Besuch aus Amerika von phean ================================================================================ Kapitel 53: Regentag -------------------- Samstag, 14. Dezember „Mensch, da seid ihr ja endlich“, seufzte Sora und sah zu den letzten beiden Gestalten. „Wir haben schon ungeduldig auf euch gewartet“, atmete Joe auf. Jetzt fühlte sich der Älteste besser, zuvor war er sich so verantwortlich vorgekommen, doch nachdem nun auch Koushiro und Mimi da waren, würde es hoffentlich besser werden. Die zwei ließen verwundert ihre Blicke schweifen. Ihre Freunde musterten sie erwartungsvoll. „Was ist denn?“, Mimi zog ihre Augenbrauen kraus. Leicht verwirrt war sie, was ihre Freunde ihnen an Aufmerksamkeit schenkten. Eigentlich wollte die Brünette nur einen schönen Abend mit allen verbringen. Doch gerade wirkte es so, als erwarteten sie etwas von ihnen beiden. „Nichts …“, Sora schüttelte ihren Kopf. „Es ist nur verwunderlich, dass ihr beide zu spät seid“, Takeru zuckte mit den Schultern. „Das kommt halt mal vor“, verwirrt sah auch Koushiro ihre Freunde an. „Aber bei einem Pärchen lässt das immer einige Schlüsse zu“, murrte Taichi, er saß mit dem Rücken zu ihnen und hatte sich für seine Aussage nicht einmal umgedreht, „… einfach immer zu vögeln … zu jeder Zeit … eigentlich müsstest du glücklicher aussehen, Izzy. Du gehörst jetzt zu den Männern, die es immer bekommen, wann sie es wollen.“ „Taichi“, zischte Hikari und trat mit dem Fuß nach ihm. Wieso musste er auch immer so unpassend sein. Wenn er Mimi schon so wehgetan hatte, dann sollte er sie nun wenigstens glücklich eine Beziehung haben lassen. Immerhin stand das der Brünetten zu. Sie sollte glücklich sein, wenn es das war, was sie wollte. Wenn sie Koushiro wollte, dann sollte es so sein. So sah das auch Sora. Sie konnte es auch nicht verstehen, weshalb Tai so gegen diese Beziehung war, aber es fühlte sich seltsam an. Sie spürte, dass Tai wohl etwas mehr für sie empfand. Das war wie eine innere Eingebung. Doch Mimi war nun einmal mit Izzy zusammen. Und sie wollte nur, dass ihre Freundin glücklich war, doch auch ihr bester Freund sollte glücklich sein. Aber sie konnte nichts machen. Das mussten die zwei mit sich ausmachen, sie mussten selber wissen wie sie beide glücklich sein konnten. Bei Taichis Aussage jedoch verkrampfte sich Koushiro und Mimi schluckte schwer. Sie spürte Tränen in ihren Augen. Mit keinem Menschen hatte sie darüber geredet. Sie hatte es niemandem sagen wollen. Es war, als könnte sie niemandem mehr vertrauen, als wäre da nur Koushiro. Er war der Einzige, der immer für sie da sein würde. Sie liebte ihn dafür, wenn es auch nicht die Art Liebe war, die für eine Beziehung reichte. Aber sie liebte ihn. Sie wollte ihn glücklich sehen. Daher würde sie auch immer für ihn da sein, so wie er es für sie war. Manchmal glaubte sie, sie verdiente ihn nicht. Er war immer so gut zu ihr und sie hatte ihn dazu missbraucht. Sie hätte ihn nicht dazu bringen dürfen. Das hatte er nicht verdient und Michael hatte es auch nicht verdient. Beide hatte sie zum Freund gemacht, damit sie nicht so einsam war. Weil sie glaubte, dass es über ihre verletzte Liebe helfen würde. Doch das verletzte sie nun. Sie suchte von selbst nach der Hand des Älteren, drückte diese kurz und sah kurz zu ihm hoch. Dann drehte sie sich um und verließ das Restaurant durch den Eingang. Mit dem Schließen der Tür rollte auch die erste Träne über ihre Wange. Schnaufend stemmte Mimi die Hände in die Seite und rang um Ruhe. Sie atmete tief durch und blieb unter dem Vordach stehen. Es regnete und natürlich hatte sie ihren Schirm drinnen liegen lassen, doch dahin wollte sie gerade nicht zurück. So starrte sie in den Regen und den gegenüberliegenden Park. Ihre Tränen flossen, wie die Tropfen vom Himmel fielen. Unablässig. Ihr Mund verzog sich und um nichts in der Welt wollte sie aufschluchzen. Sie wollte sich nicht auch noch diese Blöße geben. Langsam lief sie hin und her und schlang ihre Arme um den Oberkörper. Ihre Jacke hatte sie in aller Übereile auch vergessen. Leicht frierend wollte sie aber erst zur Ruhe kommen, ehe sie wieder hinein ging. Dabei wischte sie sich immer wieder die Tränen von der Wange. Mimi wusste selber nicht, wieso sie so weinte. Wieso verletzte Taichi sie immer wieder so? Das war nicht fair. Er war immer gemein zu ihr, nicht genug, dass er sie verletzt hatte, nun musste er auch noch so etwas sagen. Deutlich spürte sie den Schmerz und hoffte, dass Koushiro kam. Sie hatte keine Lust mehr auf das Essen oder auf Taichi. Sie wollte nur noch weg. ❀ ❀ ❀ Besorgt sah Koushiro Mimi nach. Auch an ihm war das von Taichi gesagte nicht so einfach vorbei gegangen. Nur langsam realisierte er, was gerade passiert war. Was wirklich gesagt wurde und das Mimi den Raum verlassen hatte. „Was hat sie denn?“, Daisuke hatte während des Gesprächs die Karte durchsucht und gar nicht auf die Umgebung geachtet. „Wieso ist sie jetzt raus gestürmt?“, kam auch von Yolei. Sora hatte sich bereits erhoben und musterte Koushiro. „Taichi, das war gemein“, richtete sie an den Älteren. „Aber er könnte seine Freundin auch verteidigen, wenn es ihr so an die Nieren geht“, entgegnete dieser. Auch ihn schmerzte diese Aussage, doch er versteckte sich hinter seinen herzlosen Aussagen. Er wollte nicht sehen, wie glücklich sie waren. So hatte es ihm beim Schlittschuhlaufen gereicht und auch in den Pausen. Diese hatten sie in den letzten paar Tagen zu zweit verbracht. Tai wollte sich nicht vorstellen, wie die zwei miteinander schliefen. Er wusste, wie sich Mimi anfühlte, wie sie sich anhörte, wenn das ganze auch hinter einem dichten Nebel aus Alkohol lag. Zwar hatte er sich Sora vorgestellt, aber er wusste, dass Mimi sich so anhörte. „Izzy, du … was ist mit ihr los?“, fragend wandte sich Sora an den Nerd. Sie war drauf und dran Mimi zu folgen, wollte aber erst von ihm wissen, was eigentlich mit ihrer besten Freundin los war. Koushiro drehte sich zu der Orangehaarigen, „ihr geht es grad nicht so gut.“ „Weshalb denn?“, mischte sich auch Hikari besorgt ein. Dadurch, dass sie nicht mit Mimi geredet hatten, hatten sie das gar nicht bemerkt. Infolge dessen überkam die Mädchen auch ein mulmiges Gefühl und ein schlechtes noch dazu. Wieso hatte Mimi auch nicht gesagt, dass es ihr schlecht ging? „Wir haben uns getrennt“, murmelte Izzy und zuckte mit den Schultern. Sie hatten natürlich keine große Sache draus machen wollen, doch Izzy zwang sich möglichst gleichgültig zu klingen, weil er nicht zeigen wollte, wie schwer ihm das eigentlich fiel. Er liebte Mimi noch und so war es besonders schwer für ihn. Doch ihm war wichtiger für die junge Frau da zu sein und ihr beizustehen. Er wollte sie nicht sich selbst überlassen, wenn sie jemanden brauchte. Und wenn sie nicht mit den anderen Mädchen darüber reden wollte, dann wäre er für sie da und würde sich alles anhören, wie es schon immer der Fall gewesen war. Nun war Taichi doch leicht interessiert, aber er ließ sich nichts anmerken. „Das klingt ja traurig“, sprach er gespielt mitleidig, „entschuldigt mich, ich geh mal aufs Klo …“ Damit erhob sich Tai und ging an dem Rothaarigen vorbei. Besorgt sah Koushiro ihm nach und spürte eine plötzliche Unsicherheit. ❀ ❀ ❀ Tatsächlich wollte Taichi auf die Toilette. Er hatte kein Interesse weitere Details zu hören, doch dass anscheinend Schluss sei zwischen den Zweien, das überraschte ihn. Das hätte er Mimi nicht zugetraut. Sie schien doch so glücklich. Bei dem Gedanken stach es ihm im Herz. Was war das nur für ein Chaos überall? Doch als er gerade seine Hand auf die Türklinke legte, wanderte sein Blick zur Eingangstür des Restaurants. Das schlechte Gewissen breitete sich in ihm weiter aus. Es ging ihm nicht aus dem Sinn, dass er mit daran Schuld war – also an der Trennung. Ihm war ganz klar, was er angestellt hatte. Er sah in den Innenraum, seine Freunde konnten weder die Tür zur Toilette noch den Ausgang sehen. Daher ließ er die Hand sinken und ging zum Eingang. Da stellte sich ihm eine innere Sperre in den Weg und er fragte sich erneut: war das richtig? Sollte er das? Aber er musste. Er wollte nach ihr sehen. Mit höchster Vorsicht öffnete er die Tür und trat ins Freie. Das Restaurant wurde von einem kleinen Vordach umzäunt. Unter diesem vermutete er die Jüngere, schließlich hatte sie keinen Schirm bei sich, außer sie hatte ihn versteckt. An der Hausecke entdeckte er sie auch. Sie hatte ihm den Rücken zugewandt. Doch er hörte neben dem stetigen Regen ein Schniefen. Die Autos ganz im Hintergrund blendete er vollkommen aus. Auch alles andere nahm er nicht war, mit einem Schlag sah er nur noch die Brünette. Sie nahm sein volles Sein ein. Sein Herz machte einen Hüpfer und seine Atmung ging stockend erregt. Er wollte sie, doch er hatte ihr große Schmerzen zugefügt. Kurz biss er sich auf die Unterlippe, dann konzentrierte sich Tai wieder auf das Wesentliche. „Mimi?“, sprach er sie leise an. Das Mädchen vor ihm zuckte sichtbar zusammen. Er sah, wie sie eilig mit ihren Händen wischte, dass sie wohl ihre Tränen vom Gesicht entfernte. Die Brünette fing sich kurz, „was willst du?“, fragte sie trocken und drehte ihren Kopf leicht in seine Richtung. Das fehlte ihr gerade noch. Wieso kam er jetzt zu ihr? Warum ausgerechnet er? Hatte er noch nicht genug? „Ich …“, ihr Tonfall schreckte ihn zurück und so verstummte er gleich wieder. Mimi drehte sich unterdessen ganz zu ihm um und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihre verlaufene Wimperntusche war dabei nicht zu übersehen und auch ihre geröteten Augen und Wangen. Ihre Haare waren leicht zerzaust und ihre Unterlippe aufgebissen, auf dieser biss sie auch wieder herum. „Was willst du?“, kam es verärgert von der jungen Frau. Sie wollte, dass er wieder ging, „willst du dich wieder über mich lustig machen? Bitte verschon mich … Ich kann es nicht mehr hören“, murmelte sie gequält und spürte erneut die Tränen in den Augen. Dazu kroch schon die Kälte des Winters in ihre Knochen und sie wollte jetzt nur wieder in ihr Bett. Ihr Verhalten verletzte Taichi. Das zehrte an seinem Selbstbewusstsein. Sie war verletzt und er erkannte die Tränen in ihren Augen. „Es … es tut mir Leid“, murmelte er und senkte den Kopf, dabei grub er seine Hände tief in die Hosentaschen. Erstaunt weiteten sich Mimis Augen und sie konnte den Blick nicht abwenden, dabei kullerten aber wieder einige Tränen über seine Wangen. „Ich wollte das nicht …“, flüsterte er weiter, „nicht so … das war …“ „Ein Fehler, ich weiß“, knurrte sie wütend und wandte sich nun doch ab. „Aber du musst mir glauben, es tut mir wirklich leid“, bat er sie. „Nein“, unterbrach Mimi, „würde es dir Leid tun, würdest du nicht sechs Monate danach kommen und dich entschuldigen … du hättest dich gleich entschuldigt … dann könnte ich dir auch verzeihen.“ Finster funkelte die Brünette Tai an und verspürte nur wieder Frust. „Was? …“, der Fußballer hob den Kopf, seine Stimme war plötzlich ganz leise. „Für eine Entschuldigung bist du wirklich spät dran“, hängte sie noch an und musterte ihn abfällig, während sie ihn nur verschwommen wahrnahm. Innerlich wurde ihr trotzdem etwas leichter, dass er nicht zu ihr gegangen war, um sie weiter zu verspotten. Er hatte sich sogar bei ihr entschuldigt. Aber sechs Monate war eine lange Zeit. „Mimi …“ Eine dritte Stimme riss die Zwei aus den Gedanken und Taichi fuhr herum. Koushiro hatte ihre Sachen geholt und hatte Mimi und sich bei ihren Freunden entschuldigt. Aber er hat auch nicht gedacht, dass Taichi hier draußen war. Der Nerd konnte sich nicht vorstellen, was die zwei beschäftigte, immerhin hatten sie die letzten Wochen kaum ein Wort gewechselt. Jetzt schien es allerdings, als hätten sie miteinander geredet. Leicht verwirrt trat er näher, dabei irrte sein Blick immer wieder zu Taichi, wobei er Mimi fixierte. „Du erkältest dich noch“, murmelte der Rothaarige und hielt seiner besten Freundin ihre Jacke hin. Zögerlich nickte Mimi und schlüpfte hinein, sie nahm ihm den Schal noch ab und wickelte ihn um den Hals. „Alles in Ordnung?“, Koushiro sah zu Taichi, dieser erwiderte den Blick und nickte schließlich. Der Fußballer verstand nicht, wenn sie sich getrennt hatten, wieso sie noch so viel Zeit miteinander verbrachten. Bisher hatte er es kaum erlebt, dass zwei Ex noch miteinander redeten. Aber bei ihnen war es wohl anders. Es war, als hinge Mimi immer noch sehr an ihm, dabei hatte sie doch Schluss gemacht, oder nicht? „Was starrst du uns jetzt so an?“, wollte Mimi wohl etwas gereizt wissen. Erschrocken zuckte Tai zusammen, „nichts … hab mich nur gefragt, wer Schluss gemacht hat?“ Die Zwei gegenüber blickten den Brünetten seltsam an. „Das ist doch nicht wichtig“, antworteten sie im Chor. Für Mimi war es dieses Mal auch egal, schließlich war der Nerd nach wie vor ihr bester Freund. Taichi beobachtete die Zwei. Dabei fiel ihm auf, dass sich Izzy irgendwie kleiner als sonst machte. Anschließend kam dem Ältesten hier die überraschende Vermutung, dass ihr Computergenie sich von ihr getrennt hatte. Während das noch in seinem Kopf herum ging, bemerkte er kaum, wie die zwei sich verabschiedeten und gingen. Nachdenklich sah er ihnen nach. Mimi hakte sich bei Koushiro unter, der den Schirm über sie hielt. Dabei legte sie ihren Kopf an seine Schulter und schloss die Augen. „Mimi …“, flüsterte Taichi für sie nicht mehr hörbar. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)