Seduce Me! von Sky- (Drei sind (k)einer zu viel) ================================================================================ Kapitel 14: Ausflug mit Takashi ------------------------------- Wieder fand sich Hinata in seinem Zimmer wieder. Doch etwas war anders. Er saß nicht an seinem Schreibtisch und zeichnete seine Mangas, er saß stattdessen auf dem Bett und hielt einen Manga in der Hand, den er offenbar gerade noch gelesen hatte. Er war ziemlich vertieft in die Story und blätterte Seite um Seite um, nahm aber nur am Rande wahr, dass er einen Yaoi-Manga in Händen hielt und die dargestellten Szenen mehr als eindeutig waren. Er erkannte nicht genau, was das für einer war, aber der Zeichenstil kam ihm bekannt vor. Der Anblick des nackten Protagonisten, der mit Ledergurten gefesselt war, faszinierte ihn und er wollte mehr sehen. Er spürte, dass auch sein Körper reagierte und ihn der Anblick dieser Bilder erregte. Mehr… er wollte mehr davon sehen. Immer hastiger schlug er die Seiten um und überflog mehr oder weniger die Dialoge. So gebannt war er von der Handlung, dass er nicht bemerkte, wie die Tür aufging und sein Vater hereinkam. „Was machst du da?“ hörte er ihn fragen. Erschrocken fuhr Hinata auf und realisierte erst jetzt die Gefahr. Er musste den Manga schnell verschwinden lassen, bevor sein Vater das sah. „Nichts, Vater“, stammelte er ängstlich und versuchte den Manga unbemerkt verschwinden zu lassen, doch es war schon zu spät. Kurzerhand wurde ihm dieser aus den Händen gerissen und hilflos musste er mit ansehen, wie sein Vater die Seiten durchblätterte und immer wütender wurde und rot wurde. Er sah aus, als würde er gleich explodieren und davor hatte Hinata am meisten Panik. Denn er wusste, dass dies ein deutliches Zeichen dafür war, dass sein Vater kurzen Prozess mit ihm machen würde. „Vater… das… das kann ich erklären.“ „Du liest solche Schwulenpornos? So habe ich dich nicht erzogen! Mein Sohn liest keinen solchen Schweinskram. Bist du ein Homo, oder was?“ Wütend warf sein Vater den Manga beiseite und kam direkt auf ihn zu, packte ihn am Kragen und zerrte ihn hoch. „Ich hab keine gottverdammte Schwuchtel großgezogen, kapiert? Ich dachte, ich hätte mich klar genug ausgedrückt, als ich dir das ausdrücklich verboten habe, aber offenbar willst du nicht hören. Das reicht! Na los, die Hose runter.“ Erschrocken sah Hinata ihn an und sah seinen Vater entsetzt an. Der hatte doch nicht gerade wirklich so etwas von ihm verlangt. Das konnte doch nicht wahr sein, das musste ein Traum sein. „V… Vater…“ „Hörst du schlecht? Ich sagte, du sollst die Hose ausziehen! Na los, oder ich schlag dir die Zähne ein!“ Hinata standen die Tränen in den Augen. Er zitterte am ganzen Körper und dachte für einen Moment daran, einfach wegzurennen. Doch er hatte zu große Angst davor. Also gehorchte er, ohne Widerstand zu leisten und zog seine Jeans aus. „Na los, die Unterhose auch.“ „Vater… bitte…“ Eine Ohrfeige traf ihn heftig und Hinata stolperte nach hinten. Seine ganze linke Gesichtshälfte tat höllisch weh und unaufhörlich flossen Tränen seine Wangen hinunter. Er schluchzte leise und presste eine Hand auf die gerötete Stelle. „Hör auf zu flennen wie ein gottverdammtes Mädchen und zieh endlich die scheiß Unterhose aus!“ Und als er das sagte, zog er plötzlich ein Taschenmesser hervor. Entsetzt sah Hinata die Waffe an und realisierte, dass sein Vater ernsthaft vorhatte, ihn damit zu verletzen, wenn er nicht spurte. Also zog Hinata auch seine Unterhose aus und wich beschämt dem Blick seines Vaters aus, da er immer noch erregt war. Und das sah sein Vater natürlich ziemlich deutlich. „So, du stehst also auf so etwas“, stellt er wütend fest. „Du stehst auf solche Schwuchtelmangas wie ein Mädchen? Na schön, du willst es ja nicht anders. Dann werde ich eben ein Mädchen aus dir machen!“ Als Hinata das hörte, ergriff ihn endgültig Panik. Er versuchte zur Zimmertür zu fliehen und begann in seiner Angst zu schreien. Doch er wurde grob an den Haaren festgehalten und aufs Bett geschleudert. Ehe er überhaupt reagieren konnte, wurden seine Handgelenke an die Bettpfosten gekettet und er wurde auf die Matratze gedrückt. „Du willst von Männern gefickt werden wie ein Mädchen? Dann schneide ich ihn dir ab und mache aus dir ein Mädchen!“ Hinata sah mit Entsetzen das Messer näher kommen und schrie. Das war der Moment, in dem er aus seinem Alptraum erwachte. Hinata war ein wenig müde und fühlte sich ein wenig kraftlos. Gleich schon in der Frühe war er mit Takashi losgegangen und hatte seinen Rucksack mitgenommen. Es war bewölkt und deutlich frischer als die letzten Tage und der Weg hatte sie raus aus der Stadt geführt. Denn der ältere Zwilling wollte die Tatsache nicht ungenutzt lassen, dass er Hinata ganze drei Tage für sich hatte und mit ihm einen Ausflug alleine unternehmen. Dieses Mal führte sie die Reise allerdings nicht zu einem Strand, sondern in eine ländliche Gegend. Es gab nämlich einen kleinen Onsen, den die Familie Itamu gerne für kleine Entspannungsausflüge besuchte. Als Takashi erfahren hatte, dass Hinata noch nie in seinem Leben eine heiße Quelle besucht hatte, da hatte er kurz seinen Großvater angerufen und auch den Gesprächstermin mit Frau Kano vom Verlag auf Montag verlegt, damit er mit Hinata den Ausflug genießen konnte. Hinata war natürlich neugierig, aber er merkte selbst, dass er sich ziemlich schlapp fühlte. Er war müde und er hatte mit Schwindel zu kämpfen. Ein wenig blass war er auch geworden und ihm war, als hätte etwas ihm sämtliche Energie geraubt. Auch Takashi war das aufgefallen und er meinte, dass die heißen Quellen helfen würden, wieder zu Kräften zu kommen. Zum Glück fuhren sie mit dem Auto dorthin, den Rest des Weges ging es zu Fuß eine Vielzahl an Stufen hoch, bis sie ein großes Haus im traditionellen japanischen Stil entdeckten. Die ganze Anlage hatte etwas Altmodisches und Gemütliches an sich und erinnerte ein wenig an die Zeiten der Samurai, es gab sogar eine Vielzahl an Statuen aus der Shinto-Religion, die verschiedene Tiergeister zeigte. Eine angenehme Atmosphäre herrschte hier und sogleich wurden sie von einem älteren Ehepaar begrüßt, dass für die Verwaltung und Instandhaltung des Onsen zuständig war. Sie waren schätzungsweise bereits um die 66 Jahre alt, machten aber einen sehr sympathischen und herzlichen Eindruck, fast schon wie typische Großeltern. Nur mit dem Unterschied, dass sie Takashi gegenüber sehr respektvoll waren, was aber daran lag, weil seiner Familie dieser Onsen gehörte. Tae Morizono war eine etwas klein geratene Frau, die einen schlichten Altfrauenkimono trug und ihr ergrautes Haar ebenso schlicht zu einem Knoten gebunden hatte. Sie führte Hinata und Takashi ins Haus, während ihr Mann Kotarou noch einige Vorbereitungen zu treffen hatte. Auch das Hausinnere wirkte wie ein traditionelles japanisches Haus mit dünnen Schiebewänden, langen Gängen und Zimmern mit Tatami-Matten. Leise erklang ein Windspiel, welches am Hauseingang hin und durch den Wind in Bewegung gebracht wurde. Ein dezenter Geruch von altem Holz erfüllte das Haus und Hinata, der in seinem Leben nicht viel herumgekommen war, hatte noch nie so etwas gesehen. Er war in der Großstadt aufgewachsen, wo die Wohnungen im modernen europäischen Stil eingerichtet waren und wo man auch in ganz normalen Betten lag und nicht bloß auf Futons. Deshalb war es für ihn fast schon eine Art Zeitreise und er staunte nicht schlecht. „Und deiner Familie gehört das alles hier?“ fragte er halb ungläubig, denn die ganze Anlage erschien ihm wie ein großes Hotel. Takashi lachte und erklärte „Es gehört unserem Großvater und den Onsen nutzen wir oft für Familientreffen, manchmal laden wir auch Geschäftspartner hier ein. In entspannter Atmosphäre lässt sich besser über Geschäfte sprechen und man kann sich da näher kennen lernen. Das Schöne ist, dass wir hier unsere Ruhe haben und auch so niemand stört. Wir haben quasi den ganzen Onsen für uns.“ Sie betraten schließlich ihr Zimmer. Wie erwartet gab es auch hier kein Bett und statt einer Heizung für den Winter einen Kotatsu. Es war schlicht eingerichtet, aber es hatte durchaus seinen Reiz und kaum, dass sie ihre Sachen abgelegt hatten und Tae gegangen war, reichte Takashi ihm etwas, das wie ein Yukata aussah. „Da du keinen hast, dachte ich mir, ich hole dir einen.“ Hinata sein Geschenk entgegen und war ein klein wenig verlegen. „Danke, Takashi.“ „Schon gut, dafür musst du dich doch nicht bedanken. Hey, wie wäre es, wenn wir gleich nach dem Essen in die heiße Quelle gehen? Dann kannst du dich auch mal schön entspannen. Du siehst sowieso schon ziemlich blass aus. Kann es sein, dass du schlecht geschlafen hast?“ „Ja, ich hatte die letzten Nächte ein paar Alpträume gehabt. Aber es geht schon in Ordnung.“ Während sie ihre Sachen auspackten und sich umzogen, versuchte Takashi nachzuhaken, was Hinata denn so beschäftigte, doch dieser wich sofort aus und beteuerte, dass nichts wäre. Schließlich ging es rüber in ein kleineres Haus, wo das Ehepaar Morizono bereits damit begonnen hatten, das Essen zu servieren. Es gab traditionelle japanische Hausmannskost, die aber, wie Hinata feststellte, bei weitem besser war als das, was er selbst zustande brachte. Schließlich, nachdem sie mit dem Essen fertig waren, gingen sie nach einer kurzen Wäsche zu den heißen Quellen. Sie gelangten über die Außenterrasse dorthin und Hinata erblickte etwas, das wie eine Art Teich aussah, über den weißer Dunst hing. Die Luft war sehr feucht und ein Bambuszaun trennte den Bereich für die Männer von dem der Frauen ab. Das waren also die heißen Quellen. Hinata staunte nicht schlecht. Takashi war der Erste, der sich auszog und ins Wasser ging. „Ah“, seufzte er und lächelte zufrieden. „Das tut gut.“ Hinata zögerte noch einen kurzen Augenblick, bis er ebenfalls ins Wasser ging und das Erste, was er spürte, war die Hitze. Das Wasser war wirklich heiß und als er sich langsam ins Wasser ließ, hatte er erst das Gefühl, als würde er langsam gekocht werden. Als Takashi merkte, dass das heiße Wasser ein wenig viel für einen Anfänger wie Hinata war, riet er ihm, langsam ins Wasser zu gehen. „Das Wasser hat schon eine ordentliche Temperatur“, meinte Takashi. „Knapp 45°C. Für Anfänger ist das schon echt viel. Geh es am besten langsam an, ansonsten streikt noch dein Kreislauf.“ „Und du bist sicher, dass das auch wirklich gesund ist?“ „Na klar doch. Das heiße Wasser fördert die Durchblutung und hilft gut gegen Stress und Anspannung. Man muss nur aufpassen, dass man nicht zu lange drin bleibt. 20 Minuten sollte man maximal drin bleiben, aber ich denke, wir machen nur zehn Minuten, weil du noch ein Anfänger bist.“ Langsam tauchte Hinata in das heiße Wasser ein und setzte sich. Schweiß sammelte sich auf seiner Stirn und er merkte, wie sein Körper langsam zu arbeiten anfing. Zuerst hatte er das Gefühl, als würde er in einem Kessel langsam gekocht werden, aber nach einer Weile gewöhnte er sich daran und setzte sich schließlich zu Takashi. Dieser wirkte sehr entspannt und schien das Bad richtig zu genießen. „Wie ist deine Familie darauf gekommen, hier dieses Grundstück zu kaufen?“ „Unser Großvater väterlicherseits hat hier unsere Großmutter kennen gelernt“, begann Takashi zu erzählen und ein glückseliges Lächeln spielte sich auf seine Lippen, während er in Erinnerung an die Familiengeschichte schwelgte. „Früher war das hier noch ein Hotel gewesen und er hat hier quasi eine Art Geschäftsreise gemacht. Großmutter war die Tochter des Hotelverwalters gewesen und hatte an diesem Abend Essen und Getränke serviert. Und da hat er sich in sie verliebt. Sie sind oft im Dunkeln spazieren gewesen und er kam sie oft besuchen. Hier an diesem Ort hat er auch seinen Heiratsantrag gemacht und nachdem der Hotelbesitzer starb und das Gebäude zum Verkauf stand, hat Großvater es aus sentimentalen Gründen gekauft. Auch Vater hat hier an diesem Ort in einer Sommernacht unserer Mutter einen Heiratsantrag gemacht.“ „Warum denn nachts?“ „Das wirst du heute Abend schon noch herausfinden“, antwortete Takashi geheimnisvoll und legte einen Arm um Hinata, der seinerseits seinen Kopf auf Takashis Schulter ablegte. „Hast du mich aus diesem Grund hergebracht?“ „Nun, Katsuya hat dir ja seinen besonderen Ort gezeigt, da wollte ich dir meinen zeigen. Ich verbinde mit diesem Ort viele Erinnerungen. Hier bin ich schon als kleiner Junge sehr gerne gewesen. Zwar hat auch das Strandhaus in Kamakura seine Vorzüge, aber hier hat man das, was man als die wahre japanische Seele bezeichnen kann. Es ist hier zwar ein wenig altmodisch, aber hier kann man wenigstens zur Ruhe kommen und es ist ein toller Ort, zum Fotografieren.“ Aha, dachte sich Hinata. Das ist also Takashis besonderer Ort, an den er sehr hängt. Er bedauerte es, dass er keinen Ort hatte, an dem er so sehr hing, dass er Takashi und Katsuya dorthin mitnehmen würde. Er beneidete die Zwillinge wirklich. Sie erlebten viel, sie sprachen immer das aus, was sie dachten und sie hatten eine liebevolle Familie. Im Grunde hatten sie das, was sich Hinata schon immer gewünscht hatte und es machte ihn wiederum bewusst, was an ihm alles falsch war. Trotzdem liebten ihn die beiden, weil er sie so liebte wie sie waren und weil er nicht auf die Äußerlichkeiten achtete. „Ich wünschte, ich hätte auch so eine tolle Familie“, murmelte er schließlich. Hierauf schmunzelte Takashi und meinte „Wenn du das noch laut vor unserer Mutter sagst, adoptiert sie dich noch glatt. Aber jetzt mal im Ernst: du hast einen so guten Eindruck bei unseren Eltern hinterlassen, dass sie dich doch schon längst als Teil der Familie akzeptiert haben. Nun gut, wir können deine leibliche Familie nicht vollständig ersetzen, aber bei uns hast du auf jeden Fall ein Zuhause, da mach dir keine Sorgen. Katsuya und ich hätten auch nichts dagegen, wenn du zu uns ziehen würdest und wir eine Art WG gründen.“ Ja, das hatte schon Katsuya vorgeschlagen und Hinata hatte auch schon ernsthaft darüber nachgedacht. Zugegeben, er fühlte sich schon ziemlich einsam in seiner Wohnung, seit er mit den Zwillingen so viel Zeit verbrachte. Aber er hatte sich nicht getraut, sie zu fragen, weil er sich auch nicht aufdrängen wollte. Dass Katsuya diesen Vorschlag gemacht hatte, hatte ihn natürlich riesig gefreut. „Wenn es keine Umstände macht“, sagte er schließlich, „dann gerne. Es würde mich wirklich freuen.“ „Das ist schön. Unser Haus ist eh ziemlich groß und da hättest du auch ein eigenes Zimmer.“ Als die zehn Minuten um waren, verließen die beiden Studenten die heiße Quelle und gingen danach ein wenig in der Gartenanlage spazieren. Wie sich herausstellte, gab es hier sogar einen Zen-Garten und auch hier fanden sich auch kunstvolle Statuen und sogar ein kleiner Schrein wieder. Hinata staunte nicht schlecht darüber und verstand so langsam, warum Takashi so gerne hierher kam. Es gab viel Sehenswertes und besonders im Herbst, wenn das Laub sich verfärbte, musste es ein wirklich malerischer Anblick sein. Schließlich, als es Abend wurde, gingen sie zurück in den Anbau, wo das Ehepaar Morizono das Abendessen servierte. Hier erfuhr Hinata auch, dass die beiden bereits hier gearbeitet hatten, als dies noch ein Hotel gewesen war. Da sie gute Freunde von Takashis und Katsuyas Großmutter waren, hatten sie ihre Stelle behalten können und bewohnten hier auch ein Zimmer im Anbau. Da sie aber älter wurden, hatte man weiteres Personal eingestellt. Das Putzen übernahm eine Verwandte der Morizonos, eine gewisse Kaori, die sich als tüchtige Hilfe erwies und auch sonst sehr geschickt im Haushalt war. Das Essen war wie schon das Mittagessen sehr lecker und Hinata nahm sogar einen Nachschlag. Sie saßen zusammen, Takashi erzählte ein paar Anekdoten aus seinen Kindheitstagen, die er hier verbracht hatte und welche Streiche er und sein Bruder gespielt hatten. So zum Beispiel, dass sie die Tatsache ausnutzten, dass andere Leute sie nicht voneinander unterscheiden konnten und sie dann einfach behaupteten, sie wären der andere Zwilling. Der schlimmste Streich war aber gewesen, als sie als kleine Kinder getan hatten, als wären sie Unfallopfer. „Einer von uns hat sich dann mit roter Farbe beschmiert und dann an den Straßenrand gelegt und so getan, als wäre er von einem Auto angefahren worden.“ Hinata verschluckte sich fast an seinem kalten Bier, als er das hörte. Allein der Gedanke war mehr als makaber und er fragte ungläubig „Ihr habt was?“ Takashi lachte und nickte bestätigend. „Wir haben den Leuten echt einen Schreck eingejagt. Man nannte uns damals sogar die „Teufelszwillinge“, weil wir immer etwas angestellt hatten. Dementsprechend haben wir auch oft Hausarrest gekriegt. Als Kinder waren wir ganz schöne Rabauken. Das hat sich dann aber geändert, als ein Streich in die Hose gegangen ist. Da wollten wir wieder den Unfallopfer-Streich durchführen. Dieses Mal war ich an der Reihe. Ich war da neun Jahre alt. Ich lag da mit rot angemaltem Kopf und wartete auf Passanten, da kam eine alte Frau an. Und die hatte sich so heftig erschreckt, dass sie gestürzt ist und ins Krankenhaus musste. Sie hatte sich zum Glück nur das Handgelenk verstaucht, aber ab dem Zeitpunkt war für uns Schluss mit den Streichen. Zumindest für mich. Katsuya hat oft noch irgendwelchen Blödsinn angestellt und mir ist da halt bewusst geworden, dass ich als sein großer Bruder auf ihn aufpassen muss.“ Als es ein wenig dunkler wurde und man das Licht anschalten musste, erhob sich Takashi und wandte sich an Hinata mit den Worten „Kommst du eben mit? Ich muss dir etwas zeigen.“ Nun war der Kunststudent neugierig geworden. Takashi hatte ja schon ein Geheimnis daraus gemacht, was denn das Besondere an dem Ort war und wieso sich seine Eltern und seine Großeltern ausgerechnet nachts das Eheversprechen gegeben hatten. Er folgte Takashi hinaus auf den Flur und schließlich gingen sie nach draußen. Nicht zu den heißen Quellen, sondern in Richtung Zen-Garten, wo es auch einen kleinen Teich gab. Als Takashi eine der Schiebetüren öffnete, sah Hinata erst einmal kaum etwas, da er nicht an diese spärlichen Lichtverhältnisse gewöhnt war. Doch dann hörte er den Gesang von Zikaden. Und dann sah er etwas: kleine Lichter, die in der Dunkelheit umher flogen. Es waren viele an der Zahl und sie schwirrten um den Teich und die kleine Böschung. Die Laternen brannten bereits und gaben ein schwaches, aber warmes Licht ab. Der Himmel war frei von Wolken und ein weiter Sternenhimmel war zu sehen. Auf dem Teich schwammen kleine Boote, auf denen Laternen brannten. Takashi trat näher an den Teich heran, Hinata folgte ihm und erwischte sich dabei, wie er die Hand des älteren Zwillings in die seine nahm. Noch nie hatte er so viele Glühwürmchen gesehen, geschweige denn je den Klang von Zikaden gehört. Es war eine schöne und romantische Atmosphäre, die sich durch ihr besonderes Naturschauspiel auszeichnete. Das war also das Geheimnis dieses Ortes und wieso ausgerechnet nachts Heiratsanträge gemacht wurden. „Es ist wunderschön“, sprach er leise und lehnte seinen Kopf gegen Takashis Schulter, während sich ein glückliches Lächeln auf seine Lippen schlich. „So etwas habe ich noch nie gesehen.“ Takashis Griff um Hinatas Hand wurde fester. „Ja, das stimmt“, bestätigte er. „Und soll ich dir mal ein Geheimnis verraten?“ „Was denn?“ fragte der 20-jährige neugierig und blickte zu Takashi hoch, der einen sehr verträumten Blick angenommen hatte. „Unser Vater sagte mal zu mir: eines Tages wird dir jemand begegnen, der etwas ganz Besonderes für dich ist. Und wenn du dir sicher bist, dann bringe diese Person hierhin.“ Hinata war tief bewegt, als er das hörte. Es musste Takashi sehr viel bedeutet haben, ihn hierhin mitzunehmen. Genauso wie Katsuya ihm die Grotte in Kamakura gezeigt hatte, die für ihn sein ganz besonderer Ort war. Hinata ließ kurz Takashis Hand los, trat auf ihn zu und umarmte ihn. Und als er spürte, wie sich zwei liebevolle Arme um ihn legten und ihn festhielten und er Takashis beruhigende Wärme wahrnahm, da war ihm, als würde ihm ganz leicht ums Herz werden. Ein wunderbares und doch so seltsam ungewohntes Gefühl des Glücks überkam ihn und schließlich sah er zu Takashi auf, streckte sich ein wenig und küsste ihn. „Danke, Takashi“, sprach er mit tief bewegter Stimme. „Danke dafür, dass ich derjenige bin, den du hierhergebracht hast.“ „Das bedeutet mir sehr viel, Hinata.“ Und so lagen sie sich innig in den Armen, glücklich und bewegt von ihren Emotionen, während um sie herum die Lichter der Glühwürmchen durch die Nacht schwirrten und die Zikaden ihr Lied erklingen ließen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)