Schädliche Kurzgeschichten von ElCidIV (Wie gut, dass wir hier alle anonym sind) ================================================================================ Kapitel 1: Zwiebelhafte Ernte ----------------------------- Zwiebelhafte Ernte Ich war erst seit etwa zwei Wochen Bauer. Ein schmutziger Job und keiner muss ihn machen. Meine Tante und ich gruben gerade den Garten um. Uns fiel wie immer auf, wie schön die Kartoffeln geraten waren. Auch schmeckten sie immer besonders gut. So hatten wir beschlossen, eine Kartoffelhymne zu dichten. Dann, jeden Abend nach getaner Arbeit, tanzten wir um den Kartoffelacker und sangen lauthals: Kartoffeln sind der Hit Kartoffeln sind der Hit Und alle Leute essen mit Denn ihre Stärke macht euch fit Zugegeben, kein Von der Vogelweide aber immerhin kein Modern Talking. Meine Mutter, die ein sehr großer Modern Talking Fan war kam zu diesen Anlässen oft vorbei und meinte: „Nö, eben nicht!“ Sie mochte keine Kartoffeln. „Wer stets Kartoffeln isst“, pflegte sie zu sagen, „sieht irgendwann selbst aus wie eine Kartoffel.“ Das mochte auf meine Tante vielleicht zutreffen. Ich hingegen erweckte eher den Eindruck, als hätte ich eine Spargel – und Bohnendiät hinter mir. Meine Mutter aß auffallend oft Ananas. Bisher waren mir jedoch keine rautenförmigen Auswüchse an ihr aufgefallen. Jedenfalls wurde es bald dunkel und somit war es Zeit für unser Ritual. Ich stieß meinen Spaten tief in den Boden und lockerte meine Gelenke. Nach der harten Arbeit krachten sie dabei meistens wie Pistolenschüsse übers Feld. Immer wenn ich am Abend die Arme hinter dem Kopf verschränkte und es nicht ordentlich knallte, wusste ich, dass ich an diesem Tag den Schlendrian gelebt hatte und gelobte innerlich am nächsten Tag fester mit anzupacken. Beim Gesang war das Knacken ein guter Rhythmus um nicht aus dem Takt zu geraten. Und während wir so das Kartoffellied sangen, war es mir, als hörte ich unter der Erde eine anerkennendes Raunen und die Kartoffelblüten wehten zufrieden im Wind. Eine friedliche Szenerie. Doch diese wurde von den bevorstehenden Ereignissen getrübt. Als wir heimgingen ahnten wir noch nicht, was sich sonst noch unter der Erde tat. Denn neben dem Kartoffelacker befand sich das Zwiebelfeld. Wie jeder weiß stehen Zwiebeln auf der Beliebtheitsskala der Bodenfrüchte weit unten. Dessen waren sie sich auch seit ihrer Existenz bewusst. Sie hatten weder viele Vitamine noch einen leckeren Geschmack und wer trotz allem noch hinter ihnen stand, fand niemanden der hinter ihm stehen wollte, weil er aus dem Mund roch und ständig pupen musste. Und so konnten aufmerksame Beobachter an jenem Abend sehen, wie sich die Zwiebelblüten raschelnd in die Mitte des Feldes bewegten. Unterhalb der Erde fand nämlich eine Versammlung statt. Unter dem Titel „Zwiebeln dieser Welt, vereinigt euch!“ rotteten sich die runden Gewächse zusammen. „Genossen!“, rief die Oberzwiebel in Ermangelung eines lustigeren Titels, „Seit Jahren werden wir gemieden und vergessen. Bisher war das nicht weiter schlimm, weil kein anderes Gemüse offen bevorzugt wurde. Doch nun! Eine Fanfare zu Ehren der Kartoffel! Ich frage euch, was hat eine Kartoffel zu bieten, was wir nicht zuwege bringen? Die Antwort lautet nichts! Doch was haben wir den Kartoffeln voraus? Ich sage euch, wir bringen mehr zuwege! Hat etwa je ein Mensch geweint, weil er eine Kartoffel geschält hat? Hat ein Mensch der seine Ferse mit Kartoffeln einreibt eine Stunde später Kartoffelgeschmack im Mund? Nein! Und dennoch! Es gibt Kartoffelpüree, Kartoffelauflauf und sogar Kartoffelschnaps!“ „Nicht zu vergessen, die Kartoffelkanone!“, pflichtete einer bei. „Doch was benennen die Menschen nach uns?“, fragte die Oberzwiebel und gab die Antwort direkt selbst, „Negative Dinge! Dinge wie Zwiebelwetter, Zwiebelgestank und Zwiebelkopf!“ Hier holte die Zwiebel tief Luft. „Vorbei sind ab jetzt diese Zeiten! Wir greifen im Morgengrauen an!“ Der Jubel, der daraufhin ertönte, hätte wohl bis zum Himmel gereicht, wäre nicht genügend Erde dazwischen gewesen. Doch von all dem ahnte ich damals noch nichts. Fröhlich vor mich hinsummend begleitete ich meine Tante zum Feld. Wir machten uns an die Arbeit und dachten an nichts Böses. Hin und wieder hörte ich ein verdächtiges Rascheln vom Zwiebelfeld. Aber das, so redete ich mir ein, konnte auch eine Einbildung gewesen sein. Gegen Mittag fing es an. Es begann mit einem lauten „Plopp!“. „Mahlzeit!“, entgegnete ich, denn ich dachte zunächst, meine Tante hätte einen Wind streichen lassen. Doch die hackte kommentarlos weiter. Daraufhin ertönte es nochmals: „Plo – plopp!“ Nun besah ich mir meine Tante dann doch genauer. Die fing doch jetzt nicht etwa an, bei der Arbeit zu scheißen wie ein Wallach? Doch ein Blick zur Seite zeigte, was sich auf dem Zwiebelfeld abspielte. Eine Zwiebel nach der anderen ploppte aus dem Erdboden an die Oberfläche. Sie hatten zwar keine Gesichter, dennoch war klar, dass sie keine guten Absichten gegen uns hegten. Meine Tante stieß einen Schrei aus und ließ die Harke fallen. Ich hingegen umklammerte die Schaufel noch fester. Das roch nach Ärger. Eine Zwiebel sprang schon auf mich zu. Ich hob die Schaufel wie einen Schild vor mein Gesicht. Es machte ein eindrucksvolles PÖNG und die geplättete Zwiebel flog im hohen Bogen durch die Luft. Sie landete auf dem Boden und dribbelte dort eine Weile rum. Dann machte es PÖFF und sie war wieder rund. Na so was! Die regenerierten sich ja schneller als der Sellerie erlaubt. Es musste einen anderen Weg geben, sie zu besiegen. Ich hackte mit der Schaufel nach ihnen. Doch wenn ich sie halbierte, regenerierten sich aus den Hälften zwei ganze Zwiebeln. Mittlerweile war die Flut bei meiner Tante angelangt. Sie schrie und griff nach ihrer Harke. In diesem Moment fielen die Zwiebeln über sie her und begruben sie unter sich. Zeitgleich geschah etwas mit meiner Schaufel. Ihr Blatt nahm eine elegante längliche Form an. Sie wurde zum Schwert. Eine göttliche Stimme ertönte aus dem Himmel. Sie beschwor mich, ruhig zu bleiben. Ich sei der Auserwählte, der das geheiligte Schwert führen dürfe. Ich fragte die Stimme, ob das mit irgendwelchen Gebühren oder so verbunden sei. Ja, antwortete die Stimme, und es sei auch nicht steuerfrei. Dann murmelte sie etwas das wie „Schmarotzerbande“ und „Parasiten“ klang. Ich rief, dass ich unter diesen Umständen auf das Schwert verzichten würde. Ein Seufzer, der jeden Vertreter stolz gemacht hätte ertönte, und das Schwert wurde wieder zur Schaufel. Ein Problem weniger. Nun packte mich schließlich die Wut. Ich zerhackte die Zwiebeln zu winzig kleinen Stücken. Doch wohin mit dem Haufen? Er würde wieder zu Zwiebeln werden, wenn ich nichts unternahm. Da kam mir die rettende Idee. Ich schaufelte mir die Stücke in den Mund und schluckte sie gierig runter. Doch schon bald befielen mich schlimme Magen – und Darmkrämpfe. Der Haufen aus Zwiebelstücken kicherte. Sie wussten was geschehen würde und sangen: Rumpel Pumpel knet und walk Prustet unser Blasebalg Zwischen zwei Bergen brummt ein Bär Hei, da schreit der Bläser sehr! Und tatsächlich entrang sich meiner Kehle ein heiserer Schrei, als ich einen so gewaltigen Wind streichen ließ, dass ich von dem Vakuum Kopfschmerzen bekam. Der Zwiebelhaufen lachte mich aus. Ich fluchte. Mein Magen war nicht dafür geschaffen, Zwiebeln zu verarbeiten. Doch zum Glück war meine Tante ein Allesfresser. Ich rief ihr zu, sie solle den Mund so weit es ging aufmachen. Das tat sie dann auch und ich schippte mit der Schaufel Ladung für Ladung in ihren Mund. Sie schlang alles hinunter ohne zu kauen. Dass dabei auch reichlich Sand und Kies in ihren Schlund gelangten, störte sie nicht sonderlich. Im Gegenteil. Es half ihr bei der Verdauung. Als ich ihr noch die letzten Stücke mit der Hand auf die Zunge schnippte, gluckerte es bereits bedrohlich in ihren Eingeweiden. Sie legte sich auf den Bauch und hielt sich die Ohren zu. Ich hätte es ihr gleichtun sollen, denn augenblicklich schien ihr Dickdarm zu explodieren. Und mit ihm der gesamte Kartoffelacker. Kartoffeln flogen schreiend nach allen Seiten. Besonders viele flogen in die Luft. Wenn sie unten aufschlugen, würden sie auseinander platzen. Verzweifelt sah ich mich um. Da entdeckte ich am Rande des Feldes eine Schubkarre. Schnell sprintete ich darauf zu. Ich schnappte mir die Karre und raste damit über das Feld. Hin und her flitzte ich um die fallenden Kartoffeln aufzufangen. Schließlich hatte ich alle zusammen. Und auch der Arsch meiner Tante hörte auf zu qualmen. Doch das gluckern nahm auch in den nächsten Tagen nicht ab. Aber das war nicht weiter schlimm. Im Gegenteil. Auf diese Weise gewann meine Tante an Schubkraft, wenn sie uns in der Schubkarre übers Feld schob. Mich und unsere neuen Freunde, die Kartoffeln. Zusammen saßen wir in der schaukelnden und schwankenden Holzkarre und sangen begeistert: Kartoffeln sind der Hit Kartoffeln sind der Hit Und alle Leute essen mit Denn ihre Stärke macht euch fit Meine schiebende Tante gluckerte und furzte dazu im Takt, dass die Funken nur so flogen. Und statt dem Knacken meiner Knochen, knallte es jetzt auf dem Feld nur noch, wenn meine Tante die Schallmauer durchbrach. -Fin- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)