Halte deine Seele sauber von Platan (QQ Sweeper) ================================================================================ Begegnung: Das Mädchen, das ich einst verlor -------------------------------------------- Fuyu-chan ... Noch während ich vor Schock zurückschreckte, schoss mir dieser Gedanke durch den Kopf und bedrängte mich regelrecht. Nicht nur, dass jemand die Dreistigkeit und den Mut besaß, einfach ungefragt in diesem Zimmer zu nächtigen, diese Person besaß obendrein schon im Schlaf eine erschreckende Ähnlichkeit mit jenem Mädchen. Fuyu. Als ich mit Schwung gegen die Tür hinter mir stieß, schreckte dieses Mädchen in ihrem Futon sofort aus dem Schlaf hoch – und fackelte gar nicht lange. Statt sich erst anzusehen, mit wem sie es überhaupt zu tun hatte, schnappte sie sich geschwind den Besen, der bereits neben ihrem Schlafplatz bereit lag, und fuhr mich an. „Wer ist da?!“, stieß sie laut hervor. Kaum aus dem Schlaf aufgewacht und schon so überaus lebhaft. Ich fragte mich, ob mich das mehr überraschen sollte als die anderen beiden Punkte, wegen denen ich sowieso schon durcheinander war. „Dass du dich nicht schämst!“, sprach sie aufgebracht weiter und nahm mit dem Besen eine Verteidigungsstellung ein. „Ein unverheiratetes Mädchen einfach so beim Schlafen zu beobachten ...“ Aus irgendeinem Grund wurde ihre Stimme plötzlich leiser und erstickte. Jetzt sah sie mich endlich richtig an, wodurch ich ihr Gesicht noch besser betrachten konnte. Die Ähnlichkeit war wirklich verblüffend. Wieder kam mir dieser Name in den Sinn, Fuyu. Nein, das war unmöglich. Fuyu konnte nicht mehr hier sein, geschweige denn jemals zurückkehren. Das hier war sie nicht. Und doch konnte ich sie nur mit großen, hoffnungsvollen Augen anstarren, nahezu wie in Trance. Womöglich war sie deswegen so still geworden, weil sie davon verwirrt war. Jedenfalls blickte sie mich nun ebenso hypnotisiert an und für eine Weile schien die Zeit tatsächlich anzuhalten, wie in einem Film. „Wer ... bist du?“, fragte sie schließlich zaghaft und hielt den Blickkontakt weiterhin aufrecht. Ihre Stimme war so klar und hell, schenkte diesem Zimmer auf magische Weise noch mehr Reinheit. Meine Beine bewegten sich von selbst und überwanden die Distanz, bis ich eine Hand nach ihrer Wange ausstrecken konnte. Wie gebannt verweilte sie in ihrer hockenden Position und sah zu mir hinauf, wich nicht vor mir zurück. Was dachte sie gerade? Kam ich ihr auch bekannt vor? Mein Herz fing an zu schmerzen und rief mir erneut in Erinnerung, dass es nicht möglich sein konnte. Dass ich nicht an etwas glauben sollte, was nur Enttäuschung für mich bereithielt. Auch meine Seele musste rein bleiben, ich durfte keinen Schmutz ansammeln. Keine Enttäuschung zulassen. Egal, wer das auch war, sie war nicht Fuyu und ohne Erlaubnis hier. Eine Einbrecherin! Gerade noch rechtzeitig fing ich mich wieder und griff mit meiner Hand ihr Gesicht so, dass ich ihre Wangen zusammendrücken konnte. Meine Mimik wandelte sich schlagartig, vermischte Ärger und Ernst miteinander, um deutlich zu zeigen, wie unerhört ich dieses Benehmen fand. „Wer bist du?!“, wiederholte ich empört und knautschte dabei mit einer Hand ihr Gesicht durch. „Das sollte ich ja wohl DICH fragen! Das hier ist ’ne Schule und kein Schlafplatz! Und einen Futon hat sie auch ausgebreitet!“ Eine Frechheit war das! „D-du Idiot!“, nuschelte sie unverständlich. „W-was tust du da ...? Das Gesicht eines Mädchens ...!“ „Klappe!“, warf ich ein. „Los, sag mir, wie du heißt, oder ich stopf dir ’ne Gurke in die Nase!“ „W-wie bitte?!“ Diese Worte sorgten dafür, dass sie tätig wurde und mich mit den Borsten des Besens, den sie noch fest in den Händen hielt, von sich drückte, wodurch sich mein Griff um ihr Gesicht löste. Danach schnappte sie nach Luft, vermutlich aber nur, weil sie von meinem Verhalten genauso empört war, wie sie mich auch gleich wissen ließ. „Erst einmal: Mein Name ist Nishioka Fumi!“, beantwortete sie zuerst höflich meine Frage – das musste man ihr lassen. „Und du solltest wissen, dass man Mädchen nicht schon beim ersten Treffen so sehr auf die Pelle rückt wie du!“ Fumi. Kurzzeitig erstarrte ich innerlich erneut, als ich ihren Namen hörte. Sogar der war dem von Fuyu ähnlich. Viel zu ähnlich. Das gefiel mir nicht, ganz und gar nicht. Wo kam diese Fumi her? Warum musste sie ausgerechnet hier auftauchen? Auf ihre Worte hin schnaubte ich genervt. „Das kommt davon, wenn man unerlaubt an solchen Plätzen schläft. Sei lieber froh, dass ich kein Kerl bin, der sich anderweitig an Mädchen vergreift.“ Ihrer Uniform nach zu urteilen, ging sie zu unserer Schule. Musste eine neue Schülerin sein, denn sonst wäre sie mir garantiert schon früher aufgefallen. Egal, wie beschäftigt ich auch mit putzen war, sie hätte mir auffallen müssen. Großartig, also bekomme ich sie womöglich auch noch öfter zu Gesicht. Schon als Koichi es heute wieder mal nicht lassen konnte, mich Kyu-chan zu nennen, wusste ich, dass es ein schlechter Tag werden könnte. Damit hätte ich aber bei weitem nicht gerechnet. Schmollend nahm Fumi diese Worte hin, immerhin hatte ich auch recht damit. „Und wer bist du nun?“ „Horikita Kyutaro“, stellte ich mich anstandshalber ebenfalls vor. „Mitglied des Säuberungskomitees. Ich habe also eine Erlaubnis dazu, hier zu sein.“ Zum Beweis hob ich den Putzeimer ein Stück hoch, den ich in der anderen Hand noch bei mir trug. Irritiert blickte sie zwischen diesem und mir hin und her, ehe sie reumütig den Blick senkte. Anscheinend wurde ihr jetzt allmählich bewusst, dass sie erwischt worden war. Sicher hatte sie nicht mit einem Putzdienst gerechnet, der sich so früh morgens um das alte Schulgebäude kümmerte. Was glaubte sie, warum es hier so sauber war? „Tut mir leid“, begann sie leise. „Aber ich kann das erklären, ich-“ Ich musste sie unterbrechen. „Erkläre das nicht mir. Geh lieber in der Mittagspause zum Vorstandszimmer und entschuldige dich dort für dein Verhalten. Sonst melde ich dich selbst, verstanden?“ Hastig salutierte sie vor mir. „J-jawohl!“ Wenigstens zeigte sie sich kooperativ, das ersparte mir Ärger. Sollte Koichi sich doch mit diesem Problem auseinander setzen, wie es seine Aufgabe war. In diesem Gebäude hielten sich sonst nie Schüler auf und so wollten wir es auch halten. Dafür gab es ja auch einen guten Grund. „Und jetzt verlasse bitte diesen Ort, ich muss hier saubermachen.“ Fumi nickte bereitwillig und stand auf, ließ dabei aber ratlos den Blick schweifen. „Was willst du denn hier noch saubermachen? Es ist schon so sauber.“ „Lass das mal meine Sorgen sein“, wich ich aus, da ich keine Lust auf Diskussionen hatte, und nahm ihr mit der freien Hand den Besen ab – den man auch normalerweise zum Putzen nutzte, nicht als Waffe, doch diese Bemerkung verkniff ich mir. „Oh, okay, wie du meinst.“ Nervös huschte sie an mir vorbei, Richtung Tür. „Auf Wiedersehen.“ Schnell verschwand sie aus dem Zimmer und ich lauschte den Schritten, die immer leiser wurden und sich entfernten. Nun hatte sie es ziemlich eilig gehabt, von hier wegzukommen. Hoffentlich nicht, dachte ich mir und stellte seufzend den Putzeimer auf dem Boden ab. Endlich wieder Ruhe. Ich nahm mir noch kurz die Zeit, um tief durchzuatmen. Tief im Inneren war ich immer noch aufgewühlt wegen der Erinnerung an Fuyu, die langsam ihre Schattenseiten in mir auszuweiten drohte. Kopfschüttelnd hielt ich mich davon ab, mich darauf einzulassen. Putzen, das brauchte ich jetzt, damit ich auf andere Gedanken kam. Allerdings fiel mir noch etwas ins Auge, bevor ich richtig anfangen konnte, doch auch das lenkte mich schon erfolgreich ab. „Sie hat ihre Sachen hier vergessen ...“ Mein Blick schweifte über den Futon und den Rucksack, in dem sich auch ihre Schulsachen befinden mussten. Was könnte sie für einen Grund gehabt haben, hier zu schlafen? Ob sie Ärger zu Hause hatte? Konnte mir auch egal sein und sollte es auch, wenn ich meine Seele rein halten wollte. Könnte aber sein, dass ihre Seele Reinheit brauchte, nur konnte ich mir das kaum vorstellen. In dem Fall hätte sie hier auch Schmutz hinterlassen. Ich sollte auf Nummer sicher gehen. Vorsichtig lehnte ich den Besen gegen die Wand und fischte mein Handy aus der Hosentasche hervor, um Koichi anzurufen. Besser, ich berichtete ihm doch im Vorfeld davon, für den Fall, dass Fumi sich das mit der persönlichen Entschuldigung anders überlegte. Und da ich das hier nicht ignorieren konnte, musste ich zur Petze werden. Es ist mein Job, diesen Ort hier sauber zu halten, erinnerte ich mich. Ungeduldig wartete ich darauf, dass Koichi den Anruf entgegen nahm, nachdem ich die Nummer gewählt hatte. Dabei fiel mir auf etwas auf. Irgendwie hatte der Raum an Reinheit verloren, seit Fumi nicht mehr hier war. Seltsam, etwas daran vermisste ich tatsächlich. Ich vermisste dieses Mädchen von damals, das ich einst verlor. Das verlorengegangen ist, meinetwegen. Weil ich nicht aufgepasst hatte. Fuyu-chan ... Koichis Stimme drang zwar an mein Ohr, als er den Anruf entgegen nahm, doch ich konnte nicht sofort etwas sagen. Es war zu spät, die Sehnsucht hatte Nahrung gefunden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)