Everything I didn't say von Elize (Oder auch: "Ich bin nur der Praktikant.") ================================================================================ Kapitel 2: 2 ------------ Alison riss die Augen auf, öffnete den Mund um etwas zu sagen, schloss ihn sofort wieder, als sie bemerkte, dass sie nicht wusste was sie überhaupt sagen wollte. Wartete einfach ab, bis der Mann mit den schwarzen Haaren, den stechend dunklen Augen und dem weißen Shirt, das sich eng anliegend um seinen wohlgeformten Oberkörper schmiegte, vor ihr angekommen war. Er lief unentwegt auf sie zu, fuhr sich durch die Haare, schenkte ihr ein breites Grinsen, das er besser zu beherrschen schien als Ali, deren Mundwinkel immer noch schlapp nach unten hingen, nicht einmal zuckten. Sie versuchte zu schlucken. Er musste ein Lehrer sein, er konnte nichts anderes sein, selbst wenn er aussah wie ein Calvin Klein Model, ein Tumblr Boy oder irgendein Schauspieler, zusammen, und oh Mann, Mann, Mann, das tat er wirklich, änderte das nichts an den, für bestimmt manch ein Mädchen frustrierenden, Tatsachen. Er joggte nun leicht, sich beeilend endlich bei ihr anzukommen; so als würde Ali jeden Moment flüchten, so schnell sie konnte vor ihm davonrennen, obwohl sich ihre Gliedmaßen, da war sie sich sicher, momentan mit all ihrer Kraft dagegen wehren-, keinen Zentimeter bewegen würden. Es war wie mit dem Haus, dessen Schwingungen ihre Muskeln ebenfalls zum Einfrieren gebracht hatten. Alles hier hatte diese Ausstrahlung. Wenn sich Al nicht täuschte, dann waren sogar die Bäume und Pflanzen schöner, als die, die sie von ihrer Heimat kannte. Welch eine Ironie, wenn man bedachte, dass es immer noch ein Internat war. Eine Schule voller zickiger, oberflächlicher, skrupelloser Mädchen, 24/7 die Woche. „Hey.“ Der junge Mann blieb schließlich vor ihr stehen, beäugte sie, ebenso wie Ali ihn beäugte. Jedoch lag mehr Wärme, Freundlichkeit und sogar ein Hauch von Schalk in seinem Blick, als in ihrem eigenen, der starr und ziemlich misstrauisch über den Fremden Körper vor sich glitt. Ihre dunklen Irden blieben an den kleinen Sommersprossen hängen, die rund um seine Nase wie Puderzucker verstreut waren, während seine versuchten, erfolglos, Augenkontakt mit ihren aufzunehmen. „Hi.“ Stieß Ali schließlich leise aus, nun endlich einen scheuen Blick in seine Augen wagend. Sie war überrascht wie schwarz diese waren. Schwarz wie der Nachthimmel, schwarz wie die Seiten ihres Fotoalbums, aus dem sie in den letzten Monaten so viele Bilder gerissen hatte, schwarz wie die Tastatur ihres Laptops, die überzogen mit ihren Fingerabrücken war; so schwarz wie ihre eigenen. „Willkommen an der Newgate Akademie für besondere, junge Damen.“ Er versuchte viel Euphorie in diesen einzigen Satz zu legen, sie mit seinem charismatischen Grinsen anzustecken, doch Ali hob nur eine Augenbraue, fragte sich wieso er sie auf solch eigenartige Weise begrüßte. „Akademie für besondere junge Damen?“ Fragte sie vorsichtshalber noch einmal nach. „Ist das die heutige Verschönerung für den Begriff ‚Irrenanstalt‘?“ Sie versuchte so ruhig, so monoton wie möglich zu sprechen, doch ihre Stimme brach, brach, brach, wie der Rest ihres Körpers, in winzige Stücke; klebte sich schließlich wieder zusammen. Würde ihre Mutter ihr das tatsächlich antun? Würde sie soweit gehen? Ein Knoten bildete sich in Alis Hals, alles in ihr wog auf einmal Tonnen. „Nein, ach nein.“ Er schüttelte lachend den Kopf, grinste ihr schief entgegen. „Um seelische Probleme kümmert sich hier nur der Schulpsychologe. Das hier ist einfach nur ein Mädcheninternat. Das ‚besonders‘ soll dem Namen nur diese bestimme Note verleihen.“ „Mir macht es eher Angst.“ Murrte Ali wahrheitsgemäß, mit einer Hand am Reißverschluss ihres Koffers herumpfuschend. Der Knoten löste sich wieder, doch das schwere Gefühl blieb. Das Wort ‚besonders‘ hatte vielleicht anfangs gute Absichten gehabt, verlor sich jedoch mittlerweile in seiner eigentlichen Bedeutung, bekam eine neue, und wurde schließlich zu einem Synonym für die Worte: Anders, Verrückt und Geisteskrank. „Wie dem auch sei.“ Er hob seine Hand, kratze sich am Kopf, ließ sie wieder sinken. „Mein Name ist Ace D Portgas. Angehender Englischlehrer, im letzten Studienjahr. “ Sein Grinsen wurde ein Stückchen breiter. „Ich leiste hier sowas ähnliches wie ein freiwilliges Praktikum, an allen Tagen an denen ich keine Lesungen habe.“ „Sie sind also der Typ, der durch die Reihen läuft und kontrolliert ob alle auch schön ihre Hausaufgaben gemacht haben.“ Stellte Ali trocken fest. Er nickte Schmunzelnd. „Genau der bin ich. Und wer bist du?“ Sie brauchte wenige Sekunden um zu realisieren, dass er sie gerade etwas gefragt hatte, eine Antwort von ihr hören wollte. „Alison May, oder wie Sie vorhin schon so einfallsreich festgestellt haben, die Neue.“ Sie versuchte es so normal wie möglich zu sagen, doch ihr Magen zog sich zusammen, drehte sich, sprang auf und ab als ihr die Worte über die Lippen kamen. Jetzt war es scheinbar offiziell: Sie war hier; konnte nicht mehr flüchten. Game over. „Alison, der wohl größte Sonnenschein der mir jemals unter gekommen ist.“ Er lachte, während seine Stimme nur so vor Ironie triefte. „Ist das einfallsreicher?“ Sie nickte nur, versuchte sich an einem kleinen, steifen Lächeln, scheiterte jedoch kläglich. Das alles passte einfach nicht zusammen, war für sie schwer in ein Bild zu quetschen. Wenn sie nach ihrer Stimmung ging, sollte die Sonne nicht scheinen, sollte sie nicht verhöhnen, ihr vorspielen, dass heute ein wunderschöner Tag war. Es sollte regnen, blitzen und donnern, so sehr, dass die Erde in Billiarden Teile brach. Das Haus sollte nicht strahlen, und kerngesund vor ihr stehen. Es sollte morsch und staubig sein und beinahe auseinanderfallen. Und der Mann vor ihr sollte nicht permanent Lachen, aussehen wie der Typ aus dem letzten Abercromie&Fitch Katalog der noch immer auf ihrem alten Schreibtisch lag. Er sollte sie anschreien und seine zusammengewachsenen Augenbrauen verärgert über Alisons Teilnahmslosigkeit verziehen. Das hier sollte so viel anders sein; sollte es Ali leicht machen sich wütend und traurig und deprimiert zu fühlen. Doch sie hatte so viele Eindrücke, so viele positive Eindrücke, in so kurzer Zeit bekommen, dass sie das alles schon beinahe vergaß, sich nur mit Mühe und Not daran erinnern konnte das alles Schöne auch seine Kehrseiten hatte. „So.“ Begann Ace erneut, nach mehreren Sekunden der drückenden Stille zwischen den Beiden. „Du bist ziemlich früh dran.“ „Soll ich wieder gehen?“ Ali konnte sich diese Frage einfach nicht verkneifen, obwohl sie noch bevor er zu einer Antwort ansetzte wusste wie diese ausfallen würde. „Nein.“ Ein schiefes Grinsen schlich sich auf seine Lippen. „Das bedeutet nur, dass ich genug Zeit habe dir alles in Ruhe zu zeigen, bevor alle anderen aus ihren Ferien zurückkommen.“ Noch bevor sie protestieren konnte, gar den Mund geöffnet hatte, schnappte er sich ihren großen Koffer, zwinkerte ihr zu und ging voraus, steuerte Zielsicher die Richtung des Hauses an. Ali seufzte nur leise, strich sich eine Strähne hinter das Ohr, rückte ihren Rucksack zurecht und lief in vernehmlich kleineren, und weniger optimistischen Schritten, als die ihres Vordermannes hinter ihm her. Das erste was Ali auffiel, nachdem Ace die Tür aufgestoßen hatte, war wohl die warme Luft die ihr angenehm entgegenschoss, sie stürmisch begrüßte, ihren Körper wie eine Decke umhüllte und ihre steifen Knochen in wenigen Sekunden wieder auftaute. Sie hatte überhaupt nicht bemerkt, wie kalt es ihr dort draußen in der frischen Herbstbrise gewesen war, hatte vergessen wie sich eine angenehme Temperatur anfühlte. Ihre Augen erfassten den Flur, an den unzählige Räume zu grenzen schienen und dessen Ende in einer Wendeltreppe mündete, glitten über die weißen, hohen Wände mit den ihr unbekannten Bildern, klammerten sich an den protzigen Kronleuchter, der direkt über ihr hing und fanden schließlich wieder den Blick von Ace, der sie, mit dem Rücken an eine Wand gelehnt, die ganze Zeit still beobachtet hatte. „Gefällt es dir?“ Seine Stimme stach in ihre Gedankenblase, ließ sie platzen und holte sie somit zurück in die Wirklichkeit, in das hier und jetzt. Sie nickte mehrmals, suchte irgendein Wort, das annähernd ihre Gedanken beschreiben könnte, fand keines und blieb stattdessen weiterhin still. Ace nahm dies als Zeichen um zu beginnen. „Also gut. Wir sind gerade im Wohnhaus.“ Fing er vorsichtig an. Wurde von Alis neugierigem Blick bestätigt. „Hier befinden sich sowohl die Schlafzimmer mit Gemeinschaftsbad, als auch der Aufenthaltsraum, die Küche und das Esszimmer.“ Er rappelte sich auf, und lief an der ersten Tür vorbei. Ali stand immer noch ungerührt wenige Zentimeter von der Haustür entfernt, zwang ihre Füße schließlich sich in Bewegung zu setzen. „Esszimmer.“ Gab er dem ersten Raum einen Namen, als er schon an der zweiten Tür angekommen war. Sie fragte sich ob das seine Vorstellung von „alles in Ruhe zeigen“ war, während sie einen scheuen Blick in das Zimmer warf, nur viele Stühle und Tische als besonderes Augenmerk nennen konnte und weiter hinter ihm den Flur entlang hastete. „Aufenthaltsraum.“ Das Zimmer auf das er zeigt, mit den Sofas und Sesseln, den wenigen Schreibtischen und sogar einem Fernseher, wirkte im ersten Moment einladend auf sie, und Ali ging schon einen weiteren Schritt in das Zimmer hinein, wollte wissen was sich sonst noch dort verbarg, als auch schon wieder Aces Stimme hinter ihr gedämpft an ihr Ohr drang. „Küche.“ Sie zuckte zusammen, knurrte und murrte etwas unverständliches, von dem sie selbst nicht wirklich wusste, was es eigentlich bedeuten sollte, trat wieder den Rückzug an und tapste weiter lustlos hinter ihm her. Sie machte sich erst gar nicht mehr die Mühe in einen der Räume zu schauen, nahm sich vor, das alles später auszukundschaften, wenn dieser verdammte ‚angehende Englischlehrer‘ endlich wieder dahin verschwand, wo er hergekommen war. Hätte sie gewusst, dass er so verpeilt und unorganisiert war, wie sie selbst, hätte sie wohl irgendetwas getan um die Führung schnellstmöglich zu stoppen, zu unterbrechen. Es konnte für ihn nicht besser sein, als für sie. Nach Alis Wahrnehmungsvermögen hatte er, als sie schließlich an der Treppe angekommen waren, wenige Räume vergessen, war einfach stur daran vorbeigelaufen. Am wahrscheinlichsten jedoch war es, dass er sie einfach übersehen hatte und Ali beschlich langsam aber sicher der Gedanke, dass sie wohl nicht die Einzige war, die zum ersten Mal durch die Flure dieses Hauses wanderte. Nichts desto trotz, folgte sie ihm nach oben, nahm Stufe für Stufe immer mit ein wenig Abstand zu ihm und achtete auf ihre Füße, für die solche Treppen die reinste Stolperfalle waren. Sie lief und lief und lief, stoß plötzlich, trotz all ihrer Bemühungen mit etwas, mit jemandem, mit Ace zusammen. Ihr Kopf prallte gegen seinen Rücken, ihre Nase wurde in sein Shirt gedrückt, nahm den Geruch von Waschmittel und einem Hauch, süßen Männerparfum wahr. Ihre Körper wankte gefährlich, ließ ihren Kopf immer und immer und immer wieder gegen seinen Oberkörper schnellen, ganz so als würde sie mit ihrer Hand an eine Tür klopfen. Schließich krallten sich ihre Finger auf der Suche nach Halt in sein Oberteil, sie japste nach Luft, als sie endlich wieder ihr Gleichgewicht zurück erobert hatte. „Was sollte das?“ Fragte sie, den bissigen Unterton in ihrer Stimme nun nur noch kaum unterdrückend, während sie sich immer noch an ihm festklammerte. „Ich musste kurz nachdenken.“ Er drehte seinen Kopf in ihre Richtung, lächelte sie, mit roten Wangen und entschuldigendem Blick an und ging die restlichen Schritte der Treppe hinauf. Sie ließ los, folgte ihm mürrisch. „Ach ich vergaß, Männer sind ja nicht fähig zwei Dinge auf einmal zu erledigen.“ Ace lachte auf, und Ali erschrak. Sie hätte nicht gedacht, dass er ihre gemurmelten beinahe schon gehauchten Worte verstanden hatte. Ihren Körper überkam eine Hitzewelle. Sie brachte schnell wenige Meter Abstand zwischen sich und ihn, als er sich oben angekommen, erneut verwundert im Flur umsah. Sie hatte Angst er ginge einen Schritt zurück, und würde sie damit wieder die Treppe nach unten schupsen, die sie gerade erst hochgekommen waren. Sein Geschick für solche Dinge schien so groß wie das von Alison zu sein; was wahrlich nichts Gutes zu bedeuten hatte. Er presste sich kopfschüttelnd 2 Finger an die Schläfen, blickte sich erneut um, als wäre die Antwort auf seine unausgesprochene Frage nun, wie durch Zauberhand an eine der Zimmertüren teleportiert worden. „Ich habe wirklich keine Ahnung wo dein Zimmer ist.“ „Ach.“ Wieso überraschte sie das bloß nicht? ♥ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)