Besuch aus Amerika von phean ================================================================================ Kapitel 19: Vergebung --------------------- Freitag, 19. Juli In Gedanken versunken zupfte Matt auf seinem Bass die Seiten. Er folgte keiner Melodie oder einem Rhythmus. „Matt … Matt … Matt …“, Akira seufzte auf. Takashi trat zu ihrem Frontmann und legte seine Hand auf die Schulter seines Freundes, „... Matt … wenn du mit dem Kopf wo anders bist, können wir gleich aufhören … sprich mit uns …“ Der Blonde erschrak aus seiner Starre und starrte seine Bandkollegen entsetzt an. „Was?“ „Was ist los mit dir?“ „Nichts …“, er schüttelte seinen Kopf, „… ein Kumpel hat Probleme und ich mit ihm, nichts weiter …“ „Aber das geht schon die ganze Woche so … Wir sollten aufhören … und du solltest das klären!“ „Ja, davor hat es keinen Sinn.“ „Ich würde ja mit ihm reden … aber er ist nie da …“ „Wieso gehst du dann nicht zu ihm?“, Yutakas Augenbrauen zogen sich verwirrt zusammen. Sie waren das von ihrem Sänger gar nicht gewohnt, er war doch sonst immer bei der Sache und wusste auch immer, was er zu tun hatte. „Ja …“ „Dann hören wir für heute auf“, schloss Akira aus dem ganzen und seufzte auf. „Entschuldigt bitte“, murmelte der Blonde und bedachte seine Freunde mit einem langen Blick. Doch alle lächelten ihn an. „Wir schreiben dann aber wegen den Proben in den Ferien, oder?“, wollte Yutaka sicherheitshalber wissen. „Natürlich“, Takashi nickte, „du hast gemeint, dass du mal bei deiner Großmutter bist, oder?“ „Ja, aber da geb ich euch noch Bescheid, das ist noch nicht fix.“ Er packte seinen Bass in die Tasche und sah zu seinen Kollegen. Sie nickte ihm zu und verließen ihren Proberaum dann. Er hasste es, wenn man ihn darauf hinweisen musste, dass er etwas tun sollte. ❀ ❀ ❀ Yamato vergrub seine Hände tief in den Taschen seiner Hose. Seinen Bass trug er auf dem Rücken. Er war vor dem Haus der Yagamis angekommen und starrte nach oben. Wie von selbst suchte er das Stockwerk und dann die Tür. In seinem Kopf schwirrten so viele Gedanken umher. Eigentlich wollte er das nicht, aber er musste. Er hatte es Kari versprochen und er wollte seinen besten Freund nicht verlieren. Er war ihm viel zu wichtig. Ihre Freundschaft war ihm dafür viel zu wichtig. So zwang er sich dazu weiter zu gehen. Er wusste, Kari war Zuhause und ihre Eltern nicht. Auch sein Bruder war vermutlich da. Sie wollten aber später noch raus gehen, soweit er von Hikari wusste. Sie warteten momentan nur auf ihn. Er hatte ihr zuvor geschrieben. Nervös biss er sich auf die Unterlippe und klingelte. Das Warten brachte ihn um, dann hörte er aber schnelle Schritte. Doch es waren zu viele, das war nicht nur Kari. „Lass mich endlich los“, rief das Mädchen kichernd. Etwas knallte gegen die Tür und Yamato schloss dabei aus Reflex ein Auge. Dann wurde die Tür geöffnet. Die Braunhaarige lief knallrot an und räusperte sich, „bring deinem Bruder mal Manieren bei“, hustete sie und funkelte Takeru böse an. Yamato lächelte, „was hat er denn gemacht?“ „Ich hab sie aufgemuntert“, antwortete der Jüngere. „Du hast mich gekitzelt, das ist nicht aufmuntern“, regte sich das Mädchen auf und stemmte ihre Hände in die Hüften. „Komm rein“, richtete sie dann freundlicher an den großen Bruder. „Danke“, der Bassist trat ein und machte die Tür hinter sich zu, dann zog er sich die Schuhe aus. „Wo ist er?“ „In seinem Zimmer … bitte sei behutsam“, bat Hikari den besten Freund ihres Bruders. „Lass mich nur machen, ihr könnt ruhig gehen, ich pass auf den Kleinen auf.“ „Sind wir jetzt Tais Eltern oder was?“, TK zog eine Augenbraue nach oben. „Ja und ich will den ausgemachten Betrag, aber über ein Trinkgeld würde ich mich sehr freuen. Nach Hause bringen müsst ihr mich aber nicht … Ich weiß ja, was mit dem Babysitter immer passiert“, er verzog seinen Mund. „Was denn?“, Hikari legte den Kopf schief, sie war gerade dabei eine kleine Tasche zu packen – Handy, Geldbeutel und Schlüssel. „Der Babysitter wird vom Vater sexuell missbraucht“, dabei legte er schockiert eine Hand auf seine Brust und sah mit großen Augen von dem Mädchen zu seinem Bruder. „Lass uns gehen, bis er noch anfängt sich auszuziehen und mir alles in die Schuhe schiebt“, Takeru winkte Hikari zu und ging selbst zur Haustür. „Das würde er tun?“ „Er würde alles tun“, sagte der Jüngere. „Aber habt nicht zu viel Sex, wir wollen ja nicht, dass ihr euch die Hüfte brecht“, rief der Bassist ihnen hinterher. „WAS?“, die Braunhaarige wirbelte mit hochrotem Kopf herum. „Einfach ignorieren … einfach ignorieren …“, wiederholte TK seine Worte und griff nach ihren Schultern, er zog sie einfach weiter. Dabei musste Matt leise kichern. Er hatte genau gesehen, dass auch sein kleiner Bruder etwas rot um die Nasenspitze geworden war. Yamato wartete bis die Tür hinter den Zweien ins Schloss fiel, dann verfinsterte sich seine Miene. Er drehte seinen Kopf und blickte zu der verschlossenen Zimmertür. Es war, als wäre eine dunkle Aura dort. Nichts Gutes. Nichts Helles. Seufzend nahm er sein Instrument von seinem Rücken. Das hatte er bis dahin völlig vergessen. Er stellte die Tasche neben die Theke der Küche. Er dachte kurz einen Moment nach. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Er wusste, dass immer etwas zu trinken hier war und es meist nicht auffiel, wenn zwei Flaschen fehlten. So lief er in die Küche und holte aus dem Kühlschrank zwei Bier. Er machte sie auf und nahm beide Flaschen mit zu der verschlossenen Tür. Da Matt wusste, dass er keine Antwort bekommen würde, klopfte er erst gar nicht, sondern öffnete die Türe einfach. Ein Schwall dicker Luft kam ihm entgegen. Es war eine Mischung aus Schweiß und … weiter wollte er gar nicht drüber nachdenken. Tai schien auf jeden Fall lange Zeit nicht mehr gelüftet zu haben. Ohne große Umschweife betrat er das abgedunkelte Zimmer und lief zum Fenster. Zuerst schob Yamato den Vorhang beiseite, dann riss er das Fenster auf. Vom Bett ertönte ein leises Stöhnen und er bemerkte die Bewegung unter der Decke. Yamato seufzte lautlos und ging zu dem Bett, auf welches er sich kurzerhand setzte. Er nahm je eine Flasche in jede Hand und starrte gedankenverloren darauf. Tai rührte sich nicht weiter. Nach einer halben Ewigkeit seufzte Yamato erneut und nahm die zwei Flaschen in eine Hand. Gleich darauf zog er mit der freien Hand die Decke weg. Sein Freund krümmte sich automatisch und stöhnte erneut auf. Der Blonde knurrte gefährlich, „reiß dich zusammen!“ Erschrocken riss Taichi die Augen auf und merkte erst jetzt so richtig, dass er nicht träumte. Yamato war wirklich in seinem Zimmer? Als Antwort auf seine – sich in Gedanken selbst gestellte – Frage hielt der Blonde ihm ein Bier vors Gesicht. Verwirrt griff der Braunhaarige danach. Gähnend stützte er sich auf den Unterarm des freien Armes. Er merkte, dass er schon lange nichts mehr gegessen hatte. Es kostete ihn doch einige Kraft sich aufzusetzen. Sofort lehnte er sich an die Wand – an der Stirnseite seines Bettes. Ihm war schwindelig, dazu fuhr seine Hand automatisch zu seinem Kopf. Matt beobachtete seinen Freund aufmerksam, „alles klar?“ „Wieso bist du so freundlich zu mir?“, brachte Tai lediglich heraus. Der Fußballer starrte auf das Bier in seinen Händen. „Du bist immer noch ein Freund …“, Yamato seufzte und machte eine Pause, „… und du hast nie versucht zu reden“, murmelte er. „Was dachtest du denn?“ „Du hättest wirklich mit mir reden sollen und kannst IMMER mit mir reden – über ALLES – das solltest du eigentlich wissen“, Matt knurrte die Worte hervor. Das störte ihn an dem Ganzen besonders. Eine Zeit lang trat Stille ein. Keiner von beiden sagte ein Wort. Kraftlos lag Taichis Kopf gegen die Wand gelehnt, sein Körper fühlte sich seltsam an. Matt hob seine Flasche, damit Tai anstoßen konnte, allerdings traf dieser nicht. „Gut, wann hast du das letzte Mal was gegessen?“, wollte der Blonde zweifelnd wissen. Tai musterte ihn fragend und überlegte, „weiß ich nicht …“ Seufzend erhob sich Yamato und nahm den Kleineren die Flasche aus der Hand. „He, das wollte ich trinken …“, rief Tai und versuchte nach der Flasche zu greifen. „Das bekommst du später zurück … erst einmal musst du etwas essen“, er wandte sich um und verließ das Zimmer. Als er das Bier geholt hatte, hatte er auch den restlichen Kühlschrankinhalt gesehen. Er hörte ein Poltern aus dem Zimmer des Braunhaarigen. Eilig machte sich der Musiker daran seinem Freund etwas zum Essen zu machen. „Autsch“, murrte Tai und setzte sich auf. Alles tat ihm weh, die Glieder schmerzten und ein taubes Gefühl machte sich in ihm breit. Wieder hielt er sich den Kopf. Taichi wollte aufstehen, doch vor seinen Augen tanzten schwarze Punkte herum. Auch trat das Schwindelgefühl in den Vordergrund und er fiel prompt gegen seine Zimmerwand. Langsam tastete er sich weiter und kam nach einer halben Ewigkeit im Essbereich der Wohnung an. Es duftete herrlich. Getragen auf einer Wolke aus purem Essensduft lief er wie von selbst und setzte sich auf einen der Hocker vor dem Tresen. Kurz darauf stellte Yamato eine duftende Schüssel vor ihm ab. „Ich hab mehr gemacht, aber jetzt isst du erst einmal das … später bekommst du eine neue Portion“, erklärte Yamato, „… und dann gehst du noch duschen, das hast du bitter nötig“, er unterstrich seine Aussage damit, dass er mit der Hand vor seinem Gesicht wedelte. Mit großen Augen starrte Tai ihn an. Prompte drehte Taichi seinen Kopf und hob seinen Arm. Er roch an sich und verzog sein Gesicht, „ok“, meinte er leise. Dann starrte Tai wieder auf das Essen. In kürzester Zeit hatte Matt gebratene Nudeln mit frischem Gemüse und gebratenem Fleisch gemacht. Es roch süß-sauer und das Bild und der Duft ließen in Tai das Wasser im Mund zusammen laufen, aber etwas anderes hatte er nicht erwartet. Eilig steckte sich Tai die erste Gabel in den Mund und kaute. Es war merkwürdig, den Mund zum Kauen zu benutzen. Es fühlte sich aber auch gut an, als das Essen in seinem Magen landete. Sein Bauch knurrte kurz und seine Arme und Beine schienen zu kribbeln. Es war wirklich lange her, als Taichi zuletzt etwas gegessen hatte. Er war Yamato unendlich dankbar, dass er ihm etwas gemacht hatte und er somit nicht das Essen seiner Mutter herunterwürgen musste. Aufmerksam beobachtete Yamato den Älteren, dabei griff er nach seinem Bier und trank. Da setzte Tai seine Gabel ab und starrte auf das Essen. „Matt, wieso machst du das für mich?“, er hob seinen Kopf, „du solltest wütend auf mich sein, oder mich hassen … Wieso also kochst du für mich?“ Lange Zeit erwiderte Matt den Blick und dachte über die Worte nach. „Du bist mein Freund“, murmelte der Blonde unsicher, „und ich lass es sicher nicht zu, dass du dich in deinem Selbstmitleid zerstörst, bevor du mit mir geredet hast“, knurrte er nun. „Mh“, gab Tai nun nachdenklich von sich. Er ahnte bereits, dass Hikari ihn herbestellt hatte. Schnell aß er weiter. Der Hunger trieb ihn an, sodass er die Kommunikation erst einmal verschieben musste. „Bekomm ich mehr?“, fragte er voller Hoffnung und mit glitzernden Augen. Dabei streckte er Yamato die Schüssel entgegen. Der seufzte, „geh duschen, dann bekommst du die nächste“, er nahm ihm die Schüssel ab und scheuchte ihn von dem Tresen fort. Tai spürte, dass es ihm besser ging – dass das Essen gut getan hatte. Er war viel leichtfüßiger unterwegs. Er holte sich aus seinem Zimmer frische Sachen zum Anziehen und verschwand dann im Bad. ❀ ❀ ❀ Schon seit einer Viertelstunde hing Taichi an seiner Schüssel gebratener Nudeln. Yamato trank an seinem zweiten Bier. Er starrte in die Ferne. Stille lag zwischen ihnen. Tai aß. Yamato trank. „Sag, wieso hasst du mich nicht?“, fragte der Braunhaarige dann leise. „Wir alle haben schon Fehler gemacht, wir können für unsere Gefühle nichts … Wieso soll ich dich für etwas hassen, was du nicht beeinflussen kannst? Allerdings hättest du mit mir darüber reden sollen … Und … freust du dich nicht für mich? Ich habe endlich jemanden gefunden, mit dem ich glücklich bin … Damals hat es nicht funktioniert … wir waren zu verschieden, doch wir verstehen uns – jetzt … es passt einfach … Und ich hatte wirklich gedacht, dass du damit einverstanden bist …“ Tai hob seinen Kopf und blickte zu seinem Freund, „war ich … aber als aus euch nichts wurde, dachte ich … ich hätte vielleicht wieder eine Chance. Yama, es tut mir schrecklich leid, ich hätte das nicht tun dürfen!“, Taichi machte eine Pause und wartete bis sein Freund ihn ansah, der lächelte leicht, „ich habe einen riesigen Fehler gemacht … ich … ich … natürlich wünsche ich euch alles Gute …“ Verwirrt sah Yamato ihn an, „… wieso sagst du das jetzt?“ „Weil ich dich – und auch Sora – nicht als Freunde verlieren möchte … Lieber behalte ich euch als Freunde, als dass ich weiter in meinem Selbstmitleid bade und alle verliere“, traurig und nachdenklich ließ Taichi seinen Kopf wieder sinken. Matt lachte auf, „… danke …“, er betrachtete seinen Freund. „Für was?“ „Dass du endlich mit mir redest“, Yamato hob die Flasche. Sodass Tai die Gabel los lassen musste und dann stieß er mit seiner Flasche an. Er trank langsam. Er hatte auch noch nicht alles aufgegessen. Er merkte, wie er doch schon satt war, dabei war es erst seine zweite Portion und sie saßen schon über zwei Stunden auf dem Balkon. Yamato ließ seinen Freund nicht aus den Augen. Er war wirklich froh, dass der Kleinere nun mit ihm sprach, dass er sich nicht wieder hinter seiner Maske versteckte – total in sich gekehrt. Allerdings hatte er noch nichts über Mimi gesagt. Der Blonde wollte nicht, dass Tai zwar nun mit ihm über Sora sprach, aber alle anderen Probleme in sich verbarg. Dabei fiel ihm allerdings etwas anderes ein. „Hast du morgen nicht ein Fußballspiel?“ Taichi schreckte hoch, seine Augen weiteten sich und er starrte seinen besten Freund an, „das hatte ich total vergessen. Shit, ich kann meine Leute doch nicht im Stich lassen“, er sprang auf und schrie es dem Musiker regelrecht entgegen. Sein Gegenüber schmunzelte, „dann solltest du wohl deinen Trainer anflehen mitspielen zu dürfen“, es wandelte sich zu einem frechen Grinsen. „Der war schon die ganze Zeit sauer auf mich und unzufrieden“, nervös biss sich Taichi auf die Unterlippe. „Scheibenkleister!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)