Yasashikunai Mirai von Harulein (Tsuzuku x Meto) ================================================================================ Kapitel 7: [Tsuzuku] Act 7 -------------------------- Da stand ich nun, vor den beiden wichtigsten Menschen in meinem Leben, und wusste nicht, wie ich ihnen das alles erklären sollte. Mein Kopf war wie leergefegt, ich spürte einen schmerzhaften Druck im Herzen und immer noch Tränen in meinen Augen. Ich hatte versucht, den Druck abzubauen, hatte mit den Fingernägeln meine Handrücken zerkratzt und meine Lippe wundgebissen, dadurch versuchend, mich weder zu schneiden, noch zu erbrechen. Doch es lief auf dasselbe hinaus: Dass ich mir selbst wehtat und schadete, und es mir danach seltsam besser ging. Automatisch machte ich weiter, kratzte mit den Fingernägeln über meine Hände und Unterarme, und spürte, wie schon dieser leichte Schmerz mich ein wenig lockerte und beinahe entspannte. „Tsuzuku …“ Meto kam auf mich zu, griff meine Hände und hielt sie fest, verhinderte, dass ich mich weiter kratzen konnte. Er zog mich zu sich, in seine Arme, hielt mich fest und führte mich aus dem Bad ins Wohnzimmer, wo er mich sanft aufs Sofa niederdrückte und sich dann setzte. Koichi folgte uns, setzte sich rechts neben mich und sah mich betroffen und besorgt an. Langsam kehrten die Gedanken in meinen Kopf zurück, und damit auch die Worte aus dem Buch über Borderline, die mir die Brust zusammenschnürten. Und ich wusste, ich hatte mich, ob ich nun wollte oder nicht, genau so verhalten, wie es da stand. Beinahe schon musste ich lachen, so eindeutig war es, und so nichtig meine Bemühungen, mich anders zu verhalten. „So“, sagte Koichi, während Meto mich weiter umarmt hielt. „Jetzt erzählst du uns erstmal, was da heute passiert ist.“ Ja, was war passiert … Ich war zurückgefallen, in ganz alte Verhaltensmuster, vielleicht unter anderem deshalb, weil ich mich an meine Ausbildung früher erinnert hatte und daran, wie ich damals gewesen war. Auf einmal war es mir wieder ganz leicht, zu leicht, gefallen, auf Leute zuzugehen, ich hatte zu offen geredet und dabei war mir eben auch entwischt, was ich eigentlich für mich hatte behalten wollen: Dass ich von der Straße kam, fast zwei Jahre lang unter der Brücke und in Notunterkünften gelebt hatte. Und als mir dann klargeworden war, was ich gesagt hatte, da hatte ich es bereut, mich sofort zurückgezogen, war auf die Toilette verschwunden und kurz davor gewesen, wieder zu brechen. Nur mein Versprechen an Mama hatte mich davon abgehalten. Meinen neuen Kollegen gegenüber hatte ich mir alle Mühe gegeben, so zu tun, als wäre alles okay, und der restliche Arbeitstag war zumindest halbwegs normal gelaufen. Zumindest oberflächlich gesehen. Für die anderen unsichtbar, war in meinem Kopf das schmerzhafte Tonband mit Symptomen und Merkmalen ununterbrochen gelaufen, hatte mich immer noch weiter verletzt. Dazu kam die Angst davor, dass selbst Meto und Koichi mich nicht mehr vorbehaltlos gern haben würden, wenn sie erfuhren, wie gestört ich wirklich war. Und dass es schlimmer werden würde mit mir, wenn ich darüber sprach. Ich wusste, in dieser Situation konnte ich nicht länger verschweigen, dass ich ein gewaltiges Problem hatte, doch ich hatte keine Ahnung, wie ich es sagen sollte und wie viel. Und so, wie ich mich kannte, würde ich zu viel sagen. Das war ja vorhin, als ich mit Koichi telefoniert hatte, auch so gewesen. Ich hatte, ohne nachzudenken, einfach geredet und mich nur geradeso stoppen können, bevor mir das Wort ‚Borderline‘ über die Lippen gekommen wäre. „Tsuzuku“, sagte Koichi, als ich nicht antwortete, „… Wenn du nur nichts sagst, damit wir uns keine Sorgen um dich machen, dann kann ich dir sagen: Das tun wir doch schon längst. Also sprich!“ „Das ist es nicht“, erwiderte ich leise. „Nicht nur.“ „Was dann?“, fragte Meto. Er schien den Tränen genauso nah wie ich, und es tat mir leid, dass ich ihn mit meiner Mich-ins-Bad-einschließen-Aktion so in Angst versetzt hatte. Es war nicht fair, dass ich meinem Liebsten solche Angst machte. Aber war es denn besser, wenn ich ihm alles sagte? Würde er sich denn dann nicht noch mehr Sorgen machen? Und Angst haben, dass ich genauso endete wie Hitomi? Was, wenn er damit nicht klarkam und mich am Ende …? Schon der Gedanke, Meto könnte mich allein lassen, tat wahnsinnig weh, nicht nur psychisch, sondern auch körperlich. Mein Herz fühlte sich an, als würde es ein paar Schläge aussetzen, heiße Tränen brannten in meinen Augen und ich konnte kaum noch atmen. Unwillkürlich griff ich mir an mein schmerzendes Herz, was natürlich nicht unbemerkt blieb. „Tsuzuku?!“, fragte Meto, klang heftig besorgt. „Tut dir was weh?“ Ich nickte zitternd. Und die Tür in meinen Gedanken, hinter der ich versucht hatte, alles, was mit Borderline zusammenhing, einzuschließen, stand einen Spalt breit offen, ließ ein wenig davon nach draußen. Ich war nicht mehr imstande, sie ganz geschlossen zu halten. „Ich … ich hab Angst“, brachte ich leise heraus. „Mit mir stimmt was nicht und es wird immer schlimmer. Ich glaube, … ich werde wahnsinnig …“ „Wovor hast du denn Angst?“, fragte Koichi, legte seine Hand auf meinen Arm und sah mich besorgt und ein bisschen traurig an. Er war mein bester Freund und hatte mir nie einen Grund gegeben, ihm nicht zu vertrauen, und trotzdem hatte ich Angst, dass er mich hassen könnte, wenn er erfuhr, wie kaputt und gestört ich war. Doch ich war nicht länger in der Lage, das alles für mich zu behalten. Ich musste reden, hier und jetzt, es musste einfach raus. Mein Herz hielt dem Druck hinter der verschlossenen Tür nicht mehr stand, das spürte ich deutlich, und es tat so sehr weh, dass ich kaum noch die Fassung wahren konnte. „Versprecht mir, … dass ihr mich nicht hasst …“ Meine Stimme brach beim letzten Wort zusammen, ich konnte weder Meto, noch Koichi ansehen, blickte zu Boden und hörte das Blut durch meine Adern rauschen. Meine Hand drückte immer noch auf mein Herz, versuchend, den brennenden Schmerz ein wenig zu lindern. Ich fühlte, wie Meto mich fester umarmte, spürte Koichis Hand immer noch an meinem Arm. „Warum sollten wir dich hassen?“, fragte Meto leise und ich glaubte, schon Verzweiflung aus seiner Stimme herauszuhören. „Wie kommst du denn nur auf so was?!“ „Ich … bin so kaputt. Völlig gestört …“, sagte ich und spürte, wie wieder Tränen über meine Wangen liefen. Und die Tür in meinem Innern öffnete sich noch ein Stückchen weiter. „Aber war das für uns jemals ein Grund, dich nicht zu lieben?“, fragte Koichi. „Denkst du wirklich, dass wir dich wegen irgendwas allein lassen würden?“ „Und wenn es schlimmer wird mit mir? Wenn ich so durchdrehe, dass ihr mich nicht mehr ertragt?“ Meto bewegte sich, packte mich an den Schultern, sodass ich ihn ansehen musste und sah, dass ihm ebenfalls Tränen übers Gesicht liefen. „Tsu, ich hab dir mal was versprochen! Und zwar, dass ich immer bei dir bleibe! Ich liebe dich, über alles, und das einzige, was ich kaum ertrage, ist, wenn du dich so runtermachst und daran zweifelst, dass du alles für mich bist! Verstehst du das?!“ Langsam drangen seine Worte zu meinem Verstand durch, und als ich verstand, begriff, dass Meto das ernst, sehr ernst meinte, da verlor ich vor Rührung erst recht die Fassung: Ich drückte mich an ihn, schluchzend, zitternd, meine Hände krallten in seinen Rücken, ich hielt mich an ihm fest, mich danach sehnend, dass seine Nähe den Schmerz vertrieb. Er ließ es einfach zu, hielt mich, streichelte liebevoll, war so lieb und süß wie immer, und schob schließlich eine Hand zwischen uns, legte sie auf mein Herz. „Tut das richtig echt weh?“, fragte er leise. Ich nickte. „Aber … wenn du deine Hand da hast … nicht mehr so …“ Tatsächlich wurde der Schmerz fast augenblicklich weniger und ich konnte wieder freier atmen, nur wegen Metos warmer Hand. Er lächelte, mit Tränen in den Augen. „Na siehst du. Und deshalb lass ich dich auch bestimmt nicht alleine. Ich bin gern für dich da, ich liebe dich und ich weiß, wie sehr du mich brauchst.“ „Tsu, du kannst uns vertrauen. Und eigentlich weißt du das doch auch“, sprach Koichi. „Also sag, was ist mit dir los?“ Langsam löste ich mich wieder ein wenig von Meto, doch nicht ganz, sodass ich immer noch seine Nähe fühlen konnte. Er schien mich auch nicht so recht loslassen zu wollen, so blieb sein Arm um meine Schultern liegen und ich lehnte mich an ihn. Und irgendwann, da war ich dann bereit zu reden. Ich wusste immer noch nicht, wo ich anfangen sollte, doch sowohl Koichi, als auch Meto, mein Liebster, wartete geduldig, bis ich einen ungefähren Anfang wusste und beschlossen hatte, mit Hitomi anzufangen, damit, was Frau Sato gesagt hatte, ohne zu wissen, dass ich es gehört hatte. „Als Hitomi … sich damals geschnitten hat, da … bin ich nachts von dem Blaulicht aufgewacht und aufgestanden. Ich hab gefragt, was los war, und das dann erfahren. Und als ich dann wieder weg bin, auf dem Flur in mein Zimmer, da hat Frau Sato …“ Ich hatte das alles so lange so fest in mir eingeschlossen, dass ich jetzt eine ganze Weile brauchte, um es wirklich auszusprechen. Meto bemerkte, wie schwer es mir fiel, und legte wieder seine Hand auf mein Herz. Das tat so gut, fühlte sich geradezu befreiend an, sodass ich weiter sprechen konnte: „Sie hat nicht bemerkt, dass ich es gehört habe, und sie weiß es bis heute nicht. Im Grunde war das der Auslöser, denn ich hab vorher nie wirklich darüber nachgedacht, was mit mir los ist.“ „Und was hat sie gesagt?“, fragte Koichi leise. Es kam ganz leicht raus, auf einmal, die Tür in meinem Innern stand weit offen: „Dass Hitomi Borderline hat.“ Und dann: „Und ich weiß, ich bin wie sie. Ich weiß, ich hab’s auch.“ Meto sah mich fragend an. Und zum ersten Mal kam mir der Gedanke, dass er vielleicht gar keine Ahnung von psychischen Krankheiten hatte und deshalb gar nicht wusste, was ich damit meinte. „Oh Gott …“, hörte ich Koichi sagen. „Und das schleppst du seitdem mit dir rum, ohne was zu sagen?“ Ich wusste nicht, inwiefern Koichi darüber Bescheid wusste und woher. Was ich wusste, war, dass es Gerüchte gab und Vorurteile. Und ich hoffte, betete, dass mein bester Freund diese nicht kannte oder nichts davon hielt. Ich nickte auf seine Frage hin und sagte leise: „Jetzt wisst ihr’s. Ich bin krank und gestört und kaputt.“ „So’n Quatsch.“ Meto zog mich wieder näher an sich. „Und selbst wenn da irgendwas ist, ändert das rein gar nichts daran, dass ich dich liebe.“ Ich konnte nichts antworten, ließ mich einfach von ihm und Koichi umarmen und halten, bis ich mich wieder so einigermaßen sicher fühlte, dass ich über das sprechen konnte, was ich die letzten Monate still und einsam durchgemacht hatte. Die Tür in meiner Gedankenwelt stand endgültig weit offen und ich wusste, ich würde sie nicht wieder schließen können. Immer noch hatte ich wahnsinnige Angst, jetzt rückfällig und noch kränker zu werden, doch ich konnte es auch nicht länger für mich behalten. Und so redete ich. Über alles, angefangen von meiner Angst, bis zu dem, was ich in diesem verdammten Buch gelesen hatte. Darüber, dass ich alles, was ich tat, mehr oder weniger für kranke Anzeichen hielt, dass ich fürchtete, mein Versprechen an Mama nicht halten zu können und den Menschen, die mir geblieben waren, weh zu tun. Und ich erklärte Meto endlich, warum ich in unserer ersten Nacht hier in dieser Wohnung so auf seine Schmerzen reagiert hatte: Ich hatte dieses Machtgefühl und meine unkontrollierte Lust sofort, als er „Hör auf“ gesagt hatte, unter ‚krank‘ eingeordnet, so, wie ich fast alles, was ich tat, in letzter Zeit immer mit ‚krank‘ in Verbindung brachte. „Und wie, dachtest du, kommst du allein mit so was klar?“, fragte Koichi irgendwann. „Bist du nicht einmal auf die Idee gekommen, dass sich so was leichter tragen lässt, wenn man es mitteilt?“ „Doch“, antwortete ich. „Aber … ich wollte nicht, dass ihr euch Sorgen um mich machen müsst. Meto, du hast schon so viel Angst um mich gehabt, ich wollte nicht, dass du wieder Angst bekommst …“ Mein Liebster zog mich näher an sich, streichelte meine tränennasse Wange und sagte: „Und du dachtest, ich merke nicht, wie du leidest?“ „Ich hab versucht, es zu verstecken. Aber … dieses verdammte Ungeheuer, … es will immerzu, dass ich es zeige. Ich krieg’s nicht hin, ich kann’s nicht verstecken.“ „Dann lass es.“ Koichi legte seine Hand auf meine Schulter, ich sah ihn an. „Tsuzuku, das, was du da Borderline nennst, ist zum Teil auch einfach deine Persönlichkeit. Du bist eben so und die wenigsten Menschen können verstecken, wie sie sind. Leidest du darunter, dass du eben leidenschaftlich, emotional, ein bisschen dominant und impulsiv bist? Doch erst, seit du das ‚krank‘ nennst, oder? Vorher nicht, soweit ich dich damals verstanden habe. Eine Krankheit ist doch erst dann eine echte Krankheit, wenn du darunter leidest.“ „Und was ist mit dem Schneiden und Kratzen? Damit, dass ich nicht genug esse und Angst habe, alles wieder auszukotzen? Dass ich manchmal so überreagiere? Was ist damit?!“, fragte ich, wurde dabei immer lauter. In meinem Kopf ratterte es wieder Symptome herunter und ich spürte, wie mir langsam alles zu viel wurde. Meto hielt mich immer noch im Arm, streichelte meinen Rücken und sagte leise: „Du trauerst doch immer noch. Auch, wenn es nicht mehr so allgegenwärtig ist. Das ist doch gerade mal zwei Jahre und ein paar Monate her, dass du deine Mama verloren hast, ich glaube, da ist es ziemlich normal, dass du da noch nicht drüber hinweg bist.“ In dem Moment, als er Mama erwähnte, sah ich sie in Gedanken vor mir. Sie sah traurig aus, so als würde sie von dort, wo sie jetzt war, sehen können, wie ich gerade litt, und sich ebenfalls Sorgen um mich machen. Das wollte ich doch nicht! Ich hatte Mama in ihrem Leben schon oft genug Sorgen bereitet, da sollte sie wenigstens im Tod Ruhe vor meinen Eskapaden haben. Der Gedanke an sie hatte in den letzten Monaten nicht mehr so sehr weh getan, doch jetzt schmerzte es wieder, mich an sie zu erinnern, und aufgewühlt, wie ich war, fing ich schon wieder zu weinen an. Es tat mir so wahnsinnig leid, mein Versprechen an ihren Geist, glücklich zu werden, kaum halten zu können. „Tut mir leid, ich … ich wollte dich nicht dran erinnern …“, flüsterte Meto neben mir ganz betroffen. Ich versuchte, zu lächeln, was mich jedoch nur noch mehr weinen ließ, und es kostete mich all meine Kraft, da jetzt nicht noch tiefer zu graben und alles, was mit Mama zu tun hatte, wieder hochzuholen. Ich wusste, das hätte mich jetzt vollkommen fertig gemacht. Eine Weile saßen wir einfach so, ich versuchte, mich wieder einigermaßen zu beruhigen und nicht alles noch schlimmer zu machen, und Meto hielt mich weiter, Koichis Hand lag auf meinem Arm. Irgendwann blieb mein Blick an der hübschen, silbernen Buddha-Statue hängen, die wir vor dem Umzug gekauft hatten und die jetzt im Regal in der Mitte stand. Der Buddha lächelte gelassen, und nachdem ich ihm einfach ein paar Sekunden lang ins Gesicht geschaut hatte, spürte ich, wie ich innerlich wieder ruhiger wurde. Langsam erhob ich mich, ging zu der Statue hinüber und kniete mich davor auf den Boden. Ich fühlte mich leer und erschöpft, wie ausgeblutet. Mein Zeitgefühl war weg, ich wusste nur, dass es draußen dunkel war. Aber ich spürte auch, ganz tief in mir war noch etwas, das okay war, und dieser Teil von mir war jetzt vollkommen ruhig. Ich erinnerte mich daran, dass ich im Tempel gelernt hatte, meinen Atem zu beobachten, und blieb eine Weile so sitzen, hörte mich selbst atmen und versank dabei fast ein wenig darin. „Tsuzuku?“, riss mich Metos leise Stimme irgendwann aus der Stille. „Geht’s wieder …?“ Ich sah mich um. Meto und Koichi saßen immer noch auf dem Sofa hinter mir, sie schienen auf mich zu warten. Ich stand langsam auf, ging zu ihnen zurück und setzte mich wieder dazwischen. „Könnt ihr … mir was versprechen?“ „Was denn?“, fragte Koichi. „Dass ihr das nicht irgendwo nachschlagt … Borderline … Ich will nicht, dass ihr das lest.“ „Das hast du gemacht, oder? Das gelesen?“, fragte Meto. Ich nickte. „Und ich mach das nie wieder. Das war … einfach nicht gut. Ich kriege die Sätze jetzt nicht mehr aus meinem Kopf raus.“ „Versprochen, wir lesen da nichts“, sagte Koichi. Meto legte wieder seinen Arm um mich, streichelte meine Wange und sagte leise: „Ich lese so was ganz bestimmt nicht. Ich will dich nicht als ‚gestört‘ ansehen, egal wie du bist.“ Eigentlich hätte ich ihn für diese Antwort küssen müssen, doch in diesem Moment war ich dazu einfach nicht imstande. Ich wollte einfach nur Ruhe, ins Bett und schlafen, und nicht daran denken, dass ich ja morgen wieder los musste. Die Arbeit an sich war nicht das Problem, die gefiel mir, aber vor den Menschen hatte ich in diesem Augenblick Angst. Koichi warf einen Blick auf die Uhr und erst jetzt kehrte mein Zeitgefühl zurück. Es musste gegen neun, halb zehn Uhr nachts sein, spät jedenfalls. „Viertel nach neun“, sagte er. „Ich fahr mal lieber wieder nach Hause. Ihr kommt hier klar, oder?“ Meto sah mich kurz fragend an und ich nickte. „Ja. Wir gehen gleich schlafen.“ Als Koichi dann wieder weg war, machten wir uns schnell bettfertig und legten uns dann zum Schlafen hin. Zuerst jeder auf seiner Betthälfte, doch dann machte Meto das Licht aus, kam zu mir rüber und legte sich dicht neben mich. „Wie fühlst du dich jetzt?“, fragte er vorsichtig. Und als ich nicht antwortete, weil ich nicht wusste, was ich darauf sagen sollte, hob er die Hand und strich mir die Haare aus der Stirn. „… Oder kannst du’s nicht in Worte fassen?“ „Ich hab Angst, vor den Leuten morgen“, sagte ich schließlich. „Möchtest du, dass ich dich zur Arbeit begleite? Ich könnte den Hinweg mit dir zusammen fahren, dann musst du da nicht ganz alleine hin.“ Ich war ihm wahnsinnig dankbar, aber viel zu erschöpft für irgendwelche überschwänglichen Gefühlsreaktionen, deshalb küsste ich meinen Liebsten ganz einfach auf die Wange. „Danke, mein Schatz.“ Er kuschelte sich an mich, legte seinen Kopf auf meine Brust und sprach: „Ich liebe dich, Tsuzuku. Und mir ist egal, ob du Borderliner oder sonst was bist, für mich bist du einfach nur du. Und deine Probleme, das mit dem Essen und so weiter, das wird schon, da glaub ich dran. Du schaffst das.“ „Wenn ich … mir da nur so sicher wäre wie du …“, sagte ich leise. „Dann bin ich mir eben für dich mit sicher.“ Meto hob den Kopf, zog mich auf die Seite, zu sich, und küsste mich, genauso lieb und lustvoll, wie ich es jetzt auch gern getan hätte. Seine Hände fuhren durch meine Haare, in meinen Nacken, er hielt mich ganz fest und ich spürte, wie seine Liebe mein verletztes Herz wieder auffüllte. Ich seufzte, drückte mich an ihn, nahm seine Zuneigung in mich auf und war einfach froh, dass dieser furchtbare Tag doch ein so schönes Ende nahm. Und irgendwann, nach diesem süßen Kuss, schlief ich einfach ein. „Tsuzuku, wach auf“, riss mich die leise Stimme meines Liebsten aus meinem wirren, unbedeutenden Traum. Ich spürte seine Hand auf meinem Oberkörper, er streichelte mich wieder so liebevoll wach wie letztens und ich bewegte mich ein wenig der Berührung entgegen. „Aufwachen!“ Aus seiner Stimme war ein süßes Lächeln herauszuhören. Ich gab ein verschlafenes Brummen von mir, öffnete dann aber die Augen. Das Licht war noch aus und es draußen noch dunkel, ich drehte mich um und tastete nach dem Schalter der Nachttischlampe. Warmes, gelbes Licht füllte den Raum und ich sah meinen Freund an, der mitten auf dem Bett saß und sich erst einmal streckte. Dabei rutschte sein Schlafshirt ein wenig hoch, bis über seinen Bauchnabel. Kurzentschlossen rutschte ich zu ihm rüber, richtete mich auf und legte meine Arme um ihn, begann, ihn zu streicheln und ein wenig zu kitzeln. „Tsu…!“ „Komm, du magst das doch …“ Meto lachte, schmiegte sich in meine Umarmung, wand sich ein bisschen und drehte sich dann zu mir um. „Was wird das?“ „Wenn ich dich morgens lachen höre, wird mein Tag besser“, schnurrte ich in sein Ohr. Ich zog ihn näher an mich und bekam richtig Lust auf ihn, meine Hand wanderte unter sein Shirt, streichelte seine Brust. Er seufzte genießend und umarmte mich ebenfalls, doch auf einmal löste er sich wieder von mir, lächelte und sagte: „Wir sollten aufstehen. Du musst duschen, ich auch, und da du unter der Dusche wohl kaum die Hände von mir lassen kannst, duschen wir besser nacheinander.“ Ich sah auf die Uhr auf dem Nachttisch. Fünf nach Sieben. Meto hatte Recht, wir sollten aufstehen, statt uns hier heiß zu machen. Schließlich mussten wir beide heute arbeiten. Doch andererseits war der Gedanke, mal wieder mit ihm zusammen zu duschen, unheimlich verlockend. Wir konnten es ja dabei belassen, dachte ich, es musste ja nicht ausarten. Ich wollte mich beherrschen, wollte doch nur ein bisschen was mit meinem Liebsten machen, gar nicht viel. Irgendwie sah Meto mir meine Gedanken an, oder er kannte mich einfach zu gut. „Meinst du, das ist ‘ne gute Idee …?“, fragte er. „Ich … weiß ja auch nicht … Ich will mich ja beherrschen … aber ich hab dich so wahnsinnig lieb und … ich will dich immer nur bei mir haben …“ Er sah mich einen Moment lang abwägend an, dann sagte er: „Okay. Aber nur zusammen duschen, dann frühstücken und dann los zur Arbeit. Nicht mehr.“ Ich nickte. „Nicht mehr. Bis heute Abend.“ Beugte mich vor und küsste ihn, ehe er aufstand, meine Hand nahm und mit mir zusammen ins Bad ging. Als ich dort meine Schlafsachen auszog, musste ich auf einmal an gestern Abend denken, an das, was da gewesen war und dass es jetzt raus, ausgesprochen war. Ich fühlte mich schon ein bisschen erleichtert und hatte auch das Gefühl, dass es richtig war, wenn Meto und Koichi Bescheid wussten über das, was da in mir vorging. Aber mit jemandem darüber zu sprechen, der auf dem Gebiet der Psychologie bewanderter war, davor hatte ich immer noch Angst. Ich spürte, ich wollte das nicht, das alles mit Diagnosen, Therapien und so weiter. Glücklich und gesund werden, das ja, aber das Wort ‚Therapie‘ machte mir Angst und löste bei mir schmerzhaftes Kopfkino aus. Ich schob die Gedanken daran beiseite und sah meinen Freund an, der sich schon ganz ausgezogen hatte und gerade in die Duschkabine stieg. Ich schaute ihn einen Moment lang einfach nur an, wie er da so vor mir stand, mit dem Rücken zu mir, und das Wasser einstellte. In meinen Augen war er einfach wunderschön, perfekt und einzigartig. Und als er sich zu mir umdrehte und mir einladend die Hand hinhielt, sah ich in seine dunklen Augen und versank geradezu in ihnen. Es fühlte sich unheimlich gut an, so verliebt zu sein, und ich genoss es, so gut ich eben konnte. Meto zog mich in seine Arme, stellte das Wasser an und eine Weile blieben wir so stehen, ließen uns von dem warmen Wasser beregnen. Ich spürte die vielen Tropfen auf meiner Haut, Metos warmen Körper ganz nah an meinem, seine Haut an meiner. Seine Hände streichelten über meinen Rücken, er legte seinen Kopf auf meine Schulter und sagte schließlich, ganz leise: „Ich hab dich so lieb, Tsuzuku.“ „Ich dich auch“, antwortete ich und legte meinerseits meine Arme um ihn. Und auf einmal war da, entstanden aus dieser unheimlich wohltuenden Nähe, dieser Gedanke, der mich lächeln und mein Herz vor Glück wild klopfen ließ: Ich wollte diese Liebe, dieses wahnsinnig Schöne, festhalten, fest machen, offen zeigen, und zwar so, dass es durch nichts mehr zerbrechen konnte, für mein ganzes Leben und die Ewigkeit. In Gedanken hörte ich mich ‚Ja, ich will‘ sagen und einen Moment später war es ganz klar: Ich wollte Meto heiraten. Ich drückte ihn enger an mich, er sah mich an und ich küsste ihn, mit aller Liebe, die ich in diesem Moment für ihn empfand. Und ich beschloss, diesen Gedanken, ihn zu heiraten, noch ein wenig für mich zu behalten, bis zum richtigen Moment, um ihn zu fragen, ob er das denn auch wollte. Dass er sein Leben mit mir verbringen wollte, daran hatte ich in diesem Augenblick keinen Zweifel, doch um zu wissen, ob er das auch so offiziell machen wollte, würde ich ihn fragen müssen. Und außerdem wollte ich ihm diese Frage mit einem Ring stellen. Meto nahm, nicht ahnend, an was genau ich dachte, das Duschgel in die Hand, tat sich etwas davon auf die Hände und begann, es auf meinem Körper zu verteilen. Jede seiner Berührungen tat unheimlich gut und ich seufzte leise. „Ich kann … mich auch kaum beherrschen“, sagte Meto, während seine Hände mich weiter liebevoll einseiften. „Da bist du nicht der Einzige.“ „Wirklich?“, fragte ich leise. Er nickte, nahm noch etwas von dem Duschgel und sprach: „Wenn ich dich so nackt vor mir sehe und dich dann anfasse, dann sehne ich mich auch danach, mit dir zu schlafen, genau wie du. Und ich will es in dein Herz schreiben, damit du es nie wieder vergisst, dass ich dich liebe und begehre.“ Er legte seine Hand sanft drückend auf mein Herz, zeichnete mit dem Finger ein kleines Herzchen in den Schaum und küsste mich. Ich seufzte wohlig, wünschte mir einen Moment lang, dass er noch ein bisschen mit meinen Nippeln spielen sollte, sah aber dann ein, dass mich das wohl zu sehr erregt hätte, und nahm stattdessen die Flasche mit dem Duschgel, um meinen Liebsten so zu waschen wie er mich. Mich daran erinnernd, dass ich mich jetzt, ob ich wollte oder nicht, im Griff haben musste, weil wir ja heute beide noch zur Arbeit mussten, und daran denkend, dass wir es vielleicht ja heute Abend tun würden, seifte ich Meto von oben bis unten ein, und war am Ende, als ich das Wasser wieder anstellte, um uns beiden den Schaum wieder abzuwaschen, fast ein bisschen stolz auf mich, dass das jetzt ohne viel Lust und Heiß-werden abgegangen war. Die Haare wuschen wir uns jeder selbst, und danach blieben wir noch ein bisschen unter dem warmen Wasser stehen, eng umarmt, und Meto tastete und streichelte mit beiden Händen über meinen Körper. „Kann es sein, dass du ein bisschen zugenommen hast?“, fragte er. Ich zuckte mit den Schultern. „Kann sein, vielleicht.“ „Wäre doch schön, oder?“ Ich dachte an gestern, als ich beinahe rückfällig geworden wäre, und daran, dass ich das Gefühl hatte, von der Bulimie wieder eingeholt zu werden. Wie schön wäre es, wenn dieses Gespenst einfach für immer aus meinem Leben verschwinden würde … „Dir geht es ja nicht darum, dünn zu sein, oder?“, fragte Meto. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, das nicht. Es … ist mehr so eine Art … Selbstverletzung. Wenn … mein Herz zu sehr wehtut, dann …“ Es fühlte sich seltsam an, so darüber zu sprechen, nachdem ich so lange nichts mehr davon ausgesprochen hatte. Darüber zu reden, dass ich mich nun mal auf die eine oder andere Art selbst verletzte und dass das, ob es nun Borderline hieß oder nicht, irgendwie ein Teil meines Lebens war. Ich spürte jedes Mal, wenn ich dieses Wort dachte, einen merkwürdigen Schauer im Herzen, wie einen leichten Schock. Meto schob eine Hand zwischen uns, legte sie auf mein Herz, und ich spürte, dass er versuchte, meinen Herzschlag zu ertasten. „Aber jetzt gerade tut es nicht weh, oder?“, fragte er. „Nein, alles gut.“ Ich lächelte leicht. Mein Freund löste sich langsam von mir, stellte das Wasser aus, griff dann nach seinem Handtuch und begann, sich abzutrocknen. Ich nahm mir meines und stieg aus der Dusche, da sie doch recht klein war und zu wenig Raum für uns beide zum Abtrocknen bot. Fertig abgetrocknet ging ich in unser Schlafzimmer und zog mich an, wählte eine Mischung aus relativ normalen Sachen und etwas auffälligerem Schmuck und kehrte dann ins Bad zurück, um meine Haare schön zu machen und mich ein bisschen zu schminken. Meto kam mir entgegen, er hatte sich wohl noch eingecremt und zog sich jetzt erst an. „Willst du frühstücken?“, fragte er. Ich fühlte einen Moment lang in mich hinein, ob ich Hunger hatte, und stellte fest, ja, Hunger hatte ich, aber auch Angst, dass es heute auf der Arbeit zu einer ähnlichen Situation kommen würde wie gestern. Vielleicht war es besser, wenn ich nichts aß. „Ich weiß nicht“, sagte ich. „Du weißt aber, dass du essen musst, oder?“ „Ich hab Angst. Dass ich unter Druck gerate und am Ende …“ „Das wirst du nicht.“ Meto legte beide Hände auf meine Schultern, sah mich ganz direkt an und fuhr fort: „Tsu, du wirst nicht rückfällig. Du reißt dich zusammen. Denk dran, dass du nicht brechen willst, und dass du was versprochen hast.“ Ich nickte, obwohl ich mir gar nicht sicher war. Aber Meto sollte sich keine Sorgen um mich machen. Das wollte ich einfach nicht. Und so ging ich, nachdem ich mit Rasieren, Schminken und Haare machen fertig war, in die Küche und deckte den Tisch, dachte dabei daran, dass ich das mit der Arbeit ja hinbekommen wollte und dass es ein Versprechen gab, das ich halten musste. Ich hatte wirklich kaum Appetit, doch ich zwang mich, als Meto sich dann dazu setzte und zu essen begann, ebenfalls zum Essen. Anders würde ich nichts ändern können, das wusste ich, und mir war auch klar, dass das der schwere Teil des Weges weg von der Bulimie war: Das Durchhalten, Dranbleiben, nicht wieder rückfällig werden. Nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg zur Bahnstation. Bis in die Innenstadt hatten wir denselben Weg und Meto hielt sein Versprechen von gestern Abend, mich heute auf dem Weg zur Arbeit zu begleiten. In der Bahn war es so voll, dass nicht weiter auffiel, dass er fast die ganze Zeit über meine Hand hielt, und als wir ausstiegen, gab er mir auf dem Bahnsteig einen Kuss auf die Wange. „Schaffst du’s von hier alleine oder soll ich noch weiter mitkommen?“, fragte er. „Kommst du dann nicht zu spät ins Café?“ „Das geht schon. Wir haben ja noch ein bisschen Zeit.“ Und so ging er noch die Strecke von der Bahnstation bis zum Tattoo-Studio mit mir mit, hielt wieder meine Hand und sorgte so dafür, dass ich mich gut und sicher fühlte. Als wir dann schließlich da waren, war er es, der mich umarmte. Über seine Schulter hinweg sah ich, dass einer meiner Kollegen hinter dem Schaufenster saß und uns beobachtete. Und auf einmal war sie wieder da, die Angst. Was, wenn einer meiner neuen Kollegen ein Problem damit hatte, dass ich mit einem jungen Mann zusammen war? Es war eine feige, fiese Angst davor, dass die anderen Menschen schlecht von mir dachten. Und ich schämte mich vor mir selbst dafür, dass ich es wegen dieser Angst jetzt nicht hinbekam, zu meiner Liebe zu stehen. Meto ließ mich los und sah mich fragend an, hatte sicherlich bemerkt, dass ich seine Umarmung nicht so erwidert hatte, wie er es von mir kannte. „Du schaffst das schon“, sagte er. „Ganz bestimmt. Ich glaub an dich.“ Und er lächelte, so lieb und süß und strahlend, dass ich gar nicht anders konnte, als auch zu lächeln und ihn nun auch meinerseits zu umarmen. „Danke, mein Liebster“, flüsterte ich. Meto löste sich von mir, lächelte mich noch einmal an und ging dann in Richtung seiner eigenen Arbeitsstelle davon. Und ich wandte mich dem Studio zu, öffnete die Tür und ging hinein, hörte das Summen der Nadeln und die dunkle Musik im Hintergrund. „Guten Morgen, Aoba“, begrüßte mich der Kollege, den ich eben durch das Fenster gesehen hatte. „Morgen.“ „Wer war das denn eben?“ Und schon ging es wieder los mit der Angst auf der einen Seite und meiner Offenherzigkeit andererseits. Es war dieselbe Situation wie gestern. Ich wurde etwas Persönliches gefragt und wollte ehrlich antworten, doch gleichzeitig hatte ich Angst, dann verurteilt zu werden. Und wenn ich zu lange nachdachte, würde das vielleicht wie Lügen aussehen. „Mein Freund.“ Und schon war es wieder passiert. Ich antwortete einfach, offenbarte zu viel, sagte etwas, von dem ich wusste, dass es sehr leicht gegen mich zu verwenden war. „Wie, dein Freund?“ Mein Kollege, der übrigens Takashima hieß, schien zum Glück nicht sofort verstanden zu haben, was ich meinte. Doch ich, bescheuert wie ich eben war, konnte selbst nicht verhindern, dass ich erklärte: „Mein fester Freund. Mein Lebensgefährte.“ Takashima sah mich einen Moment lang nur verwundert an und ich hätte mich selbst dafür schlagen können, dass ich schon wieder zu viel über mein exzentrisches Leben erzählt hatte. Und gleichzeitig hasste ich mich dafür, dass ich nicht so zu Meto stand, wie ich sollte. Wieso war ich nur so?! Einerseits umarmte und küsste ich ihn in der Öffentlichkeit, wollte unsere Liebe zeigen und es in die Welt hinausschreien, dass ich an seiner Seite so glücklich war, und auf der anderen Seite hatte ich diese feige Angst davor, dass man mich dafür verurteilte und abstempelte. Warum? Die Antwort war so einfach, dass es wehtat: ‚… zweiseitiges Verhalten ist ein anderes Merkmal dieser Persönlichkeitsstörung, die sich des Weiteren dadurch zeigt, dass der Erkrankte übertrieben offen ist und sich gleichzeitig zurückzieht …‘ Ein Satz aus dem Buch. Borderline. Schon wieder. Ich drehte mich einfach um und verschwand in den hinteren Räumen des Ladens. Kaum allein, spürte ich ihn auch schon, diesen altvertrauten Druck im Bauch. Ich wusste, gleich würde es leicht sein, dem nachzugeben, so viel leichter als dagegen anzukämpfen. Meine Schritte trugen mich auf die Toilettenräume zu, doch als ich den Türgriff schon in der Hand hatte, hielt ich inne. Ich wollte das doch gar nicht. Wollte mein Versprechen an Mama halten, Metos Glauben in mich nicht enttäuschen und auch mich selbst nicht. Wenn ich jetzt da reinging, mich einschloss und erbrach, würden meine ganzen Bemühungen, davon loszukommen, mit einem Schlag zerstört werden. Meine Hand um den Türgriff zitterte und der Druck stieg langsam in mir hoch. „Aoba?“, hörte ich in dem Moment Takashimas Stimme hinter mir. „Ist alles in Ordnung bei dir?“ Ich schrak zusammen, drehte mich um und sah, dass mein Kollege mich besorgt ansah. Waren mir meine Ängste so deutlich anzumerken? Anscheinend schon. „A-alles gut“, beeilte ich mich zu sagen und ließ den Türgriff los. „Ähm … das ist kein Problem für mich, dass du ‘nen Freund hast. Nicht, dass du das denkst …“, sagte Takashima und sah mich ein wenig unsicher an. „Ich hätte dich nur, na ja, nicht so eingeschätzt.“ Jetzt war ich derjenige, der überrascht war. Und natürlich antwortete ich wieder zu viel: „Ich war auch eigentlich mal hetero. Oder … ich hab mich zumindest dafür gehalten.“ Kurz dachte ich an die Mädchen früher, an die, denen ich wahrscheinlich ziemlichen Herzschmerz bereitet hatte, und diejenigen, die mein Temperament nicht ausgehalten und mit mir Schluss gemacht hatten. Das alles war so verblasst, als wäre es in einem anderen Leben passiert. Das einzige, was von diesem Player-Leben geblieben war, war die leise Gefahr, dass ich mir bei einem der Mädchen vielleicht irgendwas eingefangen hatte, weshalb ich bei Meto jetzt immer darauf achtete, ein Kondom zu benutzen. Ich kannte mich nicht aus mit solchen Krankheiten und ging deshalb lieber auf Nummer sicher, wollte ich doch meinen Liebsten auf keinen Fall mit irgendetwas anstecken. „Wo die Liebe hinfällt, hm?“, sagte Takashima. Ich nickte, lächelte leicht und dachte, ohne es auszusprechen: ‚Meto ist meine große Liebe. So nennt man das doch, wenn man jemanden so wahnsinnig lieb hat und begehrt, oder?‘ Wir wandten uns beide unserer Arbeit zu, die für mich vorläufig noch darin bestand, die Motive vom Papier auf ungegerbte Tierhaut zu übertragen, die als Testfläche diente. Takashima war schon weiter, er erwartete eine Kundin, die bald darauf eintraf und den Drachen auf ihrem Rücken von ihm vervollständigen lassen wollte. Ich merkte, dass ich ziemlich aus der Übung war, was das Zeichnen und das Stechen betraf. Wahrscheinlich war das normal, schließlich hatte ich beides ja seit Jahren nicht mehr gemacht, aber es störte mich trotzdem und ich gab mir Mühe, es wieder so zu lernen, wie ich es früher gekonnt hatte. Immerhin hatte ich die Ausbildung damals fast fertig gehabt. Jedenfalls, je mehr ich mich wieder in die Arbeit einfühlte und mich anstrengte, umso mehr Lust bekam ich, mir endlich auch mal wieder ein neues Tattoo stechen zu lassen. Ich schaute mir die Motive an, doch ich fand keines, das mich genügend ansprach, und beschloss schließlich, mir nebenbei ein eigenes zu entwerfen. Damit und mit meiner Arbeit war ich bis zum Mittag beschäftigt. Zwischendurch erlaubte ich mir zwar zwei kurze Zigarettenpausen, doch trotzdem war ich mittags irgendwie froh, eine etwas längere Pause machen zu können. „Trinkst du Kaffee oder Tee, Aoba?“, fragte Ami, die meine einzige weibliche Kollegin war, und jetzt an der kleinen Küchenzeile im Pausenraum stand und sich um die Pausenverpflegung kümmerte. Wir waren nur zu zweit im Raum, die anderen würden aber bestimmt gleich dazu kommen. Während der Arbeit war ich ziemlich konzentriert gewesen, hatte nicht ein einziges Mal an Essen und so was gedacht, und so holte mich diese Frage auf recht unangenehme Weise in die Welt der Angst vor dem Essen zurück. „Tee, bitte“, antwortete ich, denn Kaffee fiel bei mir zu sehr unter Essen. Ich wollte heute nicht noch einmal riskieren, wieder diesen Druck im Bauch zu spüren und … an alles Weitere wollte ich nicht mal mehr denken. Ich wusste, dass diese Angst vor dem Essen einen Rückfall in die Zeit vor dem Winter bedeutete, doch alles war besser als Brechen und ich klammerte mich an die Hoffnung, dass diese kleine Tiefphase schon irgendwann wieder vorbeigehen würde. Ich hatte doch letztens das Essen, das Meto für uns gekocht hatte, gegessen und auch wirklich genossen. Vielleicht lag mein Problem jetzt einfach darin, dass ich hier auf der Arbeit neu war und mich erst eingewöhnen musste. Ich schloss für einen Moment die Augen, stützte den Kopf in die Hände und atmete so ruhig wie möglich ein und aus, so, wie ich es im Tempel gelernt hatte. Diese Übungen waren für mich viel hilfreicher als es die eigentliche Therapie gewesen war, bei der ich ja doch nicht richtig mitgemacht hatte, aus Angst, dabei an das Thema ‚Borderline‘ zu stoßen. Ich hatte mich lieber mit den Mönchen, als mit Frau Watanabe unterhalten, obwohl die nicht sehr gesprächig waren und mein Zusammensein mit ihnen mehr darin bestanden hatte, dass ich ihren Meditationsübungen zugesehen und so von ihnen zu lernen versucht hatte. So ganz hatte ich den Dreh mit dem Meditieren noch nicht raus, aber das bisschen, was ich konnte, half mir. „Aoba?“, riss mich Amis Stimme aus meinen Gedanken. „Geht’s dir nicht gut?“ Ich öffnete die Augen, sah sie an und antwortete schnell: „Doch, doch, alles gut.“ „Du siehst aus, als ob dir schwindlig wäre.“ „Nein, alles gut, ich hab nur … über was nachgedacht.“ Ami stellte die Teekanne auf den Tisch und kam auf mich zu, setzte sich mir gegenüber und fragte dann leise: „Kann ich … dich mal was fragen?“ „Was denn?“ Sie sah mich einen Moment lang an, dann fragte sie: „Kann es sein, dass du … na ja … vielleicht ist die Frage auch zu persönlich, du musst nicht antworten …“ „Das weiß ich ja erst, wenn du die Frage stellst“, erwiderte ich. „Okay. Wie gesagt, du musst nicht antworten, wenn du nicht willst, aber … kann es sein, dass du … psychische Probleme hast? Nicht, dass du denkst, ich wär neugierig oder so … aber … ich hab eine Freundin, die hat welche, und irgendwie … erinnerst du mich an sie.“ Sofort war es da, dieses Zittern im Herzen, und die Angst, dazu andererseits das Drängen, darüber zu sprechen, was mit mir los war. Ich wusste, es war mir anzusehen und es hatte keinen Sinn, zu versuchen, es zu verstecken. „Was hat sie denn?“, fragte ich. „Sie schneidet sich. Und sie hat Probleme mit dem Essen. Vielleicht erinnerst du mich deshalb an sie, weil du auch so … sehr schlank bist.“ Meine Offenherzigkeit siegte in meinem inneren Kampf und ich wagte mich zögernd ins Neuland vor, wo ich offen mit dem umging, was in mir los war. „Sag ruhig ‚dünn‘, das ist schon okay.“ Sollte ich auch sagen, dass ich mich ebenfalls schon mit einem Messer absichtlich verletzt hatte? Dass ich (wieder dieser heißkalte Schauer) Borderliner war? Einerseits drängte mich etwas dazu, darüber zu sprechen, jetzt, wo ich es nicht mehr völlig geheim halten wollte, und andererseits hatte ich wieder Angst. „Wie heißt sie denn, deine Freundin?“, fragte ich, einfach nur um überhaupt etwas zu sagen. „Sie heißt Hitomi“, antwortete Ami. Allein der Name reichte aus, damit ich zusammenschreckte. Doch nicht etwa dieselbe Hitomi, die ich kannte?! Wie viele Frauen mit diesem Namen und solchen Problemen gab es in dieser Gegend? „Hitomi?“, fragte ich heiser und wusste, dass mir der Schreck anzusehen war. Und sagte dann, weil es sowieso schon zu spät war: „Ich kenne eine, die so heißt und … die auch diese Probleme hat …“ „Woher?“, fragte Ami, deutlich interessiert. „Ich war mit ihr im Hikuyama-Tempel.“ „Du, ich glaube, wir kennen dieselbe“, sagte Ami. „Ja …“, sagte ich leise, „ …Das glaube ich auch.“ Woher Ami und Hitomi sich kannten, war mir erst mal egal. Ich war einfach … schockiert, hier auf einmal, wenn auch indirekt, mit ihr konfrontiert zu sein, und damit auch mit dem, was sie und mich auf gewisse Weise verband. Hitomi hatte mir Borderline angemerkt, bevor ich überhaupt dieses Wort gekannt hatte, durch sie war ich dann schließlich darauf gebracht worden und ihr Verhalten war es, das sich für mich wie ein Spiegel angefühlt hatte. „Wo ist sie denn jetzt?“, fragte ich. „Immer noch in der Klinik. Sie war kurz draußen, hat sich dann aber wieder einliefern lassen, weil es ihr ziemlich schlecht ging. Jetzt geht’s ihr langsam besser, aber sie bleibt noch ein bisschen da. Ich besuche sie morgen.“ Ami sah mich an und fügte dann hinzu: „Ich kann sie fragen, ob du mitkommen kannst.“ „Nein“, erwiderte ich sofort, ohne nachzudenken. Und sagte dann, um dieses plötzliche ‚Nein‘ zu erklären: „Morgen hab ich meinem Freund versprochen, dass wir zusammen was unternehmen.“ Ich wollte Hitomi nicht sehen. Zumindest noch nicht. Ich spürte, dass ich noch nicht so weit war, ihr wieder zu begegnen und mit ihr zu sprechen. In dem Moment kamen Takashima und Kurata, der Besitzer des Studios, in den Pausenraum, sodass Ami und ich das Gespräch nicht fortführen konnten. „Na ja, schade“, sagte Ami noch und goss dann Tee in die vor mir stehende Tasse. Der Nachmittag verlief ähnlich wie der Vormittag. Ich übte mich weiter im Zeichnen und machte neben der Arbeit ein paar flüchtige Skizzen für mein eigenes neues Tattoo. Weit kam ich jedoch nicht, meine Kreativität war wie blockiert dadurch, dass ich immer wieder an Hitomi denken musste. Schließlich versuchte ich dann, dagegen anzugehen, indem ich betont an Meto dachte und daran, dass wir vielleicht heute Abend noch was zusammen machen würden. Das wiederum hob zwar meine Laune und setzte meine Kreativität wieder in Gang, tat jedoch meiner Konzentration nicht besonders gut, sodass ich schließlich mehr oder weniger herumsaß und nicht mehr viel machte. Mein leichtes, verliebtes Lächeln fiel dann auch noch Takashima auf, der daraufhin grinsend meinte, dass man mir anmerken konnte, dass ich in einer Beziehung war. Anscheinend war er einer von den Leuten, die wirklich kein Problem damit hatten, und das beruhigte mich doch sehr. Als ich dann abends nach Hause kam, war Meto schon da. Er stand in der Küche und schnitt irgendwelches Gemüse für unser Abendessen klein. „Warst du noch einkaufen?“, fragte ich, denn heute Morgen war der Kühlschrank fast leer gewesen. „Ja, auf dem Heimweg“, antwortete er und fragte dann: „Hast du viel Hunger oder eher wenig?“ „Es geht“, sagte ich. „Zu viel brauchst du nicht zu machen.“ Er stellte den Herd an, gab das Gemüse in eine Pfanne und warf einen Blick in das auf der Arbeitsplatte liegende Kochbuch. Irgendwas an diesem Bild, wie mein Freund da am Herd stand und unser Abendessen kochte, gefiel mir nicht. Es war nicht das Essen, sondern etwas anderes, über das ich erst einen Moment lang nachdenken musste, bevor ich darauf kam, was mich störte: Es war diese mit dem Kochen verbundene weibliche Rolle, in die Meto sich da begab. Ich kam von der Arbeit nach Hause, er war schon da und kochte für uns, das erinnerte mich sehr an die typische Frau aus Fernsehserien. Ich wusste nicht, ob er das selbst bemerkte, aber mir fiel es eben auf, zumal ich in der Bahn nach Hause kurz daran gedacht hatte, dass er im Bett bisher fast immer unten lag, und ich ihn nahm, wir bis jetzt noch nicht wirklich die Positionen getauscht hatten. Aus irgendeinem drängenden Gefühl heraus fand ich das wichtig, mir darum Gedanken zu machen und mit ihm darüber zu sprechen. „Und? Wie war dein Tag?“, fragte Meto und drehte sich zu mir um. „Erzähl mal.“ Ich setzte mich an den Tisch und nach kurzem Nachdenken erzählte ich ihm mehr oder weniger alles, was auf der Arbeit gewesen war, von meinem kurzen Gespräch mit Takashima, über meine Pläne für ein neues Tattoo, bis zu dem Gespräch mit Ami, bei dem ich wieder von Hitomi gehört hatte. Und ich erzählte auch, dass mich der Gedanke an Hitomi beunruhigte, dass ich ihr nicht begegnen wollte, weil ich Angst hatte, mit ihr dann reden zu müssen über das, was damals passiert war. Es tat gut, so offen darüber reden zu können und keine Geheimnisse mehr vor Meto haben zu müssen. Ich spürte, wie etwas von der Anspannung, die ich die letzten Wochen und Monate mit mir herumgetragen hatte, von mir abfiel, und ich mich in der Nähe meines Liebsten entspannte. Erst jetzt begriff ich so richtig, was er da gestern gemeint hatte, als er gesagt hatte, dass er mich so liebte, wie ich war, egal ob ich krank war oder nicht. Eine unheimlich wohltuende Wärme breitete sich in mir aus, ich stand auf und umarmte Meto, küsste ihn und zog ihn eng an mich. „Ich weiß, ich hab’s dir schon tausendmal gesagt, aber ich kann dir einfach nicht oft genug sagen, wie sehr ich dich liebe …“ Er legte seinerseits seine Arme um mich und sagte leise: „Ich liebe dich auch. Und das kann man fast nicht oft genug sagen.“ Das Gemüse in der Pfanne zischte und ich ließ Meto los, damit er sich wieder dem Kochen zuwenden konnte, legte dann die Hände an seine Seiten und schmiegte mich leicht an seinen Rücken. „Tsu, weißt du, dass das süß ist, wenn du so kuschelbedürftig bist?“, sagte er. „Nachher machen wir’s uns schön gemütlich, dann kannst du mich kuscheln, bis wir einschlafen.“ „Jaa“, schnurrte ich in sein Ohr. „Aber nackt.“ Meto lachte, schmiegte sich rückwärts an mich und erwiderte: „Gerne.“ Ich fühlte mich in diesem Moment ganz sicher und gut, und ich wusste, dass Meto es spürte und dass es ihm gefiel. Umso wichtiger war mir die Gleichberechtigung in unserer Beziehung, dass wir trotz der fünf Jahre Altersunterschied irgendwie gleichauf und auf Augenhöhe waren. Das Abendessen dauerte nicht lange, da ich kaum Hunger hatte, und Meto sagte, dass er schon bei der Arbeit viel gegessen hatte. Ich stellte das, was noch an Gemüse in der Pfanne übrig war, in einer Schüssel in den Kühlschrank und ging dann schon mal ins Bad. Meto kam dazu, nachdem er das Geschirr in der Küche fertig abgewaschen und aufgeräumt hatte, da war ich schon fast fertig mit Abschminken und mich bettfertig machen. Als er dann auch so weit war, gingen wir zusammen ins Schlafzimmer wo ich mich erst einmal nur auf die Bettkante setzte, während Meto sich bis auf die Unterwäsche auszog. „Ist was?“, fragte er, als ich keine Anstalten machte, mich auch schon auszuziehen. „Ich muss mit dir über was reden“, sagte ich. „Was denn?“ Er setzte sich neben mich und sah mich an. „Was Schlimmes?“ „Nein, nichts Schlimmes. Ich hab nur mal über was nachgedacht, nämlich über unsere Rollenverteilung. Beziehungsweise darüber, dass wir anscheinend eine haben und ich das irgendwie nicht gut finde.“ „Du meinst, weil ich unser Essen koche?“ „Das hat mich darauf gebracht, aber ich meine vor allem, dass wir im Bett noch nicht wirklich getauscht haben. Ich find’s nicht richtig, dass du … na ja, dass ich dich da so ein bisschen in eine … wie soll ich sagen … ‚Frauenrolle‘ dränge. Ich weiß, du lässt mich machen, weil du noch keine Erfahrung als Top hast, aber meinst du nicht, wir sollten das irgendwann mal ändern?“ Meto sah mich mit großen Augen an, blickte dann zu Boden und sagte: „Ich … hab Angst, dass ich was falsch mache und … dass ich dir wehtue. Und außerdem … weiß ich doch, wie sehr du das magst, Top zu sein.“ „Und es gefällt dir, wenn ich in dich eindringe?“, fragte ich. Er nickte. „Sehr sogar.“ „Aber …“ Ich beugte mich vor, legte eine Hand auf seine Schulter und zog ihn zu mir, bis meine Lippen nah an seinem Ohr waren, „… denkst du nicht manchmal daran, wie es wäre, wenn …“ für die nächsten Worte senkte ich meine Stimme zu einem leicht rauen Flüstern ab, „… du deinen harten Schwanz in mein heißes Inneres schieben und mich richtig vögeln würdest, bis du in mir kommst?“ „Tsu …!“ Ich sah ihn an, er war knallrot im Gesicht und wich meinem Blick aus. „Na, stell dir das doch mal vor. Du bist doch auch ein Mann, genau wie ich, du kannst mir nicht erzählen, dass dieser Wunsch, in ein heißes Loch zu stoßen, nicht irgendwo in dir vorhanden ist.“ „Kann sein, ich … hab ehrlich gesagt noch nicht wirklich darüber nachgedacht“, sagte Meto leise und fragte dann unsicher: „Willst du … heute …?“ „Nein, nicht heute. Ich möchte nur, dass du dir das mal durch den Kopf gehen lässt.“ Ich beugte mich wieder vor und hauchte einen Kuss auf seine Wange. „Weil ich es einfach schön fände, wenn wir gleichauf sind.“ „M-hm …“ Er nickte. „Finde ich ja irgendwie auch, aber ich hab da eben noch nicht so dran gedacht.“ Jetzt beugte er sich vor und küsste mich, allerdings nicht auf die Wange, sondern mitten auf den Mund. Seine Hände schoben meinen Pullover hoch, den ich daraufhin auszog, schlüpften unter das Shirt, das ich darunter trug, und berührten meine Haut, was sich unheimlich gut anfühlte. Wenn ich jetzt daran dachte, was gestern Abend gewesen war, kam mir das Glück, welches ich empfand, wenn Meto mich so liebevoll berührte, wie ein kleines Wunder vor. Ich hatte geglaubt, dass sich etwas zum Schlechten ändern würde, wenn ich über meine Probleme sprach, doch stattdessen lief alles irgendwie halbwegs normal weiter, so, wie ich es kannte. Vielleicht gab es ja doch eine Möglichkeit, mit den Dämonen in mir zu leben und irgendwie zurechtzukommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)