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My Dear Brother 2

The Humans
von

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Strahlendes Wiedersehen

»Weißt du, wo der Club ist?«, fragte Kiyoshi, der seinen Blazer etwas nervös richtete. Ich nickte, suchte aber trotzdem etwas verloren durch die Gegend.

»Ja, äh, hier irgendwo war der... «

Nach kurzem Suchen fand ich dann den glitzernden Schuppen, aus dem bereits laute Hip-Hop Musik ertönte. Meine Laune sank rapide, je näher wir kamen.

»Cool sieht's aus«, bemerkte mein Bruder und drückte meine Hand.

»Na ja...« Mein Blick schweifte durch die Menschenmenge. Die Schlange zum Eintreten war relativ lang. Wahrscheinlich müssten wir uns ebenfalls dort anstellen. Das gefiel mir bereits überhaupt nicht. Entweder ich kam in einen Club rein oder nicht. Ich bin doch hier nicht beim Bäcker!

»Ich glaube, da ist Jiro.« In dem Moment zeigte Kiyoshi auf die schmale Figur meines besten Freundes, der locker an der Wand stand und auf seinem Handy tippte. Wie immer am Rauchen und alle Piercings in seinem Gesicht. Die Lederjacke, welche mit Patches und Stachelnieten versehen war, lag locker auf seinen Schultern.

Entweder wollte er heute wirklich noch jemanden verprügeln oder einfach nur auffallen. Denn mit seiner punkigen Erscheinung traf er regelrecht auf abwertende Blicke. Doch Jiro kümmerte das absolut nicht.

»Jiro!«, rief ich ihn und hob eine Hand zur Begrüßung. Er sah vom Handy auf und lächelte breit. Sofort kam er auf uns zu und drückt meine Hand.

»Nice, schön, dass du hier bist, Hero. Hi, Kiyoshi!«, begrüßte er auch meinen Bruder und reichte ihm die Hand. Zögerlich nahm er sie an und drückte sie leicht. Die beiden waren sich immer noch nicht so warm.

 »Und hier willst du rein?«, fragte ich leicht genervt. Die Leute um uns herum waren Schnösel, Bonzen und irgendwelche komischen anderen Leute, die gerne so wären, wie die anderen. Nur wir drei: Wir fielen auf.

»Klar, hab doch gesagt, ich will den Laden mal aufmischen. So ein paar Schnösel vermöbeln macht sicher Spaß.«

»Oh man, Jiro, du übertreibst ...« Trotzdem lachte ich amüsiert auf, als wir uns in die Schlange stellten.

Kiyoshi blieb wieder sehr still. Während ich mit Jiro hier und da ein bisschen redete, zündeten wir uns eine Zigarette an. Kiyoshi nahm keine. Schüttelte nur den Kopf und lächelte, als würde es einfach tolerieren, dass ich der Schmacht nicht widerstehen konnte. Dabei empfand ich seine Erscheinung damals als wirklich umwerfend.

 

Nach gefühlten Stunden hatten wir es endlich in den Club geschafft. Zwar nervte mich bereits der hohe Eintritt, doch riss ich mich zusammen. Im Club selber war alles nobel eingerichtet. Plüschsitze, große Sessel, Lacktheke, Lackbar, gestriegelte Barkeeper und überall rosa-rote Neonleuchten.

»Sicher, dass das hier kein Bordell ist?«, spaßte ich und legte einen Arm um Kiyoshis Taille. Hier und da sahen mich einige Weiber an, dessen Blicke ich nicht einmal würdigte. Kiyoshi hingegen sah schüchtern durch die Gegend und schien die Blicke der Leute quasi aufzusaugen.

»Bisher sieht's doch ganz okay aus«, lachte Jiro, reichte mir und Kiyoshi dann kleine Schnapsflaschen. Hastig öffnete er seine und trank den Inhalt unbemerkt aus.

Ich folgte dieser Geste und sah zu meinem Bruder, der noch zögerlich auf die kleine Flasche sah.

»Das ist Feigenlikör.«

»Ja, ich sehe es«, gab er mir zu verstehen, dass er lesen konnte. Schließlich schraubte er die Flasche auf und seufzte. »Auf ein bisschen Erde.«

Damit prostete er mir traurig zu und trank in einem Schluck die transparente Flüssigkeit. Jiros Blick haftete auf uns.

»Ein bisschen Erde?«, hakte er nach. Ich winkte ab und trank ebenfalls das Fläschchen und stellte es in eine dunkle Ecke.

»Is'n Insider.« Ein müdes Lächeln streifte meine Lippen. Ein trauriger Insider wohl bemerkt. Der Geschmack der Erde machte sich immer weiter in meinem Mund breit. Ein hilfloser Blick zu meinem Bruder verriet mir, dass auch er eher unter dem Alkohol litt, als ihn zu genießen. Aber die Erfahrung hatte gezeigt: Einfach genügend trinken, irgendwann würde man sich schon daran gewöhnen können.

 

Es dauerte nicht lange, da standen bereits Tequila und andere Schnäpse vor unseren Mündern. Jiro gab hier und da mal eine Runde aus, störte sich nicht weiter an Kiyoshis stillem Verhalten und pöbelte hier und da einen Schnösel an.

Der Alkoholpegel stieg rapide an und ich spürte zum ersten Mal eine heiße Welle der Trunkenheit. Auch Kiyoshi schien auf einmal cooler zu sein, denn seine Zunge lockerte sich immens.

»Also gehst du auf die Privatschule?«, fragte Jiro und kniff dabei die Augen zusammen, als müsse er sich genauestens konzentrieren.

»Ja, genau. Ist ganz okay, aber Schule eben. Also wenn ich könnte, würde ich mich lieber mit Hiro irgendwo absetzen und in den Tag hineinleben ... auf Schule scheißen«, murmelte er vor sich hin und kippte sich erneut den Wodka in die Kehle.

Ich stand nur mit Kippe daneben und beobachtete das Gelalle der beiden. Schmunzelnd, aber doch zugleich überrascht, verfolgte ich das Schauspiel.

»Das klingt voll cool. Ich wollte auch mal mit Hiro irgendwohin abhauen. Aber hatte dann doch nicht die Eier dafür ...«

»Du? Mit Hiro? Alleine?« Kiyoshis Stimme wurde auf einmal gereizt.

»Ja, man! Ey, Hiro und ich... wir sind so was wie... Bros. Du bist sein richtiger Bruder, ich bin der Bruder in Spe«, damit legte Jiro einen Arm um mich und zündete sich gekonnt mit einer Hand eine Kippe an. Ich belächelte den Satz einfach. Doch Kiyoshis zog mir wütend die Schachtel Kippen aus der Tasche und zündete sich ebenfalls eine an.

Kiyoshi und freiwillig am Rauchen? Jetzt wurde es gefährlich.

»Hiro ist mein Bruder, ja... und er gehört mir... Sorry, Jiro, aber nur ich darf an diesen Mann Hand anlegen.«

Mit diesen Worten betatschte er meine Brust.

»Okay, Kiyoshi... das... ist langsam genug, oder?«, murmelte ich ihm zu und nahm bewusst grob seine Hand von mir. Doch Kiyoshi blieb eisern, rauchte weiter betrunken seine Zigarette.

»Es ist genug? Du wolltest mich mit Jiro betrügen?«, lallte er los.

»Haha, Kiyoshi... ich wusste zu diesem Zeitpunkt nicht mal, dass es dich gibt... « Sofort legte ich meine Stirn in Falten. Dass Jiro jetzt derjenige war, der uns amüsiert zuschaute, fiel unter den Tisch. Somit griff ich nach Kiyoshis Taille und drückte ihn an mich.

»Na gut...«, säuselte er vor sich hin und grinste, als wäre das alles nur ein Spiel gewesen und er hatte kein Wort ernst gemeint. Dann drehte er sich zu Jiro und klopfte ihm liebevoll auf die Schulter. »Nix gegen dich... du bist ok... aber Hiro liebt mich.«

»Das ist auch vollkommen okay«, fügte Jiro grinsend hinzu, nicht wissend, wie genau Kiyoshi das mit dem lieben meinte.

 

Auf einmal stellte sich eine Frau neben uns.

Sie hatte lange blonde Haare und zwirbelte sie um ihren Finger. Ein enges, schwarzes Kleid deutete ihre schmale, aber mit Rundungen versehene Figur an. Ihre rot angemalten Lippen deuteten ein Grinsen an, welches einzig und allein Jiro galt.

»Hallo, Süßer. Ich mag Männer mit Ausstrahlung. Seid ihr Drei alleine? Oder gehört ihr einer größeren Gruppe an.«

Zwar beachtete sie mich und Kiyoshi kurz, schenkte uns aber keinen weiter würdigen Blick. Jiro hingegen rauchte lässig an seiner Zigarette, als wüsste er, was jetzt kommen würde.

»Wir sind alleine. Und du? Frau mit der besonderen Aura?«

Sein Lächeln wurde verschmitzt, geradezu anzüglich. Ich dachte, ich versah mich, doch die Dame kam Jiro sogar noch etwas näher.

Normalerweise wäre ich dann gegangen, hätte ihn mit der Dame allein gelassen, aufs Klo gehen sehen und mit dicker Hose wiederkommen.

Doch diese Frau war seltsam. Sie gefiel mir nicht. Und das nicht nur vom Aussehen her.

»Oh... Ich komme vom VIP Bereich. Da sind ein paar Freund von mir. Wir kommen eigentlich nicht von hier, aber machen etwas Urlaub.« Jedes ihrer Worte klang erotisch, geradezu anzüglich.

Kiyoshi zischte mir auf einmal zu.

Als ich zu ihm sah, deutete er mit seiner Zunge seine Zähne an. Ich verstand erst nicht, doch als ich mich wieder zu der Dame drehte, sah ich, was er meinte.

Strahlend weiße Zähne, umrahmt von rotem Lippenstift.

Und neben der absolut perfekt geformten Vorderzähne ragten zwei zu lang geratene Schneidezähne hervor.

Sie waren nur unweigerlich länger als die restlichen Zähne, fielen wahrscheinlich einem normalen Menschen nicht auf. Doch ihre Aura, ihr Verhalten, ihr Bezirzen und ihre Art mischten sich alle zu einem zusammen: Vampir.

»Hier?« Vorsichtig nahm ich Kiyoshi kurz beiseite und flüsterte ihm kaum hörbar mit dem umliegenden Krach zu. »Wir sind hier im Süden!«

»Hast sie doch gehört! Sie kommt nicht von hier! Sie stinkt sogar wie einige aus meiner Stufe... ich erkenne ihren Geruch...«

Doch ehe ich Jiro abhalten konnte, sich weiter auf sie einzulassen, winkte er mir schon zu. Er ging mit der Dame weg. »Nein, nein!«, rief ich noch hinterher, da war er schon weg. »Fuck!«

Kiyoshi hingegen zögerte nicht lange, schnappte sich meine Hand und zog mich in die Richtung, in die die beiden verschwunden waren.

»Sie hat doch erzählt, dass sie aus dem VIP Bereich kam!«

»Ja, aber da kommen wir doch nicht rein, Kiyoshi!«

»Ich komm überall rein!«, pöhnte er, sichtlich betrunken. Die Zigarette immer noch in der Hand, warf er sie schließlich beiseite und stellte sich an die Absperrung vom VIP Bereich.

»Fuck, siehst du das?«, rief ich erneut auf und zeigte auf Rose. Ja, die Rose. Die Rose von Kiyoshis Stufe. Aus der Akademie für Vampire.

»Die scheinen hier ja richtiges Familientreffen abzuhalten!«

»Bei so einem Nobelschuppen... Hätte ich mir denken können«, gab Kiyoshi von sich und rümpfte nur die Nase. »Dann ist die andere auch nicht weit weg.«

»Ich glaube, da hinten sitzt Jiro!« Damit deutete ich auf einen schwarzhaarigen Mann, der von einer blonden Frau bezirzt wurde. »Wie schamlos sie sich einfach Menschen angeln und zu sich holen... Pah!«

»Ich verstehe nicht, wie sie das machen wollen, ohne die Menschen zu töten... Wahrscheinlich schlafen sie mit ihnen und... lassen sie im glauben, das sei beim Sex passiert.«

»Oder sie setzen sie unter Drogen.«

»Ja ...« Kiyoshi schluckte. Ohne weiter zu zögern hechtete er zur Security und lugte in den VIP Bereich.

»Hi«, grinste er sofort wie der schönste Mann auf Erden. »Kann man da noch rein?«

Doch der Securitymann blieb eisern. »Nur mit Ausweis.«

»Und wie kommt man an den Ausweis?« Kiyoshi flirtete den Mann regelrecht an! Seine langen Wimpern klimperten fast zum Takt der lauten Musik. Der halbe Schrank alias Security lachte dann auf und schüttelte den Kopf.

»Keine Chance, Kleiner. Die Ausweise wurden vorher schon verteilt.«

»Hm. Weil das ist doof. Da drin ist ein Freund von uns, der hatte auch keinen Ausweis und wurde von einer Blondine reingebeten.«

»Dann hat er Glück gehabt«, gab der Schrank kurz zu verstehen und wendete sich von Kiyoshi ab. Doch der blieb stur und packte den Mann am Arm. Da spürte selbst ich, dass er alle Geschütze seiner vampirischen Aura einsetzte.

Konnte das wirklich sein? Mein lieber Bruder vom Lande flirtete sich in den VIP Bereich eines Nobelclubs?

Er überraschte mich immer wieder.

»Ich kenne da drin auch jemanden. Wenn die das Okay geben... dürfen wir dann auch rein?«

»Süßer, verpiss dich und lass mich in Ruhe. Kein Ausweis, kein Reinkommen!« Der Schrank grinste süffisant, wissend, dass er darüber entscheiden würde, selbst wenn wir dort drin jemanden kennen würden.

»Hey, sorry«, funkte ich schließlich dazwischen und griff nach meinem Bruder. »Wir vermissen nur unseren Kumpel, der hier eigentlich nicht drin sein sollte. Aber wir finden einen Weg.«

Damit zog ich Kiyoshi protestierend weg.

»Hallo? Ich hatte ihn fast soweit!«, rief er, als wir den Club mit Stempel verließen.

»Das sah man«, sagte ich spitz und holte mein Handy raus. Ich schrieb Jiro eine SMS in der Hoffnung, er würde sie lesen. Er dürfte sich auf keinen Fall mit dieser Frau alleine irgendwohin begeben. Das könnte sein Tod sein. Oder zumindest eine unschöne Nacht mit sich ziehen.

Ein Blick auf die Uhr sagte mir ein verschwommenes 1 Uhr. Als ich eine Zigarette herauskramte, bemerkte ich erst, wie betrunken ich war. Aber es war ein gutes Gefühl. Es ließ mich ruhig werden. Die Sache mit Jiro war schlimm, aber irgendwo okay. Der würde das Pferd schon schaukeln.

Kiyoshi nahm sich ohne Worte ebenfalls eine Zigarette und begann zu rauchen. Genervt sah er an mir vorbei. Wie eine Frau hielt er die Zigarette in die Höhe, während sein Ellebogen in der Hüfte ruhte. »Ich hätte das geschafft!«

»Ja klar.« Damit verdrehte ich die Augen. Mit einem Schwung zog ich ihn an mich ran. Ein leichtes Lächeln durchstreifte mein Gesicht. »Ich war überrascht wie gut du flirten kannst... wo hast du das gelernt?«

»Von meinem Meister«, kicherte Kiyoshi wie ausgewechselt und strich mit seiner Nase über meine. Um uns herum scharrten sich weitere Betrunkene, Leute mit Drinks und schenkten uns keine große Aufmerksamkeit.

»Der da wäre?«

»Na, du, wer sonst!«

Da lachte ich auf. »Du hast mich doch noch nie richtig flirten gesehen ...«

»Ach... mir hast du schon früh genug schöne Augen gemacht.«

Mit diesen Worten küsste er mich. Er redete wirres Zeug, das war mir klar. Woher sollte er wissen, wie ich flirtete? Durch Facebook, oder was?

Sein Kuss wurde schnell bestimmender, verlangender. Ich konnte noch so betrunken sein, doch Sex in der Öffentlichkeit würde nur auf den Toiletten klar gehen. Und selbst da hatte ich meine Schwierigkeiten konzentriert bei der Sache zu bleiben. Von der immer noch fast unerträglichen Geräuschkulisse mal ganz zu schweigen.

»Kiyoshi... benimm dich«, mahnte ich ihn. Doch der kicherte nur, küsste mich erneut, rauchte, küsste und rauchte. Er genoss es, sich so öffentlich mit mir zu zeigen. Er schien auch seit dem Gespräch mit Jiro etwas erleichterter. Jiro hatte natürlich absolut nichts von dem verstanden, was Kiyoshi ihm vermitteln wollte, doch für meinen Bruder schien alles geklärt.

»Hiro ... Küss mich«, forderte er mich auf, als er seinen Zigarettenstummel wegwarf. Mit noch einem letzten Zug an meiner Kippe, hob ich die Augenbrauen.

»Wir küssen uns doch ...« Gekonnt schnipste ich den Stummel weg und wendete mich wieder meiner Leidenschaft zu. »Oder willst du mal einen richtigen Kuss?«

»Jaaa«, stöhnte er schon fast in mein Ohr und öffnete willig seinen Mund; nur darauf wartend, dass ich ihm meine Zunge in den Hals steckte.

Also fackelte ich nicht lange und tat, wie von mir verlangt. Unsere Zungen fanden schnell zusammen, spielten miteinander, rieben und benetzten den jeweils anderen mit Speichel. Unsere Körper schienen erhitzt, streiften ebenfalls aneinander und reagierten auf den jeweils anderen.

Ich öffnete hier und da die Augen, sah einige Clubgänger verwirrt schauen, ob wir auch wirklich Zwillinge waren, taten es dann als Irrsinn ab und gingen weiter.

Erst, als ich eine bekannte Stimme vernahm, löste ich mich keuchend von meinem Bruder.

»Hero? Scheiße, was macht ihr da?«, fragte Jiro, sichtlich entsetzt darüber, was er gerade gesehen hatte.

Ich spürte, wie mir schlecht wurde. Kiyoshi hingegen wankte noch ein wenig in meinen Armen, sah konzentriert zu Jiro, als würde er ihn nicht richtig erkennen. Doch mein Magen drehte sich abermals, der Alkohol tat sei übriges.

»Was«, fragte ich, als würde ich nicht verstehen, was Jiro meinte. Ehe ich mich versah, fing Jiro an laut zu lachen.

»Oh man, Hero, wie besoffen bist du, dass du mit deinem eigenen Bruder knutschst?«

Der Alkohol! Na sicher!

Ich war zwar davon überzeugt, dass kein Mensch der Welt so betrunken sein könnte, dass er freiwillig mit seinem Bruder rummachen würde, aber ich ließ Jiro im Glauben, es wäre genau so gelaufen.

»Boah, ja... äh, sorry, ich bin echt dicht. Wo ist deine Blondine?«, lenkte ich das Thema schnell ab. Kiyoshi schwieg und umarmte mich feste, um sein Kinn auf meiner Schulter abzulegen.

»Die ist noch im VIP Bereich. Ich hab gefragt, ob ich euch mitnehmen darf... Ich will euch hier nicht so blöd stehen lassen.«

»Das ist aber nett von dir«, spottete ich etwas gereizt und deutete auf den Schrank beim Eingang des VIP Bereichs. »Hat uns auch nicht reingelassen.«

»Mit denen hier schon.« Jiro holte aus seiner Hosentasche zwei pinke Bändchen aus Plastik. »Mit denen kommt ihr hier überall rein. Hat Tina mir gegeben.«

»Schätze mal Tina ist deine neue Flamme?«

»Haha, ja. Sie ist okay. Nicht ganz so mein Typ, aber für eine Nacht?«

Ich ließ mir das Band umlegen, nahm dann das für Kiyoshi an und band es um sein schmales Handgelenk. Selbst auf dem kleinsten Loch schien es viel zu groß für ihn zu sein.

»Halt dich von ihr fern«, zischte Kiyoshi auf einmal los. Ich seufzte.

»Hä?«, raunte Jiro zurück, als hätte er sich verhört.

»Was er damit sagen will ...«, ich seufzte leise und kam auf Jiro zu. »Die ist ein bisschen komisch drauf. Kiyoshi und ich kennen sie. Die ist aus dem Norden. Im VIP Bereich sind noch andere Weiber aus dem Norden. Die scheinen hier Urlaub zu machen oder so ... Lass dich also lieber nicht auf die ein.«

Jiros Blick blieb auf meinem Gesicht haften, als würde er mir für verrückt erklären.

»Schön locker bleiben, Alter. Du hast gerade deine Zunge in deinem Bruder gehabt. Ich glaube, da komm ich mit ein paar komischen Weibern klar.«

Ich zog scharf die Luft ein. »Ich weiß, aber das ist nicht dasselbe, glaube mir, das-«

Doch da war Jiro schon weg. Mit schnellen Schritten entzündete er sich eine weitere Zigarette, deutete dem Schrank irgendetwas an und zeigte auf uns. Lustlos und etwas demotiviert folgten Kiyoshi und ich Jiros Schritten in den VIP Bereich. Mit einem knirschenden Gesicht ließ uns der Securitymann hinter die Absperrung.

Kiyoshi musste ihm natürlich die Zunge rausstrecken. Wie ein Kind, dachte ich. Wie ein erwachsenes Kind!

 

Der VIP Bereich war noch plüschiger als die normalen Floors. Die Musik hier war zwar die gleiche, trotzdem schienen die Menschen hier etwas ausgelassener. Williger und betrunkener. Einige Mädchen tanzten auf den Tischen, andere unterhielten sich tuschelnd auf ihren weichen Bänken. Andere lagen knustchend in der Ecke.

Der abgetrennte Bereich war wie ein Hufeisen angelegt, sodass man nicht in alle Ecken sehen konnte, ohne direkt dorthin zu laufen. Rose und andere Tussis unterhielten sich rege an der Bar, wo sie eine große Flasche Champagner stehen hatten.

Jeder auf der beschissenen Bonzenschule hatte wohl Geld. Geld, in dem sie alle schwammen, als wäre es Wasser.

Jiros Schritte wurden langsamer, als er den Tisch von Tina erreichte.

»Tina kommt eigentlich gar nicht von hier. Hat ausländische Eltern. Ich glaube, Österreich oder so.«

»Aha«, gab ich knapp zu verstehen, dass mich das überhaupt nicht interessierte. Vielmehr, wohin sie heute noch vorhatte ihre scheiß Zähne zu stecken.

Die aufgetakelte Blondine tratschte noch hier und da mit weiteren Mädchen, bis sie Jiro entdeckte und sich wieder zu ihm gesellte. Sofort schenkte sie ihm ein Wodka-E ein.

Kiyoshi blieb starr stehen und sah sich verstohlen um. »Hiro... hier sind fast nur Vampire ...«

Als ich mich ebenfalls umsah, bemerkte ich, was Kiyoshi bereits angesprochen hatte: Weiße Gesichter, ebene Hautbilder, perfekt gestylte Haare, mystische Aura. Dieser Club schien ein neuer Insidertipp zwischen den Vampiren gewesen zu sein. Verwundert darüber, dass sie sich dafür alle in den Süden trauten, sah ich hier und dort einige bekannte Gesichter. Alle aus Kiyoshis Schule.

Und als wäre die Uhr danach gestellt worden, sprach uns auch schon Rose an.

»Nein!«, schrie sie, »Kiyoshi? Hiroshi? Hier? In diesem Club??«

Sofort kam sie auf ihren Stilettos angelaufen. »Oh my god, Sam guck dir das an!«

Und als gäbe es die beiden nur im Doppelpack, stöckelte die zweite Dame an. Da standen die beiden Schwestern vor uns und musterten uns eindringlich. Kiyoshis Statue wurde auf einmal starr und bäumte sich auf. Wo er sonst kleiner als ich wirkte, kam er schnell auf meine Größe gewachsen. Jetzt wäre sein Typ gefragt gewesen. Nobel und Angesehen. Reinblütler eben.

»Hey«, begrüßte Sam uns und leckte sich über die Lippen. »Und Hiroshi? Immer noch ein Mensch?«

Ich gab ihr nur eine nicht eindeutige Kopfbewegung und sah sofort weg. »Geht dich nichts an.«

»Also das, was ich spüre, ist zumindest noch menschlich.« Rose kam wieder auf mich zu und strich über meine Brust. Mit einer wahnsinnig schnellen Handbewegung wurde sie von mir geklatscht.

»Finger weg«, zischte Kiyoshi nüchtern und schlecht gelaunt, als hätte er niemals Alkohol getrunken. »Verpisst euch.«

Rose und Sam sahen entsetzt aus. »Kiyoshi? Seit wann... so ruppig? So kennt man dich gar nicht!«

In der Tat, bemerkte ich in meinem Kopf. So kannte man Kiyoshi nicht. Es war auch für mich das erste Mal ihn so offen Reden zu hören. Sowohl zu Jiro als auch zu den beiden Weibern. Verpisst euch war normalerweise nicht in seinem Repertoire vorhanden. Schon gar nicht, wenn er sich Respekt verschaffen wollte.

»Hey, Leute«, kam Jiro dazwischen, »Ganz ruhig. Wir sind hier alle nur zum feiern.«

»Achja?«, fauchte Kiyoshi sofort los. »Ist es also auch feiern, wenn sie dich anmachen, nur um dich auszusaugen? Hm?!«

Sofort presste ich Kiyoshis Gesicht gegen meine Schulter. Der verstummte sofort und verstand wohl, dass selbst ein betrunkener Jiro diesen Satz missverstehen könnte.

»Aussaugen? Haha, oh man, Hero, dein Bruder hat wirklich ein bisschen über den Durst getrunken. Oder habt ihr euch was geschmissen?«

»Nein ... « Leider nicht, fügte ich gedanklich hinzu und dachte an die Strapazen nach, die wir bereits durchlebt hatten. Jetzt auch noch das: Ein Haufen Vampire und mein Kumpel mittendrin.

Jiro ließ sich nicht weiter beirren und setzte sich zwischen Tina und einer anderen Dame. Rose und Sam hingegen schmunzelten weiterhin.

»Habt ja ganz schön für Aufregung gesorgt, ihr beiden. Und scheint damit auch noch nicht aufgehört zu haben«, bemerkte Rose und sah sich um. Einige der VIP Gäste hatten uns bereits bemerkt. Sie starrten zu uns rüber, musterten sowohl mich, als auch Kiyoshi, der noch immer stumm an meiner Brust stand.

»Lasst uns einfach in Ruhe. Wir sind nur hier, wie mein Kumpel schon sagte, um ein bisschen Spaß zu haben.« Mein ton war bewundernswert ruhig. Der Drang sich eine weitere Zigarette anzuzünden wurde immens.

»Wir wollen auch nur Spaß«, beteuerte Sam und kam wieder einen Schritt näher. »So wie alle hier. Also lasst uns Spaß haben.«

Doch ehe ihre Hand mit den gemachten Nägeln auch nur in die Nähe von mir kam, klatschte Kiyoshi sie wieder weg.

»Aber nicht solchen Spaß«, mahnte er die Schwestern. Die zogen schließlich genervt von uns ab.

Als sie außer Sichtweite waren, bemerkte ich erst, wie sehr Kiyoshi wankte. Vorsichtig nahm ich mit ihm am Tisch von Tina Platz. Jiro wirkte immer belustigter, schien sich regelrecht von Tina einlullen zu lassen. Und Kiyoshi schüttete sich bereits weiteren Alkohol ein. Alkohol, der uns eigentlich nicht gehörte, aber auf dem Tisch stand. Wodka-E... Mit mehr Wodka als Energy.

»Kiyoshi, lass mal gut sein. Wir haben genug getrunken heute«, raunte ich ihm ins Ohr und nahm ihm die Wodkaflasche ab. Doch Kiyoshi zuckte nur mit den Schultern.

»Wir sind doch hier, um Spaß zu haben.« Dabei betonte er Spaß besonders stark, als wäre es der Grund, sich abschießen zu können. Der ironische Grund, den hier jeder hatte.

»Schon, aber... Hier sind doch überall... Na ja.« Doch ich verstummte. Kiyoshi trank bereits einige Schlucke von seinem selbstgemischten Gesöff. Jiro knutschte mit Tina rum.

Na wunderbar, dachte ich. Kann's noch besser werden?

 

Und wann immer ich dies dachte, wurde es besser. Oder schlechter. Je nachdem wie man es betrachtete.

Kiyoshi nahm bestimmend meine Zigaretten, steckte sich eine an und deutete auf den Ausgang. Hastig eilte er los, ohne auf mich zu warten. Ich seufzte sofort los und dachte mir schon, wohin das führen würde. Ein Blick zu Jiro, der sich kurz von Tina gelöst hatte, sagte mir, dass er gleich folgen würde, um ebenfalls noch eine zu Rauchen.

Also nahm ich das Glas von Kiyoshi mit, schüttet noch etwas Energy rein, sodass es nicht zu viel Alkohol werden würde und trank selber noch einen guten Schluck. Schlussendlich stellte ich das leere Glas weg und wankte Kiyoshi hinterher nach draußen in die kühle Luft.

Der stand mit der Zigarette zwischen den dürren Fingern an einer Mauer und kotzte sich die Seele aus dem Leib.

Ja, genau das hatte ich erwartet.

Schnell eilte ich zu ihm hin und streifte die langen Haare aus seinem Gesicht. Gott sei Dank waren sie noch nicht feucht.

Kiyoshi röchelte hier und da, spuckte reine Flüssigkeit aus und hustete. Natürlich kamen keine Brocken oder derartiges raus. Wie auch? Wir hatten seit über 24 Stunden nichts gegessen. Stattdessen roch es nach hochprozentigem Alkohol.

Es dauerte auch nicht lange, bis sich Kiyoshi wieder aufrichtete und sich über den Mund wischte. Sofort danach steckte er sich die Zigarette an und rauchte hastig auf Lunge.

Das ging schnell, dachte ich. Die Abhängigkeit schien ihm im Gesicht zu stehen.

Schweigend rauchten wir, bis er sich zögerlich in meinen Arm fallen ließ. »Hiro ... ich will mit dir schlafen.«

»Das geht jetzt aber nicht, Kiyoshi«, sagte ich sanft und strich einzelne Strähnen aus seinem Gesicht. »Später.«

»Immer weist du mich ab«, murmelte er vor sich hin, während er hastig weiterrauchte.

»Sieh dich doch um, es geht nicht. Hier sind überall Leute!«

Ich fühlte mich so betrunken, wie noch nie. Trotzdem fasste ich klarere Gedanken, als in früheren Eskapaden. Es schien, als wäre nur mein Körper betrunken. Nicht mein Geist.

Just in dem Moment grinste mich Kiyoshi wieder an und äffte mich nach. »Hier sind überall Leute, blabla!«

Das ließ mich ebenfalls lächeln. Kiyoshi ging es wieder besser. Für einen kurzen Moment hatte ich Angst, er würde mir an einer Alkoholvergiftung sterben, so wie er da in meinen Armen hing und sich trotzdem den fast puren Wodka in die Birne kippte.

Als Kiyoshi sich wieder an mich drückte, küssten wir uns zögerlich. Er schmeckte nur nach Rauch, kein Anzeichen von Erbrochenem. Wahrscheinlich, weil es nur Magensaft und Alkohol war.

Der Kuss wurde intensiver, bis ich seine Zunge spürte. Jiro war mir egal geworden. Der dachte eh, wir hätten uns was geworfen. Und wenn Rose und Sam uns sehen würden? Denen würde doch eh niemand glauben. Zwei so schnatternden Hühnern.

 

Doch wer hätte gedacht, dass es genau die Person war, die uns erwischte, von der es niemand erwartet hätte. Mit der ich wirklich als aller letztes gerechnet hätte.

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Sooo ab morgen dann wieder alle zwei Tage ein Kapitel, ich komm sonst nicht mit dem Korrekturlesen hinterher :D Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Veri
2015-10-04T19:36:39+00:00 04.10.2015 21:36
Oh je, da bin ich gespannt :3
Von:  Annemi91
2015-10-04T19:16:48+00:00 04.10.2015 21:16
Sie werden unvorsichtiger. Eindeutig nicht gut. Aber Papa (der sie fand, so denke ich zumindest) wird ihnen schon klar machen, das es so nicht läuft. ;) Eigentlich traurig... Man liebt, kann es aber nicht zeigen... Die Vorstellung man sei selbst betroffen ist wirklich grausam. (Okay, ich kann mir nicht wirklich vorstellen was mit meinem Bruder zu haben. XD )

Im Übrigen haben mir die letzten Tage sehr gefallen. Jeden Tag ein neues Kapitel ist schon toll. :P Alle zwei Tage sind aber natürlich auch okay. So bleibt mehr Zeit für Spekulationen. :D
Von:  hayamei
2015-10-04T19:08:47+00:00 04.10.2015 21:08
na da haben sie ja feucht fröhlich gefeiert XD
Ich bin aber echt mal gespannt, wer die Beiden jetzt erwischt.^^ der Vater vielleicht?
Bin schon voll gespannt, wies weitergeht ^^
Von:  ellenorberlin
2015-10-04T19:04:07+00:00 04.10.2015 21:04
Ahhhh ich will wissen wer sie erwischt T.T nooooooo
Von:  KarliHempel
2015-10-04T18:52:13+00:00 04.10.2015 20:52
Ahh! Nein! Diese Folter! Verdammter Cliffhanger!
Ich werde die Minuten zählen... Oder sie mir ausrechnen ;-)
Von:  Roxi_13
2015-10-04T18:23:39+00:00 04.10.2015 20:23
Die Vortsetzung ist bis jetzt wirklich klasse geworden
Vor allem wie du auf die beziehung der beiden eingehst
Und bis jetzt hab ich auch echt mitgefiebert wie Hiros Mutter auf alles reagieren wird oder was es mit den Vogel da auf sich hat
Aber jetzt am ende dieses Kapittel bin ich mir fast sicher das endweder Ihr Vater daninter steckt oder Vincent

Bin gespannt wie es weiter geht

LG
Roxi_13


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