Smoke Screen von Swanlady (Ginoza x Tsunemori) ================================================================================ Kapitel 1: Smoke Screen ----------------------- Seine Degradierung zum Vollstrecker mag ihm einen Teil seiner Freiheit genommen haben, aber nicht seine Instinkte als Inspektor. Ginoza weiß, dass es besonders schlimm ist, wenn Zigarettenrauch an ihrer Kleidung haftet. Sie lächelt, sie gibt Befehle und erledigt ihre Arbeit so effektiv wie immer, aber der Glanz in ihren Augen fehlt. Außer ihm merkt es keiner, weil ihr Psycho-Pass niemals die Geheimnisse ihres Herzens anzeigen wird, die sie tief in sich begraben hat. Damals, als er gegangen ist. ** „Ihr Haar ist länger geworden, Ginoza-san“, merkt sie eines Abends an, als er sich leise zu ihr auf den Balkon gesellt. Sie dreht sich zu ihm um und er möchte am liebsten lächeln, denn normalerweise betrachtet er stets ihren Rücken, hält sich im Hintergrund und wacht über sie. Er möchte sich einreden, dass sie das nicht bemerkt, ihn niemals wirklich wahrnimmt, weil es so einfacher ist, aber ihre großen Augen liegen ruhig auf seinem Gesicht, scheinen ihn zu durchbohren und er kann sich nicht länger selbst belügen. Er senkt den Blick, verschließt sich vor ihr, so wie er es sein gesamtes Leben schon getan hat. Der Unterschied zu damals ist, dass sie ihn trotzdem sieht. Sie macht ein paar Schritte auf ihn zu und legt den Kopf schief. „Es steht Ihnen“, fügt sie hinzu und Ginoza wünscht sich seine Brille zurück. Der Gedanke, dass diese ihn vor dem durchleuchtenden Blick bewahren könnte, ist absurd, aber er kann ihn nicht verhindern. Ihre zarten Finger, die problemlos einen schweren Dominator halten können, verschwinden in ihrer Tasche. „Strecken Sie Ihre Hand aus“, fordert sie ihn auf und Ginoza tut, wie ihm geheißen. Er streckt ihr den künstlichen Arm entgegen, der aus Metall und Kabeln und Elektronik besteht. Er weiß, dass er so ihre Berührung nicht spüren wird. Die Berührung, nach der sich seine andere Hand, die aus Fleisch und Blut, verzweifelt sehnt. Verwunderung zeichnet sich auf seinem Gesicht ab, als er sieht, was sie auf seine Handfläche fallen lässt. „So werden Ihnen die langen Haare beim Training und bei Ihrer Arbeit nicht im Weg sein“, erklärt sie heiter, als ob Ginoza nicht wüsste, wofür man einen Haargummi verwendet. Um jedoch dieses Lächeln noch einmal zu sehen, würde er sich jederzeit dumm stellen. „Vielen Dank, Kanshikan“, presst er steif hervor und will das erhaltene Geschenk in seine Hosentasche schieben, als ihm ihr auffordernder Blick auffällt. Mitten in der Bewegung hält er inne und weiß instinktiv, was sie von ihm verlangt. Zögerlich hebt er die Arme, streicht die dunklen Haare unsorgfältig nach hinten und bindet sie zusammen. Lose Strähnen fallen ihm in den Nacken und über die Schläfen, aber sie nickt zufrieden. „Schon viel besser“, sagt sie und Ginoza fühlt sich unwohl in seiner Haut. Es ist kein Kompliment, aber es hört sich wie eins an. „Es ist spät, ich sollte nach Hause.“ Sie wirft einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Wollten Sie über etwas sprechen?“ Ginoza schüttelt den Kopf und sie nickt. Die Ironie dieser gegensätzlichen Gesten lässt ihn den Mundwinkel heben. Er ist der Vollstrecker, sie die Inspektorin. Sie ist in ihrem Beruf aufgeblüht, er ist an ihm zugrunde gegangen. Er schüttelt den Kopf, sie nickt. Sie wünscht ihm eine gute Nacht und hebt die Hand zum Abschiedsgruß. „Gute Nacht“, erwidert er und sieht in den immer dunkler werdenden Himmel, als sie das Innere des Departments wieder betritt. Der Wind streichelt seinen Nacken und Ginoza atmet tief durch. Er kann immer noch ihr Parfüm riechen und weiß, dass dies einer der besseren Tage war. In dem Aschenbecher in der Ecke liegen keine abgebrannten Zigaretten. ** Er muss es wissen. „Kanshikan“, spricht er sie am nächsten Morgen leise an. Sein Haar ist genauso locker zusammengebunden wie am Tag zuvor. „Mh?“ Ihre Augen sind auf den Computerbildschirm vor sich gerichtet und analysieren die vielen Daten, die der Rechner ausgespuckt hat, so schnell wie möglich. Er unterbricht sie nur ungern bei ihrer Arbeit, aber sie sind allein und er weiß, dass sie vor wenigen Minuten nach Kunizuka hat rufen lassen. Er hofft nur, dass ihr Besuch bei Karanomori sich ein wenig in die Länge zieht, so wie üblich. „Ihre Haare sind zu kurz für Haargummis“, sagt Ginoza ruhig, doch auf eine Reaktion wartet er vergebens. Ob sie ihm nicht zuhört oder nicht versteht, was er damit sagen will, weiß er nicht. „Sie tragen keine Haargummis“, versucht er es noch einmal und sie sieht ihn endlich an. Verständnislos und verwirrt. Ginoza presst kurz die Lippen aufeinander. „Wieso hatten Sie einen Haargummi in der Tasche, wenn Sie keinen brauchen?“, stellt er endlich die Frage, die ihr einleuchtet. „Ah“, lacht sie und fährt sich mit den Fingern über die Wange. Ginoza meint, darin Nervosität zu erkennen. „Nun, ich habe ihn erst letztens gekauft“, gibt sie zu. „Wieso?“ Er fragt gnadenlos weiter, obwohl sein Herz heftig gegen seine Brust pocht. Es ist seltsam, denn nicht einmal die härtesten Missionen sorgen noch dafür, dass er so viel Unsicherheit verspürt. „Ich musste an Sie denken, deswegen habe ich ihn gekauft. Er war von Anfang an für Sie gedacht“, bestätigt sie ihm seinen Verdacht und Ginoza hofft, betet, obwohl er Religion für ein altmodisches Konzept hält, dass man ihm die Freude darüber nicht ansieht. „Ich habe aber gar nicht Geburtstag.“ Er versucht sich an einem Scherz, obwohl ihm diese nicht liegen, weil er eine ernste Person ist, aber sie kichert trotzdem. Vielleicht, um ihm einen Gefallen zu tun. „Man muss nicht Geburtstag haben, um Geschenke zu bekommen“, belehrt sie ihn, als wäre es offensichtlich. „Kanshikan…“, setzt er abermals an, seine Stimme bedeutungsschwer, doch in diesem Moment geht die Tür auf und Kunizuka betritt den Raum. ** Ginoza kann es nicht lassen, die Vergangenheit immer wieder mit der Gegenwart zu vergleichen. Es bringt ihn nicht weiter, kein Stück, aber er ist ein Beobachter und als Beobachter fallen ihm die Unterschiede überdeutlich auf. Ihr und sein Leben bewegen sich in entgegengesetzte Richtungen und er kann nichts tun, als dabei zuzusehen und gegen den Strom zu schwimmen, um an ihrer Seite zu bleiben. Er will nicht zurückblicken. Während er ihren Rücken schützend im Visier behält, starren seinen nur die toten Augen seines Vaters an. Sie ist stark geworden und er hat einen Teil seiner eisigen Rüstung abgelegt. Er versucht Menschen an sich heranzulassen, bemerkt aber, dass er in Wahrheit nur ihr die Tür öffnet. Wie ein Wirbelwind pirscht sie nach vorne, doch Ginoza weiß, wie sehr die Erinnerungen sie zurückhalten. Er möchte, dass sie sich der Zukunft zuwendet, mit ihm gemeinsam, doch er verbietet sich diesen Gedanken und entschließt sich stattdessen dazu, einen Ausflug in die Vergangenheit mit ihr zu wagen. Die Vergangenheit tut weh. Ihnen beiden. ** „Erinnern Sie sich an Ihren ersten Tag, Kanshikan?“, fragt er sie und stemmt keuchend die schwere Hantel in die Höhe. Sie atmet hörbar und stoßweise, schaut ihn aber stirnrunzelnd vom Laufband aus an. „Natürlich“, antwortet sie vorsichtig, anscheinend nicht wissend, was er mit dieser Frage bezwecken will. Das weiß Ginoza selbst noch nicht. „Sie waren unsicher, hatten Angst und kannten Ihr wahres Potenzial noch nicht“, fasst er präzise und knapp zusammen und einen Moment lang tauschen sie die Rollen. Er ist wieder ihr Vorgesetzter, sie die junge Polizistin. „Was hat sich daran geändert?“, hakt er nach und sie schaltet das Sportgerät ab. Abschätzend sieht sie ihn an und wischt sich mit einem Handtuch den Schweiß von der Stirn. „Ich bin immer noch unsicher, habe Angst und kenne mein wahres Potenzial nur ein klein wenig besser?“, schmunzelt sie und Ginoza hebt die Augenbrauen. „Verzeihen Sie mir“, sagt er urplötzlich. „Wofür?“ „Für meine nächste Frage.“ Er taxiert sie mit einem harten Blick, der ihm beinahe selbst das Herz bricht, aber er kann nicht länger mit ansehen, wie sie einen wichtigen Teil ihrer selbst in der Vergangenheit zurücklässt. Bei ihm. „Wissen Sie noch, wie es war, als Kogami hier war, um Ihnen die Augen zu öffnen? Um Ihnen Ratschläge zu geben, die Sie nicht hören wollten, aber dennoch gebraucht haben?“ Entsetzt starrt sie ihn an, doch es sind nicht die Fragen, die sie schockieren, sondern die Erwähnung von Kogami Shinyas Namen. Ginoza spürt einen Stich im Herzen, aber er nimmt seine Worte nicht zurück, denn er ist noch nicht fertig. Sie öffnet den Mund, um etwas zu sagen, aber er lässt sie nicht. „Diese Zeiten sind vorbei, Kanshikan. Er ist nicht mehr da und Sie müssen sich damit abfinden. Wenn Sie Ratschläge brauchen, dann bekommen Sie diese in Zukunft von mir.“ Ginoza lässt die Hantel beinahe fallen, als er seinen Arm wieder sinken lässt. Er hat sie zu lange gehalten, seine Muskeln zucken unangenehm vor Überanstrengung. Er ist sich bewusst, dass er sich zu weit aus dem Fenster gelehnt hat. Es gehört sich für einen Vollstrecker nicht, so mit ihr zu reden. Sie könnte ihn bestrafen, aber stattdessen starrt sie ihn nur mit großen, schimmernden Augen an. „Ginoza-san…“, murmelt sie und er möchte sich entschuldigen, kann es aber nicht. Er will, dass sie glücklich ist. Ob dies in ihrer Welt überhaupt möglich ist, weiß er nicht, aber er möchte sie lächeln sehen, weil dann auch ihm das Lächeln leichter fällt. „Sie haben also auch Ratschläge für mich, die ich nicht hören will, aber dennoch brauche?“, erkundigt sie sich leise und ihre Tonlage ist für Ginoza undefinierbar. Er schluckt hart, doch es gibt kein Zurück mehr. „Ja, davon bin ich überzeugt. Ich weiß nur nicht, ob Sie sich diese Ratschläge zu Herzen nehmen wollen. Das haben Sie früher nie getan.“ Ihre Gesichtszüge werden sanfter. „Oh, Ginoza-san… natürlich habe ich das. Sonst wäre ich nicht hier.“ Sie steigt vom Laufband und kommt auf ihn zu. Als sie vor ihm stehenbleibt, kann er ihre vor Anstrengung gerötete Haut sehen, die verschwitzten Haarsträhnen und den sich schnell hebenden Brustkorb. Sie ist so lebendig, dass Ginoza sie am liebsten vor allem Unheil dieser Welt bewahren würde. Doch das kann er nicht. Er kann es nur versuchen. „Ich würde Ihre Ratschläge aber gerne hören. Wäre es in Ordnung, wenn ich Sie nach dem Training besuche?“ Sie hätte sich genauso gut nach der Farbe seiner Unterwäsche erkundigen können, es hätte ihn nicht weniger überrascht. „S-Sicher“, erwidert er hastig und räuspert sich. Es ist ihm unangenehm, aber das Gefühl der Erleichterung überwiegt. Er ist zu ihr durchgedrungen, sie lehnt seine Gesellschaft nicht von vorneherein ab. Das ist ein Erfolg, den er nach seinem Ausbruch nicht erwartet hat. Vielleicht sollte ihn das aber gar nicht wundern, immerhin haben sie sich beide verändert. Sie wendet sich von ihm ab und entscheidet sich als nächstes für den Sandsack. Ginoza fragt sich, wie oft sie sich schon vorgestellt hat, dass sie auf Kogami einschlägt. ** Er beendet sein Training früher als sie, nur um Zeit zu haben, zu duschen und seine Wohnung herzurichten, die außer ihm lange Zeit niemand mehr betreten hat. Aoyanagi hatte ihn hin und wieder besucht, aber seit ihrem Tod war niemand mehr bei ihm gewesen. Als er am Zigarettenautomaten vorbeiläuft, hält er inne. Bevor er sich davon abhalten kann, fischt er ein paar Münzen aus der Hosentasche und kauft eine Packung. Er möchte, dass seine Wohnung einladend auf sie wirkt, weshalb er, sobald die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen ist, eine der Zigaretten anzündet und sie in einen Aschenbecher legt. Er hasst die Tatsache, aber auch er hat sich an den Geruch des Rauchs gewöhnt. Er erinnert ihn an sie. Sie erinnert er an Kogami. Es ist ein Teufelskreis, aus dem Ginoza ausbrechen möchte, aber noch nicht weiß, wie er das bewerkstelligen soll. Der Rauchvorhang verschleiert die Dinge, die er ihr verzweifelt zeigen möchte. Er beschließt, erst einmal zu duschen und sich dann mit den wichtigen Fragen zu beschäftigen. ** Als er ihr die Tür öffnet, rümpft sie die Nase. „Ich wusste nicht, dass Sie rauchen, Ginoza-san“, sagt sie mit spielerischem Tadel in der Stimme. „Tut mir leid. Ich werde das Zimmer sofort lüften“, verspricht er, streicht sich die nassen Strähnen aus dem Gesicht und lässt sie hinein. Bevor er die Tür schließen kann, liegt ihre Hand auf seinem Arm. Dem warmen, weichen Arm, der aus Fleisch und Blut ist und unter ihrer Berührung kribbelt. „Danke“, flüstert sie, denn sie scheint zu wissen, dass er das für sie getan hat. Er möchte, dass sie Kogami loslässt, aber er verlangt nicht von ihr, es sofort zu tun. Das wäre unmenschlich und wenn Tsunemori Akane ihn an etwas erinnert, dann ist es Menschlichkeit. Er schließt die Tür, geht zum Tisch hinüber, streckt die Hand aus, deren Handgelenk der Haargummi ziert und drückt die Zigarette aus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)