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Yasashikunai Mirai

Tsuzuku x Meto
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
So, und jetzt schick ich das nächste Kapitel gleich nach. Ist ja fies zuende gegangen, das letzte Kapitel ... Komplett anzeigen

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[Koichi] Act 31

Mitten in der Nacht wachte ich auf. Was genau mich geweckt hatte, wusste ich erst nicht, aber als ich Licht machte, sah ich Tsuzuku auf dem Boden vor meinem Bett sitzen, er hatte die Knie angezogen, die Arme darum gelegt, und verbarg sein Gesicht zwischen seinen Armen. Er zitterte und schluchzte erstickt, vielleicht hatte mich das geweckt, und als ich Licht machte, sah er mich erschrocken an.

„Tsu, hey, was los?“, fragte ich und setzte mich auf.

Er antwortete erst nicht, dann, ganz leise: „Ich kann nicht schlafen …“ Seine Augen waren stark gerötet und erst jetzt sah ich, dass er den Verband abgerissen und die Krusten der Schnitte auf seinem Arm abgekratzt hatte, sodass sie wieder bluteten.
 

Ich sprang aus dem Bett, lief schnell rüber ins Bad und kramte in meinen Schränken nach Pflastern, fand sogar welche und kam damit zu ihm zurück.

„Setz dich auf mein Bett, und zeig deinen Arm her“, forderte ich ihn auf, er tat es ohne Widerworte, und ich setzte mich neben ihn, begann, die Schnitte erneut mit den Pflastern abzudecken.

Er sah mir mit leerem Blick dabei zu, teilnahmslos, als gehörte sein eigener Arm nicht wirklich zu ihm. Ich mochte ihn jetzt nicht ins Wohnzimmer zurück schicken, weil ich genau wusste, dass er, sobald er allein war, die Pflaster abreißen und die Wunden wiederum aufkratzen würde.
 

Und so bot ich ihm, nachdem ich seinen Arm versorgt hatte, an, bei mir zu bleiben: „Tsu, komm, du kannst bei mir im Bett schlafen.“ Einfach nur, um ihn in Sicherheit zu wissen, damit er sich nicht noch mehr antat.

„Wirklich?“, fragte er ungläubig.

„Ja, komm, leg dich hin.“

Er legte sich neben mich, ich tat es ihm gleich und legte meinen Arm um ihn, damit er sich ganz sicher fühlte. Nur schien ihn das so sehr zu berühren, dass er wieder ganz furchtbar zu weinen anfing. Es schüttelte ihn regelrecht, er bebte und zitterte vor Weinen, und alles, was er an Worten herausbrachte, war: „Er ist weg … Meto ist weg … ich halte das nicht aus …! Ich will nicht mehr … Darf ich sterben …? Bitte, ich … ich kann nicht mehr …!“
 

Es tat mir sehr weh, ihn so zu sehen, aber ich weinte nicht mit. Es war zu wichtig, dass ich jetzt ruhig und stark wirkte, ihn halten konnte. „Meto ist nicht weg. Er ist nur bei seinen Eltern, und danach wird er ganz bestimmt zu dir zurückkommen. Verstehst du, Tsuzuku, es war alles so viel in letzter Zeit, für euch beide, und da braucht er einfach mal eine Auszeit. Er liebt dich, er wird dich nicht verlassen, hörst du?“

„Ich … ich bin ihm zu viel …! Er hält mich nicht mehr aus! Aber … ohne ihn … bin ich nichts, ohne ihn gibt’s mich gar nicht! Ich ergebe so einfach überhaupt keinen Sinn …“

„Tsuzuku, hör mir zu: Meto wird zu dir zurückkommen. Er hat dich nicht verlassen! Ich weiß, das ist jetzt sehr schwer für dich zu erkennen, aber es ist so. Er liebt dich, er ist bald wieder bei dir, und dann werdet ihr heiraten. Da bin ich mir ganz, ganz sicher!“
 

Aber meine Worte schienen ihn kaum zu erreichen. Er kam von dem Gefühl, endgültig verlassen worden zu sein, einfach nicht weg, das war mir ganz deutlich. Und dieses Gefühl zog ihm mehr als offensichtlich den Boden unter den Füßen komplett weg, er war im freien Fall. Ich wusste kaum mehr, wie ich ihn halten sollte, und fing innerlich schon an, mich zu fragen, ob ich ihn nicht doch einfach in die Klinik bringen sollte.

„Koichi … ich … ich mag nicht mehr … Ich kann nicht mehr …“, brachte er leise heraus. „Ich mag sterben, einfach einschlafen …“

Ich hatte Tsuzuku bisher nie so akut suizidal erlebt, wusste nicht, wie ich damit richtig umgehen sollte. Ich konnte ihn nur umarmen, und versuchen, ihm ein bisschen Halt zu geben.

„Tsu, ich bin doch auch noch da. Und ich wäre ganz, ganz furchtbar traurig, wenn du stirbst! Ich brauch dich noch, und Meto auch!“
 

Und auf einmal sah er mich an, ein winziges Lächeln huschte über seine Lippen, er kam näher, drückte seinen Körper nah an meinen. Mir entfuhr ein überraschter Laut, ich verstand seine Reaktion nicht, und mit einem Mal war er so nah, ich sah die Tränen an seinen Wimpern, fühlte seinen Atem, und dann, ganz unwirklich und eigenartig, seine Lippen auf meinen. Mein Körper wurde heiß und starr, eine Sekunde, zwei Sekunden, dann bekam ich die Situation wieder zu fassen und mir entkam ein halb gekeuchtes: „Tsu …?! Was machst du denn?!“
 

Er wich zurück, schien von sich selbst erschrocken zu sein, von seinem eigenen Fühlen und Verhalten. Zuerst sah er mich nur an, schien selbst kaum zu begreifen, was er da gerade getan hatte.

„Ich … brauche das … ich kann nicht ohne. Ich hab dieses Loch in mir, dieses unendlich tiefe, schwarze Loch, das mich jedes Mal zerreißt, wenn ich allein bin … Diese Leere, verstehst du?“ Zuerst sprach er beinahe ruhig, wirkte wie losgelöst von sich selbst, fast so als ob er über jemand anderes sprach.

Doch dann schien ihm mit einem Schlag klar zu werden, was er soeben getan hatte und im Begriff war zu tun, und das zusammen mit dem Gefühl, verlassen worden zu sein, ließ ihn vollkommen eskalieren: Er fing wieder an, sich wie verrückt zu kratzen, zitterte dabei und drehte sich mit einem Ruck weg von mir, dabei stieß er mit dem Kopf versehentlich gegen das Kopfende meines Bettes. Doch statt dass er davon zurückwich, knallte er mit dem Kopf ein zweites Mal dagegen, diesmal erkennbar absichtlich. Ich bekam gerade noch so mein Kopfkissen dazwischen, doch das zerrte er weg, sodass ich zu meinem letzten Mittel griff und ihn mit all meiner Kraft festhielt.
 

„Tsuzuku!! Hör auf, du machst dich noch ganz kaputt!!“, wurde ich laut vor Hilflosigkeit.

Er sah mich an, in seinen Augen glühte ein fürchterlicher Schmerz, und er schrie mich an: „Macht doch nichts! Macht nichts, wenn ich mich selbst erschlage!!“

„Tsu, noch mal: Meto kommt wieder, hörst du? Und er wird traurig sein, wenn du dir wehgetan hast. Und dir selbst wird es auch leidtun, ganz bestimmt!“

„Er kommt nicht wieder!!“, schrie er mich an. „Er hat mich verlassen, und ich hab‘s verdient!! Lass mich sterben, Koichi, da haben wir alle was von!“
 

Ich musste mir eingestehen, dass ich mit dieser Situation so ziemlich überfordert war, und das Einzige, was mir als Ausweg oder Lösung sinnvoll erschien, war die Klinik. Alleine konnte ich das hier nicht halten oder lösen.

Ich stand auf, ging ins Wohnzimmer, wo der Beutel mit Tsuzukus Sachen stand, und begann, alles, was er am Abend heraus genommen hatte, wieder einzupacken. Dabei fand ich seinen Geldbeutel mit seiner Krankenkassenkarte und dabei einen kleinen Zettel, auf dem drei Punkte notiert waren: Borderline, Bulimie, und der klinische Name seiner möglicherweise beginnenden Herzkrankheit.

„Koichi …“, hörte ich Tsuzukus kraftlose, verzweifelte Stimme aus meinem Schlafzimmer. „Wo bist du?“

„Ich bin im Wohnzimmer“, sagte ich. „Ich packe deine Sachen, und dann fahren wir in die Klinik.“
 

Ich hörte, wie er aufsprang und über den Flur lief, und dann stand er vor mir, völlig verheult und haltlos. „Nicht in die Klinik … bitte …!“

„Tsuzuku, du brauchst wirklich Hilfe. Du bist im freien Fall, und ich weiß nicht, was ich jetzt für dich tun kann. Und wenn du so sehr drüber nachdenkst, dass du nicht mehr leben willst, dann ist es meine Pflicht als dein Freund, dich in die Klinik zu bringen, verstehst du das?“

„Du weißt ganz genau, dass ich nicht in die Klinik will!“

„Ich gehe auch mit rein und bin bei allem dabei, wenn du das willst. Ich lass dich nicht allein, und ich schiebe dich auch nicht ab. Nur … ich bin wirklich kein Experte, wenn es um deine Krankheit geht. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll, wenn du dir wehtust. Und deshalb fahren wir jetzt zur Klinik und du bleibst wenigstens eine Nacht lang dort.“

Er sagte nichts darauf, vielleicht sah er jetzt ein, dass es in diesem Moment keinen anderen Weg gab. Und so zog er sich einfach an, ich mich ebenso, und wir gingen wenig später zusammen los, nahmen die nächtliche Bahn in Richtung der psychiatrischen Klinik.
 

Auf dem Weg schien Tsuzuku sich ganz und gar in sich selbst zurück zu ziehen, er versank geradezu, sein Blick war leer und teilnahmslos. Ich griff seine Hand, wollte ihn einfach spüren lassen, dass ich da war, doch er zog sie weg, sah mich stumm und todtraurig an. Und ich fragte mich, wie es wohl für Meto damals gewesen sein musste, als er Tsu gerade erst neu gekannt hatte und dieser obdachlos und wohl ebenso suizidal wie jetzt gewesen war.

Als wir bei der Klinik ausstiegen, griff ich wiederum nach seiner Hand, und dieses Mal ließ er es zu.

Wir klingelten an der mit „Notfall und Nachtdienst“ beschrifteten Klingel bei der Eingangstür und mussten eine ganze Weile warten, ehe jemand öffnete.
 

Die Krankenschwester, die uns schließlich die Tür öffnete, war noch recht jung, und sie scannte erst mich, dann Tsuzuku mit einem kurzen Blick, sah merkbar auch die Pflaster auf seinem Unterarm, und die leicht gerötete Stelle an seiner Stirn, die von dem Zusammenstoß mit meinem Bettrahmen herrührte.

„In die Notaufnahme?“, fragte sie.

Ich nickte, und fragte dann: „Ist Dr. Niimura da?“

„Ja, der Doktor hat heute Nacht tatsächlich Dienst“, sagte die Schwester und sah dann wieder zu Tsuzuku. „Sind Sie ein Patient von ihm?“

Tsu nickte nur, sagte nichts.
 

„Kommen Sie erst mal herein, ich werde Dr. Niimura Bescheid geben“, sagte die Schwester und geleitete uns in einen beleuchteten Raum. Sie trug ein Telefon bei sich, das benutzte sie, und ich ging davon aus, dass sie den Arzt anrief.

Als dieser dann wenig später in den Raum kam, fand ich, dass er wirklich so freundlich und väterlich wirkte, wie Tsu ihn mir mal beschrieben hatte.

„Guten Abend, Aoba-san“, sagte Dr. Niimura zu Tsuzuku. „Na, was ist denn los? Wir haben uns doch heute schon gesehen …“
 

Tsu sah ihn kaum an, antwortete erst nicht einmal, dann, ganz leise und mit Tränen in den Augen: „Meto ist weg …“

„Ihr Freund?“, fragte Dr. Niimura. „Haben Sie sich gestritten?“

Tsuzuku fing wieder an zu zittern, seine Hände krallten sich verkrampft ineinander und die Tränen flossen wieder ungehindert. Er nickte und brachte leise und unzusammenhängend heraus: „Ich … ich war bei Mamas Grab … hab mich … wieder geschnitten … sehr geschnitten … und ich war im Bad, wollte mich wieder … schneiden … und … Meto hat … mich angeschrien, … ich hatte abgeschlossen … Und ich … ich hab … den Seifenspender kaputt geknallt, an der Tür … und zu ihm gesagt, er soll mich umbringen … oder so … und jetzt ist er weg …“
 

„Wo ist er denn hingegangen?“, fragte Dr. Niimura. Er wirkte zwar betroffen, aber zugleich ganz ruhig, und ich konnte mir vorstellen, dass er für viele seiner Patienten wie ein rettender Fels in diesem Meer aus emotionalem Chaos war.

„Meto ist bei seinen Eltern in seiner Heimatstadt“, sagte ich. „Er war bei mir, es war ihm alles einfach … sehr viel, er ist vielleicht etwas überfordert, in letzter Zeit ist so viel passiert.“

Das, was ich sagte, schien Tsuzuku weh zu tun, doch ich fand, dass der Arzt es so wissen musste, wie es passiert war. Ich konnte mir vorstellen, dass Tsu in seinem Schmerz vielleicht die Dinge nicht richtig aussprechen konnte, also konnte ich jetzt nur wenig Rücksicht auf ihn nehmen. Es ging darum, dass er hier in Sicherheit war, vor sich, den selbstzerstörerischen Kräften in seinem Inneren.
 

„Und da haben Sie entschieden, dass Aoba-san am besten hier in der Klinik aufgehoben ist?“, fragte Dr. Niimura.

Ich nickte. „Ich glaube, wir sind alle drei im Moment überfordert. Er mit sich selbst, sein Freund mit der ständigen Sorge um ihn und den vielen Dingen, die passiert sind, seit sie zusammen leben, und ich, das muss ich gestehen, weiß gerade auch nicht mehr wirklich weiter.“

„Dann ist es sehr gut, dass Sie hergekommen sind.“ Der Arzt lächelte und berührte Tsuzuku dann ganz vorsichtig an der Schulter. „Kommen Sie, Aoba-san, wir finden ein Zimmer für Sie, wo Sie ein bisschen Ruhe haben. Später kann ich auch noch ein wenig zu Ihnen kommen, wenn Sie reden möchten, ich bin die ganze Nacht hier.“
 

Tsuzuku nahm seine Tasche und stand auf, doch ehe er mit dem Arzt auf die Station ging, nahm ich ihn noch mal fest in meine Arme.

„Tsuzuku, es wird alles wieder gut, hörst du?“, flüsterte ich in sein Ohr. „Ich komme morgen wieder her und besuche dich. Und lass dir bitte helfen, ja?“

Er nickte nur, dann drehte er sich um und folgte Dr. Niimura in Richtung einer weißen Tür, auf der ‚Aufnahme‘ stand.

Und ich blieb noch einen Moment stehen, sah ihm nach und hoffte, dass wirklich alles wieder gut werden würde.

Dann schrieb ich Meto eine Nachricht: „Ich hab Tsuzuku gerade in die psychiatrische Klinik gebracht. Die kümmern sich jetzt um ihn. Mach dir keine Sorgen, das wird alles wieder gut. ko_1“
 

Die Antwort bekam ich, als ich wieder draußen war, an der Bahnstation.

„Koichi, es tut mir alles gerade so leid! Ich hätte einfach nicht gehen dürfen! Tsuzuku denkt jetzt bestimmt, ich komme nie wieder zurück, oder?“

„Wenn du wieder da bist, wird er wissen, dass du ihn nicht verlassen hast“, schrieb ich zurück. „Meto, du musst jetzt erst mal ganz auf dich allein schauen. Ruh dich ein paar Tage aus, bleib bei deinen Eltern, und ich kümmere mich um alles andere.“

„Ist Tsu denn jetzt … sehr wütend auf mich?“, schrieb Meto ein paar Minuten später, als ich schon in der Bahn saß.

„Wütend? Nee, würde ich nicht sagen. Er wirkte nicht wütend, nur unendlich traurig“, antwortete ich.

„Er denkt, ich hab ihn verlassen …“

„Ja, das denkt er. Aber, Meto, wir wissen beide, dass genau das Borderline ist. Und deshalb hab ich ihn ja in die Klinik gebracht, weil die sich dort damit auskennen. Die wissen, was sie tun müssen, damit es ihm bald wieder besser geht, du wieder zu ihm kannst und er wissen wird, dass du ihn nicht verlassen hast.“
 

„Koichi?“

„Ja?“

„Kannst du Tsu, wenn du ihn besuchst, von mir sagen, dass ich ihn immer noch liebe? Ich hab so Angst, dass er das vergisst.“

„Keine Sorge, ich krieg‘s schon hin, dass er das nicht vergisst.“

„Danke. Vielen, vielen Dank.“

„Meto, das ist doch selbstverständlich. Tsu und du, ihr seid meine besten Freunde. Natürlich helfe ich euch!“
 

Ich stieg aus der Bahn, lief nach Hause, spürte schon auf den Treppen, dass ich weinen musste, rannte rauf zu meiner Wohnung, öffnete die Tür, schlug sie hinter mir wieder zu und sank an der Wand zu Boden.

Es war einfach so viel gewesen, erst Meto zu beruhigen, mich dann um Tsuzuku zu kümmern, und dann diese furchtbare Situation in meinem Schlafzimmer, als er mir in seiner Verzweiflung viel zu nahe gekommen war und sich dann wieder wehgetan hatte … Dann die Klinik und danach der ebenso anstrengende Chat mit Meto …

Und so saß ich in meinem Flur auf dem Boden und weinte, doch es war ein Rauslassen-Weinen, nach dem ich mich ein Stück erleichtert fühlte.
 

Meto und ich, wir liebten Tsuzuku beide, wenn auch auf ganz unterschiedliche Art. Aber wir liebten ihn und sorgten uns um ihn, Meto als sein Mann und ich als sein bester Freund. Und manchmal war das einfach so entsetzlich schwer. Er war so wahnsinnig verletzlich, dass man sich immer Mühe gab, ihm nicht weh zu tun, und doch ließ es sich nicht vermeiden.

Sicher lag er jetzt in der Klinik in einem Bett und weinte sich die Augen aus, weil er glaubte, vor Einsamkeit innerlich zu sterben. Ich hoffte, dass er sich, wenn es in ihm noch dunkler wurde, an jemanden dort wenden und Hilfe annehmen würde. Und dass ich wusste, dass Dr. Niimura die ganze Nacht Dienst hatte, beruhigte mich ein wenig.
 

Natürlich war dann in dieser Nacht nicht mehr wirklich an Schlaf zu denken. Und als ich merkte, dass ich wirklich nicht mehr einschlafen konnte, setzte ich mich vor den Fernseher, suchte einen Film aus meiner DVD-Sammlung aus und verbrachte dann die ganze restliche Nacht damit, Filme zu schauen, um mich abzulenken.
 

Am Morgen, so gegen sieben, war das Erste, was ich tat, Tsuzuku eine Nachricht zu schreiben: „Hey, wie geht’s dir heute Morgen? Konntest du noch schlafen? Und hast du mit dem Arzt gesprochen?“

Es dauerte eine Weile, bis ich eine Antwort bekam: „Nicht gut … Ich hab nur ne halbe Stunde oder so geschlafen … Aber mit Dr. Niimura hab ich geredet …“

„Kann ich dich heute kurz besuchen?“, schrieb ich.

„M-hm … ich hab jedenfalls kein Programm oder so. Die nennen das jetzt Krisenintervention und sagen, ich kann so bald, wie es eben geht, wieder nach Hause.“

„Okay, dann komme ich heute Nachtmittag vorbei. Ich fahre vorher noch zu eurer Wohnung und bringe da alles wieder in Ordnung, okay?“

Tsuzuku antwortete darauf nicht. Ich zog mich erst mal an, räumte auch den Futon und alles wieder zusammen und weg, und schrieb mir auf meine Einkaufsliste, dass ich neues Verbandszeug kaufen musste. Ab und zu schaute ich auf mein Handy, aber da kam nichts mehr.
 

Da ich den Vormittag über arbeiten musste, packte ich meine Arbeitskleidung zusammen und machte mich auf den Weg.

In der Bahn sitzend, dachte ich mir dann eine Erklärung aus, wie ich Satchan sagen sollte, dass Meto heute nicht zur Arbeit kam. Und weil mir dann einfiel, dass Tsuzuku sich bei seiner Arbeitsstelle wahrscheinlich auch nicht abmelden konnte, stieg ich dann zwei Haltestellen früher aus, ging zum Bodyart-Studio und klingelte dort.
 

Eine junge Frau mit zahlreichen Piercings öffnete die Tür. „Tut mir leid, wir haben noch geschlossen“, sagte sie.

„Ich will auch gar nicht viel“, entgegnete ich. „Ich bin ein guter Freund von Genki Aoba und möchte nur Bescheid sagen, dass er wohl wieder ein paar Tage nicht zur Arbeit kommen kann. Er ist im Krankenhaus.“

„Oh …“, sagte die Frau. „Hat er wieder eine Krise gehabt?“ Anscheinend wusste sie über seine Krankheit Bescheid.

„Ja“, sagte ich. „Es gab ‘ne ziemlich schlimme Krise. Wird vielleicht eine Woche dauern, bis er wieder nach Hause kommt, und ob er dann wieder arbeiten kann, das kann ich noch nicht sagen.“

„Ich sag nachher dem Chef Bescheid, also nur darüber, dass er im Krankenhaus ist. Würde sich Genki denn über Besuch freuen?“

„Ich weiß es nicht. Er ist wirklich ziemlich fertig und braucht wahrscheinlich erst mal Ruhe.“

„Okay …“
 

Auf dem Weg zum Café musste ich dann irgendwie über alles noch einmal nachdenken. Dass Tsuzuku mich geküsst hatte, konnte ich recht schnell abhaken, da ziemlich deutlich gewesen war, dass er das nur aus der puren Verzweiflung heraus getan hatte.

Aber seine Worte, wie er gesagt hatte, dass er alleine einfach keinen Sinn ergab und ohne Meto nur noch sterben wollte … er hatte das ernst gemeint, und ich konnte mir vorstellen, dass er, wenn ich nicht bei ihm gewesen wäre, vielleicht sogar einen Versuch unternommen hätte, sich das Leben zu nehmen.

Mir war schon so lange bewusst, dass er krank war, aber so direkt zu erleben, wie es wirklich manchmal in ihm aussah, war schon … schockierend. Ebenso schockierend wie das Bild, als ich zu ihm in die Wohnung gekommen war und ihn blutüberströmt inmitten eines Meers aus Scherben vorgefunden hatte. So viel Blut …
 

Ich kam beim Café an, zog mich um, und als Satchan fragte, wo Meto heute blieb, sagte ich: „Es ist was passiert mit ihm und seinem Freund. Meto ist im Moment bei seinen Eltern und Tsu ist im Krankenhaus.“

„Oh … ein Unfall?“

„So was ähnliches …“, sagte ich nur, denn Satchan musste ja wirklich nicht wissen, dass Tsuzuku psychisch krank war.

„Wann kommt Meto-chan denn wieder?“, fragte sie.

„Zwei, drei Tage lang wird das schon dauern“, antwortete ich. „Das, was da passiert ist, hat ihn einfach sehr mitgenommen.“

„Und was trage ich in meine Listen ein? Zählt Meto jetzt als ‚krank‘?“

„Würde ich sagen. Es wäre jedenfalls supernett von dir, wenn du ihm das nicht grad von seinen Urlaubstagen abziehst“, sagte ich und lächelte bestechend. Ich wollte Meto nicht zumuten, dass er sich jetzt auch noch mit solchen Formalitäten herumschlagen musste, und das soweit wie möglich für ihn klären.
 

Der Vormittag ging dann irgendwie herum. Ich arbeitete ihn einfach ab, und dachte mir, als einige der Gäste nach Meto fragten, eine ziemlich frei erfundene, möglichst unverfängliche Geschichte aus, die ich erzählte.

Nach der Mittagspause ging ich dann, machte mich auf den Weg zu Metos und Tsuzukus Wohnung, um das Chaos dort wieder in Ordnung zu bringen, und ein paar Sachen für Tsuzuku zu holen, die wir gestern in der Aufregung nicht mitgenommen hatten.
 

Als ich die Wohnung betrat und das Blut überall sah, auf dem Läufer im Flur und auf dem Bodenbelag, und die vielen Scherben bei der Badezimmertür, erinnerte ich mich an gestern Abend, als ich voller unguter Ahnungen und Ängste hergefahren war und der Anblick, der sich mir geboten hatten, meinen Schreckensvorstellungen voll entsprochen hatte.

Ich ging in die Küche, suchte und fand diverse Reinigungsmittel, und begann, indem ich den Teppich zusammenrollte und beiseite stellte. Wahrscheinlich konnte ich den auch gleich entsorgen. Dann machte ich einen Eimer mit Wasser und Spülmittel fertig und fing an, die vielen dunkelroten Tropfen und Flecken vom blanken Boden wegzuwischen. Der halbe Flur und auch das Bad waren übersät mit Blutflecken, gottseidank hatten die weißen Wände so gut wie nichts abbekommen. Ein bisschen weiße Farbe würde da ausreichen, das konnte ich auch morgen noch machen.
 

Nachdem ich also so gut wie alle Blutflecken beseitigt hatte, kehrte ich die Scherben zusammen und kippte diese in den Hausmüll. Unten vor der Kellertür hatte ich vorhin schon eine Ansammlung an Müll gesehen, und so brachte ich den ruinierten Teppich und den Hausmüll mit den Scherben gleich runter, damit der Müllwagen alles mitnahm.
 

Wieder oben in der Wohnung, packte ich noch mal ein paar Sachen für Tsuzuku zusammen, Waschzeug und Kleider, und dabei fand ich in einer Falte versteckt zwischen seinen Pullovern ein kleines Album, das ich erst auf den zweiten Blick als Fotoalbum erkannte.
 

Ohne recht zu wissen, was ich tat, klappte ich es auf. Es war ein dünnes Album aus grauer Pappe, und darin waren nur wenige Fotos. Eine Frau von vielleicht fünfunddreißig Jahren und ein jugendlicher Junge von etwa dreizehn, den ich sofort als Tsuzuku erkannte, blickten in die Kamera, hinter ihnen schimmerte ein geschmückter Weihnachtsbaum. An der Haltung der Frau sah man, dass sie das Bild mit Selbstauslöser aufnahm, vermutlich, weil sonst niemand da gewesen war.

Das nächste, deutlich ältere Foto zeigte dieselbe Frau mit einem kleinen Jungen auf einem Spielplatz, und auch dieses Foto hatte sie erkennbar selbst gemacht.

Dann folgte noch ein Foto, das nur diese Frau, Tsuzukus Mutter, zeigte, wie sie in einer kleinen, aber lichtdurchfluteten Küche am Tisch saß und Gemüse schälte. Tsu war auf diesem Bild nicht mit drauf, und ich ging davon aus, dass er die Kamera bedient hatte.

Das letzte Bild zeigte wieder beide zusammen, Tsu war auf diesem Foto vielleicht neunzehn oder zwanzig, er trug ein knappes, beinahe mädchenhaftes VKei-Oberteil, und seine Tattoos waren deutlich zu sehen. Seine Mutter hatte die Arme um ihn gelegt und lächelte strahlend in die Kamera, man sah, dass ihr Sohn dieses Lächeln geerbt hatte.
 

Ich klappte das Album zu, schob es wieder so zwischen die Pullover, wie ich es gefunden hatte, und blieb noch einen Moment vor dem Schrank stehen.

Tsuzuku sah seiner Mutter wirklich ähnlich, sie hatte dieselben hübsch geschwungenen Lippen, und die Art, wie Augen und Brauen zusammen aussahen, war auch ähnlich. Er sprach ja nur selten über sie, aber ich war mir sicher, dass er oft an sie dachte. Sicher war es viel zu schmerzhaft, über sie zu sprechen, er trauerte ja immer noch um sie.
 

Ich wandte mich wieder den Sachen zu, die ich einpacken wollte, und dabei musste ich an etwas denken, was ich vor kurzem gelesen hatte, in dem einen Artikel über Borderline: Erkrankte brauchten oft sogenannte Ersatzgegenstände, viele Frauen mit Borderline besaßen zum Beispiel Puppen oder Plüschtiere, die sie brauchten, um sich nicht so allein zu fühlen. Ich sah ein getragenes T-Shirt von Meto vor dem Kleiderschrank liegen und hob es auf. Vielleicht würde es Tsuzuku gut tun, wenn er etwas bei sich hatte, das nach Meto roch.
 

Mit den Sachen in einem Beutel, den ich an der Garderobe gefunden hatte, verließ ich die Wohnung wieder und machte mich auf den Weg zur psychiatrischen Klinik.

Ich musste am Empfang nachfragen, auf welcher Station Tsuzuku jetzt war, und erklären, dass ich ihn besuchen und ihm ein paar Sachen bringen wollte. Als ich die Treppen hoch zu der Station ging, kam mir eine junge Frau entgegen, die ein kurzärmliges, graues Shirt und Jogginghosen trug. Sie grüße leise, und ich grüßte zurück, und erst als sie an mir vorbei ging, sah ich die heftigen Narben an ihren Unterarmen.

Und während ich die restlichen Treppenstufen bis zur Station hoch ging, fragte ich mich, wie viele Menschen es wohl in unserem Land gab, die dem höflich lächelnden, sich so gern glatt und geordnet präsentierenden Image Japans innerlich überhaupt nicht entsprachen. Ich verstand jetzt, was Tsuzuku meinte, wenn er sagte, er fühle sich kaum noch als wirklicher Japaner.
 

Als ich an der Stationstür ankam, kam mir gerade eine Krankenschwester entgegen.

„Sie wünschen?“, fragte sie lächelnd.

„Ich bin ein guter Freund von Aoba Genki-san, ich möchte ihn besuchen und ihm ein paar Sachen bringen.“

„Ah“, sagte sie. „Folgen Sie mir.“

Sie führte mich zu einer offenen Tür, hinter der sich ein Aufenthaltsraum befand, in dem auch einige Leute saßen und sich mit verschiedenen Dingen beschäftigten. Doch Tsuzuku war hier nicht zu sehen.

„Er wird sich wieder hingelegt haben“, sagte die Schwester und führte mich zu einer anderen Tür weiter hinten. Sie klopfte an, und ich hörte Tsu’s Stimme: „… Ja?“

„Aoba-san, Sie haben Besuch.“ Sie öffnete die Tür und ich sah Tsuzuku mit dem Rücken zum Raum in einem der beiden hier stehenden Betten liegen. Das zweite Bett war leer und unbenutzt.
 

„Hey, Tsu, ich bin’s“, sagte ich und ging hinein.

Die Schwester ging wieder davon, und ich trat an Tsuzukus Bett, legte vorsichtig meine Hand auf seine Schulter. Er drehte sich zu mir um und ich erschrak ein wenig, weil er so entsetzlich müde und kaputt aussah. Unter seinen Augen waren ganz dunkle Schatten, und sein Blick war so leer und ohne jede Freude, er sah aus wie ein Gespenst.

„Hast du letzte Nacht überhaupt geschlafen?“, fragte ich und stellte die Tasche mit seinen Sachen neben das Bett.

Er schüttelte den Kopf.

„Kein bisschen?“

„Nein …“

Er drehte sich ganz zu mir um, rückte ein bisschen näher zur Wand, und ich setzte mich auf die Bettkante.

„Ich kann nicht mehr alleine schlafen“, sagte er dann, seine Stimme hatte kaum noch Klang. Er sah mich einen Moment lang an und fragte dann: „Koichi? Kannst du … dich einen Moment lang zu mir legen? Bitte …“

„Ich weiß nicht, ob das so gut ist …“, erwiderte ich.

„Bitte …!“, bat er. „Ich bin so müde und kann alleine einfach nicht einschlafen …“
 

Er sah so kaputt aus, dass ich ihm diese Bitte dann doch nicht abschlagen konnte. Und so legte ich mich neben ihn hin, ich auf der Decke und er darunter, und meinen Arm um ihn. Er zitterte vor Müdigkeit, hatte wieder Tränen in den Augen, doch dann schloss er sie und war innerhalb weniger Minuten fest eingeschlafen.

Seltsam, dachte ich, dass er anscheinend wirklich nur schlafen konnte, wenn jemand bei ihm lag. Und so lag ich hier, hielt meinen besten Freund in meinen Armen, während er schlief. Er sah so weich und beinahe wie ein Kind aus, und sein Körper schmiegte sich im Schlaf an mich, so nah, dass ich froh war, dass die Decke zwischen uns war. Ich hob die Hand und strich ihm vorsichtig die schwarzen Ponysträhnen aus der Stirn, er schien das zu spüren und zog ein wenig die Nase kraus. Aber er wachte nicht auf.
 

Es dauerte eine ganze Weile, bis er wieder aufwachte, so in etwa zwei Stunden, die ich die ganze Zeit über bei ihm lag. In seine Augen war ein klein wenig Leben zurückgekehrt, er wirkte zumindest ein bisschen erholt und schien sich sogar zu freuen, dass ich bei ihm war.

Ich wusste nicht, worüber ich jetzt mit ihm am besten sprach, ob ich ihm sagen sollte, dass ich mit Meto geschrieben hatte und worüber. Ob ich Meto überhaupt erwähnen sollte, oder ihm das zu sehr wehtun würde.

„Wie geht’s dir jetzt?“, fragte ich leise.

Tsuzuku lächelte matt. „… Ich konnte schlafen“, sagte er. „Danke, Koichi.“

„Das ist aber noch nicht immer so, oder?“, fragte ich. „Also, dass du nur schlafen kannst, wenn jemand bei dir ist?“

Tsu schüttelte den Kopf. „Nein. Erst, seit Meto bei mir …“ Er brach ab, blickte einen Moment ins Leere und ich sah wieder Tränen in seinen Augen. Ist? War? Die Frage danach, ob die Beziehung mit Meto jetzt überhaupt noch existierte, stand nur allzu deutlich und schmerzend in seinen Augen.
 

Ich legte meine Arme um ihn, hielt ihn ganz fest, drückte seinen Kopf an meine Schulter. „Tsuzuku, es ist nicht vorbei, hörst du? Ich hab mit Meto geschrieben, er ist wirklich nur für ein paar Tage bei seinen Eltern. Er wird bald wieder bei dir sein.“

Ich hatte verhindern wollen, dass er wieder so sehr weinte, doch offenbar war der Schmerz in ihm viel zu groß, um nicht zu weinen.

„Aber … warum ist er … dann gegangen …?! Warum … hat er … mich … nicht … umarmt, so wie immer?!“, fragte er, konnte vor Weinen kaum richtig sprechen.
 

„Er war überfordert. Du hast mit Sachen geworfen, ihn angeschrien, und dich so sehr verletzt, das war einfach … zu viel für ihn.“

„Ich hab’s … gewusst … ich bin ihm zu viel … ‘ne Last … Er muss sich … vor mir schützen … mich verlassen und hassen und …“ Seine Stimme brach, bevor er weiter sprechen konnte.

Ich ließ ihn kurz los, um sein Gesicht in meine Hände zu nehmen. „Tsuzuku, schau mich bitte an und hör mir gut zu: Auch, wenn Meto gerade mit deinem Verhalten überfordert ist, ändert das nichts daran, dass er dich liebt. Ich glaube, er wird dich immer lieben. Er hat sogar selber Angst, dass du ihn jetzt nicht mehr liebst. Nur … ihr müsst beide lernen, anders mit deinem Verhalten umzugehen, verstehst du? Du brauchst eine richtige Therapie, und Meto braucht vielleicht auch Hilfe, was den Umgang mit dir und deiner Krankheit betrifft.“

„Er hat Angst … dass ich ihn jetzt … hasse?“

„Das hat er mir geschrieben. Aber das tust du gar nicht, oder, ihn hassen?“

„Wie könnte ich?! Ich will ihn nicht hassen …! Ich will ihn lieben, immer nur lieben …!“

„Siehst du, dann wird auch alles wieder gut. Er ist bald wieder bei dir, und dann schauen wir alle zusammen, mit deinem Arzt und so, wie es weiter geht, okay?“ Ich ließ ihn wieder los, und er sank zurück ins Kissen.
 

„Dr. Niimura hat … mich gefragt, ob ich … idealisiere …“, sagte Tsuzuku leise. „Ich … ich weiß nicht, ob er da … Recht hat … ich will das nicht … idealisieren und dann hassen und so …“ Er wich meinem Blick aus, blickte an die Wand. „Ich will doch nur einfach mit Meto zusammen sein, ihn so sehr lieben, wie ich nur kann, und … ihn bei mir haben … damit ich …“, seine Stimme wurde wieder brüchiger, „… damit ich nur ein bisschen weiß, wer ich überhaupt bin.“

„Ich glaube auch nicht, dass du Meto hassen könntest. Dafür hast du ihn viel zu lieb“, sagte ich.

„… Ich will’s nicht!“ Wieder hatte er Tränen in den Augen. „Ich hab solche Angst davor, ihn irgendwann nicht mehr so sehr zu lieben … Heute Nacht, da war so ein Moment, wo ich es … echt kaum noch ausgehalten habe … dass er weg ist … und wo ich ihn dann … beinahe nicht mehr … geliebt hab …“

„Ach, Tsuzuku …“ Ich legte wieder meine Arme um ihn, hielt ihn fest, während er weinte.
 

Ich wusste nicht recht, wie es jetzt weitergehen sollte. Und ich hatte das Gefühl, dass ich mich darum kümmern musste.

Tsuzuku würde es wohl kaum aushalten, noch eine Nacht oder länger hier im Krankenhaus zu bleiben. Wenn er absolut nicht alleine schlafen konnte, musste er entweder ein Schlafmittel bekommen, oder er brauchte Meto bei sich.

Aber Meto brauchte jetzt Zeit für sich, und Ruhe, um sich vom intensiven, aufregenden Leben der letzten Monate zu erholen. Es war wirklich viel gewesen, aber ich konnte auch verstehen, dass Meto lange selbst nichts davon bemerkt und auch nichts gesagt hatte, denn wir wussten ja beide, dass Tsuzuku unter furchtbaren Schuldgefühlen litt, sobald er merkte, dass uns seine Art oder seine Krankheit irgendwie belastete.
 

Letztendlich beschloss ich dann, heute noch zu Meto zu fahren, um mit ihm auch noch mal zu reden.

„Tsuzuku, weißt du, was wir jetzt machen?“, fragte ich meinen besten Freund.

„Mh, was denn?“

„Du gehst jetzt zu den anderen in den Aufenthaltsraum und lenkst dich da ein bisschen ab. Und wenn du nur ein wenig Fernsehen schaust, Hauptsache, du liegst hier nicht so ganz alleine. Und ich fahre jetzt zu Meto, um ihm zu sagen, dass du ihn auch noch liebst. Vielleicht weiß er ja auch schon, wann er wieder nach Hause kommt, das schreibe ich dir dann sofort am Handy, versprochen.“

„Ich … will nicht zu den anderen …“

„Warum denn nicht?“

„Ich will hier nicht festwachsen auf der Station ...“

„Das musst du auch nicht. Du bleibst ja nicht lange hier. Du sollst dich jetzt nur ein bisschen beschäftigen, das wird dir ganz sicher gut tun.“
 

Ich stand langsam auf, wollte mich einfach schnell und schmerzlos zum Gehen wenden, aber Tsuzuku packte meine Hand. „Geh nicht!“

„Tsu, ich komme morgen wieder. Und bis dahin hab ich mein Handy an, du kannst mir jederzeit schreiben, okay?“

„Ich sterbe alleine!“

Ich kniete mich vor dem Bett hin, und kurzentschlossen drückte ich Tsuzuku einen kleinen, zärtlichen Kuss auf die Stirn.

„Du stirbst nicht. Denk daran, ich gehe zu Meto und sorge dafür, dass er bald wieder bei dir ist. Es wird alles wieder gut.“

„Bist du dir da ganz sicher?“, fragte Tsuzuku und klang dabei wie ein kleines Kind.

„Ja.“ Ich lächelte, streichelte seine Hand. „Ganz, ganz sicher.“
 

Ich brachte ihn noch bis zu dem Aufenthaltsraum, dort waren noch einige Plätze frei und im Fernseher lief gerade irgendeine Serie.

Tsuzuku setzte sich in einen der davor stehenden Sessel, er zog die Knie hoch und sein Blick machte deutlich, dass er immer noch für sich allein sein wollte.

Ich wusste nicht, ob es Angst vor den anderen Patienten war, die ihn sich so abschotten ließ, denn andererseits schien er die Einsamkeit kaum auszuhalten, und ich musste jetzt darauf vertrauen, dass sich das professionelle Personal hier um ihn kümmern würde, wenn es ihm noch schlechter ging.
 

Dann verließ ich die Klinik, nahm die Stadtbahn bis zum Bahnhof und stieg dort dann in den Zug in Richtung der kleineren Stadt, Metos und Tsuzukus Heimatstadt.

Auf der Fahrt dorthin ging mir alles noch mal durch den Kopf, und ich schaute in meinem Handy in den Kalender, wo ich sah, dass das mögliche Hochzeitsdatum der beiden gefährlich näher kam.

Ich fühlte mich in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass diese Hochzeit mit allem Drum und Dran planmäßig stattfinden würde, indem ich mich jetzt darum kümmerte, dass das Brautpaar wieder zueinander fand. Tsuzuku liebte Meto, und Meto liebte Tsuzuku, und dennoch war nun diese Katastrophe passiert …

Aber ich sah ja gar nicht ein, da irgendwie aufzugeben! Die beiden gehörten einfach zusammen und wussten das doch auch beide, also musste es doch unbedingt einen Weg geben, das Ganze wieder zu kitten!


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das nächste Kapitel ist dann ein Meto-Act. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: daietto_usagi
2019-05-22T21:02:59+00:00 22.05.2019 23:02
>u> Was, nein ich les nicht gleich das nächste Kapitel. Niemals. <u<
Nagut vielleicht doch. XD Ich will wissen wie es weiter geht und jetzt ist alles noch frisch im Kopf.
So muss Tsu nicht so lang vor Koichi's Bett sitzen.

Okay, Koichi hat es wieder rausgerissen. XD
Man ey, mein Hirn, ne... eigentlich müsste man bei den Satz "Tsu, komm, du kannst bei mir im Bett schlafen.", sich einfach nur denken: "Oh das ist lieb von ihm!". Aber ich muss gestehen meine Augenbrauen haben sich beim Lesen angehoben und ich musste grinsen. In meinem Kopf kam nur ein kleines: "Uuhhhh~!" empor. XD Man man man mein Hirn denkt echt gleich wieder zu sexuell. XD Okay usagi, reiß dich zusammen und bleib jetzt ernst, ja?! >.<

ó.o Das macht Koichi ganz richtig, das er Tsu sagt, das er selber furchtbar traurig wäre, wenn es Tsu nicht mehr geben würde. Das musste ich der Freundin damals auch klar machen. Sie sagte immer wieder, das eh keiner um sie trauern und sie niemand vermissen würde, da spürte ich sogar wie ich ein wenig "wütend" wurde und ihr deutlich klar machte, das sehr wohl Menschen sie vermissen und um sie trauern würden, eine davon stünde gerade genau vor ihr. Das war auch der Punkt wo sie wieder etwas "normaler" und ruhiger wurde und mich lange ansah. Klar denkt man das in dem Moment, das es doch egal ist, wenn man jetzt weg wäre, weil die wichtigste Person eh nicht da ist, aber es gibt auch andere Menschen, die sehr wohl auch um die Person trauern würden, auch wenn sie keine Liebesbeziehung zu dieser Person haben. Aber eine Freundschaft / enge Bindung ist da.

HARU!!!! >.< Ich versuch hier ernst zu bleiben und Tsu.... Tsu... legt einfach seine Lippen auf Koichi's. >.<
(nicht das ich generell was dagegen hätte >3>) Naargh, aber Tsu sucht glaub ich einfach nach Halt und Koichi schenkt ihm ja grad so viel Nähe und Wärme, da... ja... ich glaub da kann das schon passieren. Vielleicht auch eine Art "Danke" für den Satz von Koichi, das der Rosahaar ihn vermissen würde, wenn er nicht mehr wäre?! Wer weiß. Reflexe halt. óuo Ein lieber Mensch ist an Tsu's Seite, jetzt wo es ihm so miserabel geht und dafür hat Koichi halt einen lieben Kuss bekommen. <3

Aaargh auauauauuua Tsu dein Kopf. q.q Bist du denn verrückt, man?!?!?! T____T
q.q Aber wie schnell er mit verzweifelter Stimme nach Koichi ruft, sobald dieser in einen anderen Raum geht.
Klar, da bekommt Tsu Angst das auch Koichi jetzt einfach weg geht. Aber so reißt Koichi Tsu wenigstens ein bisschen aus dem Selbstverletzungswahn, den er grad mit der Bettkante betrieben hat.

Ich versteh Koichi gut, das er nur noch die Klinik als Ausweg sieht.
So ein lebensfroher, positiver Mensch wird auf einmal in so eine fast schon traumatische Situation geworfen. Klar das er nicht weiß, was er noch tun soll, wenn Tsu sich da mit Absicht den Schädel am liebsten einhauen will und dann auch noch solche Sätze wie "Lass mich sterben!" von seinem besten Freund hören muss. ó.o Wenigstens geht Tsuzuku da wenigstens nach kurzen wehren mit ihm mit.

Okay ich muss gestehen ich hab einen kleinen Moment gebraucht, um "ko_1" zu "verstehen!". XDD
Dacht mir nur so: "Warum schreibt er ne 1 hinter Ko? O.o" Doch dann hat es Klick gemacht. XD Ichi... natürlich. Clever eigentlich.

q.q Ach Koichi. Ich würde am liebsten grad in den Monitor spring und Koichi bei allem helfen. Vor allen die Wohnung von Tsu und Meto wieder sauber zu kriegen, das er nicht allein all das Blut und die damit verbundenen Gedanken beseitigen muss. ó.o Bei dem Album was Koichi fand, würd ich mich neben ihn setzen und mich an seine Schulter lehnen, während wir die Fotos durchkuckten und merkten, das es auch echt schöne Erinnerungsfotos von den beiden zusammen gab. Mutter und Sohn. Als Koichi sich das T-Shirt von Meto nahm und es Tsu wohl bald geben will.... uiuiuiui da bin ich gespannt wie er reagiert. Ich kann mir beides vorstellen. Entweder Tsu tut es gut, wenn er Meto's Geruch um sich hat oder.... und was ich eher befürchte ist, das Tsu dann erst Recht wieder verzweifelt und zittrig wird, weil er so noch mehr an Meto denkt und "weiß", das er ihn verlassen hat. Ich bin gespannt wie er letztendlich drauf reagiert. Im schlimmsten Fall macht er Koichi Vorwürfe alá "Warum tust du mir das an und gibst mir noch sein T-Shirt?!!!" ó.o

Boahr wenn man sich mal so Liveauftritte vom echten Tsu ins Gedächtnis ruft und wie man ihn da manchmal so sieht wie er schreit und sich krümmt und leidet... boahr da kann man sich hier den verzweifelten und komplett kraftlosen Tsu nur allzu gut vorstellen. q.q Wie er mit Koichi vollkommen monoton spricht ohne Kraft in der Stimme und so... jetzt kann man nur hoffen das bald alles wieder gut ist. Und ich fand die Szene schön, wo Koichi sich zu Tsu gelegt hat, damit dieser endlich mal ein wenig Schlaf findet. Aber gut das die Decke dazwischen war. Bei mir ist es grad umgedreht. Gut ist ne Weile her... aber immer wenn eine Freundin bei mir übernachtet hat, war auch ein Klappbett neben meinem Bett und die Freundin war ein Meter neben mir. Ich hatte immer Probleme in der Nacht. Konnte nur schwer einschlafen. Warum weiß ich nicht. Aber ich hatte immer ne schlechte Nacht, wenn eine Freundin bei mir übernachtet hat. Aber ich denk das ist alles diese "gewöhnungssache". Wenn man immer jemand bei sich hat, ist jede Nacht allein grausam und andersrum ist es für den Körper komisch, wenn das Hirn weiß, das diesmal auf einmal jemand neben dir im Zimmer schläft. Tsuzuku's Körper weiß halt, das da eigentlich immer ein warmer Metokörper liegt und er nicht alleine ist. Wenn dieser fehlt... herrscht Unruhe.

So und damit ist auch das Koichi-Kapitel zu Ende.
Der Gute hat ja jetzt einiges zu tun. Ich würd gern wissen was seine Freundin dazu meint.
Spätestens wenn sie bei ihm ist und Koichi selbst auch etwas energieloser erscheint, kommt es doch sicher zu einem Gespräch. Man darf gespannt sein. ^-^ Ich hoffe ich konnte dir eine Freude machen, das ich gleich das nächste Kapitel gelesen hab. War ziemlich spontan. XD Aber alles war noch frisch im Kopf mit Tsu am Bett und so, da wollt ich nicht nochmal so viel Zeit vergehen lassen. ^u^ Liebste Grüße vom usagilein~
Antwort von: Harulein
23.05.2019 18:45
Soo~ und jetzt kann ich hier auch antworten. Findet das Haru natürlich sehr nice, dass usagilein gleich weiter gelesen hat ^u^

Ich hab mir SO gedacht, dass du da wieder das "Falsche" denkst, als Koichi Tsu zu sich ins Bett bittet. Würde ich in ner anderen Geschichte wahrscheinlich auch, gleich sexuell denken ... Aber hier sind die beiden eben wirklich nur beste Freunde.
Auch wenn Tsuzuku da einen Moment lang über die Grenze geht ... >u> Siehe dieser Kuss da, der aus seiner puren Verzweiflung entstanden ist.

Das mit der Bettkante war heftig zu schreiben. Weil ... na ja ... das Haru ist halt auch so ... ._. Ich hab das auch schon "geschafft". *kleinlaut ist* Ist jetzt aber auch schon wieder länger her.

Tja ... so leid Tsuzuku mir immer tut, wenn ich in hier so quäle oder den echten auf der Bühne weinen sehe ... Irgendwie hat er selbst dann noch was ... wie soll ich sagen ... Schönes (?) an sich. Etwas, das mich anzieht und dafür sorgt, dass ich immer wieder solche Szenen mit ihm schreibe ...

Ich glaube, ich bin auch eher so eine, die sich erst ne Weile dran gewöhnen muss, wenn jemand mit mir in einem Zimmer schläft. Könnte dann auch nicht gleich schlafen.
Aber Tsuzuku ist halt mehr der abhängige Typ, der jemanden bei sich braucht, weil ihm das Alleinsein solche Angst macht. Und er ist jetzt halt auch so intensiv an Meto gewöhnt.

So, ich warte dann mal gespannt auf dein nächstes Kommi. Freu mich drauf ^u^
*chu chu chu*
das Haru


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