Besuch aus Amerika von phean ================================================================================ Kapitel 16: Nervenzusammenbruch ------------------------------- Samstag, 13. Juli Die Woche war ein Alptraum. Selbst Agumon hatte ihn nicht aufmuntern können. Es hatte alles versucht gehabt. Hatte Tai erzählen wollen, was es gegessen hatte, was bei ihm passiert war und letztlich konnte es sich nicht mehr zurückhalten und musste wissen, was mit seinem Freund los war. Doch Tai konnte es ihm nicht sagen, er war aufgesprungen, war zu Kari und Gatomon und meinte, dass er nach Hause wollte. Hikari ging seinem Wunsch nach, sie verabschiedete sich von ihrem Partner und dann waren die Geschwister schon wieder Zuhause. Bevor Kari noch etwas hatte sagen können, schob Tai sie aus seinem Zimmer und schloss die Tür hinter ihr ab. Besorgt drehte sie sich zu ihm um. Sie hob ihre Hand, um anzuklopfen. Doch sie zögerte, sie konnte nicht. Hikari wusste, dass er seine Ruhe brauchte. Seufzend ging das Mädchen in die Küche, da ihre Eltern bald nach Hause kommen wollten, machte sie sich noch schnell etwas zu essen, dann hatte auch sie sich in ihr Zimmer zurück gezogen. Doch da ließ sie niemand in Ruhe. Sie hatte etliche Nachrichten sowohl auf dem Handy, als auch dem D-Terminal bekommen. Seufzend hatte sie sie sich durchgelesen, doch sie konnte auf keine Nachricht antworten. Alle wollten wissen, was mit Tai los war. Die Einzigen, die nicht geschrieben hatten, waren Mimi und Yamato gewesen. Was Kari sogar noch aufgemuntert hatte, denn so nervten sie sie nicht. Auch wenn sich Taichi ab Dienstag dann Mühe gab, sich im Fußball zu konzentrieren, konnte er das im Unterricht nicht. Auch die blauen Flecken verschwanden nur langsam. Gegen Mittwoch bekamen sie einen grünen Stich. Am Freitag verblassten sie dann langsam. Der Trainer hatte nicht weiter Fragen dazu gestellt, denn er sah, dass sich der Junge wirklich Mühe gab. Er war noch nicht so gut wie zuvor, aber so konnte er ihn einsetzen. Hikari hatte in der gesamten Woche die Pausen mit ihrem großen Bruder verbracht. Außer Takeru und Daisuke kam auch niemand auf sie zu. Matt war zu aufgebracht, dass er auch das Mädchen hätte ertragen können – hatte TK ihr gesagt. Es kränkte sie, aber sie musste nun auch für ihren Bruder da sein. Tai sah, dass es ihr nicht gut ging, eben weil die Gruppe gespalten war und ihm tat es so unendlich leid. Sie bemühte sich um ihn, wartete bis nach dem Training auf ihn. Sie machte ihre Hausaufgaben und lernte in dieser Zeit. Auch sie hatten wichtige Prüfungen, denn Takeru, Davis und ihr – sowie nun auch Willis – stand im nächsten Jahr der Wechsel auf die Oberstufe bevor. Außer am Mittwoch. Da hatte sie keine Zeit gehabt zu lernen, denn jeden Mittwoch traf sich die Chor AG. Als sie auf die Mittelschule kam, hatte sich das Mädchen um entschieden. Sie hatte die Tanz AG geliebt, doch sie wollte noch mehr machen – allerdings keine zwei AGs. So ist sie in den Chor gewechselt, gemeinsam mit ihrer Freundin Yoko. Während sie in der Grundschule immer in der gleichen Klasse waren, wurden sie auf der Mittelschule getrennt. Auch waren dort beide in der Tanz AG und auch Yoko wollte wechseln. Dadurch hatten beide in der neuen AG schon jemanden gekannt. ❀ ❀ ❀ Stöhnend erwachte Taichi aus seinem unruhigen Schlaf. Er lag auf dem Rücken und starrte die Decke an. Er gähnte und musste sich dann Strecken, dabei stieß er mit der einen Hand an die Wand mit der anderen an etwas Weiches. Bevor er realisierte, was es war, krachte etwas unter einem Aufschrei auf den Boden. „Autsch“, kam es von dort. Verwirrt schob sich der Braunhaarige nach vorn und musterte nun doch etwas amüsiert seine Schwester. Hikari kämpfte sich aus der Bettdecke, dann rieb sie sich den Ellenbogen. Mit einem gespielt bösen Blick sah sie zu ihm auf, „ernsthaft?“, fragte sie mit einem scharfen Unterton, „das machst du schon die ganze Woche …“ Er grinste sie jedoch weiterhin an, „was kann ich denn dafür?“ „Du kannst dich mal nicht so breit machen“, sie funkelte ihn böse an. Er wusste, dass sie ihn nur ablenken wollte und das deshalb machte. Aber Hikari regte sich tatsächlich auf. Sie hatte gemerkt, dass er wieder Alpträume hatte, daher hatte sie sich zu ihm ins Bett gelegt. „Dann schläfst du halt ab heute wieder allein“, sie schlug die Decke vollkommen weg und stand auf. „Ach Kari-i“, sang er fast, „bitte bleib da, ich machs wieder gut, wir gehen heute in den Park“, er lächelte das Mädchen an. Auch er erhob sich und wartete auf eine Antwort von ihm. „Meinetwegen“, sie verschränkte die Arme, „aber ich will ein Eis.“ „Gut, aber zuerst Frühstück, ich hab Hunger.“ „Wann denn auch nicht“, schmunzelte sie, endlich besser gelaunt. Sie hatte sich schon gefragt, wann er wieder gut drauf sein würde. Aber wenn er so großen Hunger hatte, dann musste es ihm besser gehen. Sie folgte ihm in das Wohnzimmer, dort wartete bereits ein gedeckter Tisch. „Hikari, das ist … das ist …“ „Das hat Mama vorbereitet“, warf sie ein und ging hinter die Theke, dort standen bereits zwei Tassen mit Kaffee. Als das Mädchen zurück an den Tisch trat, hatte Taichi bereits die Hälfte aufgegessen. Mit gefüllten Backen sah er auf und starrte seiner Schwester mit großen Augen entgegen. „Tschuldige“, brachte er mit vollem Mund hervor. Schmunzelnd setzte sich Kari ihm gegenüber und reichte ihm eine der Tassen. ❀ ❀ ❀ „Schmeckt es?“, prüfend sah Taichi zu seiner Schwester und leckte selbst an seiner Eiswaffel. Sie liefen gemächlich durch den Park. Die Sonne stahl sich durch die Blätterdecke und erleuchtete den Boden fleckenartig. „Ja, danke“, sie grinste ihn breit an, dann musste auch er lachen. „Es ist schön, dass du wieder lachen kannst“, noch im selben Moment schnappte Hikari nach Luft. Sie hatte das nicht sagen wollen. Sie wusste doch, dass ihn das an alles erinnern würde und ihn wieder traurig stimmen würde. Er musterte sie stumm. Tai dachte nach. „Ich will mich nicht weiter ärgern. Es hat ja doch keinen Sinn“, er lächelte sie wieder an, „ich … ich …“ ❀ ❀ ❀ „Ihr wollt mir immer noch nicht sagen, was das letztes Wochenende war, oder?“, auffordernd ließ Sora ihren Blick über die anwesenden Jungen schweifen. Sie war gemeinsam mit Mimi, Yamato, Takeru und Izzy in das Café am Park gegangen, um über den vergangenen Sonntag zu reden. In den Pausen der Woche waren die Jungen immer unter sich gewesen und hatten nie etwas sagen wollen. Die zwei Mädchen hofften, dass sie nun etwas aus ihnen herausbekommen würden. Sora erhoffte sich vor allem etwas, weil Matt und Izzy anwesend waren. Doch Mimis Notfallplan war ein Gespräch zwischen Yolei und Willis. Jedoch war die Jüngere damit nicht einverstanden. Seit Stunden schon schwiegen die drei sie bei der Frage an. Sie hatten sich vor zwei Stunden getroffen, doch nichts heraus bekommen. Die Mädchen waren langsam gelangweilt davon und widmeten sich dann wieder einem anderen Thema. Die Sommerferien standen vor der Tür. Es lag nur noch eine Woche Schule vor ihnen. Die Mädchen freuten sich schon auf die sechs Wochen in Freiheit. Trotzdem wollten sie wissen, was zwischen den Jungen vorgefallen war. Seufzend legte Sora ihren Kopf auf ihre Hand und bedachte Yamato mit einem langen Blick. Die Jungen starrten sich nur an und sagten kein Wort. Sie wichen den Blicken der anderen Zwei aus. Erst als sich in der Mimik von Takeru veränderte, bewegten sich auch Izzy und Matt wieder. Der Jüngste biss sich auf die Lippe und sah schnell weg, doch da hatte der Blonde schon Taichi und Hikari bemerkt. Ein Knurren drang über die Lippen des Bassisten. Sie hatten einen weiten Blick in den Park hinein und sahen die beiden Geschwister, wie sie durch diesen liefen. Kari legte eine Hand auf den Oberarm seines Bruders. Sie lächelte ihn liebevoll an und hakte sich dann bei ihm unter. In Yamato zog sich eine große Wut zusammen. Es fühlte sich an, als würde sein Kopf explodieren, wenn er kein Ventil finden würde. „Ich komm gleich wieder“, sagte er scharf und erhob sich. „Yamato, was hast du denn?“, Sora musterte ihn besorgt und blickte dann in dieselbe Richtung wie auch er schon. Langsam realisierte sie, was er vorhatte. Doch bevor sie ihn aufhalten konnte, sprang er schon über die kleine Abgrenzung des Cafés. Hilflos und immer noch verwirrt sah sie ihm nach. „Was hat er vor?“, entwich es ihr leise. Sie hoffte auf eine Antwort von seinem Bruder oder Koushiro, doch sie erhielt mal wieder keine. Stattdessen konnte sie nur mitansehen – wie auch die anderen – was er vorhaben würde. Wie von selbst ballten sich seine Hände zu Fäusten. Matt konnte es nicht fassen. Er verstand einfach nicht, wie sich Tai so leichtfertig hinaus wagen konnte. Nachdem er das am vergangenen Sonntag gemacht hatte, konnte er doch nicht glauben, dass er einfach so vor die Tür treten und so tun konnte, als wäre nichts. Als er näher an die Zwei heran trat, hörte er sie beide lachen. Seine Wut schürte das nur noch weiter. Sie hatten ihm den Rücken zugekehrt und so holte er ohne weiteres aus und seine Faust traf hart auf den Hinterkopf des Älteren. Ohne Vorwarnung riss es Tai nach vorn. Kari, welche sich immer noch bei ihm untergehakt hatte, riss er dabei mit sich. Das Mädchen schrie vor Schmerzen – aber mehr vor Überraschung – auf. Sie fand sich neben ihrem Bruder wieder. Kari rieb sich den Ellenbogen. Nach dem ersten Schock hatte sie sich aufgesetzt und drehte sich um, sie sah auf. Ihre Augen weiteten sich, genau wie die ihres Bruders, als sie Yamato sah. Erschrocken riss Tai seinen Kopf herum und starrte seine Schwester an, ehe er seinen Blick wieder auf den Blonden richtete. „Hey … lass Hikari da heraus … sie hat nichts damit zu tun …“, knurrte der Braunhaarige gefährlich. Yamato sah von ihm zu dem Mädchen, er schnaubte. Dann stürzte er sich auf Tai und rollte mit ihm über den Gehweg. Kari sprang auf, aber ihr wurde etwas schwarz vor Augen. Sie stolperte zu einem Baum und hielt sich an diesem fest. Mit schreckgeweiteten Augen sah sie mit an, wie sich Matt auf ihren Bruder stürzte. Sie konnte sehen, dass sich Tai nicht wehren würde. Er ließ es über sich ergehen. Matt saß auf ihm und schlug dem Braunhaarigen ins Gesicht, dabei hatte es erst gerade wieder seine normale Farbe angenommen. Ohne zu stoppen schlug Yamato weiter zu. Hikari hielt sich unfähig etwas anderes zu tun die Hand vor den Mund. Schwer atmend erhob sich Matt und sah auf den Fußballer am Boden herab. Keuchend lag Tai am Boden und starrte, mit einem geschwollenen Auge, dem Blätterdach entgegen. Er spürte wie er keine Kraft mehr hatte. Sein Körper begann zu zittern. Es erschöpfte ihn nicht nur körperlich, er fühlte sich auch psychisch völlig am Ende. Es setzte ihm stark zu. Er hatte das alles nicht gewollt. Doch an diesem Abend hatte es ihn einfach so überkommen. Es war als würde sich in ihm eine riesige Menge an Gefühlen stauen. Wut. Freude. Trauer. Angst. Verzweiflung. Der Junge wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte, er wollte beides – gleichzeitig. Verzweiflung machte sich auch Hikari breit. Sie sah, dass ihr Bruder mit sich kämpfte. Dass er nicht wusste was er tun sollte. In ihr stiegen Tränen auf. Sie hatte das nie gewollt. Sie hatte gehofft, dass er sich nie dazu hinreißen lassen würde. Von ihrem Bruder sah sie zu dem Blonden. Er stand immer noch leicht nach vorn gebeugt vor dem Älteren, aber zwei Schritte von ihm entfernt. Seine Hände waren zu Fäusten geballt. Er war kurz davor, sich erneut auf ihn zu stürzen. Kari zog die Nase kraus. Dann stieß sie sich vom Baum ab. Matt tat den ersten Schritt auf Taichi zu, als sie zwischen die Beiden trat und ihre Arme schützend ausbreitete. Ihrem Bruder hatte sie den Rücken zugewandt. „Nicht“, hauchte sie ihrem Gegenüber entgegen. Zu mehr war das Mädchen nicht fertig. Ihr fehlte die Luft. Flehend erwiderte sie Matts harten Blick. „Wie … wie kannst du dich vor ihn stellen? Wie kannst du ihn weiterhin verteidigen, wenn du doch weißt, was er getan hat?“, brüllte er die Trägerin des Lichts an. In Hikari brach etwas. Der Glaube an die Freundschaft der zwei versank in einem Meer aus Verzweiflung – so erschien es ihr. Sie sah in seinen Augen, dass er gerade puren Hasse gegenüber ihrem älteren Bruder empfand. Verachtung. „Hikari“, hörte sie Taichi leise hinter sich. Erschrocken drehte sich das Mädchen um, sie ging neben ihm in die Knie. Er hatte sich aufgesetzt und stützte sich mit beiden Händen auf dem Boden ab. Sie strich ihm die Haare aus dem Gesicht, sie hingen ihm kraftlos herunter. „Ich will wieder nach Hause … Ich will zurück in mein Bett“, murmelte er und wischte sich über das Kinn. „Ok“, Kari half ihm hoch, dabei wankte er vor und zurück. Die Braunhaarige stützte ihn und sie drehten sich zum Gehen um. Sie ließ ihn nicht aus den Augen und führte ihn durch den Park. Sie waren keine zehn Schritte gegangen, da hielt Matt sie noch einmal auf, „wieso Kari?“, rief er ihnen nach. Sie wandte sich kurz um und musterte den Blonden stumm. Dann liefen sie weiter. ❀ ❀ ❀ Als Yamato auf den Braunhaarigen losging und das Mädchen mitgerissen wurde, war Takeru reflexartig aufgesprungen. Er hatte seinen Bruder nicht aus den Augen gelassen. Zu seiner und auch zu Tais Sicherheit. Er hatte es selbst nicht glauben können, was letzten Sonntag passiert war, aber er vertraute Kari. Doch er konnte es ebenso wenig fassen, dass Matt ihr wehtat. Takeru wollte zu ihnen rennen und seiner besten Freundin helfen. „Warte“, Izzy packte ihn am Handgelenk und hielt ihn fest. Auch er war wie gebannt von der Situation. Erst als Matt wieder zu ihnen trat, erwachten die vier aus ihrer Starre. Sora sprang auf und hielt ihren Freund auf. „Was hast du gemacht?“, zischte sie, „wieso hast du Kari mit reingezogen. Sie hat sich verletzt.“ Als sie seinen Blick sah, zuckte sie zurück, „sie weiß etwas und will es nicht sagen! Auch sie hat es verdient“, knurrte er. „Hat sie nicht“, warf Mimi ein, „was hast du eigentlich für ein Problem, Matt?“ „Nichts, ich geh dann“, er zuckte mit den Schultern und wandte sich um. Er wollte sich nicht mit Sora streiten, daher war das für ihn die beste Lösung. Er schob seine Hände tief in seine Hosentaschen und ließ seinen Blick schweifen. Er wusste, dass Hikari etwas verbarg, er musste wissen, was Tai nicht sagen wollte – oder auch sie. So zog er kurzerhand sein Handy aus der Tasche. Matt: Hey, ich würde mich gerne mit dir unterhalten und mich bei dir entschuldigen, aber wenn möglich persönlich und allein… Es fühlte sich an, als würde er eine Ewigkeit auf eine Antwort warten. Als er nach drei Minuten keine Antwort bekam, lief er weiter. Sein Weg führte ihn weiter durch den Park, an der Stelle vorbei, an der er kurz zuvor noch über Tai gebeugt war. Es schmerzte tief in ihm, dass sein Freund einfach auf ihn losgegangen war. Ohne Vorwarnung, aber so war Tai. Er fragte sich nur, wieso er ihm nichts gesagt hatte. Wieso hatte er all das in sich gefressen? Es musste unerträglich sein. Er hätte doch einfach mit ihm reden können. Dann wanderten seine Gedanken zu seiner Freundin. Er liebte sie und sein Freund anscheinend auch. Es schmerzte, dass Taichi derselben Frau die gleichen Gefühle wie er selbst entgegen brachte. Als sein Handy sich meldete zuckte er erschrocken zusammen. Er hatte gerade den Park verlassen und war auf dem Weg nach Hause. Nachdenklich zog er es raus. Neben einer Nachricht von Sora, welche sich nach ihm erkundigen wollte, hatte er noch eine zweite Nachricht, diese öffnete er sofort. Kari: Ja, wäre morgen beim Spielplatz in Ordnung? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)