Kleine Augenblicke von Goetterspeise (Eine Geschichte über Aufzüge) ================================================================================ Kapitel 4: Eine Geschichte über Gespräche ----------------------------------------- 12. September Per Definition sind Gespräche 'der Vorgang zweier oder mehrere Menschen, die eine bestimmte Zeit miteinander sprechen und ihre Gedanken über etwas austauschen’. Das funktioniert im wahren Leben mal besser, mal schlechter. Je nachdem wer dein Gesprächspartner ist, kann es auch passieren, dass nur einer von beiden seine Gedanken preis gibt und der andere zuhört – oder nicht einmal das. Bei Ino ist es schwer, einen richtigen Dialog zu führen. In ihrem Kopf herrscht manchmal ein Wirbelsturm an Gedanken, den sie nur unter Kontrolle bringen kann, indem sie jemand anderem jede noch so kleine Überlegung mitteilt. Meistens bin das ich. Ino hat zudem noch das einzigartige Talent, mich dann anzurufen oder bei mir vorbeizuschauen, wenn ich sie überhaupt nicht gebrauchen kann. Heute beispielsweise durfte ich mir einen dreistündigen Vortrag über Blinddarmoperationen anhören. Er war so spannend gestaltet, dass selbst ich irgendwann nicht mehr mitschreiben konnte und beinahe einschlief. Anschließend wollte ich nur noch meine Kopfhörer aufsetzen, die drei Stationen mit dem Bus heimfahren und ein entspanntes Bad nehmen. Tja, mit einer Ino Yamanaka als bester Freundin hätte ich wissen müssen, dass es nicht so laufen wird wie geplant. Es klingelte nämlich, kaum dass ich aus dem Bus gestiegen war. »... und dann meinte ich halt, er braucht gar nicht erst zu kommen, wenn ihm das zu spät ist.« »Aha«, antworte ich und öffne die Eingangstür des Wohnhauses. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wieso Ino sich überhaupt aufregt. Shikamaru war noch nie ein Mensch, der gerne etwas unternimmt und lag schon während der Schulzeit immer mit dem Kopf auf der Tischplatte und pennte. Aber was lässt man nicht alles über sich ergehen? Während Ino also ihren heißgeliebten Monolog weiterführt, begebe ich mich direkt zu den Aufzügen und werfe der Wand aus Briefkästen zu meiner Linken einen kurzen Seitenblick zu. In meinen muss ich morgen unbedingt wieder einmal reinschauen. »Hörst du mir überhaupt zu?« Ich nicke geistesabwesend und drücke anschließend neben dem Aufzug auf den Pfeil nach oben. Ein Gähnen überrumpelt mich und ich strecke mich einmal kräftig, wobei mir fast mein Handy aus der Hand fällt. In letzter Sekunde fange ich es noch auf. »Hallo?« Inos Stimme erinnert mich daran, dass sie mich gar nicht sehen kann und ich halte schnell mein Smartphone wieder ans Ohr. »Sorry.« Mehr als ein Nuscheln ist es nicht, aber sobald sie mitbekommt, dass ich noch dran bin, redet sie munter weiter. Mit halb geschlossenen Augen schaue ich zur Leuchttafel über der Aufzugtür und muss zu meinem Bedauern feststellen, dass er sich noch in Stockwerk elf befindet. Was nichts anderes heißt, als hier zu warten und Ino dabei zuzuhören, wie sie sich einfach nicht zwischen dem pinken Oberteil und dem grauen Kleid entscheiden kann. Sie wird am Ende sowieso keins von beidem wählen. »Glaubst du, ich sollte meine Haare offen tragen oder lieber beim Friseur eine Hochsteckfrisur machen lassen?« »Ganz ehrlich? Ist mir egal.« Stille. Ich reiße die Augen auf, presse meine freie Hand gegen den Mund und fluche lautlos. Das war wirklich eine richtig, richtig dumme Antwort. Innerlich bereite ich mich bereits auf den Sturm vor, der mir gleich entgegenwehen wird und atme deshalb langsam ein und aus. Aber Ino sagt nichts. Die Türen des Aufzuges gehen auseinander und mit weichen Knien betrete ich den kleinen Raum, drücke im Laufen auf den Knopf mit der Sieben und drehe mich um, sodass ich einen guten Blick auf die Halle vor mir habe. Noch immer werde ich mit Schweigen gestraft. Was nur bedeuten kann, dass gleich etwas sehr schlimmes passieren wird. »Nur, weil du als Mannsweib durchs Leben läufst, heißt das nicht, dass andere Frauen das auch tun müssen.« Genau darauf habe ich gewartet. »Außerdem wird man im Leben schließlich nur einmal dreiundzwanzig und das sollte man auch feiern.« Dem würde ich nicht widersprechen. Und tue es auch nicht. Auf das erste fällt mir allerdings nichts ein. Das war einfach gemein. Der Aufzug beginnt sich zu schließen und in dem Moment öffnet jemand die Eingangstür. Instinktiv stecke ich meine Hand in den kleiner werdenden Spalt, um das Schließen zu verhindern und ein wenig Nachbarschaftshöflichkeit walten zu lassen. Allerdings bereue ich es im nächsten Moment. Sasuke durchquert den Raum mit großen Schritten und ich muss ein paar Mal blinzeln, bis ich wirklich verstehe, was er da trägt. Ich weiß, ich sollte das nicht denken, gerade weil er ein Arsch ist und mir ein wenig Angst macht. Aber Gott, sieht er in dieser Polizeiuniform heiß aus. Die Frage, die sich dadurch natürlich unweigerlich in meinem Kopf stellt, ist: wie zum Henker kommt so einer dazu, bei der Polizei zu arbeiten? Ich könnte ihn fragen, aber ich glaube kaum, dass er mir eine zufriedenstellende Antwort darauf geben würde. So gerne Ino redet und die Alleinunterhalterin mimt, so sehr scheint Sasuke genau das zu hassen. Gespräche mit anderen Menschen zu führen wird ihm wohl nicht interessant genug sein. Weshalb es mir ein Rätsel ist, wie Naruto und Sasuke es geschafft haben, Freunde zu werden. »... wirklich was mit diesen Franzen machen.« »Du Ino? Ich ruf dich zurück.« Und ohne die Worte des Protestes abzuwarten, drücke ich sie einfach weg. Ich mag es nicht in einem Aufzug zu telefonieren. Da sie meistens recht klein sind, hallt die Stimme wider und die Umstehenden können den Gesprächspartner am Ende der Leitung ebenfalls hören. Dass Sasuke gerade neben mir einsteigt, verstärkt diese Empfindung nur noch weiter. Der Gedanke daran, dass er etwas von Inos kleiner Standpauke und meinen Nichtantworten mitbekommt, ist mir seltsamerweise peinlich. »Abend.« Ich lächle ihn freundlich an und rücke ein Stück zur Seite, damit er zumindest ein wenig Platz hat. Er nickt mir kurz zu, die Türen schließen sich und wir schweigen. Es ist furchtbar. Ich kann mir wirklich nichts schlimmeres vorstellen als so mit einem anderen Menschen in einem Aufzug zu stehen und sehnsüchtig darauf zu warten, bis ich endlich im gewünschten Stockwerk angelangt bin. Durch dieses unangenehme Schweigen werde ich nervös und muss immer wieder zu ihm hinüberschielen. Die dunkelblaue Uniform steht ihm leider verdammt gut und auch, wenn seine Haut noch weißer wirkt, finde ich das absurderweise anziehend. Es widerstrebt mir ungemein, weil meine Meinung von ihm, im genauen Gegensatz zu den Gefühlen und Gedanken steht, die ich gerade habe. Es sollte mir egal sein, dass er mir eindeutig zu nah ist, aber das ist es nicht. Von Stockwerk zu Stockwerk steigt mein Nervositätspegel weiter und schließlich räuspere ich mich laut, um die Stille zu durchbrechen. Gerne würde ich mit irgendeinem Satz oder einer kleinen Frage das Gespräch beginnen. In diesem Moment kommen wir allerdings im siebten Stock an und die Türen öffnen sich. Sasuke wartet netterweise bis ich ausgestiegen bin. Diese Geste überrascht mich so sehr, dass es mir noch schwerer fällt, ruhig zu bleiben, während ich an ihm vorbei in den Gang gehe. Ein wenig unentschlossen drehe ich mich zu ihm, setzte ein gequältes Lächeln auf und sage: »Bis dann.« Ein »Hn« verlässt seine Lippen. Er nickt kurz und läuft anschließend zu seiner Wohnung, um kurz darauf in dieser zu verschwinden. Sobald er weg ist, fällt diese seltsame Nervosität von mir ab und ich kann nur über meine eigene Dummheit den Kopf schütteln. Das muss eindeutig an seinen Klamotten gelegen haben. Aber Uniformen machen einen Menschen auch nicht zu etwas besserem. Sie versuchen deswegen nicht höflicher zu sein, ein paar Nettigkeiten auszutauschen oder gar mit der Bekannten eines Freundes zu sprechen. Auch, wenn eine Unterhaltung in dieser Situation sogar ganz schön gewesen wäre. Da ist er aber wohl die falsche Person. Also danke fürs Gespräch, Sasuke. Ich suche meinen Schlüssel heraus und in diesem Moment beginnt mein Handy zu klingeln. Das wird jetzt lustig … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)