Besuch aus Amerika von phean ================================================================================ Kapitel 60: Tanzen ------------------ Samstag, 28. Dezember „Wenn ich nicht mit dir reden will?“, stellte Michael monoton die Gegenfrage. Mimi holte tief Luft. Sie hasste solch ein Gerede und nach dem Gespräch mit Koushiro hatte sie wieder Mut gefasst. Mut, den sie zuvor verloren glaubte. Sie schmunzelte, als sie an das Wappen dachte, wurde aber ebenso wieder betrübt. Das Wappen hatte sie verloren. „Dann kann ich vermutlich nichts dagegen machen“, murmelte sie, fasste sich dann aber wieder und sprach ernst weiter, „dann sage ich das, was ich zu sagen habe Betamon und ich weiß, dass du dich sowieso nicht vom Fleck bewegen wirst, wieso also die Mühe machen?“, brummte sie dann verärgert. „Dann hättest du dich ja gleich einfach nur setzen können“, träge hob er den Kopf. Sein Blick verriet seine Gefühle. Mimi versetzte dieser Blick einen leichten Stich – aber nur leicht – sie hatte sich ehrlich von ihm getrennt, hatte zwar ihre Gefühle verschwiegen, doch er konnte ihr keinen Vorwurf machen. Also folgte sie seiner Ansprache und setzte sich einfach neben ihn. Ihre Arme schlang sie um die angezogenen Beine. Zunächst blieb es stumm, einzig Betamons Kriechen erzeugte ein näheres Geräusch. Beide starrten auf die selbsternannte Tanzfläche. „Michael, woher sollte ich wissen, dass wir so plötzlich wieder nach Japan ziehen? Sag es mir … Ich verstehe nicht, was ich jetzt groß falsch gemacht habe …“, ihre Stimme klang bedrückt, war aber fest. „Du hättest mir ja sagen können, dass du mich nie wirklich geliebt hast, statt immerzu ‚ich liebe dich‘ zu sagen“, knurrte er. Wieder stieg in Mimi diese Verärgerung auf, die ihr einen Kloß im Hals verpasste. Ruckartig drehte sie ihren Kopf zu ihm und funkelte ihn böse an, was auch ihn zusammenzucken ließ. „Ich habe dich geliebt!“, zischte sie, „das habe ich wirklich, sonst wäre ich nicht mit dir zusammen gewesen. Ich liebe dich auch immer noch, wenn auch nicht so. Und ja, es gibt diese Gefühle … es gibt sie immer noch“, gab sie erstickt zu, „… ich habe dir niemals weh tun wollen. Doch anscheinend hast du dich selbst so in diesen Gedanken verrannt …“, sie suchte nach Worten, hatte sich aber selbst in ihren Gedankengängen verloren. „Ich habe mich verrannt?“, gab er laut von sich und zog die Aufmerksamkeit der Umstehenden auf sich. Leise knurrend erhob er sich und vergrub eine Hand in seinen Haaren. Er brauchte einen Moment, dann drehte er sich zu ihr, „wieso hab ich mich verrannt?“ Nun stand auch Mimi wieder auf und blickte ihm fest in die Augen. Ihre Hände spannte sie an und formte sie zu Fäusten. Dieses Gespräch war für sie momentan mehr und mehr sinnlos geworden. „Ich habe dich geliebt als wir zusammengekommen waren“, ihre Augen formten sich zu Schlitzen und drohend streckte sie ihm einen Finger gegen die Brust, „meine Gefühle waren nie gespielt. Ich war glücklich, so glücklich, wie ich in Amerika sein konnte! Was hätte es denn für einen Sinn gemacht, wenn wir weiterhin ein Paar gewesen wären? Du wärst in Amerika gewesen und ich in Japan. Wie hättest du dir das vorgestellt?“, sie machte eine Pause in ihrer aufbrausenden Rede. „D-die … Digiwelt“, stotterte Michael, er war zusehends verunsichert. „Ach komm … nichtsdestotrotz gibt es die Zeitverschiebung …“ „Dann scheint es dir ja ganz Recht gekommen zu sein, dass du dich von mir trennen konntest“, brummte er siegessicher und nahm einen Schluck von seinem Bier, „und … wie lange hast du gebraucht, bis er dir verfallen ist?“ Angefressen biss sie die Zähne aufeinander und fixierte ihn böse, „ich bin solo! Falls es dich unbedingt interessiert. Da ist niemand … ja, diese Gefühle gibt es noch … aber unerwidert … bist du zufrieden?“, sie knirschte mit den Zähnen. Beide starrten sich finster an. „Ich weiß nicht, aber du hättest ja mal sagen können, dass ich nur der Ersatzmann bin“, nun war es an ihm zu Knurren. „Ich wusste es, mit dir zu reden bringt überhaupt nichts“, keifte sie, „du bist stur wie eh und je. Selbst meine Eltern haben die Versetzung nicht kommen sehen …“, sie stöhnte genervt auf, „… außerdem hatten wir uns auseinandergelebt!“ „Ach … so bezeichnest du das also?“, giftete er. Mimi musste sich zurückhalten, sich nicht gleich auf den Älteren zu stürzen, er machte sie gerade wahnsinnig. „Dann halt nicht …“, sie herrschte sich zu Ruhe, „ich habe versucht mich zu erklären, dass ich darin keine Zukunft sehe, wenn du mir nicht vernünftig zuhörst oder ebenso vernünftig antwortest, dann kann ich auch nichts machen. Dann musst du dich aber auch nicht wundern, wenn ich mich nicht mehr bei dir melde“, sie wandte sich von ihm ab und wollte gerade zu dem Tisch mit den Getränken aufbrechen, als er sie am Handgelenk zu sich zurückzog. Seinen Kopf hatte Michael gesenkt, „entschuldige …“, murmelte er. Ihre Augen weiteten sich. Er entschuldigte sich bei ihr. „Was?“, fragte sie ruhiger und drehte sich zurück. Stumm musterte sie ihn und wartete auf die Antwort. „Du hast ja recht …“, noch immer ließ er den Kopf hängen, „… es war besser so. Aber es schmerzte.“ Er ließ ihr Handgelenk wieder los und sie rieb kurz über die Stelle, an die er sich geklammert hatte. Dann schlich sich ein Lächeln auf ihre Lippen. Sie trat zu ihm und legte ihre Arme um ihn, „ich wollte dir nie weh tun, Michael, aber ganz ohne Schmerz scheint es wohl einfach nicht zu gehen“, murmelte sie und strich ihm beruhigend über den Rücken. „Das Leben geht weiter und wir finden beide eine andere Liebe“, die Brünette löste sich von ihrem Exfreund, hob sein Kinn an und lächelte ihn aufmunternd an, „oder etwa nicht? Du darfst nur nicht aufhören daran zu glauben!“ Sie kicherte – das war ihre ehrliche Meinung, das Leben ging weiter! ❀ ❀ ❀ Aufmerksam beobachtete Koushiro seine beste Freundin, sie war zu dem Blonden gegangen. Redete mit ihm, oder versuchte es zumindest, denn der schien nicht sonderlich angetan von ihr. Inzwischen war Palmon bei ihm eingetroffen und redete mit Gomamon. Joe war immer noch irgendwo verschwunden, dabei hatte er zuvor nur kurz etwas holen wollen. Seufzend sah sich der Nerd weiter um und sah zu Taichi. Auch ihr Anführer hatte den Blick auf die Brünette gerichtet. Da musste der Fußballer jetzt wohl durch. Seufzend sah er wieder auf den Becher in seinen Händen. Koushiro wollte nur, dass Mimi glücklich war. Alles Weitere würde sich schon ergeben. Ein mildes Lächeln legte sich auf seine Lippen, als er weiter vor sich hin starrte. ❀ ❀ ❀ „Mimi“, war es Chris Stimme, die die Zwei auseinanderriss. Bei all dem Durcheinander hatte es die Braunhaarige noch gar nicht geschafft, ihre alten Freunde zu begrüßen. So zauberte ihr der stets gut gelaunte Chris gleich ein Lächeln auf die Lippen und sie fiel ihm kurz darauf auch in die Arme. „Wo hast du dich den ganzen Abend nur versteckt. Wir haben dich vermisst!“, rief er fröhlich aus und wollte sie schon gar nicht mehr loslassen. Doch auch ihre anderen Freunde waren da. Als der Braunhaarige sie absetzte, nahm sie auch gleich Maria, Phil, Lou und Steve in die Arme. Zuletzt wandte sie sich Tatum zu. Die beiden waren in Amerika zu einem Herz und einer Seele geworden. Mimi hatte ihre Freundin sehr vermisst, wie sie gerade feststellte. So fielen sich beide mit Tränen in den Augen in die Arme und ließen sich schon gar nicht mehr los. „Ich hab dich vermisst“, schluchzte die Tachikawa. „Ich dich noch mehr“, erwiderte Tatum. Beide lagen sich noch immer in den Armen sanken aber langsam auf die Knie. „Wie können Frauen so viel weinen? Ich versteh es nicht“, wollte Phil irgendwann wissen und rückte seine Cap zurecht. „Ich weiß es nicht“, Steve putzte seine Brille. Ihre aller Blicke waren auf die zwei Mädchen gerichtet, denen immer noch die Tränen über die Wange liefen. „Ihr versteht das halt einfach nicht“, kam es monoton von Maria, „ihr seid Jungs … Das hier ist ein Mädchen Ding.“ „Stimmt … Kitschig, Rosa und Glitzer“, grinste Michael und bekam sofort von Lou Zustimmung. Nach etlichen Minuten erst schafften es die zwei Braunhaarigen sich zu beruhigen. Sie gingen etwas auseinander, hielten sich aber noch immer an den Händen. Lange blickten sie sich in die Augen, bis sie schließlich loslachten. Wieder sahen die Jungs irritiert zu Maria, „ein Mädchen Ding, sag ich doch“, zuckte diese mit den Schultern und wandte sich ab, „ich hol mir was zu trinken.“ Da horchten Mimi und Tatum auf, „warte, wir kommen mit“, kam es von beiden und sie sprangen auf. Mimi hakte sich bei Maria unter und gemeinsam machten sie sich zum Getränketisch auf. „Ich glaub ich brauch auch was … was Starkes … sonst halt ich das nicht aus“, murmelte Phil und folgte ihnen. ❀ ❀ ❀ Wieder bei Michael angekommen, setzte sich Mimi zu ihren amerikanischen Freunden. Sie wollte alles wissen. Das Gefühl beschlich sie, dass sie viel zu viel verpasst hatte. Und das mochte sie gar nicht. Die letzten Wochen war das Videochatten mit Michael deutlich weniger geworden und auch das Chatten mit Tatum oder Phil. Mit Steve hatte sie nie so viel Kontakt gehabt und Lou und Maria waren schlichtweg in einer anderen Klasse gewesen. Trotzdem fand sie es auch schön sie wieder zu sehen. „Wo ist denn Davis?“, wollte Steve irgendwann wissen. Die Brünette horchte auf und blickte sich um, „Davis – bei Fuß“, schrie sie dann kurzerhand über den Platz, nachdem sie sich erhoben hatte. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie sich Michael die flache Hand gegen die Stirn schlug. Böse funkelte sie den Älteren an, doch Davis tauchte ein paar Sekunden später wirklich auf. „Wieso brüllst du so über den Platz, hast du sie noch a-…“, er stockte, als er merkte, dass das gar nicht Yolei war, die nach ihm gerufen hatte. Mimi verschränkte mit einer hochgezogenen Augenbraue die Arme vor der Brust. Der Putenspieß in seiner Hand fiel ihm dabei glatt aus der Hand, wurde aber gerade noch rechtzeitig von Veemon aufgefangen, der sich diesen sofort in sein Maul schob. Genüsslich kaute er. Der Fußballer sah zu seiner Hand und dann zu seinem Partner. „Veemon, das war meiner, wieso hast du das gemacht?“, kurzerhand hatte er das Digimon an den Schultern gepackt und schüttelte es, „entweder holst du mir jetzt einen neuen oder …“ „Oder was? Ich kann dir keinen kochen und ausspucken werde ich ihn auch nicht“, grinste es frech. Eine Ader trat auf der Stirn hervor und ein bedrohliches Knurren kam aus Daisukes Mund, „VEEMON!!“ Die Augen des Digimons weiteten sich und er konnte dem Schlag von seinem Freund gerade noch ausweichen. Dann rannte es auf und davon - zurück zum Essen. Schnaubend sah ihm der Wuschelkopf hinterher und wandte sich dann an Mimi, „das ist alles deine schuld!!“, brüllte er und zeigte mit dem Finger auf sie. Mimi blinzelte mehrfach und zuckte mit den Schultern, „ist es nicht“, sie war sich keiner Schuld bewusst, „ich hab es dir nicht aus der Hand geschlagen.“ Der Brünette stockte. Währenddessen waren die amerikanischen Digiritter in schallendes Gelächter ausgebrochen. „Typisch Davis“, brachte Michael irgendwann hervor und war prompt nach hinten gefallen. Grummelnd und seufzend ließ sich Daisuke aber bei ihnen nieder und lächelte sie an. „Lass uns tanzen gehen“, Tatum erhob sich und streckte Mimi eine Hand entgegen. Diese griff kichernd zu und sofort wurde sie mit auf die selbsternannte Tanzfläche gezogen. Die beiden Mädchen waren kaum angekommen, bewegten sie sich schon im Takt zur Musik. Sie wirbelten umeinander. Lachten. Ließen ihren Hüften kreisen. Hoben die Hände über den Kopf und führten sie an ihren Körpern hinab. Sie passten sich ganz dem Lied an und versanken regelrecht darin. ❀ ❀ ❀ Fasziniert und sehnsüchtig starrte Taichi auf den Platz. Konnte seinen Blick nicht von der Brünetten lassen. Sie zog seinen Blick wie magisch an. Nie hatte er die Gelegenheit gehabt zusammen mit ihr zu tanzen. Ihren Körper so unter seinen Händen zu fühlen. Sein Herz zerriss. Dabei hatte er jedes einzelne Wort ihres Gesprächs mit Koushiro gehört und vermutlich wusste er es. Er schämte sich vor seinem Freund, dass er das nie gesagt hatte. Taichi konnte nur hoffen, dass ihm der Rothaarige das nie nachtragen würde. Nie wollte er seine Freundschaft verlieren. Doch er konnte immer noch nicht glauben, was dieser für ihn getan hatte. Der Nerd zwang die Jüngere förmlich zu ihm zu kommen. Seine Brust schmerzte. Schnell biss er auf seine Unterlippe und versuchte sich so davon abzulenken. Doch irgendwie wollte es nicht weggehen und er konnte nur weiter fasziniert auf Mimi starren. Wie sie sich bewegte. Ihre Hüften kreisen ließ. Die er gerne fassen würde, damit er mit ihr tanzen konnte. Ihre Beziehung war nicht mehr das, was sie vor ein paar Jahren noch gewesen war. Sie hatten sich immer geneckt, doch jetzt gingen sie sich nur noch aus dem Weg. Obwohl er sich entschuldigt hatte. Er wollte es ändern. Sie sollte ihm zuhören, was er ihr zu sagen hatte. 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