen.

Stattdessen schob sie ihn zur Seite, um ihrerseits das Schloss zu betrachten. Auch das hatte sie bereits drei Mal getan, aber er ließ sie gewähren. Wenn sich die Tür nicht bald öffnen ließ, das wusste er, würden sie einen Lehrer holen müssen. Vor seinem inneren Auge sah er sich bereits in Professor McGonagalls Büro, wie er seiner Hauslehrerin erklärte, dass eine Tür sie ausgesperrt hatte, und ehrlich – er konnte darauf verzichten.

„Alohomora!“, murrte sie neben ihm. Die Zauberstabbewegung war akkurat - aber die Tür war stur. „Portaberto! Sesam öffne dich!“

Die Tür wackelte in ihrer Verankerung, doch die Unzerbrechbarkeitszauber, die auf ihr lagen, taten ihren Job.

Diesmal war es Narcissa, die mit einem ihrer auf Hochglanz polierten Stiefel gegen die Tür trat.

„Verdammter Drachendreck!“, zischte sie. „Nichts funktioniert. Diese verfluchte Tür sitzt so fest wie – oh.“

„Wie ... oh?“

„Oh, diese kleine Pestbeule! Dieses Mal ist er fällig!“

Vorsichtshalber trat er einen Schritt zur Seite. Er kannte den Tonfall, er kannte die Puderquaste, die ihm normalerweise folgte und er kannte das Gefühl, an blauem Glitzerpuder zu ersticken. Rufus räusperte sich.

„Narcissa?“

„Wenn ich ihn erwische, werde ich ihn kopfüber an den Uhrenturm hängen! Und dann werde ich-“

„An den großen oder an den kleinen Zeiger?“

Sie stockte und wandte sich endlich von der Tür ab Von der und vom Zetern. Immerhin antwortete sie nicht, wie Frank es zweifelsohne getan hätte, mit „Hä?“, aber das Wort stand ihr förmlich ins Gesicht geschrieben.

„Erhell mich, Cissy. Wer ist die Pestbeule und was hat sie getan?“

„Mein Cousin“, spie sie förmlich aus. Rufus schloss die Augen. Er hasste ihren Cousin. „Die Tür ist nicht verschlossen.“

„Nicht?“

„Nein. Es gibt drei Dinge, die in der Familie Black seit Generationen vererbt werden. Das gute Aussehen. Das Temperament. Und“, sie hob den Zauberstab, „das Talent für Klebeflüche.“

Narcissa hexte.

Das Schloss wackelte. Ein schmatzendes Geräusch drang aus dem Schlüsselloch. Es klang ein wenig, als sei er in eine Schüssel voller Flubberwürmer getreten. Dann knirschte etwas.

Als Narcissa die Hand erneut auf die Klinke legte, gab sie nach, als sei sie schon die ganze Zeit offen gewesen. Das Schloss klickte, dann glitt die Tür nach innen auf und gab den Blick auf ein steinernes Regal mit einem Dutzend Sitzstangen frei. Schneeflocken flogen durch die offenen Fenster und fast bis zur Tür. Auf dem Boden mischten sie sich mit Eulendreck und Federn.

Es fehlte nur ein kleines, winziges Detail zu ihrem Glück – die Eulen. Kein einziges Tier hockte auf den Stangen. Dafür lagen Röhren in den Regalen, lang und bunt, auf dem einen Ende steckte eine Spitze, in dem anderen ein langer Holzstab, mit denen man sie in den Boden oder in eine Halterung schieben konnte.

Einen Moment lang starrte Rufus nur. Dann öffnete er den Mund, doch kein Ton kam heraus. Er schloss ihn wieder.

„Rufus?“, fragte Narcissa ihn. Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Irgendwo in dem Gemisch von Kot und Mäuseskeletten zischte es. „Gibt es Silvester eigentlich ein Feuerwerk?“

„Nein“, antwortete er. Sein Mund fühlte sich seltsam trocken an. In einem der Regale, die er nicht sehen konnte, begann es ebenfalls zu zischen. Es klang beinahe, wie eine Schlange. „Ich glaube, das fällt dieses Jahr aus.“

Neben ihm sprang Narcissa zur Seite. Er ließ sich einfach fallen. Dann explodierte der erste Böller.

 

Weitere Explosionen folgten. Raketen zischten und zerbarsten in goldenem und silbernem Feuerwerk. Eulenscheiße wirbelte durch die Tür und der Schädel von etwas, das eine Fledermaus gewesen sein mochte, kullerte hinterher. Ein Feuerwerkskörper schaffte es aus der Tür. Er erwischte Rufus fast, schlug dann einen Haken und brannte sich mit blauen Funken in das Portrait von Vergil Rosier. Ob der Mann mit dem Bogen sich hatte in Sicherheit bringen können, interessierte Rufus nicht – er war zu beschäftigt damit, von der Tür wegzurobben und sich die Hände auf die Ohren zu drücken.

Die Raketen, die der ersten folgten, zählte er nicht. Zu viel war der Lärm, das Licht, das Beben des Bodens.

 

Irgendwann war es vorbei. Nachdem der letzte Böller verstummte, legte sich Stille auf die Eulerei. Man hätte ein Gespenst schweben hören können.

Vorsichtig nahm Rufus eine Hand von seinem Ohr und lauschte, doch alles blieb still. Er warf einen Blick hinter sich, den Flur hinab. Dort, wo er vor kurzem noch gestanden hatte, hatte sich etwas in den Boden gebrannt. Ein paar grüne Funken glommen dort noch immer. Vergils Portrait hatte es von der Mauer gerissen. Überall waren Brandflecke.

Narcissa lag auf der ihm gegenüberliegenden Seite der Tür flach auf dem Bauch, die Hände über dem Kopf. Ihre Haare standen in alle Richtungen ab und eine Ladung Kot hatte den Saum ihres Umhangs erwischt.

„Ich bring ihn um“, wimmerte sie.

Er musste nicht fragen, wen sie meinte, und er war anderer Meinung.

„Nicht, wenn ich ihn zuerst erwische.“

„Du wirst ihn aber nicht zuerst erwischen. Das werde ich tun“, murrte Narcissa weiter. „Und dann werde ich ihn erwürgen. Ihn von seinen eigenen Pickeln fressen lassen. Vierteilen werde ich ihn!“

Sie brach ab. Rufus hörte sie schlucken, laut und verzweifelt klang es fast, als würde sie ersticken.

„Sieh es so – wenn deine Mutter den Brief heute Abend noch nicht erhält, wird sie dich heute Abend noch nicht vierteilen.“

„Nein, erst morgen früh.“

Rufus hörte sie schniefen. Einen Augenblick lang starrte er Vergil Rosiers Bilderrahmen an. Das Bild lag mit dem Gesicht auf dem Boden, doch das Feuerwerk hatte sich durch die Leinwand gebrannt.

„Weißt du“, sagte er, „es gibt da diese uralte Schulregel. Sie schreibt vor, dass Schüler unverheiratet sein müssen, um Hogwarts besuchen zu dürfen.“

„Rabastan hat mir davon erzählt, ja“, flüsterte sie.

„Na also. Mach dir keine zu großen Sorgen, ja?“

Es dauerte einen langen Augenblick, bevor Narcissa antwortete.

„Würde ich ja gern.“ Sie klang bitter. „Aber weißt du, meine Eltern haben keinen Hogwartsabschluss.“
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: _Delacroix_
2015-12-04T12:50:51+00:00 04.12.2015 13:50
Rufus!^^
Ich mag das Trio, aber das weißt du ja auch ohne das ich es erwähne. 
Wie dem auch sei, ich freu mich auf den nächsten Teil.
Antwort von: Arcturus
18.12.2015 14:01
Ich weiß, dass du das Trio magst. Wir sind ja auch beide Schuld dran. |D
Von: abgemeldet
2015-12-04T11:40:18+00:00 04.12.2015 12:40
Wenn ich nicht gerade so beschäftigt wäre über diese Feuerwerksaktion zu lachen, würden mir Rufus und Cissy ja Leid tun!
*räusper*
Ich fand den Angang schon sehr interessant vom Aufbau her. Dieser Wechsel zwischen Cissys Monolog und Rufus' Gedanken hat wirklich was für sich. Allgemein gefällt mir der EInblick in seine Gedanken, die so viel über ihn und seine Beziehung zur Familie und seinen Freunden verraten.
Ich bin auf jeden Fall unheimlich neugierig, wie diese Geschichte weitergehen wird, die Charaktere sind mir unheimlich sympathisch, so wie du sie darstellst =D Kann's kaum erwarten!
Antwort von: Arcturus
18.12.2015 14:03
Ach, Rufus und Cissy sind Kummer gewöhnt. xD

Vielen Dank jedenfalls für deinen Kommentar. Freut mich zu hören, dass die Szene am Anfang so gut rüber kommt. :)

lG
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