Schädliche Kurzgeschichten von ElCidIV (Wie gut, dass wir hier alle anonym sind) ================================================================================ Kapitel 1: Zwiebelhafte Ernte ----------------------------- Zwiebelhafte Ernte Ich war erst seit etwa zwei Wochen Bauer. Ein schmutziger Job und keiner muss ihn machen. Meine Tante und ich gruben gerade den Garten um. Uns fiel wie immer auf, wie schön die Kartoffeln geraten waren. Auch schmeckten sie immer besonders gut. So hatten wir beschlossen, eine Kartoffelhymne zu dichten. Dann, jeden Abend nach getaner Arbeit, tanzten wir um den Kartoffelacker und sangen lauthals: Kartoffeln sind der Hit Kartoffeln sind der Hit Und alle Leute essen mit Denn ihre Stärke macht euch fit Zugegeben, kein Von der Vogelweide aber immerhin kein Modern Talking. Meine Mutter, die ein sehr großer Modern Talking Fan war kam zu diesen Anlässen oft vorbei und meinte: „Nö, eben nicht!“ Sie mochte keine Kartoffeln. „Wer stets Kartoffeln isst“, pflegte sie zu sagen, „sieht irgendwann selbst aus wie eine Kartoffel.“ Das mochte auf meine Tante vielleicht zutreffen. Ich hingegen erweckte eher den Eindruck, als hätte ich eine Spargel – und Bohnendiät hinter mir. Meine Mutter aß auffallend oft Ananas. Bisher waren mir jedoch keine rautenförmigen Auswüchse an ihr aufgefallen. Jedenfalls wurde es bald dunkel und somit war es Zeit für unser Ritual. Ich stieß meinen Spaten tief in den Boden und lockerte meine Gelenke. Nach der harten Arbeit krachten sie dabei meistens wie Pistolenschüsse übers Feld. Immer wenn ich am Abend die Arme hinter dem Kopf verschränkte und es nicht ordentlich knallte, wusste ich, dass ich an diesem Tag den Schlendrian gelebt hatte und gelobte innerlich am nächsten Tag fester mit anzupacken. Beim Gesang war das Knacken ein guter Rhythmus um nicht aus dem Takt zu geraten. Und während wir so das Kartoffellied sangen, war es mir, als hörte ich unter der Erde eine anerkennendes Raunen und die Kartoffelblüten wehten zufrieden im Wind. Eine friedliche Szenerie. Doch diese wurde von den bevorstehenden Ereignissen getrübt. Als wir heimgingen ahnten wir noch nicht, was sich sonst noch unter der Erde tat. Denn neben dem Kartoffelacker befand sich das Zwiebelfeld. Wie jeder weiß stehen Zwiebeln auf der Beliebtheitsskala der Bodenfrüchte weit unten. Dessen waren sie sich auch seit ihrer Existenz bewusst. Sie hatten weder viele Vitamine noch einen leckeren Geschmack und wer trotz allem noch hinter ihnen stand, fand niemanden der hinter ihm stehen wollte, weil er aus dem Mund roch und ständig pupen musste. Und so konnten aufmerksame Beobachter an jenem Abend sehen, wie sich die Zwiebelblüten raschelnd in die Mitte des Feldes bewegten. Unterhalb der Erde fand nämlich eine Versammlung statt. Unter dem Titel „Zwiebeln dieser Welt, vereinigt euch!“ rotteten sich die runden Gewächse zusammen. „Genossen!“, rief die Oberzwiebel in Ermangelung eines lustigeren Titels, „Seit Jahren werden wir gemieden und vergessen. Bisher war das nicht weiter schlimm, weil kein anderes Gemüse offen bevorzugt wurde. Doch nun! Eine Fanfare zu Ehren der Kartoffel! Ich frage euch, was hat eine Kartoffel zu bieten, was wir nicht zuwege bringen? Die Antwort lautet nichts! Doch was haben wir den Kartoffeln voraus? Ich sage euch, wir bringen mehr zuwege! Hat etwa je ein Mensch geweint, weil er eine Kartoffel geschält hat? Hat ein Mensch der seine Ferse mit Kartoffeln einreibt eine Stunde später Kartoffelgeschmack im Mund? Nein! Und dennoch! Es gibt Kartoffelpüree, Kartoffelauflauf und sogar Kartoffelschnaps!“ „Nicht zu vergessen, die Kartoffelkanone!“, pflichtete einer bei. „Doch was benennen die Menschen nach uns?“, fragte die Oberzwiebel und gab die Antwort direkt selbst, „Negative Dinge! Dinge wie Zwiebelwetter, Zwiebelgestank und Zwiebelkopf!“ Hier holte die Zwiebel tief Luft. „Vorbei sind ab jetzt diese Zeiten! Wir greifen im Morgengrauen an!“ Der Jubel, der daraufhin ertönte, hätte wohl bis zum Himmel gereicht, wäre nicht genügend Erde dazwischen gewesen. Doch von all dem ahnte ich damals noch nichts. Fröhlich vor mich hinsummend begleitete ich meine Tante zum Feld. Wir machten uns an die Arbeit und dachten an nichts Böses. Hin und wieder hörte ich ein verdächtiges Rascheln vom Zwiebelfeld. Aber das, so redete ich mir ein, konnte auch eine Einbildung gewesen sein. Gegen Mittag fing es an. Es begann mit einem lauten „Plopp!“. „Mahlzeit!“, entgegnete ich, denn ich dachte zunächst, meine Tante hätte einen Wind streichen lassen. Doch die hackte kommentarlos weiter. Daraufhin ertönte es nochmals: „Plo – plopp!“ Nun besah ich mir meine Tante dann doch genauer. Die fing doch jetzt nicht etwa an, bei der Arbeit zu scheißen wie ein Wallach? Doch ein Blick zur Seite zeigte, was sich auf dem Zwiebelfeld abspielte. Eine Zwiebel nach der anderen ploppte aus dem Erdboden an die Oberfläche. Sie hatten zwar keine Gesichter, dennoch war klar, dass sie keine guten Absichten gegen uns hegten. Meine Tante stieß einen Schrei aus und ließ die Harke fallen. Ich hingegen umklammerte die Schaufel noch fester. Das roch nach Ärger. Eine Zwiebel sprang schon auf mich zu. Ich hob die Schaufel wie einen Schild vor mein Gesicht. Es machte ein eindrucksvolles PÖNG und die geplättete Zwiebel flog im hohen Bogen durch die Luft. Sie landete auf dem Boden und dribbelte dort eine Weile rum. Dann machte es PÖFF und sie war wieder rund. Na so was! Die regenerierten sich ja schneller als der Sellerie erlaubt. Es musste einen anderen Weg geben, sie zu besiegen. Ich hackte mit der Schaufel nach ihnen. Doch wenn ich sie halbierte, regenerierten sich aus den Hälften zwei ganze Zwiebeln. Mittlerweile war die Flut bei meiner Tante angelangt. Sie schrie und griff nach ihrer Harke. In diesem Moment fielen die Zwiebeln über sie her und begruben sie unter sich. Zeitgleich geschah etwas mit meiner Schaufel. Ihr Blatt nahm eine elegante längliche Form an. Sie wurde zum Schwert. Eine göttliche Stimme ertönte aus dem Himmel. Sie beschwor mich, ruhig zu bleiben. Ich sei der Auserwählte, der das geheiligte Schwert führen dürfe. Ich fragte die Stimme, ob das mit irgendwelchen Gebühren oder so verbunden sei. Ja, antwortete die Stimme, und es sei auch nicht steuerfrei. Dann murmelte sie etwas das wie „Schmarotzerbande“ und „Parasiten“ klang. Ich rief, dass ich unter diesen Umständen auf das Schwert verzichten würde. Ein Seufzer, der jeden Vertreter stolz gemacht hätte ertönte, und das Schwert wurde wieder zur Schaufel. Ein Problem weniger. Nun packte mich schließlich die Wut. Ich zerhackte die Zwiebeln zu winzig kleinen Stücken. Doch wohin mit dem Haufen? Er würde wieder zu Zwiebeln werden, wenn ich nichts unternahm. Da kam mir die rettende Idee. Ich schaufelte mir die Stücke in den Mund und schluckte sie gierig runter. Doch schon bald befielen mich schlimme Magen – und Darmkrämpfe. Der Haufen aus Zwiebelstücken kicherte. Sie wussten was geschehen würde und sangen: Rumpel Pumpel knet und walk Prustet unser Blasebalg Zwischen zwei Bergen brummt ein Bär Hei, da schreit der Bläser sehr! Und tatsächlich entrang sich meiner Kehle ein heiserer Schrei, als ich einen so gewaltigen Wind streichen ließ, dass ich von dem Vakuum Kopfschmerzen bekam. Der Zwiebelhaufen lachte mich aus. Ich fluchte. Mein Magen war nicht dafür geschaffen, Zwiebeln zu verarbeiten. Doch zum Glück war meine Tante ein Allesfresser. Ich rief ihr zu, sie solle den Mund so weit es ging aufmachen. Das tat sie dann auch und ich schippte mit der Schaufel Ladung für Ladung in ihren Mund. Sie schlang alles hinunter ohne zu kauen. Dass dabei auch reichlich Sand und Kies in ihren Schlund gelangten, störte sie nicht sonderlich. Im Gegenteil. Es half ihr bei der Verdauung. Als ich ihr noch die letzten Stücke mit der Hand auf die Zunge schnippte, gluckerte es bereits bedrohlich in ihren Eingeweiden. Sie legte sich auf den Bauch und hielt sich die Ohren zu. Ich hätte es ihr gleichtun sollen, denn augenblicklich schien ihr Dickdarm zu explodieren. Und mit ihm der gesamte Kartoffelacker. Kartoffeln flogen schreiend nach allen Seiten. Besonders viele flogen in die Luft. Wenn sie unten aufschlugen, würden sie auseinander platzen. Verzweifelt sah ich mich um. Da entdeckte ich am Rande des Feldes eine Schubkarre. Schnell sprintete ich darauf zu. Ich schnappte mir die Karre und raste damit über das Feld. Hin und her flitzte ich um die fallenden Kartoffeln aufzufangen. Schließlich hatte ich alle zusammen. Und auch der Arsch meiner Tante hörte auf zu qualmen. Doch das gluckern nahm auch in den nächsten Tagen nicht ab. Aber das war nicht weiter schlimm. Im Gegenteil. Auf diese Weise gewann meine Tante an Schubkraft, wenn sie uns in der Schubkarre übers Feld schob. Mich und unsere neuen Freunde, die Kartoffeln. Zusammen saßen wir in der schaukelnden und schwankenden Holzkarre und sangen begeistert: Kartoffeln sind der Hit Kartoffeln sind der Hit Und alle Leute essen mit Denn ihre Stärke macht euch fit Meine schiebende Tante gluckerte und furzte dazu im Takt, dass die Funken nur so flogen. Und statt dem Knacken meiner Knochen, knallte es jetzt auf dem Feld nur noch, wenn meine Tante die Schallmauer durchbrach. -Fin- Kapitel 2: Messi-Messe ---------------------- Irgendjemand geht an meinen Rucksack. Ich packe immer frische Bananen ein und Wochen später sind faule drin. Das geht nicht mit rechten Dingen zu. Mein Rucksack war verflucht und stank. Wenn da die Mächte des Teufels am Werk waren, gab es nur einen Weg um ihn zu retten. Ich ging mit dem Rucksack in die Kirche und schüttete in einem unbeobachteten Augenblick den ganzen Schrott aus meinem Rucksack hinter den Altar und fühlte mich dabei wie ein Paladin. Dann tauchte ich den Rucksack ins große Weihwasserbecken am Ende des Ganges. Immer und immer wieder. Einmal entglitt er mir und sank auf den Grund. Erbost zog ich ihn wieder raus und rief: „Ja scheiß die Wand an!“ Nun war Scheißdiewandan offiziell getauft und ich zog ihn mir wieder auf die Schultern. Da die Messe bald anfing, ging ich zu den vordersten Bänken und pflanzte mich hin. Die Glocken läuteten und die Messdiener rutschten auf dem Weg zum Altar scharenweise auf der Wasserlache, die mein klitschnasser Rucksack hinterlassen hatte, aus. Jetzt begriff ich auch, warum sie den englischen Begriff „Mess“ in ihren Namen tragen. It was a terrible mess, als sich einer von ihnen derart überschlug, dass sein Glöckchen scheppernd gegen das Tabernakel flog. Wie auf Kommando ging dann auch schon die Tür auf und der Pfarrer schlurfte zum Altar. „Meine lieben Brüder und Schwestern!“, rief er über das Ächzen und Stöhnen der Messdiener hinweg. Dann verstand man ihn nicht mehr, weil der ganze Müll hinter seinem Altar zu laut raschelte. Er stutzte und blickte nach unten. Versuchsweise schob er ein Bein nach vorne. Eine Lawine aus Bonbon- und Schokoriegelpapierchen segelte die Stufen hinab. Räuspernd zog der den Fuß wieder zurück. Wieder geriet die Masse in Bewegung. Diesmal erschien eine Rolle Klopapier, die einen eleganten Bogen um den Altar schlug und die Stufen hinab in Richtung Ausgang rollte. Dabei hinterließ sie vom Altar aus eine pompöse weiße Schleppe. Alle starrten nun auf die Klorolle und bekamen gar nicht mit, wie der Pfarrer mit Alditüten um die Fußknöchel zum Tabernakel schlurfte. Die Messdiener die es inzwischen geschafft hatten, zum Altar zu kriechen, versuchten nun verzweifelt mit ihren Glöckchen zu bimmeln. Doch es klang als würde ein Irrer einen mit Scherben gefüllten Motorradhelm durch die Gegend treten, da die Glöckchen alle verbeult waren. Inzwischen intensivierte sich der Bananengeruch aus dem Taufbecken. Stolpernd und keuchend balancierte der Pfarrer den Wein und die Hostien zum Altar, wo er sie mit lautem Krachen draufknallte. Dann hüpfte er zur Kanzel und führte einen wilden Cancan auf um die Alditüten loszuwerden. Die flatterten schließlich auch von dannen, zusammen mit einem seiner Schuhe, der einen Tippelbruder in der vorletzten Reihe unsanft aus dem Schlaf riss. Dann schlug er sein Liedbuch auf und verkündete das Lied, das nun gemeinsam gesungen wurde. Während die pubertierenden Messdiener sich vorne einen abkrähten, versuchte ich mich an einem tiefen Bass, der buchstäblich in die Hose ging, als ich urplötzlich einen fahren lassen musste. Die Leute die hinter mir saßen, rückten röchelnd und leiernd von mir weg. Der Pfarrer verhaspelte sich und grölte nun verzweifelt um den Takt herum, als würde der Mond versuchen auf Polynesien zu landen. Im Großen und Ganzen war der Song ein Reinfall. Es machten zwar alle den Mund auf, weil sie nicht mehr durch die Nase atmen konnten, aber die Hälfte davon gähnte, hustete oder beschwerten sich lautstark fluchend über den Lärm, wie der Tippelbruder in der vorletzten Bank. Jemand rülpste sogar, was zur allgemeinen Erheiterung beitrug. Der Pfarrer schlug das Buch mitten in der zweiten Strophe zu und warf uns allen einen gekränkten Blick zu. Dann schritt er würdevoll zum Altar. Das heißt, er versuchte es. Mühevoll kraxelte er auf den Müllberg. Oben angekommen schwankte er wie ne Flasche Kellergeist im Leerlauf bis sein Mund den Weg zum Mikrofon fand. Er forderte zum Beten auf. Wobei man den letzten Teil des Satzes erahnen musste, denn er rutschte mit einem Fuß ab und geriet dabei ins Leiern. Die Leute knieten nieder. Neben mir saß ein Rudel Rentner und es knirschte, als wäre man auf eine Packung Mikado getreten. Der Pfarrer lallte das Gebet vor und die Leute antworteten. Mein Kopf tat weh und die Knie antworteten. Lange hielt ich das Gehocke wirklich nicht mehr aus. Da kam mir die rettende Idee. Ich tat einfach so als müsse ich husten damit ich aufstehen konnte. Es wäre ja unhöflich gewesen, den anderen ins Gesicht zu husten. Leider taten mir die Knie nun doppelt so weh, als ich mich wieder drauf sinken ließ. Ich hielt die Schmerzen kaum aus, also sprang ich auf, um gleich wieder zu husten. Doch der Schmerz beim hinknien wurde jedes Mal schlimmer. Also blieb mir nichts anderes übrig, als wie ein Frosch auf der Stelle zu hüpfen und zu husten. Bald schon darauf, konnte der Rest nicht anders, als im Takt meines Hustens zu beten. Selbst der Pfarrer wankte unbewusst im Takt und ich beatboxte fleißig weiter bis zum Ende des Gebets. Es war die heiligste Rapmesse die es je in diesem Kaff gegeben hatte. Erschöpft ließ sich der Pfarrer nun ebenfalls kurz auf die Knie sinken. Leere Pfandflaschen schossen links und rechts unter ihm weg. Dann besann er sich wieder auf das Wesentliche. Er richtete sich auf und griff nach den Hostien. Er verkündete heiser, dies sei der Leib Christi. Ich besah mir die Hostien und kam zu dem Entschluss, dass Christi unter extremer Mangelernährung gelitten hatte. Der Pfarrer schob sich eine Hostie in den Mund. Da Esspapier sehr trocken ist und bekanntlich mit etwas runtergespült wurde, griff er nach dem Wein. Dafür, dass er den als heiliges Blut Christi angepriesen hatte, langte er nicht gerade üppig zu. Ich vermutete, dass es ich wohl um einen günstigen Fusel handeln musste, der schnell in die Birne ging, denn er nippte nur kurz daran. In der Tat schien er nicht so doll zu sein, denn er bot nun an, ihn an alle anderen zu verteilen. Wir stellten uns alle hintereinander an, anstatt wie dehydrierte Bestien nach dem Wein zu krallen, denn wir befanden uns in einer deutschen Kirche und nicht in einer irischen. Als ich an der Reihe war, knurrte mir bereits der Magen. Also ließ ich mir die Hostie in die Futterluke schieben. Doch Weh und Ach. Das Ding war so trocken wie die Grabrede für einen Schotten. Also griff ich mir den Weinkelch. Augen zu und durch. „Zur Mitte, zur Titte, zum Sack – Zack, Zack!“, skandierte ich, „Und Tschüssikowski!“ Damit stürzte ich das Gebräu hinunter und bemerkte gar nicht, dass mich alle anstarrten. Dabei sahen die selber alle blöd aus mit den Fetzen von der Klorollenschleppe unter den Schuhen. Der Pfarrer teilte mit, dass kein Wein mehr da sei. Ein enttäuschtes „Oooh~…“ ging durch die Reihen, der Tippelbruder verließ lautstark über den Kapitalismus motzend die Kirche und einige verlangten empört ihren Eintritt aus dem Klingelbeutel zurück. Tja, so ein Pech, dass Jesus zurzeit beim Ballermann am Sangriaeimer jobte. Der hätte aus dem Weihwasserbecken ein schönes Bananenschnäppsken machen können. Da ich die Meute nicht komplett leer ausgehen lassen wollte, stieß ich einen laut kollernden Rülpser aus, damit sie zumindest noch das Aroma mitbekamen. Dann schlurfte ich zurück auf meinen Platz und hockte mich verkehrt herum, mit dem Kopf nach unten und den Beinen nach oben auf die Bank um zu beobachten, wie die Schuhe der Leute das Klopapier am Boden zerpflückten. Der Pfarrer schwafelte dann irgendwann auch weiter. Wenn jemand Augen auf sein Kinn malen würde, sähe das kopfüber richtig cool aus. Ich zückte einen schwarzen Edding und warf so gut gezielt wie es kopfüber nur ging. Was ich mir dabei dachte, wusste ich selbst nicht recht. Zwei Augen würde ich mit einem Wurf nicht hinbekommen. Dafür flutschte er dem Pfarrer unter die Nase und hinterließ dort ein eindrucksvolles schwarzes Rechteck. Vor Aufregung verschluckte sich der Pfarrer und predigte in einem abgehackt kehligen Tonfall weiter, in welchem er das „R“ eindrucksvoll betonte. Da es dabei gerade um die Hölle ging, stampfte er dabei mit den Füßen auf, dass die Taschentücher und Kondome nur so flogen. Aber irgendwann machte das auch keinen Spaß mehr und ich stand auf. Da kam mir eine lustige Idee. Ich ging zurück zum Taufbecken und setzte mich an den Rand. Ich wühlte in meinen Jackentaschen. Tatsächlich besaß ich noch ein Päckchen Ahoibrause. Ich nahm es in die Hand, steckte diese ins Wasser und rief so laut ich konnte, der Teufel hätte mich am Arsch, ich hätt seit Wochen Hämorriden und wüsst jetzt auch nicht woher das käme, ah au, weh und ach, das Weihwasser brennt übler als meiner Rosette, etc, etc… Ich fuhr noch eine Weile mit meinem Lamento fort. Alle starrten mich mittlerweile an. Des Weitern beschwerte ich mich lautstark über das Brodeln und zischen hinweg, der Teufel hätte ebenso meinen Rucksack und das Weihwasser versaut, dem Pfarrer unter die Kutte gespickt, sämtliche Final Fantasy Spielstände gelöscht und den Apfel von Bill Gates angebissen. Ich heulte vor der blöd glotzenden Menge noch eine ganze Weile weiter, über Fettleibigkeit bei Hauswieseln, schwer zu fangende Pokemon und aufkommende Müdigkeit. Die Müdigkeit wurde letztlich so schlimm, dass ich mäkelnd mit einer Hand im Taufbecken vor aller Augen einschlief. Dass ich mich dabei im Schlaf vollpisste, war alte Schule. Als ich erwachte, waren sämtliche Besucher und der Pfarrer verschwunden. Wenn etwas langweilig wurde, wollte niemand mehr zuhören, das galt für den Pfarrer genauso wie für mich. Das Taufbecken roch bananig-fruchtig mit einem Hauch von Waldmeister. Auf meinem Bauch lag eine Exorzismusbroschüre und meine Hand roch affig. Ich verließ die Kirche mit gemischten Gefühlen und besah mir die Broschüre. Vielleicht würde ich diese Hilfe aus Neugier mal in Anspruch nehmen. Aber das ist eine andere Geschichte. Kapitel 3: Anglerlatein ----------------------- Ich zog aus um zu angeln. Das war an sich nichts Neues, doch fiel mir diesmal erst als ich am Rheinufer saß auf, dass ich meine Köder vergessen hatte. Ich durchforstete verzweifelt die unendlichen Tiefen meines Rucksacks, da ich den ganzen Weg nicht zurücklaufen wollte und wurde nach einiger Zeit schließlich fündig. Ganz unten am Boden befand sich ein altes Stück Käse. Ich befestigte es am Haken und ließ es ins Wasser, begierig darauf wartend, dass ein paar tote Ratten anbissen. Es dauerte auch nicht lange, bis etwas anbiss. Ich zog die Beute raus und staunte nicht schlecht, als eine tote Katze am Haken hing. (Sie musste tot sein, denn lebendige Katzen bissen für gewöhnlich nicht an, wenn man mit altem Käse angelt.) Die tote Katze bedankte sich für den Käse und versicherte mir, ich hätte nun drei Wünsche frei. Dann sprang sie zurück ins Wasser. Ich fand es überaus lästig und über alle Maßen unverschämt, mir für den Käse auch noch drei Wünsche aufzuschwatzen. Bei irgendjemandem würde ich mich dafür beschweren, ich wusste nur noch nicht, bei wem. Als ich die Severinstraße hoch ging fiel mein Blick auf das Express-Gebäude. Just in diesem Augenblick trat mich die Muse mit Schmackes in den Arsch. Ich würde mich bei den Medien beschweren gehen. Ja, das kannte man ja bereits aus den Talkshows. Wenn einem etwas nicht passte, musste man es nur in den Medien herumkrakeelen um zu einer Lösung zu gelangen. Und wenn man keine Lösung fand – auch gut – dann war man damit wenigstens ein paar Leuten auf den Sack gegangen. Sollte ich einfach beim Kölner Stadtanzeiger reinschneien? Nein, ich würde denen so einen richtig fiesen Brief schicken. Ich schrieb also die ganze Story auf, druckte sie aus und steckte sie in den Umschlag, den ich an den Kölner Stadtanzeiger adressierte. Damit der Brief auch ja schön gelesen wurde, klebte ich ein paar Hello Kitty Sticker drauf. So würden sie denken, ein Kind hätte ihn geschrieben und in dem Fall mussten sie ihn lesen. Dass sie die Story mit der toten Katze erwarten würde, konnten sie nicht ahnen. Ein wenig taten sie mir dafür sogar leid. Darum malte ich den Hello Kittys Kreuzchenaugen, um sie metaphorisch auf das Ereignis vorzubereiten. Hämisch in mich hineingrinsend trug ich den Brief zur Post – an jeder Ecke abwechselnd in den Händen und auf der Nasenspitze balancierend. Als die Leute mich deshalb für einen Seehund hielten und mit Fischköpfen bewarfen, bellte ich ihnen wüste Beschimpfungen nach und klatschte erbost mit den Flossen. Endlich erreichte ich die Postfiliale. Wortlos nahm man den Brief und das Porto in Empfang und finstere Gedanken beschlichen mich. Was war, wenn der Brief verloren ging, oder noch schlimmer, den falschen Ort erreichte? Was war, wenn er in die Hände von afrikanischen Piraten gelangte? Sie würden meine Wohnung stürmen, alles nieder schießen und dann mit ihrem Schiff die ganze Straße kaputtsegeln. Außerdem würde die Zeitung meinen Brief nicht erhalten, also schickte ich ihnen sicherheitshalber (ich glaube nicht das afrikanische Piraten das Internet manipulieren) eine Mail. Wenige Tage später erhielt ich einen Anruf. Sie würden meine Beschwerde drucken, so hieß es. Ich wartete mehrere Tage und trank aus Langeweile so viel Cola, dass ich jedem einen bösen Blick schickte, der mir ein Mentos anbot. Dann war es endlich so weit. Erwartungsvoll schlug ich die Zeitung auf und fraß dabei Knäcke mit Rübenkraut. Doch dann verging mit schlagartig der Appetit. Sie hatten meine Beschwerde total durch den Kakao gezogen. Angewidert warf ich mein Krautknäcke aus dem Fenster und traf die schielende Nachbarskatze, die mit dem an der Flanke klebenden Knäcke das Weite suchte. Nein, so ging das nicht. Ich schnappte mir abermals die Angel. Dann packte ich mir noch alten Käse ein und ging an den Rhein. Es dauerte nicht lange bis die tote Katze wieder an der Angel hing. Ich stellte sie zur Rede wegen der Wünsche und ehe wir uns versahen, beschimpften wir uns gegenseitig. Ich zog dabei den Kürzeren, weil die Katze aus dem Mund nach faulen Algen stank, so dass ich kurzzeitig ins Koma fiel. Dann fiel plötzlich das Thema, was die Katze denn den ganzen Tag machte, während ich für mein sauer verdientes HartzIV anstehen musste. Die Katze selbst behauptete, sie habe ihren eigenen Brezelstand (was ich ihr natürlich nicht abkaufte) doch träume sie von ihrem eigenen Musiksender. Ich lud die Katze auf die Rheinterrassen ein und forderte sie auf, mir von ihrem Traum zu erzählen. Insgeheim hegte ich natürlich nur den Hintergedanken mich über sie lustig zu machen. Doch nach einiger Zeit teilte ich ihren Traum. Die Katze und ich beschlossen eine Firma zu gründen. Wir hatten zwar keine Ahnung, was wir verkaufen sollten, aber Hauptsache es war teuer. Außerdem waren wir dermaßen rotzebreit, dass wir auch Luft in Dosen verkauft hätten. Ich nickte mit der Stirn auf dem bierverschmierten Tisch ein. In meinen Träumen befand ich mich in wirren Firmenkonferenzen. Am meisten fuchste mich daran, dass die Katze und ich im Partnerlook auftraten. Wir trugen beide geschniegelte Anzüge und italienische Designerschuhe. Während die Katze gestikulierend am Flipboard auf und ab ging, tropfte es aus ihren nassen Klamotten. Aus meinen auch, denn Partnerlook heißt entweder ganz oder gar nicht. Doch die Katz wies hier und dorthin und spritzte alles voll mit Rheinwasser. Als sie während einer heißblütigen Rede einen Arm hochriss, tat es ein schleimiges Matschgeräusch und einer von den feinen Pinkeln hatte eine Alge quer über der Visage kleben. Eine nasse Spur zog sich durch das ganze Büro. Ich hätte ohne weiteres in die Hose pinkeln können, es wäre keinem Schwein aufgefallen. Im Grunde wäre es auch nicht schlimm gewesen, wenn ich mich vollgeschissen hätte, denn die Katze roch stark verwest. Ich auch, wegen dem Partnerlook. Als ich erwachte, war ich wirklich nass. Irgendwelche Idioten hatten mich mit Bier überschüttet. Mit war schwindelig. Ich tastete auf dem Tisch herum, fand einen Aschenbecher und trank ihn auf Ex. Diese verdammte Katze hatte die Zeche geprellt und ich musste für alles zahlen – auch für das Bier das über mich ausgeschüttet wurde und der leergesoffene Aschenbecher. Meine Eingeweide wollten sich dringlich vom Alkohol scheiden. Ich fragte mich, ob ich das Ganze noch bezahlen müsste, wenn ich es einfach auf der örtlichen Toilette zurücklassen würde. Nein, natürlich nicht. Trotzdem kotzte ich ihnen nach dem Verlassen des Lokals zur Sicherheit noch einmal durchs Fenster. Ich traf einen Stammgast direkt in den Nacken. Und da soll noch einer sagen, dass Alkohol das Zielvermögen beeinträchtigt. Das war ja wohl ein glatter Blattschuss. Das wollte ich auf jeden Fall weiterhin versuchen. Auf dem Heimweg kotzte ich in vier Briefkästen. Des Weiteren erwischte ich zwei Hunde, vier vorbeifahrende Autos und die schielende Katze mit dem Knäcke in der Flanke. Zu Hause war mein Magen dann so leer, dass ich mir zwei Tiefkühlpizzen nahm, mit Nutella bestrich, zusammenklappte und in die Mikrowelle schmiss. Während ich darauf wartete, dass die Pizza schön matschig wurde, durchstöberte ich den Kühlschrank weiter. Und ich fand wieder alten Käse. Er war zu hart um ihn über die Pizza zu reiben. Und aus dem Fenster wollte ich ihn auch nicht werfen, sonst würde ich sowieso nur wieder die schielende Nachbarskatze treffen. Ich fraß die Pizza während ich im Bett lag und nachdachte. Am nächsten Morgen hatte ich auch schon einen Plan geschmiedet. Ich holte den ollen Käse unter meinem Kopfkissen hervor und machte mich auf den Weg zum Rhein. Ich befestigte zunächst den Käse am Angelhaken. Dann stopfte ich mir den Käse samt Haken in den Mund und warf die Angelrute in den Rhein. Es dauerte nicht lange, bis die Katze die Rute ergriff und mich ins Wasser zog. Ein wenig verdutzt sah sie drein, als sie mich samt Haken im Mund am anderen Ende der Angel erblickte. Ich gratulierte ihr. Sie hatte mich vom Land ins Wasser gezogen und somit drei Wünsche frei. Da ich aber von ihr noch drei Wünsche frei hatte, waren wir somit quitt. Und von da ging ich einer neuen Beschäftigung nach. Ich lief mit Angelhaken im Mund durch die Stadt und schleifte die Angel hinter mir her. Und wer so dumm war und sich die Angelrute griff, musste damit rechnen, mit drei Wünschen belästigt zu werden. Dann musste der Betreffende dann ebenfalls mit einer Angel im Mund durch die Gegend laufen, bis ihn jemand erlöste. Bald musste man unterwegs ganz schön aufpassen, dass man nicht über die Angelschnüre stolperte. Denn die ganze Stadt war voll von Verfluchten. Aber das war mir da schon egal. Ich verließ das Haus, in dem ich so lange gelebt hatte und zog mit der Rheinkatze aus um mit ihr eine Garagenband zu gründen. Diese war nun übrigens mit der schielenden Nachbarskatze zusammen. Zusammen haben sie mittlerweile acht Junge bekommen. Diejenigen von ihnen, die nicht schielten, hatten einen Minizwieback an der Flanke kleben. -Fin- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)