Gahiji von Thanatos_Incarnate (Das Ende der blutroten Sonne) ================================================================================ Prolog: Reën-Regen ------------------ Düster, voller Unheil streiften die Wolken über die Dächer der Häuser. Langsam fielen einzelne Tropfen zu Boden, gewannen an Vielzahl und Stärke. Jahi sah, soweit er konnte, aus seinem Fenster. Nichts außer Nebel, aufgewirbelten Sand und viele kristallartige Punkte waren zu erkennen. Mehr oder weniger interessiert, beobachtete er dieses Naturschauspiel. Als Kind wurde dem Schwarzhaarigen erzählt, dass Wasser von den Wolken auf den Boden traf, der Welt Leben schenkten und die Ahnen es als Regen bezeichneten. Damals konnte er sich dieses Naturphänomen nicht vorstellen, fand es eher absurd, da er so etwas noch nie gesehen hatte. Die Unwissenheit blieb bis zu dem heutigen Tag. Jahre lang, besser gesagt, Jahrzehnte lang hatte es nicht geregnet, er selbst hatte es nie erlebt und kannte nur eine Welt voller Hunger, Armut und Dürre. Es war eine Welt in der die Bevölkerung ums nackte Überleben kämpfte und jeden Tag einen schnellen Tod finden konnte. Nach alten Prophezeiungen hätte es eine futuristische, blühende Welt voller Kulturen und Technologien sein sollen, aber anscheinend hatte das Schicksal andere Pläne. Unüberwindbare Konflikte, wie Meinungsverschiedenheiten und Auseinandersetzungen in allen Gesellschaftsschichten führten zur Zerstörung, -fast einer Apokalypse gleich-, von einem Großteil der Flora, Fauna und Weltbevölkerung. Die Menschheit entwickelte sich zurück, musste sich den neuen Gegebenheiten anpassen und knapp 2000 Jahre nach dieser Katastrophe kämpften sie noch immer um ihre Daseinsberechtigung. Nach und nach richteten sich dicke, unüberwindbare Mauern zwischen den Kulturen auf und verhärteten die Fronten. Auf der ganzen Welt konnte man, die in der Luft liegenden, Spannungen spüren und jeder fürchtete einen bevorstehenden Krieg. Langsam, sich von seinen trüben Gedanken losreisend, stand Jahi auf. Sollte er vielleicht raus, die Chance nutzen und den Regen genießen? Würde dieser seine Seele reinigen? Seufzend lief er zur Tür, wurde sogleich von dem Rattern der Zarge und dem schrillen pfeifen des Windes, wenn dieser sein Weg durch jede kleine Ritze findet, in Empfang genommen. Knatschend öffnete sich die Tür, peitschend und mit voller Wucht trafen die kleinen nassen Kristalle auf sein blasses Gesicht. Ohne weiter nachzudenken rannte der Schwarzschopf in den Regen hinein. Sich im Kreis drehend, die Arme ausgebreitet, genoss er zum ersten Mal das Gefühl von frischen Regen. Kurz drehte Jahi sich um, blickte in Richtung seines Hauses. Er konnte es in dem Sturm nicht mehr sehen. Achselzuckend schloss er seine grünen Augen, versuchte diesen Frieden, welcher momentan in ihm herrschte, einzufangen und nie wieder loszulassen. Der junge Mann bemerkte nicht, wie sich lautlos eine blasse, ausgezehrte, faltige Hand über den nassen Sandboden schlängelte, sein Fußgelenk fahrig umschloss und Zugriff. Erst als sich der Druck verstärkte keuchte Jahi erschrocken auf und seine Augen weiteten sich panisch. Schnell, ohne reagieren zu können wurde er zu Boden gerissen und landete Bäuchlings im Sand. Sich heftig wehrend drehte der Schwarzhaarige seinen Schopf und sein Blick wanderte über die blasse Hand zu einem ebenso blassen und faltigen Gesicht mit glasigen Augen. Schief Lächelnd verzog der alte sein Gesicht zu einer grässlichen Fratze und begann mit rauer Stimme zu sprechen. „Hilf mir…! Hilf…..mir….!“ krächzte er mehrere Male und verstärkte seinen Griff. Noch immer überrascht und voller Furcht starrte Jahi den Greis an. Er wirkte beinahe wie ein Zombie. Zögerlich, mit zitternden Händen beugte sich der Schwarzhaarige zu den Alten nach vorne, umfasste seine Hand und entfernte jeden der knochigen Finger einzeln von seinem Fußgelenk. „…“ erneut blickte er dem Fremden in die Augen. Sie hatten eine Leere, die unheimlich wirkte. „Keine Angst.“ ob Jahi es zu dem Alten oder zu sich selber murmelte konnte er nicht beantworten, es gab ihm allerdings eine Art von Sicherheit. Langsam richtete sich der Schwarzhaarige auf, fasste den Greis unter die knochigen Achselhöhlen, um ihn hochzustemmen. Sie standen Beide auf wackeligen Beinen und schleiften sich mühselig zurück zum Haus. Nachdem die Tür hinter ihnen zu viel, setzte sich der Fremde auf seinem Stuhl am Fenster und Jahi gab ihm einen Schluck zu trinken. „Nicht so geizig Junge“ schief grinsend streckte er ihm die kleine Tasse entgegen. „…“ „Hm, du bist also nicht der Gesprächigste. Also gut, ich werde dir nicht dein kostbares Wasser wegtrinken. Ich hoffe du hattest es vorher abgebrüht?“ das faltige Gesicht zog sich nachdenklich noch mehr in Falten. Jahi gab ihm noch immer keine Antwort, musterte ihn nur eingehend. Er wollte den Alten nicht bei sich haben, diese unheimliche und dunkle Aura um ihn herum machte ihm Angst. Der Schwarzhaarige konnte sich nicht erklären was dieses Gefühl zu bedeuten hatte, weshalb er fähig war diese Aura zu sehen und warum es ihm den Angstschweiß auf die Stirn trieb. Gefahr… „Südöstlich von hier…“ unhöflich wurde er unterbrochen. „Könnte ich die Nacht hier verbringen?“ leere Augen blickten ihn aus einem schief gelegten Kopf an. Fahrig fuhr sich Jahi mit einer Hand durch seine schwarzen Haare. Ihn einfach wegschicken konnte er nicht, oder? Das würde der Greis wohl kaum überleben. „…Gut, aber nur diese Nacht…“ zögerlich drehte der Schwarzhaarige ihm den Rücken zu, verschwand in seinem kleinen Schlafkämmerchen, durchsuchte es nach Decken und Kissen, um dem Fremden eine Art Bett anbieten zu können. Er legte eine, von Motten zerfressene Decke und ein paar Kissen zu Boden, staubte alles ein wenig ab und deutete darauf. Nickend dankte der Alte ihm und verkrümelte sich sogleich unter der Decke. Seit den Ereignissen in der Wüste war einige Zeit vergangen, es war spät geworden und regnete noch immer. Auch Jahi legte sich, mit einem unguten Gemüt, nieder. Leise Atemzüge streiften durch die Räumlichkeiten des Hauses, bahnten sich ihren Weg in jede Ecke und gaben allem eine friedliche Atmosphäre, welche nur durch ebenso leise Schritte unterbrochen wurde. Still lag ein Körper im Bett, dessen Brustkorb hob und senkte sich Gleichmäßig. Ein Schatten, dunkler als die Nacht, legte sich über diesen. Gestört kräuselte Jahi seine Nase, legte den Kopf auf dem Kissen etwas schräger, als ihm etwas Warmes und Feuchtes leicht streifte. Eine zähe Flüssigkeit tropfte auf sein Gesicht, holte ihn aus dem Schlaf. Langsam und schläfrig blinzelnd öffnete der Schwarzhaarige seine Augen und fuhr sogleich erschrocken zusammen. Er sah direkt in die leeren Augen des Alten, welcher über ihn beugte und aus dem Mundwinkel sabberte. Seine Irden hatten einen merkwürdigen Glanz, etwas Verrücktes, Unkontrollierbares spiegelte sich in ihnen wider. Eine kleine Bewegung, gerademal ein zucken des Handgelenkes, lenkte Jahi’s Aufmerksamkeit in eine andere Richtung. Blitzartig wollte der junge Mann aufspringen, fliehen und soweit wie möglich weg, wurde allerdings, erneut mit dieser unwirklichen Kraft, zurück ins Bett gedrückt. Stoßweise entfloh ihm sein Atem, als weiterhin Sabber heruntertropfte. Bedrohlich, voller Blutdurst, schimmerte das Messer im Vollmondlicht, tänzelte wie in Zeitlupe auf ihn zu und spielerisch vor seiner Nase hin und her. Ein krächzendes, schrilles Kichern entfuhr dem Alten, sein Brustkorb bebte dabei. Neckisch, anscheinend ohne selber zu wissen wann er zustechen würde, schwang er das Silber weiterhin vor und zurück. Jahi krallte sich verkrampf in sein Bettlacken, Angstschweiß sammelte sich auf seiner Stirn. Panik übermannte ihn, er konnte kaum noch Atmen. Ziellos huschten seine grünen Irden hin und her, seine Pupillen waren nur noch kleine Punkte. Wie von einem Magneten angezogen blieben sie an einem scharfen Gegenstand kleben. Es kostete ihn all seine Willenskraft eine Hand von dem Bettlacken zu lösen und nach dem Objekt zu fassen. So schnell wie möglich, in Wirklichkeit aber sehr langsam, bewegte er zitternd seinen Arm, umschloss den Griff des kalten Metalls und schwang es in Richtung des alten Mannes, wobei er fest seine Augen zusammenkniff. Ein gurgelndes Röcheln drang an seine Ohren, erneut tropfte ihm etwas Warmes ins Gesicht. „…Du…also…doch…“ voller Schmerz, wie ein rauer Hauch, pressten sich die Worte aus rissigen Lippen bevor ein dumpfes Gewicht auf den Schwarzhaarigen landete. Einige Sekunden vergingen bis sich das Geschehene in Jahi’s Gehirn Fußfassen konnte. Noch voller Adrenalin, Angst und mit wild pochendem Herzen schob er den Körper von sich runter. Laut fiel dieser zu Boden. Vorsichtig schlug der junge Mann seine Lider auf, krabbelte auf allen Vieren zur Bettkante und lunzte über diese zu den Alten hinab. Kleine rote Rinnsale schlängelten sich durch die Ritzen des Holzbodens, verschmolzen allmählich miteinander und bildeten eine Einheit. Er hatte dem knochigen Mann die Kehle aufgeschlitzt. Hektisch und leise musste er auf keuchen, sein Hals wurde staubtrocken, sodass er beim Schlucken schmerzte. Mörder…er hatte gemordet… Jahi’s Hand schnellte zu seinem Mund und presste sich auf diesen. Eine plötzliche Welle von Übelkeit ließ den, allzu bekannten, bitteren Geschmack durch seinen Rachen in seine Mundhöhle schießen. Die Muskeln in seinem Hals verkrampften, drückten ihm die Luft ab und Tränen bildeten sich in seinen Augen. mit wackeligen Beinen machte sich der Schwarzhaarige, gerade noch rechtzeitig, auf den Weg ins Bad. Am liebsten hätte er daraufhin seinen Mund ausgespült, doch das Wasser war dafür viel zu kostbar. Einigermaßen beruhigt kehrte er zurück in seine Schlafkammer, den Körper ignorierend, schritt er auf seine Mordwaffe zu. Irgendetwas außergewöhnliches passierte in seinem zu Hause seine Waffe, ein einfacher Brieföffner, lag auf seinem Bett und schimmerte in einem unschuldigen, reinen silbernen Glanz im Mondlicht. Weder auf dem kleinen Objekt noch auf dem Bett war ein kleinster Blutstropfen zu sehen. Zittrig hob Jahi seine Hände, sie waren ebenfalls spurlos. Er war verwirrt, eindeutig verwirrt. Wie konnte das sein? Unter dem Alten, auf dem Boden, hatte sich immerhin eine richtige Lache gebildet und dennoch zeugte das Bild von ihm, der Mordwaffe und dem Bett von reiner Unschuld. Zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit wurde ihm schlecht. Diesmal konnte der Schwarzhaarige es mit großem Aufwand unterdrücken. „…was soll ich mit der Leiche machen?...oder wäre es besser so schnell wie möglich…?“ seine Gedanken rasten, sein Herzschlag pochte in seinen Ohren. Er musste unbedingt eine Lösung finden. Unruhig lief der junge Mann auf und ab, wog so gut er konnte alle Möglichkeiten ab. Die plausibelste Entscheidung wäre das Haus aufzugeben, an einem anderen Ort Fuß zu fassen. Nur die Grenzen dürfte er nicht überschreiten, dies wäre sein sicherer Tod. ‚Flüchtlinge‘ wurden im Normalfall sofort Erschossen, in ganz seltenen Fällen gefangen genommen und gefoltert. Jedes Land wollte natürlich so viele Informationen wie möglich über seine Feinde bekommen. Genau genommen war der kleine Bürger in keinen der Reiche sicher, überall herrschte dasselbe Chaos. Wirklich viel Auswahl blieb ihm also nicht übrig. In Windeseile packte der Schwarzhaarige kleinere Habseligkeiten, ein wenig Proviant und so viel Wasser, wie er tragen konnte, zusammen und stürmte aus seiner ehemaligen Wohnung. Es war an der Zeit der Vergangenheit den Rücken zu kehren und einen Neuanfang zu wagen. Mit einem unsicheren Gefühl und dennoch mit einer gewissen Entschlossenheit, stapfte er in die eiserne Dunkelheit der Wüste. Stunden später tauchten zwei geheimnisvolle Schatten vor dem Ort des Geschehens auf. Sicheren Schritts traten sie in das Gebäude und analysierten ihre Umgebung. Bleierne Stille herrschte im Raum, wurde anschließend von der größeren Gestalt unterbrochen. „Ist er das? Einer deiner Diener?“ „Ja, ich hatte ihn auf eine Mission geschickt, doch der Kontakt brach auf ungeklärte Weise ab.“ „Was wollte er hier?“ schnell huschten seine Augen durch den Raum, ein missbilligendes Schnauben entkam seiner Kehle. „…alles andere als Einladend.“ „Ich weiß es nicht, habe allerdings die Vermutung, dass der kleine Ausreiser eine einfache Mahlzeit haben wollte. Der Bewohner dieser Hütte muss jung gewesen sein, sonst hätte mein Diener sich bestimmt nicht die Mühe gemacht... er war einer derjenigen, die junges Fleisch besonders mochten.“ „Nun gut. Kümmere dich um das da…“ beiläufig schlenkerte die Gestalt seinen Arm in die Richtung des Toten. „Ich werde den Verantwortlichen für diesen Umstand suchen. Dieser Fall kann und darf nicht unbeaufsichtigt bleiben. Wir haben uns verstanden?“ „Jawohl.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)