Smallville-Expanded - 01 von ulimann644 (Black and White) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Dieser verdammte Regen... Die tiefhängenden, grauen Wolken über Hagen in Westfalen hatten bereits vor einigen Minuten ihre Schleusen geöffnet, so wie an allen Tagen der vergangenen Woche, und irgendwie passte es zur momentanen Stimmung der beiden hochgewachsenen Personen, die auf dem Friedhof, an dem noch frischen Grab standen. Der eine ein Endvierziger im eleganten, schwarzen Designeranzug, der andere gerade siebzehn - in schwarzes Leder gekleidet, wobei die einzigen Konventionen an diesen Besuch das weiße Hemd und die schwarze Krawatte waren. Obwohl der Junge sich fest vorgenommen hatte, sich zusammenzureißen, rannen nun Tränen über seine Wangen. Dabei spürte er kaum, dass sein Vater den Arm um ihn legte und ihn zu sich heran zog. Auch die Augen des Erwachsenen schimmerten feucht. „Warum sie?“, fragte der blonde Junge mit brüchiger Stimme. „Sie hat doch nie jemandem etwas zuleide getan.“ „Ich weiß es nicht, mein Junge“, antwortete der Mann mit den langsam grau werdenden Schläfen so leise, wie es der Junge kaum gewohnt war. Normalerweise sprach dieser energiegeladene Mann stets mit sonorer tragender Stimme. Passend zu seiner gesellschaftlichen Stellung als Wirtschaftsmagnat. „Aber ich verspreche dir, dass ich nicht eher ruhen werde, bis das BKA die feigen Terroristen, die für ihren Tod verantwortlich sind, ihre gerechte Strafe bekommen haben.“ „Das mach sie nicht wieder lebendig, Papa“, begehrte der Junge zornig auf und ein gefährliches Funkeln lag in seinen strahlend blauen Augen, als er seinen Vater ansah. Gernot von Falkenhayn erwiderte den Blick seines Sohnes und erwiderte, diesmal mit festerer Stimme: „Das ist richtig, Christian. Aber dennoch müssen diese Mörder zur Verantwortung gezogen werden.“ Er atmete tief durch, bevor er seinem Sohn eröffnete: „Ich habe dir bisher nicht gesagt, dass das BKA vermutet, dass gar nicht sie das Ziel des Attentats war, sondern ich. Und ich fürchte auch um dein Leben.“ Christian blickte seinen Vater, ob dieser unerwarteten Offenbarung überrascht an. Dann sagte er: „Wenn das stimmt, dann musst du untertauchen, zumindest bis man die Täter gefasst hat.“ Gernot von Falkenhayn lächelte schmerzlich. „Du weißt, dass ich das nicht tun kann. Und selbst wenn, dann würde ich nicht davonlaufen, und mein Leben von diesen Attentätern bestimmen lassen.“ Widerspruch lag in den Augen seines Sohnes, doch er wusste natürlich, dass sein Vater Recht hatte. Deshalb presste er in ohnmächtigem Zorn seine Lippen auf einander und blickte wieder auf das Grab seiner Mutter. Sie war erst Mitte Vierzig gewesen. Vor dem Geistigen Auge des Jungen entstand das Abbild ihres gütigen und gleichzeitig hübschen Gesichts, mit den goldblonden Haaren und den blauen Augen, die stets eine leicht verschmitzte Note besessen hatten. Diese äußerlichen Attribute hatte Christian von seiner Mutter geerbt, von seinem Wesen her, kam er eher auf seinen Vater hinaus. Wie durch Watte hörte er die nachfolgenden Worte seines Vaters. „Ich kann zwar nicht weg von hier, aber du, Christian. Ich habe in den letzten Tagen darüber nachgedacht, dich nach Amerika, zu deiner Tante Annette, die in in Metropolis wohnt, zu schicken. Mit der Sprache hast du ja keinerlei Probleme. Ein Freund beim BKA hat mir angeboten, dass du einen Pass mit ihrem Nachnamen, Falken, bekommen kannst, den sie nach der Emigration ihres Vaters, während des Zweiten Weltkrieges, dort angenommen hat. Junge, ich wünschte, dass ich das nicht tun müsste, aber du bist gleichfalls ein Ziel, denn über dich würden diese Mörder an mich herankommen, und das wissen sie.“ Christian von Falkenhayn blickte seinem Vater fest in die Augen. Tausend Gedanken jagten sich hinter seiner Stirn. Er wusste, dass sein Vater sich niemals von ihm trennen würde, wenn er nicht wirklich Angst um ihn hätte. Gleichzeitig schien es ihm keine schlechte Idee zu sein, etwas anderes zu sehen, und Abstand von diesem Ort, und somit auch von dem grausamen Verlust zu gewinnen. Aber zu Tante Annette...? Eine Idee durchzuckte ihn und er entgegnete: „Bei Tante Annette würde ich in einem goldenen Käfig wohnen, der mehr Zimmer hat, als das Weiße Haus. Aber wie wäre es, wenn ich bei Onkel Jason und Tante Mary in Smallville wohnen würde. Das liegt von Metropolis doch nur einen Katzensprung entfernt, oder nicht?“ Gernot von Falkenhayn überlegte und meinte zögernd: „Nun, das würde sicherlich gehen, beide haben uns schon so oft aufgefordert, sie wieder einmal zu besuchen, und ich weiß, dass gerade Mary dich in ihr Herz geschlossen hat. Wenn ich Jason und Mary die Situation schildere, sagen sie bestimmt nicht Nein. Aber bist du sicher, dass du es auf einer Farm in Kansas, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, überhaupt aushältst?“ „Länger als bei Tante Annette allemal“, erklärte der Junge und seine Augen drückten aus, dass er sich nicht würde umstimmen lassen. „Zudem trägt Onkel Jason denselben Nachnamen, wie Tante Annette, so dass dein BKA-Fuzzie auch für diese Wahl einen Pass auf den Namen Falken ausstellen kann. Und sollte es mich doch zu Tante Annette ziehen, dann lässt sich das problemlos bewerkstelligen.“ „Dann machen wir es so“, entschied sein Vater und blickte Christian eindringlich an. „Ich hoffe, du weißt, dass ich dich vermissen werde.“ Der Junge schluckte. „Ja, das weiß ich.“ Dann umarmte er seinen Vater und für einen Moment lang hörte er nur seinen eigenen Herzschlag - und den Regen. Dieser verdammte Regen... Kapitel 1: Der Neue -------------------  „Hey, Chloe – warte mal einen Moment!“ Das Mädchen mit den kurzen, strohblonden Haaren und den sphinxhaften, grünen Augen fuhr beim Klang dieser Stimme, im Hauptgang der Smallville-Highschool, herum. Sie kannte diese Stimme nur allzu gut, und ihr Herz schlug jedes Mal schneller, wenn sie sie hörte, denn diese Stimme gehörte Clark Kent, einem verdammt gutaussehenden Jungen von siebzehn Jahren. Und sie war in ihn verliebt, auch wenn sie es ihm bisher nie gesagt hatte. Nun, eigentlich stimmte das so nicht, denn sie hatte es ihm vor etwa einem Jahr, während eines Krankenbesuchs gestanden, doch in seinem Delirium hatte er mit nur einem einzigen Namen geantwortet: Lana. Das war einer der bittersten Momente ihres Lebens gewesen. Natürlich hatte sie in den letzten zwei bis drei Jahren gemerkt, was Clark für Lana Lang empfand, und kameradschaftlich neckend zog sie ihn damit immer wieder auf, damit er nicht bemerkte, wie es in ihr immer noch aussah. Dennoch war es etwas gänzlich anderes gewesen, zu hören, dass das einzige Wort in Clarks schwachem Zustand der ihrer Freundin Lana Lang gewesen war. Und tief in ihr drin tat es auch jetzt immer noch weh. Sich zusammen nehmend wirbelte Chloe Sullivan mit einem Lächeln herum und rief fröhlich winkend zurück: „Hallo, Clark, was gibt es denn?“ Während Clark Kent sich mit einem irgendwie verlegen wirkenden Grinsen näherte, fragte sich das Mädchen, was momentan mit ihm los sein mochte. Seit sie, vor einigen Tagen, mit einem Gas in Berührung gekommen war, dass ihre jeweiligen Gesprächspartner dazu veranlasst hatte, immer die schonungslose Wahrheit zu sagen, und an dessen Nebenwirkungen sie beinahe gestorben wäre, benahm er sich ihr gegenüber etwas seltsam. Gelinde formuliert. Zwei Tage lang hatte sie sich bei fast allen Leuten an der Highschool unbeliebt gemacht. Clark hatte zwar ihre Entschuldigung akzeptiert, aber dennoch fragte Chloe sich, ob ihr unmögliches Verhalten das von Clark zu erklären vermochte. Als Clark sie erreichte, blickte er beinahe entschuldigend und fragte dann unvermittelt: „Hast du Lana heute Morgen schon gesehen? Ich hatte gehofft, sie im Büro der TORCH anzutreffen, aber da war sie nicht.“ Chloe lachte vergnügt. „Du solltest ab und zu den Gesellschaftsteil unserer Schülerzeitung lesen, Clark. Heute haben wir einen neuen Mitschüler bekommen, und Direktor Reynolds hat ihm Lana kurzerhand als seinen Mentor zugeteilt. Dieser Typ sieht übrigens blendend aus, wenn du mich fragst. Hochgewachsen, athletisch, blond, und die blauesten Augen, die ich je gesehen habe.“ „Ach, tatsächlich?“ Chloe, die sehr scharf Clarks Reaktion auf ihre letzten Worte beobachtete, bemerkte einen leicht gereizten Unterton in seiner Stimme. Dabei fragte sie sich, ob es wohl ein Anzeichen von Eifersucht sein mochte. Sie überlegte schnell und entschloss sich, einen Schuss ins Blaue zu riskieren, indem sie nachlegte und verschmitzt meinte: „Lana schien es nicht gerade als Bestrafung zu empfinden sich um ihn kümmern zu müssen.“ Der Blick, mit dem Clark die Freundin bedachte, schien ihre Vermutung zu bestätigen und für einen Augenblick spürte sie dabei einen leichten Stich im Herzen. Ablenkend meinte sie dann: „Falls du im Moment nichts Besseres vorhast könntest du mir in der Redaktion aufräumen helfen. In der letzten Zeit stapeln sich dort die Bücher, die ich mir in der Schulbibliothek ausgeliehen habe, bis zur Decke. „Clark, der Packesel“, seufzte der Junge missvergnügt und folgte Chloe. Sie kannten sich seit der achten Klasse. Chloe war gerade mit ihrem Vater von Metropolis nach Smallville gezogen, und er hatte die Aufgabe übertragen bekommen, sie, als ihr Mentor an der Schule, überall herumzuführen. Doch Chloe hatte lediglich von ihm wissen wollen, wo sie die Tageszeitung DAILY PLANET kaufen konnte, um, wie sie sagte, den Kontakt zur Zivilisation nicht zu verlieren. Als sie erfuhr, dass er auf einer Farm wohnte, hatte sie darauf bestanden ihn besuchen zu dürfen. Clark vermutete heute noch, dass Chloe ihn und seine Eltern damals für Amish-Leute gehalten hatte, obwohl sie das bis heute vehement bestritt. Als sie schließlich sein Domizil, auf dem Dachboden der Kent-Scheune, von ihm gezeigt bekam, da hatte sie ihn einfach umarmt und geküsst. Und noch bevor er sich damals von seiner Überraschung erholen konnte hatte sie mit einem verschmitzten Lächeln gemeint, sie würde wissen, dass er an nichts anderes denken würde, und sie es deshalb möglichst schnell hatte hinter sich bringen wollen, damit sie Freunde werden können. Clark lächelte in Gedanken, an diese Zeit. Es war sein erster richtiger Kuss gewesen. Seitdem waren er und Chloe Freunde, und keiner von ihnen beiden hatte den Kuss jemals wieder erwähnt. Vermutlich war er Chloe ebenso peinlich gewesen, wie ihm selbst. Kein Wunder, war er damals doch gerade erst vierzehn Jahre alt gewesen, und Chloe noch Dreizehn. Das alles war nun bereits mehr als drei Jahre her. Chloe bemerkte das erheiterte Grinsen des Freundes, als sie die TORCH-Redaktion betraten, und mit einem fragenden Blick erkundigte sie sich: „Was findest du so wahnsinnig komisch, Clark?“ „Was? Oh, ich musste nur an eine lange zurückliegende Begebenheit denken.“ Dann blickte er sich um und seufzte abgrundtief. Chloe hatte nicht übertrieben – gefühlt befand sich das halbe Inventar der Schulbibliothek in diesem Raum. Ablenkend fragte der Junge: „Findest du nicht, dass du den Anderen auch mal eine Chance geben solltest in eines dieser Bücher zu schauen, und sie nicht als deinen Privatbesitz ansehen solltest?“ Das Mädchen lachte über den komisch verzweifelten Gesichtsausdruck des Freundes und meinte vorwurfsvoll: „Jetzt übertreibe mal nicht, Clark. Das sind doch nur...“ „Einige hundert Bücher“, beendete Clark ironisch ihren Satz. Die kannst du doch unmöglich alle gelesen haben.“ „Sehr witzig“, konterte Chloe ironisch. „Die habe ich zumeist für irgendwelche Recherchen gebraucht, also habe ich jeweils nur einen sehr geringen Teil der jeweiligen Buchtexte benötigt.“ „Vielleicht solltest du dir angewöhnen öfter mal Google zu verwenden.“ Der Blick, mit dem Chloe den Schwarzhaarigen bedachte wirkte beinahe schockiert. „Aber Clark, was würde aus uns, wenn wir nicht mehr in die Bibliothek gehen, und richtige Bücher lesen würden?“ „Studenten“, konterte der Junge trocken und schnappte sich schnell den nächsten Buchstapel, bevor Chloe eine Grundsatzdebatte über die Bedeutung von Büchern mit ihm beginnen konnte. Während sie beide mit einem Stapel Bücher bewaffnet aus dem Raum marschierten, erkundigte sich Chloe ironisch: „Wie bist du denn drauf?“ Clark wollte zu einer Antwort ansetzen, als er am Ende des Ganges zwei Personen entdeckte, die gerade, angeregt mit einander plaudernd in einen der Seitengänge einbogen. Eine von ihnen war Lana Lang. Die andere Person war ein Junge, etwa in seinem Alter, der gut 1,90 Meter groß sein musste. Chloe, die seinen Blick verfolgte erlaubte sich ein Schmunzeln und erklärte: „Das ist der Neue. Sieht er nicht toll aus?“ Clark, der die Frage kaum mitbekam nickte nur schwach. Dann sagte er: „Komm, sonst stehen wir morgen noch hier herum.“   * * *   Vor einer halben Stunde hatte ihn sein Onkel vor der Smallville-High abgesetzt, und nun spazierte er, in Begleitung von einem der hübschesten Mädchen, das ihm jemals begegnet war, durch die verschiedenen Bereiche der Schule. Ihr Gesichtsschnitt wirkte eurasisch und sie konnte nicht verleugnen, dass einige ihrer Vorfahren asiatischer Herkunft gewesen sein mussten. Bisher hatte Christian von Falkenhayn immer vermutet, dass jedes Mädchen mit einem so tollen Aussehen gleichzeitig eingebildet und hochnäsig war, doch all das traf auf das dunkelhaarige Mädchen an seiner Seite, die er um einen Kopf überragte, nicht zu. Lana Lang war charmant und gleichzeitig erfrischend nett. Außerdem erweckte sie den Eindruck, intelligent zu sein – eine sehr ansprechende Mischung, wie Christian fand. Da er selbst ein sehr kontaktfreudiger und offener Mensch war, hatte er sofort Zugang zu Lana gefunden und so schritten sie, locker plaudernd, durch die Gänge der Schule. Dabei bewunderte er einmal mehr die amerikanische Lockerheit. Stand man an deutschen Schulen, bei jedem nicht genutzten Raum vor einer verschlossenen Tür, konnte man hier quasi jeden Raum betreten, ohne gleich nach dem Hausmeister rufen zu müssen. Lana nahm ihre Aufgabe, zu seiner Freude, sehr genau und zeigte ihm jeden Winkel der Schule, angefangen vom Keller und dem Schwimmbad, über die verschiedenen Klassenräume und der Sporthalle, bis hinauf zur Aula. Dabei hatte sie sich bisher besonders für seine Herkunft interessiert. Als sie auf den Sportplatz hinaus schritten, fragte sie: „Wo genau liegt eigentlich Hagen. Von dieser Stadt habe ich leider noch nie gehört.“ „Alles andere hätte mich auch schwer gewundert“, erklärte Christian mit einem Lachen, das sich auch in seinen tiefblauen Augen wiederfand. Er überlegte kurz, ob er sich bei seiner folgenden Erklärung von Hamburg, oder von Frankfurt aus annähern sollte und entschied sich dann für die letztere Variante. Während sie langsam das Footballfeld umrundeten, meinte Lana schließlich: „Unter dem Begriff Ruhrgebiet kann ich mir etwas vorstellen. Der kam im Geschichtsunterricht öfter vor. Besonders beim Thema Zweiter Weltkrieg.“ „Kann ich mir denken. Zum Glück ist diese Zeit lange vorbei.“ „Ja“, erwiderte Lana schnell und schob sich mit der Linken eine Haarsträhne hinter das Ohr. Für einen Moment herrschte unangenehmes Schweigen bevor Lana auf das Spielfeld deutete und ablenkend fragte: „Kennt man bei euch American-Football?“ „Hagen hat eine eigene Mannschaft“, antwortete Christian und weidete sich am überraschten Blick des Mädchens. „American-Football wird in Deutschland seit den Neunzigern immer beliebter. Ich selbst habe zwei Jahre lang bei den Hagen-Oaks gespielt. Das hält zwar vermutlich keinen Vergleich zu irgendeiner amerikanischen Schulmannschaft aus, aber wir geben uns große Mühe.“ „Und ich dachte immer, in Europa wird nur Fußball gespielt.“ „Immer noch – und sehr gut“, lachte Christian. „Aber in den letzten zehn Jahren holen einige Randsportarten sehr auf.“ Lana´s braun-grüne Augen drückten beinahe so etwas wie Unglauben aus, weil Christian es gewagt hatte, American-Football als Randsportart zu bezeichnen. Ironisch erklärte sie: „Lass das mit der Randsportart keinen Menschen in diesem Land hören, sonst läufst du Gefahr geteert und gefedert zu werden?“ Christian hob amüsiert seine Augenbrauen. „So läuft das hier?“ „Ja, so läuft das hier“, lachte das Mädchen, und allein für dieses Lachen schien sich die weite Reise nach Amerika bereits gelohnt zu haben. Dann fragte sie mit erwachendem Interesse: „Auf welcher Position hast du gespielt?“ „Free Safety.“ Lana musterte ihn und meinte dann: „Ich hätte eher gedacht, du wärst Quarterback, Cornerback oder Wide-Receiver gewesen.“ Mir hat es schon immer mehr Spaß gemacht das Punkten der Gegner zu verhindern, als selbst zu punkten. Nur sportlich versteht sich. Vielleicht darf ich ja bei den Crows mal mittrainieren.“ „Du weißt, dass du dazu eine schriftliche Erlaubnis deiner Eltern brauchst, solange du keine achtzehn Jahre alt bist, Chris?“ Überrascht musterte der Hochgewachsene das Mädchen. Dann fragte er in komischer Verzweiflung: „Was ist mit diesem Land los? Auto und Motorrad fahren darf man mit Sechzehn, aber um Football zu spielen brauche ich eine Erlaubnis der Eltern. Sehr seltsam.“ Lana merkte, dass der Junge seine Worte nur zum Teil ernst gemeint hatte und grinsend meinte sie: „Vermutlich werden mir ab dem Sommer in Paris auch einige Dinge seltsam vorkommen.“ Ein enttäuschter Zug lag auf dem Gesicht des blonden Jungen, als er nachhakte: „Du gehst weg von hier?“ „Ja, nach dem Abschluss dieses Jahres. Ich möchte etwas anderes sehen, als Smallville, und ich möchte Kunst studieren. Und wo ginge das besser, als in Paris?“ Christian nickte. „Da ist etwas dran. Trotzdem schade, dass wir dadurch kaum Gelegenheit haben werden uns besser kennenzulernen.“ Im nächsten Moment lächelte er bereits wieder unbekümmert und sagte: „Ich habe ein paar Freunde dort. Wenn du willst, dann kann ich dir ein paar Tipps, in Bezug auf die Suche nach einer Studentenbude geben.“ Erfreut blickte Lana zu Christian auf. „Das wäre toll.“ Sie setzten ihren Rundgang um das Spielfeld fort und nach einer Weile fragte Lana: „Übst du sonst noch irgendwelche Sportarten aus?“ Christian nickte. „Seit meinem zehnten Lebensjahr die Kampfsportart: Muay Thai Boran. Im Gegensatz zum modernen Thaiboxen beinhaltet das traditionelle Muay Thai auch den Kampf mit verschiedenen Schilden, Hieb- und Stichwaffen, und geht über die weitverbreitete normale Kampfkunst weit hinaus. Die Augen des Mädchens weiteten sich. „Wow, das nenne ich mal einen interessanten Sport. Und sonst?“ Lachend stellte Christian die Gegenfrage: „Reicht das nicht?“ Er blickte in die wundervollen Augen des Mädchens und fügte dann hinzu: „Gelegentlich fechte ich. Das stärkt die Reflexe, die Hand-Auge-Koordination und es übt einen in Disziplin.“ Lana schmunzelte verschmitzt, als sie fragte: Und wie sind deine Reflexe so?“ „Besser als durchschnittlich“, meinte Christian trocken aber auch mit einer gewissen Selbstsicherheit. Er blieb stehen, als er ihren leicht spöttischen Blick bemerkte. Wieder blickte er in ihre Augen, die im Schein der Morgensonne, an diesem Märzmorgen, beinahe golden schimmerten. Dann fragte er unvermittelt: „Hast du zufällig eine Münze zur Hand?“ „Ja, meinen Glücks-Penny.“ Lana förderte die Münze aus ihrer Hosentasche und hielt ihn zwischen Daumen und Zeigefinger. „Was hast du damit vor?“ Ein unmerkliches Schmunzeln lag auf dem Gesicht des Jungen, als er sagte: „Lege ihn bitte auf meine Handfläche.“ Lana Lang machte ein etwas befremdetes Gesicht, tat Christian jedoch den Gefallen. Christian hielt ihr seine Hand in Bauchhöhe entgegen und meinte: „Was jetzt folgt kannst du dir sicherlich denken. Du hältst nun deine Hand in Schulterhöhe über meine. Zu irgendeinem beliebigen Zeitpunkt versuchst du dann, mir die Münze aus der Hand zu nehmen, bevor ich sie schließen kann. Ich für meinen Teil, darf meine Finger erst bewegen, sobald sich deine Hand bewegt.“ „Das klingt sehr einfach.“ Die Antwort des Jungen bestand lediglich in einem leichten Lächeln. Dann spannten sich seine Gesichtszüge, und Lana konzentrierte sich auf die Hand des Jungen. Die Sekunden schienen sich zu Minuten zu dehnen, bevor ihre rechte Hand blitzartig nach Unten zuckte. Im nächsten Moment blickte sie Christian mit einer Mischung aus Unglauben und Überraschung an, denn sie spürte, dass sie die Münze nicht in ihrer Hand hielt. Sie hatte nicht einmal die sich schließende Hand des Jungen berührt. Noch immer lag das leichte Lächeln auf dem Gesicht des Jungen, ohne dass es überheblich wirkte. „Da ist doch ein Trick dabei“, beschwerte sich das Mädchen. Christian, der zufrieden seine Hände in die Taschen seiner Hose gesteckt hatte, fragte ruhig: „Vielleicht möchtest du es mal umgekehrt probieren?“ Ein herausforderndes Funkeln lag in Lanas Blick. „Sicher.“ Christian nahm die Hände aus den Taschen, öffnete seine rechte Hand und legte den Penny in die Hand des Mädchens. Er wartete, bis Lana ihre Hand ausgestreckt hatte und hielt dann seinerseits seine Rechte darüber. Lana stellte fest, dass er seine Hand etwas weiter von ihrer entfernt hielt, als sie zuvor bei ihm, und sie nahm sich fest vor, dass er es nicht schaffen sollte, die Münze zu bekommen. Wieder konzentrierte sie sich und blickte auf die Hand des Jungen. Christians Hand zuckte nach unten Blitzartig reagierte Lana und für einen Moment glaubte sie einen schwachen Hauch auf ihrer Handfläche zu spüren. Doch dann spürte sie die Münze in ihrer Hand, und sie sagte sich, dass dies eine Täuschung gewesen sein musste. Triumphierend blickte sie in die Augen des Jungen, der nicht unzufrieden wirkte. Im Gegenteil, er schien geradezu vergnügt zu sein. Offensichtlich war er ein fairer Verlierer. „Soviel zu deinen tollen Reaktionen“, spöttelte sie schadenfroh, immer noch die Münze umklammert. „Bist du sicher, dass du den Penny noch hast?“ Ungläubig wegen der Frage, blickte Lana ihr Gegenüber an. „Ganz sicher, Chris.“ Langsam öffnete der Junge seine Hand und ein Penny lag darin. Verärgert erklärte Lana: „Hör zu, es ist einfach gewesen einen zweiten Penny in deiner Hosentasche zwischen die Finger zu nehmen und nun so zu tun, als wäre es der, den ich in meiner Hand hatte, und immer noch habe.“ „Ich an deiner Stelle würde wirklich mal nachsehen, Lana.“ Die unerschütterliche Gelassenheit des Jungen verwirrte Lana. Irgendetwas stimmte hier nicht. „Also schön, hier ist der Penny.“ Sie öffnete ihre Hand und starrte auf die Münze. Langsam, so als würde sie ihren Augen nicht trauen, nahm sie die Münze in die Linke, und drehte sie vor ihren Augen. Es war kein amerikanischer Cent, sondern ein Euro-Cent. Mit offenem Mund starrte sie Christian an und meinte schließlich: „Okay, ich bin offiziell beeindruckt. Wie machst du das?“ „Jahrelanges Training. Reflexe kann man genauso trainieren, wie Muskeln. Es ist nur etwas langwieriger.“ Christian zwinkerte ihr zu und legte den Penny neben seinen in ihre Hand. „Den Euro-Cent kannst du als zusätzlichen Glücksbringer behalten.“ „Danke, Chris. Dein Reflexe sind schlicht famos.“ Christian nickte und meinte in Gedanken: „Hoffentlich sieht das der Coach des Football-Teams irgendwann auch so. Nachher werde ich gleich einmal meinen Vater anrufen, wegen der Genehmigung.“ „Mit ihm scheinst du dich wohl besser zu verstehen, als mit deiner Mutter?“, erkundigte sich Lana und wunderte sich gleich darauf über den seltsam melancholischen Blick des Jungen. Christian atmete tief durch, bevor er leise antwortete: „Meine Mutter starb vor etwas mehr als drei Monaten, Lana. Ich habe mich mit keiner Person besser verstanden, als mit ihr.“ Spontan legte das Mädchen seine Hand auf den Unterarm des Jungen: „Tut mir sehr leid, Chris. Ich kann mir vorstellen, wie du dich momentan fühlst, denn ich habe meine Eltern bei dem Meteoritenschauer, vor vierzehn Jahren, verloren. Wenn du darüber reden...“ „Nein!“ Christian blickte Lana bittend an. „Zumindest jetzt noch nicht, okay?“ Lana nickte aufmunternd lächelnd. „Okay.“ Dann sagte sie ablenkend: „Übrigens, das Formular für die Erlaubnis, gibt es im Büro des Coaches.“ Christian nickte knapp. Sie schritten eine Weile schweigend weiter, bevor sich der Junge erkundigte: „Der Meteoritenschauer war wohl ein einschneidendes Erlebnis für die Bewohner dieser Stadt. Mein Onkel Jason und meine Tante Mary erzählten mir davon, als ich noch klein war.“ „Etwa Jason und Mary Falken?“ „Ja – kennst du die beiden etwa?“ Lana lächelte amüsiert. „Hallo, Chris, Smallville ist eine Kleinstadt. Früher waren die beiden öfter mal im Blumenladen meiner Tante. Dann bist du also Chris Falken. Direktor Reynolds hat mir vorhin nur deinen Vornamen genannt.“ „Sozusagen“, bestätigte Christian, wobei es ihm unangenehm war, seinen richtigen Namen nicht zu nennen. Doch es musste sein, um seine Sicherheit nicht zu gefährden, und obwohl er einen amtlichen Ausweis besaß, der auf diesen Namen lautete, blieb in ihm ein gewisses ungutes Gefühl zurück. Er war bislang stets für seine Ehrlichkeit bekannt gewesen, und kaum in Amerika angekommen musste er lügen, was seine Person betraf. Das gefiel ihm nicht, auch wenn er die Notwendigkeit einsah. Lana Lang musterte Chris fragend und für einen kurzen Moment beschlich sie ein seltsames Deja Vu-Gefühl, beim Blick des Jungen. Genau so hatte sie Clark Kent sie oft angesehen, wenn sie das Gefühl hatte, er würde ihr etwas verschweigen. Sie schüttelte diesen Gedanken ab und sagte sich, dass sie anfing Gespenster zu sehen. „Ist etwas?“, erkundigte sich Christian, der ihren fragenden Gesichtsausdruck nicht zu deuten wusste. Lana schüttelte lächelnd den Kopf. „Nein, alles bestens. Komm, jetzt zeige ich dir das Interessanteste an unserer Schule.“ Neugierig hakte Christian nach: „Und das wäre?“ „Die Redaktion unserer Schülerzeitung, TORCH. Meine Freundin Chloe leitet sie; ein echtes Original. Sie hatte bereits zwischenzeitlich eine eigene Kolumne beim DAILY PLANET in Metropolis.“ „Klingt interessant. Dann wollen wir diesem... Original mal einen Besuch abstatten.“   * * *   Chloe und Clark hatten die letzten Bücher zur Bibliothek gebracht und gerade wieder die Redaktion der TORCH betreten, als Lana Lang, in Begleitung des neuen Schülers, hinter ihnen herein kam. Clark musterte den Neuankömmling. Chloe hatte nicht übertrieben, ihr neuer Mitschüler wirkte durchtrainiert und sein gutaussehendes Gesicht wirkte offen und sympathisch. Er konnte nicht verhindern, dass er einen Anflug von Eifersucht dabei verspürte, Lana in seiner Nähe zu sehen, deren ovales, makelloses Gesicht ihn stets aufs Neue faszinierte. Aber es war weitaus mehr, als nur das. Der hochgewachsene Blonde wartete nicht, bis Lana ihn vorstellte sondern er schritt forsch zu Chloe und reichte ihr seine Hand. „Hallo, ich bin Chris Falken“, stellte er sich mit sonorer Stimme vor. „Und du bist...?“ Chloe schenkte dem Hünen ein strahlendes Lächeln. „Hi, ich bin Chloe Sullivan und das neben mir ist Clark Kent.“ Christian ließ Chloes Hand los um sie Clark zu reichen. „Freut mich.“ „Ja, mich auch“, entgegnete der Schwarzhaarige reserviert. „Du scheinst dich schnell mit Lana angefreundet zu haben.“ „Sie ist sehr nett“, antwortete Christian unbefangen und wunderte sich über die Reaktionen der drei Mitschüler. Während Lana verlegen wirkte und seinem Blick auswich, musterte Clark ihn prüfend. Chloe hingegen schien sich geradezu köstlich zu amüsieren. Leicht verwirrt blickte er von Clark zu Lana und wieder zu Clark. Dann dämmerte ihm etwas und vorsichtig fragte er Clark: „Sie ist deine feste Freundin, richtig?“ Nun war die Reihe an Clark peinlich berührt zu blicken und abwechselnd versuchten sie beide, beginnend mit Lana, die Situation herunterzuspielen. „Äh... nein...“ „Wir haben... nicht wirklich...“ „Eine...“ „Ähem... Angelegenheit...“ „Es ist...“ „Kompliziert...“ Christian blickte etwas konsterniert von Clark zu Lana. Offensichtlich hatte er unabsichtlich in ein Wespennest gestochen. „Ich verstehe“, meinte er, um das entstehende unangenehme Schweigen zu durchbrechen. „Eine komplizierte Angelegenheit also.“ „Oh ja“, feixte Chloe amüsiert. Dann grinste sie spitzbübisch. „Wie wäre es mit einem spontanen Interview, Chris. Ich würde dich gerne der gesamten Schülerschaft in der TORCH vorstellen, wenn du gestattest.“ Dankbar dafür, dass das blonde Mädchen im richtigen Moment die Initiative ergriff, antwortete Christian schnell: „Ja klar, warum nicht.“ Er wandte sich zu Lana um. Das ist doch okay, oder?“ Lana nickte schnell. „Sicher. Wir waren ohnehin fertig mit dem Rundgang.“ Der Blonde wurde abgelenkt, als Chloe ihr neuestes Opfer schnell mit sich zog, bevor er es sich eventuell anders überlegte. „Komm, ich zeige dir erst einmal wie wir bei der TORCH eingerichtet sind.“ Währenddessen verließen Clark und Lana das Büro der TORCH. Draußen auf dem Gang fragte der Junge: „Was hältst du von unserem neuen Mitschüler?“ Lana war für den Themenwechsel dankbar und erwiderte: „Ich kenne ihn zwar kaum, aber er macht einen ganz netten Eindruck. Glaubst du, wir hätten ihn vor Chloes Interview warnen sollen?“ „Nein“, grinste Clark, irgendwie schadenfroh aussehend. „Die Erfahrungen mit Chloe muss jeder für sich selbst machen.“ „Falls er es überlebt, wird Chloe ihn nachher bestimmt mit zum TALON schleifen. Kommst du auch heute vorbei?“ Clark nickte lächelnd. „Ich werde da sein.“ Sie lächelten sich an und begaben sich dann, in verschiedene Richtungen, zu ihren jeweiligen Kursen.   * * *   Zur selben Zeit standen Chloe und Christian, im Büro der TORCH vor einer riesigen Tafel, die über und über mit bizarren Zeitungsberichten und Bildern übersät war. Nachdem Christian fassungslos einige der Artikel überflogen hatte, wandte er sich mit fragender Miene zu Chloe um und erkundigte sich: „Was ist das?“ In einer alles umfassenden Geste streckte das Mädchen seine Arme aus und antwortet theatralisch: „Das ist meine Wand des Wahnsinns. An diese Wand kommen alle seltsamen, mysteriösen und unerklärlichen Vorfälle, die sich seit dem Meteoritenschauer in dieser Gegend ereignet haben, und wie du sehen kannst, waren das bisher nicht gerade wenige.“ „Steht da auch etwas über mysteriöse Anomalien, die dafür verantwortlich sind, dass in meiner Nähe die Fettnäpfchen immer in beängstigender Weise zusammenrücken?“ Chloe lachte vergnügt. „Nein, aber was nicht ist kann ja noch werden.“ Dann wurde sie wieder ernst und meinte: „Vergiss das von eben einfach, okay. Ich denke, dass es dir beide nicht krumm nehmen.“ Christian sah sie an und meinte übertrieben ironisch: „Sicher. Aber warum sind die beiden denn so schnell verschwunden, die Peinlichkeiten fingen doch gerade erst an.“ Etwas ernster erkundigte er sich dann: „Ist es wirklich so kompliziert, oder machen die Beiden es nur kompliziert?“ „Sowohl, als auch, Chris.“ „Autsch!“ Chloe nickte zustimmend. „Das ist genau das richtige Wort dafür. Ach ja, bevor wir mit dem Interview loslegen: Was hältst du davon, wenn ich dir heute Nachmittag das TALON zeige. Lana ist Teilhaberin des Cafés.“ „Das klingt sehr gut, Chloe.“ Ein zufriedenes Lächeln überflog das Gesicht des Mädchens. „Also schön, dann werden wir zwei mal mit dem Interview beginnen.“   Kapitel 2: Lex Luthor --------------------- Im TALON herrschte der übliche Betrieb, als Chloe und Christian gegen 16:00 Uhr eintrafen. Während sich der Hüne mit seiner Begleiterin einen Weg durch die Menge bahnte blickte er sich fasziniert um. Das Ambiente entsprach einer alten ägyptischen Halle. Überall an den Wänden und an den Ziersäulen waren alt-ägyptische Symbole und Hieroglyphen zu sehen. Als sie sich langsam der Bar näherten entdeckte er hinter sich sogar einen der früher obligatorischen Falken mit gespreizten Schwingen, der den Pharaonen als königliches Symbol gedient hatte. Farbenfroh und durch blaues Licht von hinten beleuchtet prangte er gegenüber der Bar, über dem Durchgang, an der Wand. Hinter dem Tresen erkannte der Blonde Lana Lang, und er warf ihr ein Lächeln zu, als sie zu ihm und Chloe herüber blickte. „Hi Lana, ich könnte einen Cappuccino vertragen“, erklärte Chloe, kaum dass die Freundin sie erreicht hatte. Lana notierte es schnell und wandte sich mit einem freundlichen Lächeln zu Christian. „Und was darf ich dir bringen?“ „Einen Kaffee. Aber einen doppelten, zweifachen – schwarz und extra stark, damit ich wieder zu mir komme.“ Mit bezeichnender Miene blickte er zu Chloe und meinte erklärend und leicht verdrießlich: „Dieses Mädchen braucht kein Büro, sondern einen Waffenschein für ihre Schüler-Vernichtungs-Interviews.“ „Ich wusste, wir hätten dich warnen sollen“, erwiderte Lana mit übertrieben gespieltem Bedauern und entfernte sich grinsend in Richtung Kaffee-Automat. Über die Schulter hinweg fragte sie ihn dann: „Hast du übrigens schon mit deinem Vater gesprochen?“ Das Gesicht des Jungen drückte Erschrecken aus. „Oh, verflixt, ich wusste, dass ich irgend etwas vergessen hatte. Hoffentlich erwische ich ihn noch wach. Ihr entschuldigt mich für einen Moment, Mädels, aber hier drin ist es mir etwas zu laut zum Telefonieren. Bin gleich wieder zurück.“ Damit verschwand Christian in Richtung des Ausgangs. Währenddessen erkundigte sich Lana belustigt: „Den hast du ziemlich geschafft, wie es scheint. Vielleicht solltest du etwas vom Gas gehen, sonst verschreckst du ihn noch.“ Sie zwinkerte der Freundin zu. „Apropos: Weißt du, was er mit dem Wort Mädels gemeint hat?“ Währenddessen verließ Christian das Café und machte einige Schritte die Straße hinunter. In Gedanken drückte er die Kurzwahltaste für die Verbindung zu seinem Vater und wartete gespannt, bis sich am anderen Ende eine bekannte Stimme meldete. Nach einer herzlichen Begrüßung und drei Versicherungen, dass er an der Schule gut aufgenommen worden war, erklärte er seinem Vater, worum es ging. Er endete schließlich mit den Worten: „Ich danke dir Paps. Morgen faxe ich dir das ausgefüllte Formular – du musst dann nur noch deinen Johnny darunter setzen.“ „Vielleicht unterschreibe ich den Wisch wirklich mit Johnny – zumindest aber mit Falken, damit deine Deckung nicht auffliegt.“ „Das ist eine Maßnahme. Ich melde mich spätestens am Wochenende.“ „Wehe wenn nicht“, drohte sein Vater im Spaß. „Ich vermisse dich, mein Junge.“ „Ich dich auch. Also, bis dann.“ Als Christian die Verbindung unterbrach und aufsah, erkannte er, dass Pete Ross neben ihm stand und ihn aus seinen fast schwarzen Augen unsicher fragend musterte. Chloe hatte ihn ihm vor wenigen Stunden erst vorgestellt. „Mann, wen hast du denn da gerade zur Sau gemacht?“ Christian blickte auf den beinahe einen Kopf kleineren Jungen hinunter und machte eine verständnislose Geste. „Was meinst du damit...? Du bist Pete, richtig?“ „Hey, du hast es behalten. Das macht dich mir sympathisch.“ Ein breites Grinsen, welches in seinem dunklen Gesicht doppelt herausstach unterstrich seine Worte. Dann erklärte er: „Ich habe zwar kein Wort verstanden, aber es klang, als würdest du jemanden fürchterlich fertig machen. Und seit wann sprichst du Japanisch?“ Christian lachte kurz auf. „Das war mein Vater, und ich habe mich ganz freundlich mit ihm unterhalten – und zwar auf Deutsch. Klingt die Sprache wirklich so hart?“ „Ja, tut sie. Ich wollte ins TALON, kommst du mit?“ „Ich war schon drin, bis Lana mich daran erinnert hat, dass ich mit meinem Vater telefonieren wollte.“ Pete nickte verstehend. „Nach einem Interview von Chloe wissen manche Leute nicht einmal mehr, wie sie heißen. Glaube mir, ich übertreibe nicht.“ Sie betraten lachend das Café. Christian hatte Pete auf Anhieb gemocht. Von Chloe hatte er erfahren, dass er und Clark Kent, von Kindheit an, die besten Freunde waren. Neugierig erkundigte er sich: „Wollte Clark nicht auch kommen?“ Pete warf ihm einen undeutbaren Blick zu. Dann meinte er mit schiefem Grinsen: „Momentan ist unsere Freundschaft etwas abgekühlt. Wir hatten vor einigen Wochen eine kleine Meinungsverschiedenheit.“ „Das vergeht, Pete. Eine gute Freundschaft hält so etwas aus.“ Pete nickte. „Du hast bestimmt Recht.“ An der Bar wurden beide mit einem Lächeln von Chloe empfangen und Pete raunte Christian leise zu: „Nimm dich in Acht, sie mag dich anscheinend.“ „Ich passe auf“, raunte Christian amüsiert zurück. Dankend nahm er seinen Kaffee von Lana in Empfang. Er musste zugeben, dass sie sich Mühe gegeben hatte, eine ziemlich große Tasse aufzutreiben. Vorsichtig nippte er an dem Getränk und nickte dann anerkennend. „Der ist besser, als ich es vorher vermutet hätte.“ Dann nahm er einen größeren Schluck und schloss genießerisch die Augen. „Was hast du mit dem Mann angestellt?“, fragte Pete feixend und hielt sich dabei dicht an Chloes Seite, während sich Christian auf dem Barhocker neben ihrem niederließ. Chloe verpasste Pete einen scherzhaften Stoß in die Rippen. Lana, die mittlerweile von einer ihrer Angestellten abgelöst worden war, gesellte sich zu ihnen. Dabei blickte sie zufällig zur Tür. „Hey, da kommen Clark und Lex.“ Christian wandte sich ihnen unwillkürlich zu. Der kahlköpfige, elegant gekleidete, junge Mann neben Clark, der gemeinsam mit ihm auf sie zu schritt, mochte etwa Mitte Zwanzig sein. Das Seltsame war, dass Christian das Gefühl beschlich, dieses Gesicht bereits gesehen zu haben, aber er konnte sich momentan nicht entsinnen wo. Clark blieb neben ihm stehen und stellte sie einander vor. Während Christian dem Kahlköpfigen die Hand reichte, musste er zugeben, dass dieser Clark Kent ein ganz netter Kerl zu sein schien, der sich nicht weiter anmerken ließ, dass er vorhin in der Schule wohl etwas eifersüchtig auf ihn gewesen war. Dieser Lex hingegen machte einen etwas anderen Eindruck. Seine Augen drückten eine gewisse Härte aus, aber auch Zielstrebigkeit. Eine Mischung, die er gelegentlich auch an seinem Vater beobachtet hatte. „Na, da haben wir hohen Besuch in unserer Kleinstadt“, bemerkte Lex leichthin. „Du bist also...“ „Der Neffe von Jason und Mary Falken“, erklärte Christian schnell und blickte den jungen Mann dabei beschwörend an. Er hatte plötzlich das unbestimmte Gefühl, dass Lex drauf und dran gewesen war, seinen richtigen Namen auszuplaudern. Auch wenn ihm schleierhaft war, woher er ihn kennen mochte. „Hallo, Chris Falken“, meinte Lex und beließ es dann bei einem rätselhaften Lächeln, bevor er abrupt das Thema wechselte und fragte: „Wie war dein erster Tag an der Schule?“ „Ziemlich aufschlussreich“, entfuhr es Christian prompt und er blickte entschuldigend von Clark zu Lana und wieder zu Lex. „Was treibt dich zu dieser Stunde her, Lex?“, fragte Lana, bevor der Freund eventuell weitere unangenehme Fragen stellen konnte. „Ich war zufällig in der Gegend und dachte, ich hole heute selbst die wöchentliche Abrechnung ab, dann sparst du dir den Weg.“ „Das ist nett von dir“, meinte Lana und machte Anstalten den Privatbereich des Cafés aufzusuchen. „Ich hole sie dir.“ Es dauerte weniger als eine Minute, bis sie wieder da war und Lex die Abrechnungen reichte. Lex quittierte es mit einem Lächeln und meinte dann: „Ich muss jetzt los, die Konkurrenz schläft nicht. Viel Spaß noch.“ Damit wandte er sich ab und schritt davon. Christian blickte ihm hinterher und meinte dann entschuldigend zu den anderen: „Ich muss auch weg, ich hatte ganz vergessen, dass ich Zuhause auch noch etwas zu erledigen habe. Wir sehen uns morgen in der Schule. Für den Rest Kaugummi.“ Damit legte er grinsend eine 5-Dollar-Note auf den Tresen und wandte sich ab. Während sich der Blonde beeilte Lex zu folgen, blickte Pete ihm nach und fragte dann, etwas verdattert über den plötzlichen Abgang: „Was hat der denn auf einmal.“ Chloe lächelte überlegend. „Keine Ahnung, aber das finde ich schon heraus.“   * * *   Vor dem Eingang des TALON holte Christian Lex ein und sprach ihn an: „Einen Moment bitte, Lex. Ich würde gerne mit dir reden.“ Lex wandte sich ihm zu und deutete auf seinen silbernen Porsche, der vor dem Eingang parkte. „Dann steig ein, wir können uns bei mir unterhalten. Ich hätte da nämlich auch ein paar Fragen an dich.“ Christian runzelte überrascht die Stirn und kam der Aufforderung nach. Er fragte sich, was ein ihm völlig Fremder von ihm wollte. Einen Moment später sagte er sich, dass sich Lex vermutlich dieselbe Frage stellte. Die Fahrt dauerte nicht lange und als Lex den Wagen auf das Grundstück seines Anwesens lenkte, da erinnerte sich Christian schlagartig daran, weshalb ihm das Gesicht des jungen Mannes bekannt vorgekommen war. Er hatte es einmal in einem Zeitungsartikel über die Firma LUTHORCORP gesehen. Als sie ausstiegen, blickte Christian zu Lex und erkundigte sich: „Du bist Alexander Luthor, der Sohn von Lionel Luthor, dem Begründer von LUTHORCORP?“ „Du bist gut informiert“, erwiderte der junge Mann, während sie das schlossähnliche Gemäuer von Luthor-Mansion betraten. „Warum überrascht mich das nicht?“ Christian wartete, bis sie einen geräumigen Arbeits-Wohnraum betreten hatten, und sich die Bediensteten mit Lex Mantel und seiner Jacke entfernten, bevor er dem Spielchen ein Ende machte und geradeheraus sagte: „Du weißt wer ich bin, nicht wahr?“ Lex Luthor lächelte nachsichtig. „Du kannst dir vorstellen, dass ich ab und an das Forbes-Magazine lese. Vor etwa zwei Jahren gab es dort einen Artikel über deine Familie, mit Bildern deines Vaters, deiner Mutter, und von dir, Christian von Falkenhayn.“ Er setzte sich auf eines der beiden Ledersofas, zwischen denen ein Glastisch stand und deutete einladend auf das Sofa gegenüber. Während er beobachtete, wie Christian Platz nahm, fragte er ernst: „Also, was soll diese Scharade? Was will ein Milliardärssohn aus Deutschland ausgerechnet in einem Nest, wie Smallville?“ Christian blickte zur Seite, zu dem prasselnden Kaminfeuer, bevor er tief durchatmete und Lex direkt ansah. „Meine Mutter starb vor drei Monaten bei einem Terroranschlag, der vermutlich meinem Vater galt. Er war der Meinung, dass es sicherer für mich ist, wenn ich nicht in seiner Nähe bin, solange die feigen Mörder meiner Mutter noch nicht gefasst worden sind. Also beschlossen wir, dass ich für einige Zeit hier untertauche. Aber nicht als bekannter Milliardärssohn. Das deutsche Bundeskriminalamt hielt es darüber hinaus für eine gute Idee, wenn ich hier den Namen meiner Verwandten trage, die vor und während des Zweiten Weltkrieges hierher emigrierten. Ich möchte dich bitten, dass du niemandem hier erzählst wie mein richtiger Name lautet, zumindest nicht, solange die Mörder meiner Mutter noch frei herumlaufen.“ Lex Luthor blickte in Christians Augen und versuchte dort Spuren von Täuschung zu erkennen, doch der Blick des Deutschen wirkte offen und geradeheraus. Sein angeborenes Misstrauen gegen Alles und Jeden legte sich. „Das mit deiner Mutter tut mir sehr leid, Christi... Chris. Ich weiß noch, wie ich mich gefühlt habe, als meine Mutter starb.“ Christian nickte knapp und blickte sich dann um. Schließlich meinte er feststellend: „Die Waffensammlung ist ziemlich beeindruckend.“ Lex grinste schmerzlich. „Meine Mutter mochte die Sammlung nicht. Sie war der Meinung, wir Luthors würden den Krieg bereits in uns tragen, und dass wir uns nicht auch noch damit umgeben müssten.“ „Als mein Vater mich dazu ermunterte Fechtunterricht zu nehmen, sagte er einmal, dass es nie schaden kann wenn man seine Gegner auf eine Armlänge Abstand halten könne.“ „Du verstehst dich auf´s Fechten?“, fragte Lex interessiert. „Bist du gut?“ „Es reicht um meine Gegner auf eine Armlänge Abstand zu halten.“ Lex lachte trocken. Dann fragte er unvermittelt: „Was hältst du von einem kleinen Duell? Francoise, meine Fechttrainerin, und ich trainieren zweimal in der Woche.“ Christian nickte freudig. „Gerne. Ich dachte schon, ich würde für längere Zeit nicht mehr zum Fechten kommen.“ „Na, dann komm mit zum Umkleideraum. Dort müsste eine passende Schutzkleidung und ein Gesichtsschutz für dich zu finden sein.“   * * *   Zehn Minuten später standen sich Lex und Christian in weißen Schutzanzügen gegenüber. Die Visiere des Kopfschutzes hatten sie noch zurückgeschoben. Lex Luthor beobachtete gelassen wie Christian die beiden langen Degen betrachtete die nun auf dem Tisch seines Arbeitszimmers lagen und er gleich darauf die Elastizität der beiden Klingen prüfte. Der Kahlköpfige strich ein imaginäres Stäubchen von seinem Anzug und schritt auf Christian zu. „Gute Arbeit, nicht wahr? Diese Klingen entstanden in Toledo. Wie du vielleicht sachkundig bemerkt haben wirst, handelt es sich um echte spanische Degen aus dem 16. Jahrhundert mit beidseitigem Schliff und beachtlicher Schwere. Ich darf dich der Fairness halber darüber aufklären, dass diese Klingen auch sehr gut als Hiebwaffen verwendet werden können.“ Wem erzählen du das, Lex? Ich darf dich meinerseits darüber informieren, dass ich sowohl die hohe italienische Fechtschule, als auch die etwas unkonventionelle asiatische Muay Thai Barun Kampfweise beherrsche. Wie lauten die Regeln?“ Lex Luthor hüstelte überrascht und überlegte. „Ich würde sagen, drei Körpertreffer, gleichgültig, wo immer angebracht, sollten als Sieg bewertet werden.“ „Einverstanden, Lex.“ Christian überreichte Lex einen der Degen, nachdem er selbst sich entschieden hatte. Die stählernen Klingen leuchten im Licht, welches durch die hohen Fenster fiel. Beide standen sich nun gegenüber. Christian entbot den Gruß mit gekonnt schwingendem Degen. Lex machte es etwas eckiger und weniger elegant. Sie begannen um einander herum zu tänzeln, in beinahe vollendeter Meisterschaft. Sie bevorzugten beide vorerst die weite Mensur, bei der der Gegner nur durch einen Schritt vorwärts mit Ausfall berührt werden konnte. Lex´ Faustposition wurde von Christian sofort durchschaut. Der Deutsche bot eine Blöße, eine Einladung an, aber Lex ließ sich nicht zum Angriff verleiten. Er wartete, bis Christian mit einem blitzschnellen Kopfhieb rechts die Bewegung eröffnete und parierte mit einer gekonnten Quintparade links. „Nicht übel, mein deutscher Hüne. In der Tat, nicht übel.“ Aus seiner Parade heraus führte Lex einen geraden Stoß nach Christians Oberarm. Die Klinge des Deutschen beschrieb mit der Spitze einen wirbelnden Kreis. Diese Kontraparade riss Lex beinahe den Degen aus der Hand. Christians blitzschnell folgende Battuta, mit aller Härte auf die Klinge des Gegners geschlagen, erschütterte ihn nochmals so stark, dass Lex den nächsten Stoß von Christian, rechts hoch, nicht mehr exakt genug mit einer Sixtparade links abwehren konnte. Die Klinge des Deutschen berührte Lex an der rechten Schulter. Lex reagierte jedoch schneller als erwartet. Sein Arretstoß fuhr in den Angriff des Deutschen hinein. Die Klinge fuhr am Gesichtsschutz seines Gegners entlang und verursachte ein schabendes Geräusch. Angriffe und Paraden wechselten nun in schneller Folge, wobei sie sich gegenseitig abwechselnd quer durch den Raum trieben. Lex wurde schließlich langsam aber sicher die Treppe zur Galerie hinauf gedrängt. Seit wenigen Minuten wusste er, dass er in Christian einen würdigen Gegner gefunden hatte, der seiner Fechtlehrerin das Wasser reichen konnte. Wenn er nicht sogar besser war, als sie. Der Deutsche suchte nun mit verblüffender Schnelligkeit und Härte die enge Mensur. Seine Bein und Fußhiebe kamen wie zuckende Blitze. Dazwischen schlug er Figuren aus der Bindung heraus, die in keinem Lehrbuch standen. Lex kämpfte mit verbissener Leidenschaft, Christian mit höchster Disziplin. Ein zweiter Treffer berührte Lex´ rechte Wade. Christian führte den spanischen Raufdegen oftmals wie ein Rapier. Wenn sich Lex einigermaßen auf die Hiebe eingestellt hatte, folgten einfache und Doppelfinten mit anschließenden Stößen auf alle Partien des Körpers. Lex hatte es nur seiner schnellen Fußarbeit und dem regelmäßigen Training mit Francoise zu verdanken, dass er nicht längst verloren hatte. Er wich zurück, suchte erneut die weite Distanz und schaffte sich somit etwas Luft. Er verlor seinen Ansporn nicht. „Ausgezeichnet, Chris. Ich bin glücklich, einen würdigen Gegner gefunden zu haben. Deine Prim-Einladung ist etwas zu durchsichtig.“ Er versuchte einen Ausfall, doch Christian parierte und drängte Lex bis zur Wand zurück. Seine Parade auf den erneuten Vorstoß des Hausherren riss Lex den Degen aus der linken Hand. Die Waffe wirbelte durch den hohen Raum und landete klirrend unten auf dem Boden, vor dem Kamin, während Christian seine Degenklinge zum dritten Treffer auf die Brust seines Gastgebers setzte. Dann senkte Christian die Klinge und hob, so wie auch Lex, sein Visier an. Keuchend maßen sie einander eine Weile, bevor Lex dem Deutschen seine Hand reichte und sagte: „Gut gekämpft. Ich werde dich bei nächster Gelegenheit Francoise vorstellen. Das nächste Mal gibst du mir aber eine Chance und kämpfst auch mit Links.“ „Die Chance hattest du bereits. Mit Links fechte ich noch eine Idee besser.“ „Angeber“, knurrte Lex augenzwinkernd. Dann lachte er und meinte: „Ich hoffe, dass du mir irgendwann eine Revanche gewährst.“ „Immer gerne. Ich könnte eine Dusche vertragen.“ „Das könnten wir wohl beide. Komm ich zeige dir das Gästebad.“ Kapitel 3: Alicia Sterling -------------------------- Alicia Sterling fröstelte und sie schritt etwas schneller aus. Dem dunkelhäutigen, hochgewachsenen Mädchen war nicht ganz wohl dabei, in völliger Finsternis an dem alten, aufgegebenen Fabrikgelände der Creekside-Gießerei entlang zu gehen. Eigentlich hatte sie mit ihrer Freundin Samantha nach Hause fahren wollen, doch diese war von ihrer Mutter angerufen worden, damit sie etwas Dringendes für sie besorgte. Sie hatte ihrer Freundin versichert, dass es ihr nichts ausmachen würde zu Fuß nach Hause zu gehen, als sie sich gegen 19:00 Uhr von ihr verabschiedete. Die kleine Farm ihrer Eltern lag nicht so weit vom TALON entfernt, als dass sie den Weg nicht in einer guten halben Stunde hätte schaffen können. Mit der Abkürzung über das Fabrikgelände. Nach dem Meteoritenschauer war es von den Besitzern aufgegeben worden. Seitdem verrotteten die Gebäude und die Fabrikhalle. Manchmal fragte sich Alicia, wie ihr Leben verlaufen wäre, wenn es diese Katastrophe nicht gegeben hätte. Damals hatte ihr Vater als Vorarbeiter in dieser Fabrik gearbeitet und damit gutes Geld verdient. Außerdem würde ihre leibliche Mutter noch leben. Ihre Stiefmutter war zwar eine sehr gute Frau und sie liebte sie, als wäre sie ihre eigene Tochter, aber das war trotzdem nicht dasselbe. Niemals würde sie ihre leibliche Mutter vergessen, deren Grab sie liebevoll pflegte. Irgendwo schrie ein Kauz aus dem nahen Wald, und längst bereute es Alicia nicht doch den Umweg an der Hauptstraße entlang gemacht zu haben. Schon oft war sie diesen finsteren Weg gegangen, aber heute überfiel sie dabei ein merkwürdiges Unwohlsein. Das fast siebzehnjährige Mädchen schreckte zusammen, als hinter ihr ein leise klirrendes Geräusch entstand. Erschrocken blickte sie über die Schulter und erkannte hinter sich zwei vage Schatten. Sie hielt inne und dachte zunächst, ihre überreizten Sinne haben ihr einen Streich gespielt. Doch dann hoben sich zwei kräftige Gestalten gegen das schwache Hintergrundlicht der Stadt ab. Alicia geriet in Panik. Sie wandte sich um und wollte wegrennen, doch wie aus dem Boden gewachsen stand ein breitschultriger, vermummter Hüne vor ihr. Sie schrie gellend auf, als der Riese sie fest an den Oberarmen packte. „Hallo, schönes Kind. Was hast du hier, mutterseelenallein, im Dunkeln auf dem Fabrikgelände zu suchen, hä?“ Erneut schrie das Mädchen auf und es versuchte verzweifelt sich loszureißen. Im nächsten Moment schien ihre linke Gesichtshälfte zu explodieren, und sie verlor fast die Besinnung, als der Hüne ihr ins Gesicht schlug. Noch während sie wieder zur Besinnung kam, hielt der Fremde eine blitzende Messerklinge vor ihr Gesicht und herrschte sie an: „Wenn du noch einmal schreist, dann schlitze ich dich auf, du kleine Schlampe.“ Im nächsten Moment waren die beiden anderen Gestalten heran und übernahmen es, sie an den Armen festzuhalten. Offensichtlich gehörten sie zu dem Hünen. Die Gedanken des Mädchens begannen sich zu jagen. Verzweifelt bettelte sie schluchzend: „Bitte lasst mich doch gehen. Ich habe euch doch nichts getan.“ „Nein Kleine“, lachte der Kerl, der ihren linken Arm festhielt boshaft. „Aber wir drei werden dir etwas tun. Ein so hübscher Käfer, wie du, hast es doch bestimmt schon mit einer Menge von Kerlen getrieben, habe ich Recht?“ „Nein“, schluchzte Alicia heiser. „Warum tut ihr das?“ Ein erneuter Schlag des Hünen ins Gesicht, diesmal mit der anderen Hand, war die Antwort. Dann zischte ihr Peiniger heiser: „Wir tun es, weil du schwarz bist. Solange ich lebe, werdet ihr Abschaum niemals frei sein in diesem Land. Ihr sollt um eure Sicherheit zittern, bis ihr freiwillig unser weißes Amerika verlassen habt.“ „Aber wir sind genauso Amerikaner, wie ihr“, begehrte Alicia auf. Als der Hüne ihr erneut ins Gesicht schlug verlor sie die Besinnung. Boshaft lachend befahl er seinen Begleitern: „Wir bringen sie in die Gießerei, und dann werden wir es dieser kleinen Schlampe so besorgen, dass sie es bis zu ihrem Lebensende nie wieder vergisst.“ Lachend zerrten die beiden anderen das Mädchen mit sich, während der Hüne in Richtung der verlassenen Fabrikhalle voran schritt.   * * *   Einer der Angestellten von Lex Luthor hatte Christian später nach Hause gefahren. Gleich nach dem Abendessen hatte er das Spielerlaubnis-Formular, seinem Vater gefaxt. Danach hatte er seinem Onkel Bescheid gegeben, dass er noch eine Runde mit seinem 80er Chopper drehen wollte, um sich die Gegend etwas anzusehen. Nutze die Gelegenheit und mache jetzt schon den Autoführerschein hatte sein Onkel ihm noch geraten, bevor er ihn gebeten hatte, bis spätestens 23:00 Uhr wieder da zu sein. Ich kann schon froh sein, wenn ich bis zum Ende der Woche wieder da bin, dachte Christian ironisch, hielt sein Bike an und hob das Visier seines Helms an. Auf dem Rückweg zur Farm war er irgendwo falsch abgebogen, soviel war sicher. Und statt denselben Weg zurück zu fahren hatte er versucht über Nebenpfade wieder zurückzufinden. Und nun stand er hier, mitten in der Wildnis, an einem rostigen Maschendrahtzaun, an dem Schilder die Leute warnten, das Gelände zu betreten. Ein halb verrottetes Firmenschild wies aus, dass es sich einmal um eine Gießerei gehandelt hatte. Er stellte sein Bike auf den Seitenständer und schritt langsam zum Zaun, wobei er zu sich selbst sagte: „Toll, mein Junge, das ist wirklich eine reife Leistung.“ Dabei stellte er fest dass der Zaun bereits mehr Löcher aufwies, als ein Schweizer Käse. Unschlüssig stand er eine Weile dort bevor er sich abwandte. Er musste langsam mal den Rückweg finden. Abrupt hielt er inne, als er aus der Richtung des Fabrikgeländes etwas hörte. Hatte das nicht wie ein Schrei geklungen? Er nahm seinen Helm ab und lauschte in die Nacht hinaus. Zunächst war nichts weiter zu hören und Christian dachte schon an eine Sinnestäuschung, als erneut ein Schrei aufklang und plötzlich abriss. Er hatte sich nicht geirrt. Jemand hatte in Panik geschrien, ein heller, schriller Ton, wie von einer Frau oder einem Mädchen. Schnell setzte Christian den Helm wieder auf und bahnte sich einen Weg durch den Zaun. Jemand war in Not, soviel stand für ihn fest. Und bis er die Polizei verständigt hatte, und sie hier war, würde es vielleicht zu spät sein. Also handelte er selbst. „Hey, wer bist du und was machst du hier?“ Christian glaubte für einen Moment, sein Herz würde aussetzen. Sein Kopf ruckte herum, und neben sich erkannte er Clark Kent. Er hatte weder gehört, noch gesehen, dass er sich genähert hatte. „Ich bin es, Clark. Chris Falken. Ich habe zwei Schreie aus der Fabrik gehört. Jemand ist in Not. Komm mit, wir schauen nach was los ist.“ Er wollte seine unverhoffte Verstärkung mit sich ziehen, doch Clark krümmte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht zusammen, als er ihn in Richtung der Gießerei schob. Verwundert fragte er: „Was ist mit dir, Clark?“ „Ein plötzliches Ziehen im Magen“, antwortete der Schwarzhaarige ausweichend. „Vermutlich die Aufregung.“ „Okay, warte hier und rufe die Kavallerie. Ich sehe alleine nach.“ Clark, der mit verkniffenem Gesicht zur Gießerei starrte, stöhnte leidend: „Nimm dich in Acht, Chris. Sie sind zu dritt.“ „Laufen deine Augen im Nachtsichtmodus?“, fragte Chris ironisch. „Übrigens, Clark: Es wäre höchst unfair, wenn die nur zu dritt gegen mich antreten würden, denn ich verstehe mich sehr gut auf asiatischen Kampfsport.“ Damit verschwand er in der Dunkelheit, während Clark sich etwas vom Fabrikgelände zurückzog und nach seinem Handy tastete.   * * *   Alicia kam wieder zu sich, als sie durch die Toröffnung gezerrt wurde. Panisch bewegte sich ihr Kopf von einer Seite zur anderen und wild versuchte sie, ihre Arme aus dem festen Griff der beiden Männer zu winden, doch es gelang ihr nicht. Flehend schluchzte sie: „So lasst mich doch gehen.... Bitte, lasst mich gehen...“ Immer wieder. „Wir lassen dich gehen“, sagte der Riese, der offensichtlich der Anführer der drei Männer war, höhnisch und fügte andeutend hinzu. „Wenn wir mit dir fertig sind.“ „Nein!“, flehte sie. „Bitte nicht...“ Tränen rannen über ihre Wangen, doch ihre Peiniger lachten nur. „Hier hört dich doch keiner“, klang zum ersten Mal die Stimme des dritten Mannes auf. „Es wird schöner für dich, wenn du dich nicht wehrst, Kleine.“ Die beiden Männer schleiften sie unbarmherzig zu einem niedrigen, alten Arbeitstisch und stießen sie mit dem Rücken gegen die Platte des Tisches. Alicia spürte, wie ihr Magen zu rebellieren begann, als ihr klar wurde, was diese drei Kerle mit ihr vorhatten. Sie mobilisierte alle Kräfte, die ihrem schlanken Körper inne wohnten und gebärdete sich, wild mit den Füßen nach dem dritten Mann tretend, wie toll. Sie bemerkte dabei kaum, dass ihre silberne Halskette riss und einen schmerzenden Striemen auf ihrem Hals hinterließ. Ein schnell ausgeführter Boxhieb des Riesen in ihren Magen trieb ihr die Luft aus den Lungen. Der Schmerz war mörderisch und raubte ihr fast die Besinnung. Wie in Trance bekam sie mit, wie der Riese ihren Rock nach oben schob, ihren Slip mit seiner riesigen Hand packte, und ihn ihr einfach vom Leib riss. „Nein... Bitte...“, stammelte sie immer kraftloser werdend. „Der besorgt es dir, auch ohne dass du ihn darum bitten musst“, höhnte einer der Männer, der sie festhielt, ohne dass das Mädchen noch erkannte, wer von beiden es gewesen war. Wilde Schmerzen jagten durch ihren Leib und ihre Umgebung schien damit begonnen zu haben, sich immer schneller um sie herum zu drehen. Übelkeit stieg in ihr auf. Irgendwo tief in ihrem Innern, begann sie, sich mit dem grausamen Schicksal abzufinden, das ihr drohte. Dann schwanden ihr barmherziger Weise die Sinne...   * * *   Der Riese hatte die schwarz gekleidete Gestalt, die einen Motorradhelm trug, kaum kommen gesehen. Bevor er wusste wie ihm geschah, hatten ihn die Fäuste der vermummten Gestalt hart im Gesicht getroffen und zu Boden geschickt. Christian, der wie ein Rache-Engel vor dem Riesen aufgetaucht war, achtete nicht weiter auf ihn, sondern traf den zweiten Verbrecher mit einem Spin-Kick im Gesicht, während er gleichzeitig seine linke Faust gegen die Schläfe des Dritten sandte. Danach wandte er sich wieder dem Riesen zu, der dabei war, sich wieder vom Boden zu erheben. Ein heftiger Kick mit dem Knie, gegen die Schläfe des Riesen brachte ihn endgültig zu Fall und schickte ihn ins Reich der Träume. Der Zweite hatte sich Christian jedoch unbemerkt von hinten genähert. Er hieb mit einem blitzenden Gegenstand nach ihm. Der Deutsche wich aus, aber nicht schnell genug. Die Klinge des Messers, das der Schurke schwang, drang unterhalb des Schlüsselbeins in seine Schulter ein. Schmerzhaft aufstöhnend schlug Christian den Widersacher nieder, bevor er den Griff des Messers packte, und es aus seiner Schulter zog. Mit einem wilden Schmerzschrei warf er es in einen Winkel der Halle und taumelte dabei auf den einzigen noch handlungsfähigen Schurken zu. Ein wütender Tritt ins Gesicht, machte auch ihn endgültig handlungsunfähig. Keuchend krümmte sich der Blonde kurz zusammen, bevor er sich stöhnend aufrichtete und sich mit sicherer werdenden Schritten zu dem bewusstlosen Mädchen begab. In mitreißender Hilflosigkeit lag sie vor ihm und für einen kurzen Moment spürte Christian das Verlangen in sich aufsteigen, diese drei Verbrecher einfach umzubringen. Er konnte behaupten es sei Notwehr gewesen. Diese Anwandlung verging. Als Christian seine Handschuhe abstreifte und am Hals des Mädchens den Puls fühlte, bemerkte er auf dem Boden eine silberne Kette. Vielleicht gehörte sie dem Mädchen. Achtlos hob er sie auf und steckte sie ein. Wichtig war zunächst einmal nur das Mädchen. Erleichtert ihren Puls spürend, nahm er sie auf die Arme und wankte aus der Halle heraus. Als er die Stelle erreichte, an der er Clark verlassen hatte, stellte er zu seiner Erleichterung fest, dass er noch da war. Vorsichtig legte er das Mädchen ins Gras und keuchte: „Ich kam dazu, bevor diese Verbrecher sie vergewaltigen konnten. Es waren tatsächlich drei. Woher wusstest du das.“ „Äh... ich hörte drei Stimmen.“ „Mann, solche Superlauscher hätte ich auch gerne, ich habe nämlich nur die Schreie des Mädchens gehört.“ Christian bemerkte, dass das Mädchen langsam wieder zu sich zu kommen schien. Er griff sich an die rechte Schulter. „Clark, einer der Schurken hat mich mit dem Messer an der Schulter erwischt. Ich würde gerne sofort ins Krankenhaus fahren, kannst du hier die Stellung allein halten.“ Der Schwarzhaarige fixierte einen imaginären Punkt an seiner Schulter, bevor er antwortete: „Ja, kein Problem.“ „Noch etwas, Clark.“ Christian blickte sein gegenüber durch das geöffnete Visier des Helmes eindringlich an. „Es wäre mir lieber, wenn die Sheriffs glauben, dass du sie gerettet hast. Ich erkläre dir später warum.“ Clark Kent blickte fragend, sagte jedoch nichts, sondern nickte nur. „Danke, du hast etwas gut bei mir.“ Der Deutsche erhob sich schnell, als er in der Ferne die Sirenen hörte. „Wir sehen uns morgen.“ Damit schritt er schnell zu seinem Bike, warf es an und fuhr in die entgegengesetzte Richtung zu den sich nähernden Streifenwagen davon. Es dauerte eine ganze Weile, bis er endlich wieder ein Straßenschild fand. Auf dem Weg zum EDGE-CITY MEDICAL CENTER wurde ihm zweimal fast schwarz vor Augen. Er hatte beschlossen die Wunde lieber nicht in Smallville behandeln zu lassen, denn dorthin würde man fraglos das Mädchen bringen, das er gerettet hatte, und Edge-City lag nur unwesentlich weiter entfernt, von dem alten Fabrikgelände. Aber offensichtlich war der Blutverlust durch die Messerwunde doch größer, als er es gedacht hatte. Erleichtert stellte er seine Maschine am Bordstein vor dem Krankenhaus ab und schlurfte zur Aufnahme, wo er der anwesenden Schwester sagte, er habe unterwegs einen Unfall gehabt und eine Zaunspitze wäre ihm in die Schulter eingedrungen. Die Behandlung der Wunde, durch eine Assistenzärztin erfolgte sehr rasch. Während sie die Wunde reinigte und nähte, warf sie ihm gelegentlich fragende Blicke zu, sagte jedoch nichts, worüber Christian sehr erleichtert war. Anders die Krankenschwester, die danach seine Schulter verband. Noch bevor sie die Auflage auf die Wunde presste, meinte sie tonlos: „Ich bin eigentlich aus New York weg gezogen, damit ich solche Wunden nie wieder sehen muss, junger Mann.“ Sie blickte ihn mit ihren dunklen Augen forschend an, und Christian überkam das Gefühl, diese dunkelhäutige Schwester würde ihn mit einem einzigen Blick durchschauen. „Wie meinen Sie das“, fragte Christian dennoch ablenkend. „Heben Sie Ihren Arm leicht an“, kommandierte die Schwester mit wütendem Unterton und automatisch leistete der Junge Folge. Leiser raunte sie dann: „Hören Sie, Mister, ich bin lange genug Schwester in einem wilden Viertel von New York gewesen, um eine Messerwunde zu erkennen, wenn ich sie sehe. Also kommen Sie nicht auch noch mir mit einem solchen Zinnober: Von wegen Zaunspitze.“ Das Herz des Jungen begann schneller zu schlagen. Instinktiv erkannte er, dass hier nur noch die Flucht nach vorne half. Leise erwiderte er: „Es war ein Messer, Schwester. Ich habe den Typ, der es mir in die Schulter rammte, daran gehindert ein schlimmes Verbrechen zu begehen, und einer unschuldigen Person etwas anzutun, wenn Sie das beruhigt.“ „Was mich beruhigen würde wäre, wenn Sie mir sagen, dass der Andere nicht ein Messer von Ihnen in den Leib bekam.“ „Ich habe ihn niedergeschlagen, Schwester.“ „Sie betreiben Kampfsport?“, erkundigte sich die Afroamerikanerin, ohne dabei das Verbinden der Schulter zu unterbrechen. „Das stimmt, Schwester.“ Der Junge erwiderte den erneut forschenden Blick, und mit etwas milderer Stimme meinte die Schwester schließlich: „Nun, die Statur dazu besitzen Sie ja. Aber ich hoffe, dass Sie das nicht dazu verleitet sich für Wyatt Earp zu halten.“ „Ich stehe mehr auf Django, Schwester.“ „Wer?“ Christian lachte und stöhnte gleich darauf schmerzvoll auf, als ein Stechen durch seine Schulter jagte. „Vergessen Sie es einfach.“ Die Schwester schloss den Verband und meinte dann. „Tun Sie mir einen Gefallen und spielen nicht noch öfter die Zielscheibe für Messerstecher, okay.“ „Ja, Miss... äh...“ „Misses Cassidy Sterling. Sie können nun gehen. In einer Woche kommen Sie wieder, dann nehmen wir den Verband ab und ziehen die Fäden. Und keine Sorge, mein Junge, ich sage es nicht weiter.“ Christian sah ihr nach, als sie ging. „Danke, Misses Sterling.“ Nachdem er sich wieder angekleidet hatte, überlegte Christian ob er sich abholen lassen sollte. Schließlich entschied er sich dagegen. Den Weg würde er schon schaffen, und er wollte seine Verwandten nicht unnötig aufregen. Beim Verlassen des Hospitals blickte er auf die Uhr und stellte fest, dass es bereits nach 22:00 Uhr war. Er musste sich langsam beeilen um noch rechtzeitig Zuhause zu sein. Dabei ertasteten seine Finger die Kette in seiner Jackentasche, und trotz der langsam nachlassenden Schmerzen in der Schulter verspürte er ein gutes Gefühl in sich, weil er etwas Richtiges, etwas Gutes, getan hatte. Ein wenig schuldbewusst dachte er dabei an Clark Kent, den er allein mit dem Mädchen zurückgelassen hatte. Er konnte momentan nur hoffen, dass Clark mit der Situation klar kam. In Gedanken liefen dabei die Ereignisse noch einmal vor seinem geistigen Auge ab und am Ende blieb nur eine einzige Frage: Woher wusste Clark, dass es drei Typen gewesen waren...? Kapitel 4: Recherchen ---------------------  „Hast du schon gehört, dass Clark, gestern Abend, ein Mädchen gerettet hat?“ Christian, der zusammen mit Pete in Richtung des Treppenhauses schritt, blickte den begeisterten Jungen an und erwiderte etwas abwesend: „Nein, erzähl mal.“ Pete war ganz in seinem Element, als er berichtete: „Stell dir vor, dieser Teufelskerl hat es ganz allein geschafft Alicia Sterling vor drei finsteren Verbrechern gerettet die sie überfallen hatten. Gar nicht vorstellbar, was vielleicht noch passiert wäre, wenn er nicht zufällig ihre Schreie gehört und sofort gehandelt hätte.“ Christian war mit einem Mal voll bei der Sache, nachdem Pete den Namen des Mädchens erwähnt hatte. Drängend fragte er: „Was hast du da eben gesagt? Wie war der Name des Mädchens?“ „Alicia.“ „Nein, ich meinte, wie war der Nachname?“ Pete erwiderte verwundert den Blick des Deutschen. „Sterling. Sie und ihre Eltern, sind eure Nachbarn, Chris.“ „Ist ihre Mutter Krankenschwester in Edge-City?“ Pete nickte. „Ja, hier in Smallville gab es keine Anstellung für sie. Ich wusste gar nicht, dass du sie schon kennst.“ Christian schüttelte den Kopf. „Das kann man so auch nicht sagen. Ich hatte gestern einen kleinen Unfall mit meinem Motorrad, in der Nähe von Edge-City und deshalb war ich gestern dort im Krankenhaus. Eine gewisse Schwester Cassidy Sterling hat im Anschluss an die Behandlung meine Schulter verbunden.“ Sie bogen zum Treppenhaus ab. Während sie in den ersten Stock hinauf stiegen, meinte Pete: „Das ist ihre Stiefmutter. Du musst unmittelbar vor dem Anruf der Polizei bei ihr gewesen sein. Chloe sagte, sie wäre ganz aufgelöst gewesen.“ „Wieso Chloe?“ Grinsend erklärte Pete: „Unsere Klatsch-Reporterin war zufällig vor Ort, als Alicia im Krankenhaus eingeliefert wurde. Clark war auch dabei, und Chloe hat ihn noch im Krankenhaus darüber ausgequetscht was los war.“ Christian nickte in Gedanken, als sie in den Gang zum Biologieraum einbogen. „Weißt du, wie es Alicia geht? Haben diese Dreckskerle sie verletzt? Und was ist mit ihrer richtigen Mom?“ „Mann, du bist wohl zu viel mit Chloe zusammen gewesen“, beschwerte sich Pete über das Fragen-Wirrwarr. „Alicia ist soweit gesund, bis auf einige blaue Flecken, einer Gehirnerschütterung und einem Schock ist ihr nichts passiert. Das Cheerleadertraining kann sie erst einmal für die nächste Woche vergessen, schätze ich. Ihre richtige Mutter starb bei dem Meteoritenregen, vor vierzehn Jahren.“ Betroffen blickte Christian zu Pete. Sie blieben vor dem Klassenzimmer stehen und der Blonde meinte mit geballten Fäusten: „Wohin ich hier höre gab es Verluste unter den Familien in Smallville, bei dem Meteoritenregen. Ich sollte vielleicht aufhören zu viele neugierige Fragen zu stellen.“ Pete legte dem Hünen impulsiv seine Hand auf die Schulter. Erst als Christian das Gesicht verzog nahm er sie erschrocken weg. „Tut mir leid, Mann. Ich hatte ganz vergessen, was du eben über deine Schulter gesagt hast.“ Sie traten ein und Pete fragte unvermittelt: „Setzen wir uns zusammen? Clark kommt heute erst zur zweiten Stunde, weil der Sheriff ihn unbedingt direkt nach Dienstbeginn sprechen wollte. Und diese Dame versteht keinen Spaß.“ Christian grinste schwach und setzte sich neben Pete. „Also nicht Matt Dillon, sondern eine Mary Dillon?“ Pete Ross verdrehte seine Augen. „Ich hasse diese Western-Serie. Außerdem war der Typ Marshall, wenn ich mich nicht irre.“ „Komm schon. Festus Hagget ist doch bestimmt auch hierzulande Kult.“ Ein Lachen war die Antwort. „Um das zu verstehen muss man wohl Deutscher sein. Sie heißt übrigens Nancy Adams und nicht Mary Dillon.“ Hinter ihnen hatten zwei Mädchen Platz genommen, die beide unverkennbar lateinamerikanische Wurzeln besaßen. Sie tuschelten bereits eine geraume Weile auf Spanisch mit einander, und das nicht sehr leise, da sie die einzigen Latinas in diesem Kurs waren. Christian zwinkerte Pete, der bereits die Augen verdrehte, auffällig zu, bevor er sich langsam den beiden Mädchen zu wandte. Leise raunte er den beiden einige Sätze in fließendem Spanisch zu, und Petes Augen wurden langsam größer. Der Dunkelhäutige wusste zwar nicht, was Christian zu ihnen gesagt hatte, aber umso vergnügter registrierte er, dass beide gleichermaßen rote Ohren bekamen. Und das Getuschel hörte auf. Nachdem sich Christian wieder herumgedreht hatte, fragte Pete verblüfft: „Du sprichst Spanisch?“ „Du nicht?“ Der Deutsche grinste fein und erklärte dann: „Meine Eltern wollten unbedingt, dass ich neben Englisch und Französisch noch eine dritte Fremdsprache lerne. Mittlerweile bin ich ihnen dankbar dafür. Letztes Jahr habe ich damit begonnen zusätzlich Japanisch zu lernen.“ Pete schüttelte fassungslos den Kopf. „Ich habe gehört, dass die korrekte Aussprache gar nicht so leicht sein soll.“ „Dafür ist die Schrift etwas schwerer“, ergänzte Christian todernst. Pete lachte erheitert. Unsicher blickte er sich um und fragte dann flüsternd: „Sag mal, Chris, was hast du denen denn gesagt?“ In diesem Moment betrat ihre Lehrerin den Raum, und Christian, der sich etwas im Stuhl zurück lehnte, grinste zur Antwort nur flüchtig. Dabei fragte er sich mit einer leichten inneren Unruhe, was Clark Kent dem Sheriff erzählen würde.   * * *   „Unsere kleinen Unterhaltungen entwickeln sich langsam zu einem Dauerbrenner, Mister Kent.“ Nancy Adams, mittlerweile im zweiten Jahr Sheriff von Lowell County, und damit auch von Smallville, musterte den jungen Mann, den sie mittlerweile besser kannte, als manchen ihrer Deputys, missbilligend mit ihren rehbraunen Augen und trommelte dabei nervös mit den Fingernägeln der rechten Hand auf der Platte ihres Schreibtisches herum. Ironisch fragte sie: „Haben sie mal darüber nachgedacht, später Polizist zu werden? Jemanden mit ihrer Aufklärungsquote könnten wir verdammt gut gebrauchen, Mister Kent.“ „Ich dachte eher daran, nach der Highschool Publizistik zu studieren“, antwortet der Schwarzhaarige lächelnd und mit so treuherzigem Blick, dass es selbst der sonst so schlagfertigen Polizistin im Moment die Sprache verschlug. Die Epidermis-Durchblutung von Nancy Adams´ Gesichtshaut, deren Linien von einem harten und entbehrungsreichen Leben erzählten, steigerte sich sichtlich und gereizt herrschte sie den Jungen an: „Mister Kent, verulken kann ich mich selbst, dafür brauche ich Sie nicht. Das Einzige, was mich momentan interessiert ist, was sich gestern an dem alten Gießerei-Gelände abgespielt hat. Was hatten Sie da überhaupt zu suchen?“ „Ich habe Ihnen bereits gestern gesagt, dass ich zufällig in der Nähe war, und dass ich dann die Schreie des Mädchens hörte.“ „Ja, verdammt.“ Das Gesicht der Polizistin näherte sich Clark über den Schreibtisch hinweg. Gefährlich leise fragte sie: „Aber für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass ich Ihnen, nach allen Vorfällen, in die Sie bereits verstrickt waren, diesen Schmuh abkaufe?“ Die Lippen des Jungen pressten sich auf einander und stumm erwiderte er den forschenden Blick der blonden Frau. Schon oft hatte er versucht sich vorzustellen, wie die forsche Fünfzigerin in seinem Alter ausgesehen haben mochte. Einmal mehr kam er zu der Ansicht, dass sie in früheren Jahren die Männerwelt fasziniert haben musste. Einen Hauch davon konnte man erahnen, wenn man sie näher kennenlernte, fand der Junge. Nancy Adams riss den Jungen durch einen abrupten Themenwechsel aus seinen Betrachtungen. „Sie haben gestern von einem Überfall auf das Mädchen gesprochen. Meine Deputys fanden das hier in der Halle.“ Damit warf sie einen beschrifteten Plastikbeutel auf die Schreibtischplatte, vor Clark. Er enthielt einen lachsfarbenen Gegenstand, den der Junge bei genauerer Betrachtung als zerrissenen Spitzenslip identifizierte. Und er begann zu ahnen, wem er gehörte. Er hatte Nancy Adams gestern nichts von einer versuchten Vergewaltigung erzählt, weil ihn Alicia Sterling inständig darum gebeten hatte, als er für eine Weile allein mit ihr im Krankenzimmer gewesen war. Als er wieder Sheriff Adams ansah, fragte die Frau mit gefährlicher Sanftmut: „Wollen Sie Ihrer Aussage etwas hinzufügen, Mister Kent.“ Clark überlegte fieberhaft. Einerseits durften die drei Verbrecher nicht zu gelinde davonkommen, andererseits hatte er Alicia ein Versprechen gegeben. Zuerst musste er noch einmal mit ihr reden, bevor er dem Sheriff mehr sagen konnte. Zögernd sagte er: „Es war sehr finster in der Halle, Sheriff. Es ging alles so schnell. Nachdem ich die drei unschädlich gemacht hatte, habe ich Alicia bewusstlos auf einem Tisch liegen sehen. Ich weiß nur noch, dass ich dann ihren Puls gefühlt, und sie nach draußen gebracht habe, falls diese Schurken wieder zu sich gekommen wären, bevor die Polizei eintrifft.“ Die langjährige Erfahrung der Polizistin sagte ihr, dass sie momentan nicht mehr aus dem Jungen heraus bekommen würde. Sie nahm den Beutel wieder an sich – nicht ohne dennoch einen letzten Versuch zu unternehmen, an das Gewissen des Jungen zu appellieren. „Mister Kent, im Moment reicht die Beweislage nur für einen versuchten Raubüberfall mit Körperverletzung. Das bedeutet, dass diese Mistkerle vermutlich mit nicht mehr als einer Geldstrafe und einigen Monaten auf Bewährung davonkommen. Wenn es nach mir gehen würde, dann würde ich diese drei gerne für eine Weile aus dem Verkehr ziehen. Aber ich muss mich an die Gesetze halten. Denken Sie gut darüber nach, Mister Kent. Guten Tag.“ Nancy Adams blickte dem Jungen nach, als er sich wortlos erhob und ihr Büro verließ. Dabei dachte sie an den alten Spruch, dass eine Kette immer nur so stark war, wie ihr schwächstes Glied. Vielleicht wurde es Zeit, Alicia Sterling unter vier Augen zu befragen. Sie blickte eine Weile zum Fenster ihres Büros hinaus, bevor sie sich entschlossen erhob, ihre Uniformjacke anzog und ihren Hut vom Ständer nahm. Dabei ließ sie den Beutel mit dem Slip in einer ihrer Jackentaschen verschwinden. Es war an der Zeit zu handeln...   * * *   Als Sheriff Nancy Adams das Krankenzimmer von Alicia Sterling betrat, war das Mädchen gerade im Begriff ihre Sachen zusammenzupacken. Sie wies den Deputy, der sie begleitete an, niemanden in das Zimmer zu lassen, solange sie mit Alicia redete, und schloss die Tür hinter sich. Verwundert und mit einem scheuen Ausdruck in ihren Augen, hielt das Mädchen in ihrer Beschäftigung inne und blickte die Polizistin an. „Hallo, Miss Sterling“, begrüßte Nancy Adams das Mädchen mit einem warmherzigen Lächeln. „Ich bin gekommen um mit Ihnen nochmal in Ruhe über das zu sprechen, was gestern passiert ist. Es wird nicht lange dauern.“ Sie deutete auffordernd auf die Bettkante, während sie selbst den Besucherstuhl heran zog und darauf Platz nahm. „Ich wollte Sie gestern Abend nicht mehr belästigen als nötig. Sie sagten lediglich, die drei Männer, die wir festgenommen haben, hätten Sie überfallen. Ist das korrekt?“ Das Mädchen nickte stumm. Mit großen Augen blickte sie die Uniformierte an. Nancy Adams´ Instinkt sagte ihr, dass dieses Mädchen Angst hatte. Große Angst, die auf etwas anderes zurückzuführen war, als auf die traumatischen Ereignisse des Vortages. Sie musste ihren aufsteigenden Mutterinstinkt niederringen um diese Befragung so fortzuführen, wie sie es sich vorgenommen hatte. Ihre eigene Tochter war im Alter von fünfzehn Jahren an Leukämie gestorben. Ihre Ehe war daran zerbrochen. Die Polizistin schüttelte diese dunklen Erinnerungen ab und sagte eindringlich: „Nun, für versuchten Raub in Tateinheit mit Körperverletzung kommen diese drei Männer mit einer Geldstrafe und einigen Monaten auf Bewährung davon, Miss Sterling.“ Sie zog den Beutel aus ihrer Tasche und drehte ihn zwischen ihren Händen. Dabei bemerkte sie den geradezu panischen, gehetzten Blick des Mädchens vor ihr. „Meine Leute fanden dies in der Gießerei. Ich denke, dass wir uns einen DNA-Test sparen können. Sagen Sie mir einfach wem er gehört, Miss Sterling.“ Der Blick des Mädchens irrte zwischen dem Beutel und den Augen der Polizistin hin und her. Sie begann am gesamten Körper zu zittern und brachte kein Wort heraus. „Ganz ruhig, Alicia“, sagte Nancy Adams ungewohnt sanft und vertraulich. „Ich bin hier um dir zu helfen. Solange du nicht redest kommen diese Dreckskerle wieder auf freien Fuß. Für versuchte Vergewaltigung werden sie jedoch ins Gefängnis kommen. Du hast erfahren, wie hilflos man sich fühlt, und du kannst verhindern, dass diese Mistkerle anderen Mädchen dasselbe antun ohne dass jemand in der Nähe ist, der sie rettet.“ Tränen rannen über die Wangen des Mädchens. Ihre Augen sahen durch die Uniformierte hindurch. Stockend sagte sie: „Dieser Riese... er... hat mich geschlagen. Die zwei anderen Männer haben... sie haben mich festgehalten. In der Halle... da... da... Dieser Riese hat... Er griff mir unter den Rock. Ich... ich habe gefleht, dass er aufhört. Sie haben nur gelacht. Der Riese hat... mir den Slip vom Leib... Er wollte...“ Weiter kam das Mädchen nicht. Sie schlug ihre Hände vor das Gesicht und weinte zum Gott erbarmen. Schnell steckte die Polizistin den Beutel ein, setzte sich neben Alicia auf die Bettkante und nahm sie beschützend in die Arme. Dabei bettete sie den Kopf des Mädchens an ihre Brust und tröstete es mit ruhigen stereotypen Worten, die allmählich Wirkung zeigten. Als sich Alicia langsam beruhigte, flüsterte Nancy Adams beruhigend: „Es ist richtig gewesen, dass du mit mir darüber geredet hast. Ich verstehe, dass es dir sehr unangenehm gewesen ist, aber jetzt wird alles gut werden.“ „Aber meine Eltern...“, schluchzte das Mädchen. „Alles, was du mir hier anvertraut hast, wird von mir vertraulich behandelt. Aber dir ist klar, dass du später bei der Verhandlung dies alles vor Gericht wiederholen musst, damit diese Verbrecher ihre gerechte Strafe erhalten.“ Alicia Sterling blickte der blonden Frau in die Augen. „Ich habe Angst vor der Reaktion meiner Eltern, wenn ich es ihnen sage, Sheriff.“ Die Uniformierte rückte etwas von Alicia ab und nahm ihr Gesicht in ihre Hände.„Bringe es ihnen bei, wenn du bereit dazu bist, aber warte damit nicht zu lange, mein Kind. Deine Eltern lieben dich, und sie werden für dich da sein, da bin ich mir sicher.“ Das Mädchen umarmte die Polizistin dankbar. Erneut ließ sie ihren Tränen freien Lauf, und Nancy Adams ließ sie gewähren. Sie wusste, wie befreiend es für Alicia sein würde, ihren seelischen Schmerz herauslassen zu können. Als sie durch die Scheibe des Krankenzimmers erkannte, dass die Stiefmutter des Mädchens eingetroffen war, förderte sie eine Packung Papiertaschentücher zutage und reichte sie Alicia. „Deine Mom holt dich ab.“ Das Mädchen wischte sich die Tränen fort und schnäuzte sich dann. Danach erhob sie sich, blickte die Polizistin an und sagte leise: „Danke, Sheriff Adams.“ Die uniformierte tätschelte leicht ihre Wange. „Schon gut, Alicia. Du kannst jederzeit zu mir kommen und mit mir reden, wenn dir danach ist.“ Bevor Alicia das Zimmer mit ihrer kleinen Reisetasche verließ, blickte sie noch einmal zurück und lächelte scheu. Nancy Adams erwiderte aufmunternd ihr Lächeln und beobachtete durch die Scheibe des Raumes, wie Cassidy Sterling das Mädchen herzlich in die Arme nahm. Erst als sie davon schritten ging sie selbst langsam zur Tür, wobei ihre Gesichtszüge mit jedem Schritt an Härte gewannen. Dabei dachte sie: Jetzt habe ich euch drei Mistkerle an den Eiern.   * * *   Draußen war es bereits stockfinster, doch Chloe machte in der TORCH-Redaktion mal wieder Überstunden. Dabei hatte sie sich eigentlich vorgenommen, den neuen Mitschüler persönlich etwas näher unter die Lupe zu nehmen. Doch dann war sie im Internet auf etwas gestoßen, das sie vor dem PC gebannt hatte. Eigentlich war das Ganze nur ein dummer Zufall gewesen. Aber wie bei allen dummen Zufällen sprang dabei oft mehr heraus, als bei der ausgefeiltesten Recherche. Chloe hatte sich bei ihrer Recherche im Internet von dem Spruch leiten lassen: Wen GOOGLE nicht kennt, den gibt es nicht. Also hatte sie das naheliegende getan und den Namen Chris Falken und Deutschland in die Suchmaschine eingegeben. Doch hier hatte sie einige Millionen Treffer, so dass sie die Suche eingrenzen musste. Zu ihrer gelinden Verwunderung hatte dies nichts gebracht, bis sie auf die Idee kam, Christian statt Chris einzugeben. Dabei war sie dann zufällig über die Nachfrage gestolpert, ob sie Falkenhayn meinte. Eher pessimistisch hatte sie diesen Namen angeklickt und war über zig Weiterleitungen zum Forbes-Magazine verwiesen worden. Mit, vor Anstrengung, bereits brennenden Augen hatte sie die Online-Artikel nur grob überflogen. Was sollte Chris auch mit denen vom Forbes zu schaffen haben. Das war doch zu abwegig. Doch dann, als sie die Seite schon schließen wollte, fiel ihr Blick eher zufällig auf das Bild eines deutschen Milliardärs, und sie glaubte ihren Augen nicht zu trauen, als sie neben dem Mann einen Jungen stehen sah, dessen Gesicht ihr verdächtig bekannt vorkam. Als sie damit endlich einen Namen und somit einen Ansatz hatte dauerte es nicht mehr sehr lange, bis sie ein Bild der beiden mit höherer Auflösung gefunden hatte. Der Mann wurde als Graf Gernot von Falkenhayn beschrieben und sein Sohn, als Christian von Falkenhayn. „Der Typ hat echt blaues Blut in den Adern“, entfuhr es dem Mädchen fassungslos als sie sich im Sessel zurücklehnte. „Und seine Familie hat Geld bis zum Abwinken. Aber was soll dann die Nummer mit Chris Falken?“ Überlegend begann sie nach einer Weile erneut im Internet zu recherchieren. Und sie wurde fündig. Was sie über den Ur-Großvater von Chris zutage förderte war höchst interessant und mindestens einen Hauptartikel für die TORCH wert. Hochzufrieden damit, was sie herausgefunden hatte, speicherte sie was sie hatte auf ihrer Festplatte und packte eilig ihre Sachen zusammen. Sie brauchte nun Ruhe um nachzudenken. Und morgen würde sie den Artikel schreiben und einen absoluten Knüller landen, von dem man selbst beim DAILY PLANET hören würde... Kapitel 5: Tatsachen und Wahrheiten ----------------------------------- Als Clark Kent am Morgen aufwachte hatte er ein ungutes Gefühl im Magen. Die Worte von Sheriff Adams hatten ihn am vergangenen Abend bis in den Schlaf verfolgt. Nachdem er die morgendlichen Arbeiten auf der Farm in Supergeschwindigkeit erledigt hatte, betrat er spürbar bedrückt die Küche, in der seine Mutter gerade das Frühstück zubereitete. Sie blickte ihren Sohn an und fragte neugierig: „Clark, was hast du?“ Manchmal verwünschte Clark, dass seine Mom ihm stets an der Nasenspitze ansehen konnte, wenn ihn etwas bedrückte. So wie in diesem Moment. Langsam ließ er sich am Küchentisch nieder und suchte nach den richtigen Worten. Dann erklärte er: „Ich habe dir und Dad doch gestern von Alicia Sterling erzählt, und dass sie überfallen wurde.“ Martha Kent nickte und kam näher zum Tisch. „Na ja, die drei Kerle, die Alicia überfielen wollten sie vergewaltigen, aber sie bat mich das dem Sheriff nicht zu sagen.“ „Clark...!“ „Ich weiß, Mom. Diese Kerle müssen dafür bestraft werden. Aber es war Alicia sehr wichtig. Ich werde nachher zu Sheriff Adams gehen, aber zuerst möchte ich vorher nochmal mit Alicia Sterling darüber reden.“ Jonathan Kent, der unbemerkt dazu gekommen war, hatte den letzten Teil der Unterhaltung mitbekommen. Nachdem ihm Martha in schnellen Worten die Zusammenhänge erklärt hatte, meinte er: „Clark, es gibt Versprechen, die man anderen Menschen nicht geben, oder sie von anderen Menschen verlangen darf. Du weißt, was du zu tun hast, also handele bitte danach. Egal was dir Alicia in dem Gespräch mit ihr sagen wird.“ Clark nickte. „Das werde ich, Dad.“ Während Martha Kent zufrieden lächelte, legte Jonathan Kent seine Hand auf Clarks Schulter und nickte ihm zu. „Ich verlasse mich darauf, Junge.“ Clark lächelte erleichtert und machte sich daran zu frühstücken. Danach zog er seine Jacke über, nahm er seine Schulsachen und machte sich, wie immer reichlich spät, auf den Weg zur Schule. Er fuhr mit dem Pickup, den ihm seine Eltern zum Geburtstag geschenkt hatten, um nicht aufzufallen. Er hätte wesentlich schneller hin laufen können, doch die Gefahr dabei beobachtet zu werden schien ihm, im Vergleich zu Früher, mittlerweile zu groß. Als Clark seinen Wagen gegenüber des Haupteingangs der Schule parkte, fiel ihm auf, dass zwei Parkboxen weiter gerade Chris Falken von seiner Maschine stieg. Schnell stieg er aus und schritt zu dem Deutschen, der gerade seinen Helm abnahm. „Hi, Chris. Gestern haben wir uns nur flüchtig gesehen.“ Er blickte sich schnell nach eventuellen Zuhörern um, bevor er sagte: „Vorgestern Abend hast du mir gesagt, du würdest mir erklären, wieso du weg wolltest, bevor die Polizei auftauchen konnte.“ Christian blickte Clark eingehend an und seufzte dann: „Na schön, ich denke, ich kann dir vertrauen.“ Immer darauf achtend, dass sich ihnen niemand unbemerkt näherte, erklärte er Clark das, was er auch schon Lex Luthor berichtet hatte. Am Ende bat er den Schwarzhaarigen eindringlich: „Behalte das bitte für dich, Clark. Ich lege keinerlei gesteigerten Wert darauf, bei meiner Tante Annette in Metropolis von Privatlehrern unterrichtet zu werden. Ich habe mich noch nie so ungebunden und so frei gefühlt, wie hier in Smallville. Das möchte ich nicht schon wieder aufgeben.“ „Mach dir keine Gedanken, ich verrate nichts.“ Christian atmete erleichtert auf. „Aber jetzt habe ich eine Frage, Clark. Ich frage mich seit vorgestern Abend, woher du wusstest, dass es drei Typen waren. Und komm mir nicht damit, du hättest sie an den Stimmen erkannt. Ich habe gute Ohren und da war außer den beiden Schreien des Mädchens nichts zu hören.“ Der Schwarzhaarige schwieg und blickte nur in Christians Augen, so als wolle er ihn hypnotisieren. Endlich lächelte der Deutsche und meinte entsagungsvoll: „Wenn du mein Geheimnis genauso eisern bewahrst, wie dein Geheimnis, dann will ich es gar nicht wissen.“ Ein wenig verwundert über diese Aussage folgte er Christian in Richtung des Schuleingangs. Schließlich bog Christian zum Klassenzimmer für den Mathematikkurs ab und Clark bekam noch mit, wie er einige Schüler begrüßte, bevor er schnell Marina und Conchita folgte und ihnen nachrief: „Qué pasa Amigas! Comó estáis?“ Clark, der in diesem Moment Chloe neben sich auftauchen sah, die dem Deutschen ebenfalls hinterher blickte, meinte kopfschüttelnd: „Geben wir ihm noch drei Wochen, dann hat er den Laden fest im Griff.“ Zu seinem gelinden Erstaunen ging Chloe nicht weiter auf das Thema Chris ein, sondern zog ihn mit sich zum Büro der TORCH, wobei sie geheimnisvoll andeutete: „Ich habe gestern Abend etwas über Chris entdeckt, das zieht selbst dir die Schuhe aus, Clark.“ Dabei beließ sie es, bis sie im Büro waren und sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte. Dann deutete sie auf den Stuhl neben ihrem eigenen und meinte: „Setz´ dich, Clark, ich will dir etwas zeigen. Übrigens heißt Chris in Wirklichkeit Christian.“ Clark wollte Chloe einbremsen, doch das Mädchen war nun ganz in seinem Element. Sie öffnete die Dateien, die sie am Vorabend gespeichert hatte und dazu ein Artikellayout der nächsten Ausgabe der TORCH, die nach dem Wochenende am Montag erscheinen würde. Der Schwarzhaarige überflog in Windeseile die Artikel und warf dann einen Blick auf das TORCH-Layout. Schließlich blickte er das begeisterte Mädchen mit finsterer Miene an und fragte unwillig: „Chloe, was hat der Urgroßvater mit dem Tun von Christian zu schaffen. Er war damals noch nicht geboren. Und schließlich war sein Urahn ganz normaler Oberst der Wehrmacht, wie da steht - nicht bei der SS oder so etwas.“ Verblüfft über Clarks Reaktion begehrte sie auf: „Aber was ist damit, dass er hier einen anderen Namen angenommen hat? Was soll das?“ „Er hat sicherlich seine Gründe, Chloe. Jeder von uns hat seine kleinen Geheimnisse, auch du, und niemand hat das Recht, sie in die Öffentlichkeit zu zerren, ohne die Hintergründe dafür zu kennen.“ „Ja, aber...“ Clark sprang auf und hielt Chloe fest an den Oberarmen. Sein Gesicht war ihrem ganz dicht, als er scharf sagte: „Hast du bereits vergessen, was du mit deinem letzten Sensationsartikel angerichtet hast? Zu deiner Erinnerung: Eine Lehrerin kam ins Gefängnis, ihr Sohn in die Psychiatrie, weil er dich umbringen wollte, und ich musste dir eine Spritze ins Herz jagen, die selbst einem mittleren Elefanten einen Schrecken eingejagt hätte. Chloe funkelte Clark an. So hatte er noch nie mit ihr gesprochen. Nur einmal in Metropolis, aber da war er irgendwie nicht er selbst gewesen. „Das ist nicht fair, Clark.“ Clark wollte etwas darauf erwidern, als jemand hinter ihm das Büro betrat. Als er sich umwandte, erkannte er Alicia Sterling, die auf ihn zu kam und scheu lächelnd meinte: „Ich habe dich gesucht, Clark. Ich bin gekommen um dir zu danken, dass du bei dem Überfall auf mich so mutig warst und eingegriffen hast.“ Sie reichte ihm die Hand und sah dabei unwillkürlich auf den Bildschirm mit Chloes Artikelentwurf. Mit immer größer werdenden Augen starrte sie auf die Überschrift und überflog die Unterschrift des Bildes mit Christian und seinem Vater. In ihre Augen trat ein seltsames Funkeln bevor sie sich auf dem Absatz umdrehte und fast fluchtartig das Büro verließ.“ Verwirrt blickte Chloe zu Clark. „Was war denn das?“ „Das war die Wirkung deines Artikels auf sie“, fuhr der Junge sie an. Dann deutete er beinahe anklagend auf das Layout und verlangte: „Du wirst das von deiner Festplatte löschen, Chloe. Auch das, was du über Chris und seine Familie zusammengetragen hast. Und du wirst es gleichfalls aus deinem Gedächtnis löschen.“ „Was hast du denn, Clark?“ Etwas ruhiger als zuvor erwiderte der Schwarzhaarige: „Erst letzte Woche, als du in unsere Scheune kamst habe ich dir gesagt, dass der Tag, an dem es keine Entschuldigungen deinerseits mehr geben kann noch nicht gekommen ist. Jetzt sage ich dir, dass du dicht davor stehst, Chloe. Vertraue mir, wenn ich dir sage, dass Chris gute Gründe für sein Handeln hat, und dass du mit diesem Skandalreport Ereignisse auslöst, mit denen du anderen Menschen sehr schaden würdest.“ Unter dem Blick des Freundes gab das Mädchen schließlich nach und entgegnete mürrisch: „Ich werde es gleich nach dem Unterricht löschen.“ „Nein Chloe, du wirst es jetzt sofort löschen.“ „Hey, machst du jetzt auf Macho?“, konterte Chloe gereizt. Dann kam sie Clarks Aufforderung zögerlich nach und entfernte alle Daten und das Layout der TORCH unter seinen prüfenden Blicken. Danach blickte sie mit funkelnden Augen zu ihm auf. „Ich hoffe, du bist jetzt zufrieden.“ Clark nickte. „Sehr zufrieden. Und du versicherst mir, dass du nicht zufällig irgendein klitzekleines Backup übersehen...“ „Raus hier, Clark!“, schnappte das Mädchen beleidigt. Mit nachdenklichem Blick trottete Clark zur Tür. Bevor er sie erreicht hatte, wandte er sich nochmal zu Chloe um, die ihn fragend ansah. „Weißt du, Chloe: Das Wissen um die volle Wahrheit führt nicht immer zur Erkenntnis – manchmal führt es in den Wahnsinn. Darüber solltest du einmal gut nachdenken.“ Damit ging er und ließ eine sehr verwirrte und nachdenkliche Freundin zurück.   * * *   Als Christian nach der letzten Stunde an diesem Freitag durch den Ausgang der Schule schritt war er bester Laune. Er hatte dem Coach zwischendurch seine Spielerlaubnis ins Büro gebracht, und dieser hatte ihm versprochen, dass er ab der nächsten Woche bereits mittrainieren durfte und während des anschließenden Spiels zumindest schon einmal auf der Bank sitzen würde. Zwar bestand wohl wenig Aussicht auf einen richtigen Spieleinsatz bereits am nächsten Wochenende, aber es gab immer unerwartete Chancen, wie sein Vater oft zu sagen pflegte. Außerdem musste ohnehin seine Wunde noch verheilen. Conchita Morales, die sich an seine linke Seite drängte, fragte ihn: „Hey Chris, kommst du heute Abend zu Katies Party? Sie meinte, ich solle dich fragen.“ „Das wird bestimmt toll!“, erklärte Marina Espada, die an seiner anderen Seite auftauchte und ihn keck ansah. „Ich habe gehört, dass ein paar Leute sogar live Musik dort machen werden. Außerdem besitzen ihre Eltern einen Whirlpool.“ Christian erwiderte das Lächeln der beiden Latinas. Seit er ihnen im Biologie-Unterricht gesagt hatte, dass er sehr gut verstehen würde, was sie auf Spanisch über ihn tuschelten, machten sie sich einen Spaß daraus übertrieben mit ihm zu flirten. Und Christian, der die beiden mittlerweile ganz gut leiden konnte, spielte ihr kleines Spielchen mit. Nachdenklich meinte er: „Ich weiß noch nicht, ob ich heute Abend Zeit haben werde.“ Dabei fiel sein Blick auf ein schwarzes, hübsches Mädchen, dass mit einer Freundin auf der kleinen Mauer, vor dem Schuleingang saß. Das musste Alicia Sterling sein. Die beiden Mädchen an seiner Seite schmollten übertrieben und Conchita hauchte ihm ins Ohr: „Das wäre wirklich sehr schade, Chris. Ich hatte gehofft dich dort etwas näher kennenzulernen.“ Sie zwinkerte ihm verführerisch zu, was ihre Freundin Marina zu der spitzen Bemerkung veranlasste: „Benimm dich gefälligst, du loses Weib.“ Aus den Augenwinkeln beobachtete Christian, dass Alicias Freundin von ihr verabschiedete, und bedauernd meinte er zu seinen beiden Begleiterinnen: „Ihr entschuldigt mich bitte, Mädels.“ Er zwinkerte ihnen amüsiert zu und hopste die Stufen der Treppe hinunter, um Alicia anzusteuern. „Weißt du, was er mit Mädels gemeint hat?“, fragte Conchita ihre Freundin irritiert. „Keine Ahnung, aber wenn das etwas Unanständiges war, dann reiße ich ihm den Kopf ab, wenn ich ihn das nächste Mal sehe.“ Conchita nickte. „Und ich halte ihn fest dabei.“ Sie lachten und begaben sich auf den Heimweg, jedoch nicht, ohne sich nochmal beide zu ihm umzuschauen. Derweilen hatte Chris das dunkelhäutige Mädchen erreicht und sagte freundlich: „Hallo, bist du Alicia? Ich würde gerne mit dir reden.“ Alicia, die etwas gedankenverloren auf ihren Vater wartete, blickte zuerst überrascht, dann finster zu ihm auf. Langsam erhob sie sich und fragte abweisend: „Willst du mir sagen, dass ich keine Arierin bin, und somit in deinen Augen ein Mensch zweiter Klasse? Oder willst du zusammen mit Conchita, Marina und mir einen Harem eröffnen?“ Verdutzt blickte Christian das Mädchen an. Es dauerte einen Moment, bis er sich gefangen hatte und erwidern konnte: „Habe ich dir irgendetwas getan? Ich wollte doch nur...“ „Das interessiert mich nicht!“, fauchte das Mädchen und ließ ihn stehen. Wie vom Donner gerührt blickte Christian Alicia nach, als sie sich entfernte. Schnell folgte er ihr und stellte sich ihr in den Weg. Bevor sie etwas sagen konnte, zog er eine silberne Kette aus seiner Jackentasche und hielt sie ihr entgegen. Mit funkelnden Augen erklärte er dabei: „Ich wollte dich nur fragen, ob das deine Kette ist, und sie dir wiedergeben.“ „Es ist meine Kette“, erklärte Alicia mit eisiger Stimme und riss Chris die Kette aus der Hand. „Woher hast du sie?“ Langsam wütend werdend antwortete Christian: „Warum behandelst du mich, als wäre ich Dreck? Du kennst mich doch gar nicht, Alicia. Ist es weil du etwas gegen Deutsche hast? Bist du so etwas wie eine Rassistin?“ Damit machte er kehrt und schritt zu seinem Motorrad. Mit jeder Bewegung Zorn ausdrückend setzte er seinen Helm auf, stieg auf seine Maschine und fuhr in Richtung der Saunders-Schlucht davon. Im nächsten Moment hupte jemand, und Alicia stellte fest, dass ihr Vater mit dem Wagen vorfuhr. Sie schüttelte den Gedanken an den neuen Mitschüler ab und stieg ein. Nachdem Alicias Vater sie in die Arme genommen hatte, blickte er seine Tochter fragend an. „Der junge Mann, der eben mit dir gesprochen hat, sah ziemlich verärgert aus, als er ging. Hattet ihr Streit mit einander?“ Damit beschleunigte er den hellbeigen Pickup in die Richtung, in die auch Christian davon gerauscht war. Alicia Sterling blickte ihren Vater unsicher an, sagte jedoch nichts, was ihn zu einem fragenden Stirnrunzeln veranlasste. Seine Tochter hatte bisher noch nie Geheimnisse vor ihm gehabt. Als sie auch nach einigen weiteren Augenblicken nichts sagte, lenkte er den Wagen auf den Seitenstreifen, stoppte und stellte den Motor aus. Dann legte er seine Arme gekreuzt auf das Lenkrad und fragte: „Also schön, Alicia. Was war eben los? Hat er dich belästigt?“ „Nein, Dad.“ „Hast du ihn belästigt?“ „Dad...!“ Jerome Sterling grinste ironisch. „Ich wollte nur sicher gehen.“ Dann hakte er nach: „Also, wer war dieser junge Mann und warum war er so aufgebracht. Die Wutwolke über seinem Kopf war auf jeden Fall deutlich zu sehen. Was hast du ihm gesagt?“ Alicia seufzte und begann ihrem Vater zu berichten, was sich vor der Schule ereignet hatte, wobei sie die Angelegenheit jedoch recht vage darstellte und den Artikel von Chloe und den richtigen Namen des Jungen unerwähnt ließ. Und sie unterschlug, dass Chris sie gefragt hatte, ob sie Rassistin sei. Als sie geendet hatte, hob ihr Vater seine Augenbrauen und meinte: „Nur damit ich das richtig verstehe: Da hat ein Junge, nennen wir ihn der Einfachheit halber Chris Falken, deine Kette gefunden und er will sie dir zurückgeben. Und nachdem du garstig zu ihm warst hat er die Kette nicht in das nächste Maisfeld gefeuert, so wie ich es wohl getan hätte, sondern ist dir gefolgt, nachdem du ihn stehen gelassen hattest, um sie dir dennoch zu geben. Und du hast sie ihm aus der Hand gerissen, einige unfreundliche Worte dazu gesagt, statt dich bei ihm zu bedanken, und bist weg. Und nun wunderst du dich vermutlich obendrein, dass dieser Junge stinksauer ist, stimmt´s?“ Alicia blickte beschämt zu ihrem Vater. „Nein, Dad.“ Jerome Sterlings Blick wurde unwillig. „Haben ich und deine Mom dich zu einem so unhöflichen Menschen erzogen, Alicia? Wenn ja, dann haben wir mächtig versagt.“ Leiser als zuvor sagte das Mädchen beschämt: „Nein, Dad.“ Mit einer Miene, die dazu angetan war, jeglichen Widerspruch im Keim zu erstickten, erklärte Jerome Sterling: „Okay, dann sind wir uns wohl darin einig, dass du dich heute Nachmittag zu den Falkens begibst und dich bei ihrem Neffen entschuldigst. Die Falkens sind anständige Leute und obendrein unsere Nachbarn, und ich möchte nicht, dass sie schlecht von uns denken, mein Kind.“ Betreten nickte Alicia und spürte dabei ihr Herz bis zum Hals schlagen. Auch das noch, nachdem sie Chris so heruntergemacht hatte. Vermutlich würde er sie nicht einmal anhören, nach dem, was sie sich geleistet hatte. In trübe Gedanken versunken saß sie während der Rückfahrt neben ihrem Vater, und im Gegensatz zu sonst, wechselten sie nur sporadisch einige Bemerkungen. Auch das Mittagessen, nachdem sie Zuhause waren, verlief beinahe schweigend. Nachdem Jerome Sterling seiner Frau einen schnellen Kuss auf die Wange gegeben hatte, machte er sich auf den Weg, um ein Stück des Viehgatters auszubessern. Schon seit beide wieder daheim waren hatte Cassidy Sterling die ungewohnte Schweigsamkeit von ihrem Mann und ihrer Stieftochter bemerkt. Sie beschloss etwas nachzuforschen, als ihr Blick auf die Kette um Alicias Hals fiel. „Hey, hattest du mir vorgestern Abend nicht gesagt, die Kette wäre dir bei dem Überfall abgerissen worden? Woher hast du sie auf einmal?“ „Chris Falken hat sie gefunden und sie mir vorhin wiedergegeben.“ Schnell erhob sie sich. „Entschuldige, Mom, ich habe noch Schularbeiten zu erledigen.“ Damit nahm sie ihre Schultasche auf und verschwand schnell die enge Treppe hinauf zu ihrem Zimmer.   * * *   Gedankenverloren stand Christian auf der achteckigen Aussichtsplattform und blickte hinunter ins Tal, auf den Saunders-Fluss, der sich etwa fünfzig Meter unter ihm durch den engen Landschaftseinschnitt schlängelte. Hier oben war es ruhig, und die Landschaft um ihn herum erinnerte Christian ein wenig an Zuhause. Gegen das rustikale Holzgeländer gelehnt, die Unterarme auf dem Handlauf des Geländers, fragte er sich grüblerisch, was mit Alicia los gewesen sein mochte. Sicher, sie hatte ein sehr traumatisches Erlebnis gehabt, aber das erklärte, bei allem Verständnis, nicht ihre Reaktion von Vorhin. Ihr Blick hatte beinahe feindselig gewirkt, als sie ihn angesehen hatte. Und ausgerechnet eine solche Furie hatte er gerettet. Ob sie vielleicht wirklich eine Rassistin war? Der Gedanke erschien Christian zunächst unsinnig, weil ihm sein Instinkt etwas anderes sagte, aber ihre Reaktion auf ihn war nun einmal nicht von der Hand zu weisen. Eine Verwünschung ausstoßend, hieb Christian mit der linken Faust auf das Geländer. „Hi, Chris. Kann ich mit dir reden, oder willst du lieber allein sein?“ Christian fuhr herum. Er hatte nicht mitbekommen, dass sich ihm jemand genähert hatte. Er erkannte, dass es Clark Kent war, der nun langsam die fünf Holzstufen der Plattform hinaufschritt und mit fragendem Gesicht langsam näher kam. „Wir können reden“, antwortete Christian. „Ich hatte mir nur die Gegend angesehen und etwas über die vergangenen Tage nachgedacht. Was machst du hier oben?“ Clark druckste etwas herum, bevor er zugab: „Ich bin dir nachgefahren, weil ich zufällig deinen Streit mit Alicia mitbekommen habe.“ Dass er das nur durch sein Supergehör mitbekommen hatte verschwieg der Schwarzhaarige dabei wohlweislich. „Ich dachte mir, ich könnte vielleicht zwischen euch beiden vermitteln.“ Christian lehnte sich wieder an das Geländer. „Nun, ich habe Alicia ihre Kette zurückgegeben und als Dank hat sie eine volle Breitseite auf mich abgefeuert. Was sollte es da schon groß zu vermitteln geben?“ Clark gesellte sich neben Christian an das Geländer, und blickte, so wie dieser hinunter zum Fluss, bevor er vermittelnd meinte: „Vielleicht solltest du wissen, dass Alicia heute Morgen im Büro der TORCH war, wo Chloe einen Bericht über deinen Urgroßvater schreiben wollte. Sie hat auch herausgefunden, wie du wirklich heißt.“ Er erkannte den erschrockenen Blick des Blonden und fügte schnell hinzu: „Keine Panik, ich habe Chloe dazu gebracht alle Daten über dich wieder zu löschen und den Mund zu halten. Doch dummerweise hat Alicia vorher den Artikel gesehen.“ „Was ein Mädchen weiß, das weiß bald die gesamte Stadt, und was zwei Mädchen wissen, bald das gesamte Land“, orakelte Christian düster. „Chloe wird dichthalten“, versprach Clark ernsthaft. „Und was Alicia betrifft, mit der könnte ich ja mal reden, und ihr erklären, warum sie die Sache für sich behalten soll.“ Christian blickte Clark zweifelnd an. „Glaubst du wirklich, dass sie auf dich hören wird, Clark?“ Clark Kent sah Christian überzeugend an, als er erwiderte: „Ein Freund hat mir einmal gesagt, dass ein Mensch nicht der ist, der er bei seinem letzten Gespräch mit dir war, sondern der, der er schon immer gewesen ist, seit du ihn kennengelernt hast. Ich kenne Alicia von der Grundschule an, und kann dir versichern, dass sie ein guter und sehr hilfsbereiter Mensch ist. Ich glaube, was sie verärgert und gegen dich aufgebracht hat, liegt darin begründet, dass ihr Urgroßvater 1944 während der Landung in der Normandie gefallen ist.“ „Verdammt, Clark, das ist sechzig Jahre her“, brach es aus Christian hervor. „Ich war damals noch nicht einmal geboren.“ Clark lächelte nachsichtig. „Das weiß ich, Chris. Und ich weiß, dass du dein Leben riskiert hast, um Alicia zu retten. Deshalb möchte ich dir gerne helfen, und mit Alicia reden.“ Christian nickte dankbar. Dann wechselte er das Thema und sagte: „Ich weiß, das du ein Geheimnis mit dir herumträgst, Clark. Aber ich weiß auch, dass so etwas manchmal nötig ist, und deshalb werde ich dich nicht danach fragen. Vielleicht verrätst du es mir irgendwann, und wenn nicht, dann ist das deine Entscheidung. Ich möchte dir nur sagen, dass es keinen Einfluss auf das hat, was ich von dir denke, ob ich es nun kenne, oder nicht.“ Er blickte Clark nun direkt an und erklärte dann: „Und du hast keinen Grund auf mich eifersüchtig zu sein, denn ich habe gemerkt, für wen Lanas Herz schlägt, als wir an meinem ersten Schultag, bei Chloe im TORCH-Büro waren.“ Der Schwarzhaarige blickte verwundert und Christian lachte trocken: „Komm, Clark, dass dein Herz für sie, und ihr Herz für dich schlägt, das ist nun wirklich offensichtlich.“ „Wir sind nur Freunde, Chris.“ „Wenn das die ganze Wahrheit ist, dann bin ich der Weihnachtsmann, Clark.“ Der Blonde zwinkerte belustigt. „Aber das ist nicht mein Problem.“ Clark, dem dieses Thema etwas unangenehm war, fragte schließlich: „Ich fahre jetzt zu Alicia – was ist mit dir?“ „Ich bleibe noch eine Weile.“ Clark nickte Christian zu und schritt zu seinem Wagen, den er unterhalb der Kurve geparkt hatte. Tagsüber verzichtete weitgehend darauf, den „Blauen Blitz“ zu geben. Auf dem Weg zur Sterling-Farm dachte er daran, was Christian zuletzt gesagt hatte. Er schien ein sicheres Gespür für gewisse Zusammenhänge zu besitzen. Und dafür, zu entscheiden, was ihn etwas anging, und was nicht. In dieser Hinsicht besaß er eine gewisse Ähnlichkeit mit seinem Freund Lex Luthor. Mit dem bemerkenswerten Unterschied, dass er bei Christian das unbestimmte Gefühl hatte ihm auch sein größtes Geheimnis anvertrauen zu können. In Gedanke sah er dabei die besorgten Mienen seiner Eltern. Vielleicht sollte er Chris mal zu sich einladen und ihn seinen Eltern vorstellen. Er erreichte die Farm der Sterlings und parkte seinen Wagen. Von seinen Eltern wusste er, dass Jerome Sterling nach dem Meteoritenschauer einen Kredit hatte aufnehmen müssen, um die Einschlagschäden entfernen zu können. Was die Farm erwirtschaftete reichte gerade aus, um die Raten zu tilgen und die Farm zu halten. Ohne den zusätzlichen Verdienst von Alicias Mutter hätten sie das kleine Anwesen vermutlich längst verkaufen müssen. Einige seiner Nachbarn hatten ihm finanzielle Hilfe angeboten, doch Sterling war zu stolz gewesen sie anzunehmen. Er wollte es selbst, aus eigener Kraft schaffen. Als er vor der Tür stand klopfte er. Es dauerte nicht lange, bis Cassidy Sterling an der Tür erschien und freundlich meinte, als sie ihn erkannte: „Ach, du bist das, Clark. Was gibt es denn?“ „Äh... Könnte ich Alicia für einen Moment sprechen? Es dauert nicht lange.“ Die Frau lächelte. „Sicher, Clark. Komm doch solange rein.“ Während Clark der Frau in die Küche folgte, rief sie die Treppe hinauf: „Alicia, hier ist Clark. Er möchte mit dir sprechen.“ Wenige Augenblicke später tauchte das Mädchen auf, während Cassidy Sterling zur Hintertür hinaus ging, um ihrem Mann bei seiner Arbeit zur Hand zu gehen. Etwas überrascht fragte sie, als sie die Treppe hinunter schritt: „Was gibt es denn, Clark?“ „Können wir uns draußen auf der Veranda unterhalten?“ Der Schwarzhaarige sah sie so bittend an, dass Alicia nur nickte und ihre Jacke vom Haken nahm. Sie folgte Clark nach draußen, wo er sie ansah und sagte: „Ich komme wegen Chris. Ich habe den kleinen Disput vor der Schule vorhin zufällig mitbekommen.“ „Darüber möchte ich eigentlich nicht sprechen“, entgegnete das Mädchen unwillig. Clark nickte und beschloss das Thema anders anzugehen. „Hast du dich nicht gefragt, wieso er die Kette gefunden hat, und nicht ich, Alicia?“ Das Mädchen hörte mit einem Mal sehr interessiert zu und blickte Clark forschend in die Augen. Clark fuhr fort: „Der Grund dafür ist der, dass nicht ich es war, der dich vor den Ganoven gerettet hat. Genau genommen stürmte er in die Halle, bevor ich wusste wie mir geschah. Ich habe lediglich die Polizei verständigt. Als er dich dann aus der Halle heraus geholt hatte, erzählte er mir was sich ereignet hatte und er bat mich, dass ich die Rettung auf meine Kappe nehme. Du kannst dir ja mittlerweile denken wieso, da du zufällig herausgefunden hast, wie er wirklich heißt und wer er ist. Und für die Polizei und die Verhandlung belassen wir es auch dabei, dass ich derjenige war, der die Gangster überwältigen konnte, sonst entsteht nur unnötige Konfusion.“ Alicias Augen wurden immer größer, während Clark berichtete. „Aber... aber warum verheimlicht er das denn alles? Ist es so schlimm, wenn man Geld hat?“ „Seine Mutter wurde bei einem Attentat getötet, das vermutlich seinem Vater galt“, erklärte Clark weiter. „Sein Vater wollte ihn aus der Feuerlinie schaffen, solange man die Mörder noch nicht gefasst hat, und ein deutsche Bundespolizist hielt es für eine gute Idee ihm den Namen seiner amerikanischen Verwandten zu verpassen, um ihn zusätzlich zu schützen. Das alles, und sogar sein eigenes Leben hat er auf´s Spiel gesetzt, um dich zu retten. Ob du ihm dafür dankst, indem du sein Geheimnis verrätst, oder indem du es bewahrst, das liegt nun ganz bei dir, Alicia.“ Alicia Sterling schlug ihre Hände vor den Mund und blickte beschämt zu Clark. „Oh mein Gott, und ich war so gemein zu ihm.“ Tränen der Scham glitzerten in ihren Augen. Clark sah das Mädchen eindringlich an. „Nun, ich kenne Chris noch nicht sehr lange, aber mein Eindruck ist, dass er ganz okay ist. Ich bin sicher, dass er deine Entschuldigung annehmen wird, wenn du so etwas vorhaben solltest.“ „Ich danke dir, dass du mir das alles gesagt hast, Clark.“ „Nichts zu danken. Äh... ich gehe jetzt besser.“ Das Mädchen umarmte Clark dankbar und verschwand dann im Haus, wo sie auf ihre Stiefmutter traf, die wieder zurück war. Cassidy Sterling blickte Alicia forschend an und fragte sanft: „Was wollte Clark denn? Du wirkst ganz verstört, mein Kind.“ Alicia blickte ihre Stiefmutter nur stumm an und ohne es verhindern zu können rannen Tränen über ihre Wangen. Cassidy Sterling schloss das Mädchen schnell in ihre Arme. „Was ist denn los, Kleines. War das, was Clark dir erzählt hatte, so schlimm?“ „Nein, Mom“, antwortete Alicia mit tränenerstickter Stimme. „Er... er sagte, dass es Chris war, der mich gerettet hat und nicht er. Ich... ich wusste... das nicht. Vorhin in der... der Schule, da war ich sehr garstig zu Chris.“ „Dein Vater deutete eben so etwas an.“ Alicia klammerte sich noch enger an ihre Stiefmutter. „Da... da ist... noch mehr, Mom. Ich habe es bisher nur Sheriff Adams gesagt. Die drei Männer... sie wollten... sie... sie wollten...“ Alicia schaffte es nicht den Satz zu Ende zu bringen. Schluchzend drängte sie sich gegen ihre Stiefmutter. Cassidy Sterling war, als greife eine eisige Hand nach ihrem Herzen. „Oh mein Gott, sie haben es doch nicht...“ „Nein, Mom. Wenn Clark die Wahrheit gesagt hat, dann war es Chris, der rechtzeitig dazwischen gegangen ist, bevor sie... Ich hatte solche Angst es euch zu sagen...“ Cassidy drückte ihre Stieftochter, die sie so sehr liebte, als wäre es ihre leibliche Tochter, fest an sich und streichelte sanft über ihr Haar. Dabei schoss ihr kurzzeitig wieder die Stichwunde an Chris Falkens Schulter durch den Kopf, und in ihr setzte sich die Erkenntnis, dass Clark die Wahrheit gesagt haben musste. „Ist schon gut. Ist alles gut, Alicia. Jetzt beruhige dich erst einmal. Ich bin bei dir.“ Alicia, die ihren Tränen freien Lauf ließ, schmiegte sich eng an sie. Nach einer Weile, von der sie nicht sagen konnte, wie lang sie gewesen war, blickte sie zu Cassidy auf und sagte leise: „Ich wünschte mir, dass meine leibliche Mutter sehen könnte, was für eine tolle Mom ich in dir habe.“ Cassidy küsste Alicia auf die Stirn und sagte gerührt: „Ich denke, sie sieht vom Himmel auf dich herab und weiß das. Du bist zwar nicht meine leibliche Tochter, aber ich wünschte du wärst es, und jedes mal, wenn du Mom zu mir sagst, machst du mich damit zu einer sehr glücklichen Frau. Ich habe dich sehr lieb, Alicia, und ich könnte mir ein Leben ohne dich nicht mehr vorstellen, das sollst du wissen.“ Alicia schluckte. „Ich liebe dich auch, Mom.“ Kapitel 6: Offenbarungen ------------------------ Nachdem Christian endlich Zuhause war, hatte er einen Happen gegessen und war dann zu seinem großzügig ausgestatteten Zimmer hinauf gegangen. Dort hatte ein abgetrenntes Schlafzimmer, ein eigenes, großes Bad und einen Trainingsraum, den er sich allerdings noch einrichten musste. Momentan hing dort lediglich ein großer Sandsack und ein Punchingball. An ein Trainieren an diesen beiden Gerätschaften war momentan allerdings nicht zu denken, und so übte er lediglich auf der großen Bodenmatte einige Bewegungen und Drehungen des Muay Thai, nachdem er seine Trainingsklamotten angezogen hatte. Langsam machte er sich dabei von all jenen Gedanken frei, die ihn belasteten und es stellte sich bald das hinlängliche Gefühl tiefen inneren Friedens ein, dass ihn stets bei diesen Übungen überkam. Gleichfalls wichtig war dabei die Atemtechnik, die seine Anstrengungen unterstützten. Nur gelegentlich wurde er von einem ziehenden Schmerz in seiner Schulter abgelenkt, den er auszublenden versuchte. Nach einer Weile kehrten die Gedanken an die vergangenen Ereignisse zurück. Wieder und wieder musste er an Alicia denken, und daran, wie sie sich vor der Schule benommen hatte. Es bedrückte ihn. Nicht, weil er Dankbarkeit erwartet hätte, sondern wegen der Ablehnung, nur aufgrund seiner Abstammung. Er verlor die Konzentration und entspannte seinen Körper mit einem leisen Seufzer. Ein Klopfen am Türrahmen brachte ihn dazu sich umzuwenden. Einen Moment lang glaubte er seinen Augen nicht trauen zu können, denn im Eingang stand Alicia. Als er sie in Jeans, mit einem cremefarbenen Pulli und einer farblich passenden Bluse darunter, mit weißen Turnschuhen an den Füßen vor sich stehen sah, da war ihm, als würde er sie in diesem Moment zum ersten Mal in seinem Leben wirklich wahrnehmen. Überwältigt von ihrem hübschen Aussehen wischte er sich über die Augen, aber ihr Abbild blieb. Etwas unschlüssig stand sie im Türrahmen und wusste nicht recht, was sie tun oder sagen sollte. Dann endlich meinte sie zögerlich: „Deine Tante sagte, dass ich dich hier finden würde.“ Christians Haltung spannte sich. Im ersten Moment spürte er den Wunsch, sie wegzuschicken, doch dieser Moment verging, und rau erwiderte er: „Warum bist du her gekommen, Alicia?“ Dann besann er sich auf seine Manieren und er fragte etwas freundlicher: „Wollen wir nicht in mein Zimmer gehen und uns setzen?“ Alicia nickte stumm. Christian ging voraus, und als sie sein Zimmer betreten hatten, deutete er auf die gemütlich eingerichtete Sitzecke des Zimmers. Er wartete, bis sich Alicia in einem der beiden Ledersessel niedergelassen hatte, bevor er ihr gegenüber, auf der anderen Seite des Glastisches, auf einem der über Eck stehenden Sofas an der Wand, Platz nahm. „Toll hast du es hier“, meinte das Mädchen und blickte sich eingehend in dem großen Raum um. Einen langen Moment lang herrschte verlegenes Schweigen, bevor Alicia sich ein Herz nahm und endlich erklärte: „Ich bin gekommen, weil ich dir Unrecht getan habe, und um mich deswegen bei dir zu entschuldigen.“ Bittend blickte sie ihn mit ihren dunklen Augen an. „Es tut mir wirklich leid, wie ich mich vor der Schule verhalten habe, Chris. Und ich bin hier um dir zu sagen, dass ich keine Rassistin bin.“ Ein Ausdruck gelinder Verwunderung lag auf dem Gesicht des Jungen. Dann sagte er mit ungläubigem Unterton: „Wow, darauf war ich nicht gefasst.“ Wieder blickten sie sich stumm an, bevor das Mädchen weitersprach: „Clark Kent war vorhin bei mir, und er hat mir erklärt, dass es gar nicht er war, der mich aus der Fabrikhalle geholt hat.“ Christian beugte sich etwas nach vorne. „Das ist richtig. Hat er dir auch gesagt, warum ich ihn gebeten hatte, es so hinzustellen, als ob er es gewesen wäre?“ Alicia nickte. „Chris, ich werde nichts verraten. Clark sagte mir das mit... mit deiner Mom. Das muss sehr schwierig für dich sein.“ Der Blonde erhob sich und schritt unruhig zum Fenster. Er blickte hinaus ohne wirklich etwas zu sehen und sagte schließlich tonlos: „Ich kann immer noch nicht richtig glauben, dass es sie nicht mehr gibt. Manchmal da träume ich von ihr und wenn ich erwache und meine Augen öffne, für den kurzen Moment zwischen Traum und Realität, da ist sie wieder bei mir. Bis ich ganz wach bin und realisiere, dass es nur ein Traum war.“ Alicia erhob sich und schritt langsam zu Christian hinüber, nachdem er verstummt war und für eine Weile nichts gesagt hatte. Unschlüssig blieb sie hinter dem hochgewachsenen Jungen stehen und legte schließlich sanft ihre Hand auf seinen Arm. Christian wandte sich ihr halb zu und Tränen schimmerten in seinen Augen. „Sie fehlt mir so sehr, Alicia.“ Das Mädchen fühlte sich hilflos, als sie diesen Hünen so traurig neben sich stehen sah. Aus einer Eingebung heraus legte sie ihre andere Hand auf seine Schulter. Erschrocken ließ sie wieder los, als Christian das Gesicht verzog und leise aufstöhnte. „Was ist, Chris?“ „Einer der Täter hatte ein Messer. Er erwischte mich an der Schulter.“ Als er die erschrockene Miene des Mädchens bemerkte, wiegelte er schnell ab. „Es ist schon sehr viel besser geworden. In ein paar Tagen wird es sicher nur noch weh tun, wenn ich lache. Deine Mom hat die Schulter übrigens verbunden. Eine bemerkenswerte Frau, denn obwohl sie sofort erkannt hat, dass es ein Messer war, hat sie darauf verzichtet es breitzutreten. Zu dem Zeitpunkt wusste ich allerdings noch gar nicht, dass sie deine Mom ist. Das habe ich erst heute morgen von Pete erfahren.“ „Ihr versteht euch?“ Das Gesicht des Jungen wurde etwas ernster und er wandte sich Alicia zu. Dabei erklärte er ruhig: „Ja, denn ich bin ebenso wenig ein Rassist, wie du.“ Alicia senkte den Blick. Sanft hob Christian Alicias Gesicht mit drei Fingern an und sagte dann: „Ich bin sehr froh, dass ich rechtzeitig zur Stelle war, um dir zu helfen, Alicia.“ Alicia lächelte zum ersten Mal seit sie hier war. „Und ich bin sehr froh, dass du etwas von Selbstverteidigung verstehst und mutig genug warst, es zu tun.“ Christian erwiderte ihr Lächeln und meinte besser gelaunt: „Das wäre schon mal ein sehr guter Neuanfang, findest du nicht? Ich schlage vor, dass wir den Blödsinn von vorhin einfach vergessen und nie mehr davon reden, okay?“ „Das wäre sehr schön, Chris.“ Sie lächelten sich erleichtert an, bis Christian, bevor es peinlich werden konnte, fragte: „Was hältst du davon, selbst ein paar Basics in Punkto Selbstverteidigung zu lernen?“ Betrübt erklärte Alicia: „Das können wir uns nicht leisten, Chris.“ „Ich meinte eigentlich, dass ich es dir beibringen würde. Gratis natürlich. Damit wärst du anschließend zwar keine Meisterin, aber bis zum Sommer immerhin soweit, dass du dich bei einem Angriff nicht hilflos in der Defensive befinden würdest. Außerdem wäre es bestimmt gut für dein Selbstbewusstsein.“ „Das wäre wirklich nett“, erwiderte Alicia erfreut. Dann legte sich ihre Begeisterung etwas, als sie hinzufügte: „Aber ich bin mir nicht sicher, ob mein Dad es mir erlaubt.“ „Gehen wir doch hin und finden es heraus.“ Alicia strahlte über das ganze Gesicht, und Christian fand, dass sie so einfach wunderschön aussah. Sie nickte und meinte dann: „Clark hatte recht, als er vorhin bei uns war. Du bist wirklich in Ordnung.“   * * *   Nebeneinander schritten Alicia und Christian durch die Dunkelheit, zur Farm der Sterlings. Dabei warfen sie sich gelegentlich verstohlene Blicke zu. Unterwegs redeten sie darüber, dass er voraussichtlich im Laufe der nächsten Woche mit dem Training bei den Crows beginnen würde, und sie wieder zum Cheerleader-Training gehen würde. Nach einer Weile fragte Chris: „Dann sitzen wir also morgen beide auf der Tribüne. Ich hoffe, du kommst zum Spiel.“ Alicia blickte ihn fragend an. Ein Thema hatte sie bisher ausgeklammert, das ihr brennend auf der Zunge lag, und nun fragte sie geradeheraus: „Gehst du denn nicht mit Marina und Conchita hin?“ Für einen Augenblick wirkte Christian verdutzt, bevor er begann schallend zu lachen. „Hör mal, die beiden Mädels flirten nur aus Spaß an der Freude mit mir. Und ich spiele ihr kleines Spielchen mit, aber da ist nichts Ernstes.“ Innerlich erleichtert antwortete das Mädchen: „Ich weiß nicht, Chris. Meine Eltern werden mich sicherlich erst einmal noch Zuhause behalten wollen.“ Ein Zug echter Enttäuschung lag auf Christians Gesicht, der Alicia irgendwie zufrieden stimmte. Sie wechselte das Thema und fragte: „Du bist wirklich ein Adeliger?“ „Dafür kann ich nichts“, schmunzelte der Junge. „Aber das ist auch nicht entscheidend. Entscheidend ist nur die Qualität eines Menschen, nicht seine Herkunft.“ „Ich wünschte, das würden alle Menschen so sehen“, meinte Alicia und ein Schatten überflog ihr bisher fröhliches Gesicht. „Entschuldige bitte“, sagte Christian leise. „Ich wollte dich nicht daran erinnern.“ Alicia schüttelte die finsteren Gedanken ab. „Das weiß ich, Chris. Aber das wird mich wohl noch einige Zeit verfolgen, bis ich es verarbeitet habe. Daran bist aber nicht du Schuld, sondern solche fehlgeleiteten Verbrecher, wie die drei Kerle am Dienstag Abend.“ Christian nickte lächelnd. Dann fiel ihm noch etwas ein und er sagte: „Fast hätte ich etwas vergessen. Pete bat mich vorhin darum, vielleicht ein oder zweimal pro Woche mit ihm, Clark Chloe und Lana Französisch zu lernen. Da ich diese Sprache fließend beherrsche habe ich zugesagt. Vielleicht möchtest du ja auch kommen?“ „Das wäre sehr schön, Chris.“ Verlegen ergänzte sie schnell: „Gerade meine französische Aussprache ist nämlich nicht so toll.“ Sie machte ein missmutiges Gesicht. „Aber damit werde ich Daddy erst morgen konfrontieren, denn sonst würde es wohl zu viel auf einmal werden.“ „Glaubst du, er würde Nein sagen?“ „Ich weiß nicht, es könnte vielleicht sein.“ Sie deutete nach vorne und meinte: „Wir sind gleich da.“ Christian blickte zu dem kleinen Farmhaus hinüber. Es war zwar längst nicht so groß, wie das seines Onkels und seiner Tante, aber es machte einen sehr gepflegten Eindruck. Er bedauerte es irgendwie, dass sie es so schnell erreicht hatten. Eine leichte Unruhe befiel ihn, als sie auf der Veranda standen und er an die Tür klopfte. Es dauerte nicht lange, bis die Tür geöffnet wurde, und Alicias Vater vor die Tür trat. Christian sammelte sich schnell und sagte: „Guten Abend, Mister Sterling, mein Name ist Chris Falken. Ich habe ihre Tochter nach Hause begleitet, und ich möchte Sie um die Erlaubnis bitten, dass ich Alicia in nächster Zeit, nach der Schule, einige grundsätzliche Verteidigungstechniken des Muay Thai beibringen darf.“ Jerome Sterlings Gesicht wirkte undurchdringlich. Dann hoben sich leicht seine buschigen Augenbrauen und er fragte: „Sie wollen meiner Tochter beibringen, wie man andere Leute verprügelt?“ „Nein, Sir, ich möchte ihr zeigen, wie sie sich gegen aufdringliche Kerle zur Wehr setzen kann. Sinnlos Leute zu verprügeln ist nicht die Philosophie des Muay Thai. Es geht dabei hauptsächlich um Körperbeherrschung, geistige Disziplin und Geschwindigkeit.“ Die Brauen des Mannes hoben sich etwas mehr. „Beeindruckend. Also gut, ich erlaube es. Ich nehme an, dass Sie die Entschuldigung meiner Tochter angenommen haben, da Sie Alicia sonst wohl kaum nach Hause gebracht, und darum gebeten hätten.“ Christian nickte. „Ich bin nicht nachtragend.“ „Da habe ich von Alicia etwas anderes gehört.“ Der Mann amüsierte sich über die Mienen der beiden Jugendlichen, bevor er aufklärend meinte: „Wie ich hörte haben sie Alicia ihre Kette nachgetragen, obwohl sie unfreundlich zu Ihnen war. Ich an ihrer Stelle hätte das Ding wohl in das nächste Maisfeld geworfen.“ Beide Jugendlichen blickten sich erleichtert an. Dann meinte Alicia: „Daddy, ich würde morgen gerne das Spiel der Crows ansehen.“ „Du weißt, dass weder deine Mutter, noch ich Zeit haben, dich hinzubringen oder abzuholen. Und der Arzt hat deiner Mutter gesagt, dass du es erst einmal ruhig angehen lassen sollst.“ Alicia machte eine traurige Miene und Christian sprang schnell in die Bresche: „Mein Onkel, und meine Tante fahren mit mir hin, Sir. Da könnten wir Alicia doch abholen und später wieder hierher bringen.“ Ein unmerkliches Grinsen überflog das Gesicht von Jerome Sterling. Er gab vor ernsthaft zu überlegen, bevor er seufzend sagte: „Also schön, junger Mann. Aber sie sind mir dafür verantwortlich, dass Alicia wieder gesund, bis spätestens 23:00 Uhr, hier ankommt.“ „Ich werde dafür sorgen, Mister Sterling“, versprach Christian zufrieden. Alicia und ihr Vater verabschiedeten sich von Christian. Als der Junge sich abwandte und die Treppe hinunter schritt, blieb Jerome Sterling an der Tür stehen und wandte sich nochmal um, während Alicia bereits im Haus verschwunden war. Ernst sagte er: „Mister Falken?“ Christian blieb am Treppenabsatz stehen und wandte sich um. „Sir?“ Jerome Sterling schritt zum oberen Rand der Treppe und blickte dem Jungen in die Augen, bevor er leiser sagte: „Meine Frau hat mir gesagt, dass Sie es waren, der meine Tochter vor diesen... Bestien... gerettet hat. Und auch, dass sie deshalb verletzt wurden.“ Christian erwiderte den leicht fragenden Blick des Mannes und nickte. „Das stimmt, Mister Sterling. Aber damit Sie kein falsches Bild von mir bekommen; es war das erste Mal, dass ich gezwungen war, mein Können im Muay Thai gegen Menschen anzuwenden. Es war nicht schön, Sir, und es hinterließ in mir keine Zufriedenheit. Nur Angst.“ Er bemerkte den etwas verwunderten Blick des Mannes und fuhr fort: „Ich meine damit nicht die Angst etwas abzubekommen, sondern die Angst jemanden vielleicht schwer zu verletzen. Und die Angst vor dieser Angst, die mich vielleicht irgendwann in einer ähnlichen Situation die falsche Entscheidung treffen lassen könnte. Ich hoffe inständig, so etwas, wie in der alten Gießerei, nie wieder tun zu müssen.“ Jerome Sterling nickte verstehend. Dann sagte er überzeugt: „Ich bin sicher, Sie würden auch dann die richtige Entscheidung treffen. Was ich weiß ist: Sie haben meine Tochter vor einem schlimmen Schicksal bewahrt, und dafür werde ich immer in Ihrer Schuld stehen, Mister Falken.“ Er wollte sich bereits abwenden, als Christians Stimme ihn zurück hielt. „Mister Sterling, ich möchte nicht, dass sie sich, als in meiner Schuld stehend betrachten. Wir könnten das Konto ausgleichen.“ Jerome Sterling blickte verwundert zu dem Jungen hinunter. „Und woran dachten Sie bei diesem Ausgleich, Mister Falken?“ Nun, ich lerne demnächst nach der Schule ein bis zweimal die Woche, mit Pete Ross und einigen anderen Mitschülern für einige Fächer, im TALON. Ich habe gehört, dass Alicia ziemlich gut in Physik und Chemie sein soll, und in unserer Runde haben wir, was diese beiden Fächer betrifft, niemanden der so richtig gut darin ist. Darum würden wir gerne Alicia dabei haben, damit sie uns in diesen beiden Fächern etwas auf die Sprünge hilft, während wir anderen ihr wiederum in anderen Fächern weiterhelfen könnten.“ Jerome Sterlings Blick wurde stechend. „Haben Sie vor, nach der Schule mit gebrauchten Autos zu handeln?“ Die Frage brachte Christian etwas aus dem Konzept. „Nein, Sir.“ „Dann vergeuden Sie ihr Talent, Mister Falken.“ Der Mann grinste breit und erklärte dann: „Also gut, aber damit haben Sie ihr Kontingent an Bitten bei mir ausgeschöpft.“ Christian lächelte zufrieden. „Ich danke Ihnen sehr, Mister Sterling.“ Damit wandte er sich ab und schritt gut gelaunt den Weg zur Falken-Farm zurück. Kapitel 7: Fragen ----------------- In bester Laune betrat Christian von Falkenhayn am Samstag Vormittag das TALON. Obwohl es noch keine 11:00 Uhr war, herrschte hier bereits einiger Betrieb. Mit einem Lächeln auf den Lippen schritt er in Richtung der Bar, und nickte Lana Lang freundlich zu. Das dunkelhaarige Mädchen musterte ihn und schmunzelte vergnügt. „Du siehst aus, als hättest du im Lotto gewonnen.“ „Oh... Nein, so dramatisch ist es nicht. Ich hatte gestern nach der Schule nur einen kleinen Zwist mit Alicia Sterling, aber wir haben uns dann später ausgesprochen und konnten die Differenzen beilegen. Machst du mir einen großen Kaffee?“ „Klar. Einen doppelten, zweifachen – schwarz und extra stark, richtig?“ Christian lachte. „Ja, so in etwa.“ Während Lana den Kaffee machte meinte sie: „Pete erzählte mir, dass du für Basketball absolut kein Talent hättest. Stimmt das, oder hat er nur übertrieben?“ Christian grinste schief, als Lana ihn über die Schulter hinweg ansah. „Es stimmt leider. Aber hey, wenn das Tor so klein und auch noch rund ist, und man es auch noch hoch in die Luft hängt, zudem waagerecht, dann kann das für einen Europäer wie mich doch nur schiefgehen, oder? Außerdem darf man den Ball, und das finde ich sehr erschwerend, nicht mit den Füßen hineinschießen.“ Lana lachte und reichte ihm den extragroßen Kaffee. „Und wie sieht es mit deinem Talent in Sachen mit Baseball aus?“ Christian machte eine wiegende Geste mit der Hand. „Das scheint auch nicht mein Sport zu sein, obwohl ich die Spiele der Oakland-Athletics sehr gerne anschaue.“ Lana grinste belustigt. „Ach, übrigens habe ich hier noch etwas, das du letztes Mal vergessen hast mitzunehmen.“ Damit legte sie einen Beutel mit kunterbunten Kaugummi-Kugeln vor ihn auf den Tresen. „Das habe ich beim letzten Mal nicht bestellt“, sagte der Junge etwas ratlos. Dann fiel ihm sein Sprüchlein in Bezug auf das Trinkgeld ein und er begann zu lachen. „Du kleiner Spaßvogel. Die kannst du an notleidende Kinder oder an die Gäste verteilen.“ „Ich werde sie lieber wieder in den Tischautomaten füllen“, meinte das Mädchen vergnügt. Dann deutete sie auf einige hereinkommende Gäste. „Du entschuldigst mich.“ „Sicher.“ Chris blickte Lana kopfschüttelnd hinterher. Dann fiel sein Blick auf zwei Mädchen, die das TALON betraten, und er dachte: Marina und Conchita treiben sich auffällig oft in meiner Nähe herum. Gleich darauf entdeckten die beiden hübschen Mädchen ihn und steuerten auf ihn zu. Sich auf den beiden Barhockern neben seinem niederlassend, blickten die beiden ihn fragend an und schließlich war es Marina, die fragte: „Hey, wo warst du gestern Abend? Wir zwei haben dich auf Katies Party vermisst.“ „Das glaube ich euch beiden auf´s Wort“, spöttelte Chris und blickte von ihr zu Conchita, die, wie zufällig ihre Hand auf seinen Unterarm gelegt hatte. „Wirklich“, bestätigte diese mit unschuldigem Augenaufschlag. „Die Party hat ohne dich nur halb soviel Spaß gemacht.“ „Aha. Wen habt ihr denn, statt meiner, in den Whirlpool geschleift?“ „Du bist ein Scheusal“, beschwerte sich das Mädchen gespielt beleidigt und kniff ihn dabei fest in den Arm. „Aber ein verdammt gutaussehendes Scheusal“, säuselte Marina von der anderen Seite in sein Ohr, wobei ihre Lippen es fast berührten. Dann rückte sie wieder etwas ab und fragte neugierig: „Was bedeutet eigentlich dieses komische Wort, dass du gestern verwendet hast. Dieses: Mädels. Ist das was Frivoles?“ „Nein es ist eine Verniedlichung des Wortes Mädchen. So etwas wie...“ Marina lächelte verstehend. „Girlies...?“ Von der anderen Seite legte Conchita nach: „Honey...? „Amigas...?“ „Zuckerschnecke...?“ Christian formte mit seinen Händen ein T und verlangte: „Auszeit.“ Dann nickte er und meinte amüsiert: „Ja, so in etwa könnte man das sehen.“ Die beiden rückten wieder etwas näher, und als Lana grinsend zu im sah, warf er ihr einen verzweifelten Blick zu. Gleichzeitig fragte Conchita: „Hast du Lust, mit uns heute Nachmittag das Spiel der Crows anzusehen?“ „Das... äh... geht nicht.“ Er trank seinen Kaffee aus. Dann erklärte er: „Ich gehe mit meinem Onkel und meiner Tante hin. Und mit Alicia.“ „Was...?“ Beide Mädchen funkelten ihn gleichermaßen enttäuscht an. „Und da wagst du es, uns beide als deine Zuckerschnecken zu bezeichnen?“ Christian erhob sich und blickte beide, unsicher lächelnd, an. „Hey, Moment mal...“ Conchita funkelte ihn gefährlich an und fragte in Richtung Marina: „Verprügeln wir ihn, oder knutschen wir ihn, bis er es sich anders überlegt, und mit uns hingeht.“ „Wir könnten beides tun“, erwiderte Marina und stand ganz langsam auf. Christian beschloss den taktischen Rückzug und meinte heiser: „Ihr entschuldigt mich bitte, Mädels, ich habe noch etwas zu erledigen.“ Die funkelnden Augen der beiden Mädchen verursachten, tief in ihm, dabei ein ganz mieses Gefühl...   * * *   Nachdem Jonathan Kent den Wagen in der Nähe des TALON geparkt hatte, blickte Martha Kent ihren Mann an und sagte: „Ich hoffe, dass es Sheriff Adams unserem Clark nachsehen wird, dass er ihr zuerst verschwiegen hat, was diese drei Verbrecher wirklich mit Alicia vorhatten. Ich wollte Clark heute Morgen danach fragen, aber dann habe ich es einfach wieder vergessen.“ Jonathan versuchte sie zu beruhigen, indem er erklärte: „Ich glaube nicht, dass sie so hart und erbarmungslos ist, wie sie immer tut, Martha. Sie hat vermutlich etwas gepoltert, mit den Augen gerollt, und am Ende war sie froh, dass Clark ihr die Wahrheit gesagt hat. Sonst wäre Clark heute Morgen vermutlich schon längst bei uns gewesen.“ Dann wechselte er das Thema und erkundigte sich: „Ich will nicht neugierig sein, aber wie steht es eigentlich zwischen Clark und Lana? Ich habe sie in der letzten Zeit kaum zusammen gesehen.“ „Er redet auch mit mir nur selten darüber. Es ist...? „Kompliziert?“ Martha lächelte. „Ja, zumindest für unseren Sohn.“ Jonathan Kent seufzte schwach. „Weißt du was, Martha? Manchmal denke ich, er hat sich in das falsche Mädchen verliebt. Die Geschichte mit dieser Alicia Baker war bestimmt alles andere, als perfekt, aber ich hatte kurzzeitig den Eindruck gehabt, dass sie viel besser zu Clark passen würde. Nicht, dass du mich falsch verstehst, Lana ist ein sehr reizendes und liebes Mädchen, aber manchmal denke ich, dass sie und Clark sich einfach schon viel zu lange kennen, als dass noch etwas aus ihnen wird.“ „Was ihn hauptsächlich dabei belastet ist, dass er Lana sein Geheimnis nicht anvertrauen will. So funktioniert eine Beziehung aber nicht.“ Jonathan Kent nickte und in seinem Blick lag so etwas wie die Bitte um Vergebung. „Du weißt, wie ich darüber denke, Martha. Aber in der letzten Zeit habe ich mich trotzdem oft gefragt, ob wir Clark nicht zu viel damit zumuten, wenn wir von ihm verlangen, sein Geheimnis auch vor Lana zu bewahren. Er leidet darunter, und das tut mir weh.“ Martha legte spontan ihre Hand auf die Wange ihres Mannes. „In der Zeit, in der sich Clark mit Alicia Baker getroffen hatte, da wirkte er so gelöst und glücklich. So würde ich ihn gerne immer sehen, Jonathan. Und wenn er dafür dem Mädchen seines Herzens sein Geheimnis anvertrauen muss, dann sollten wir das vielleicht nicht verhindern, sondern darauf vertrauen, dass Clark die richtige Entscheidung trifft.“ Jonathan Kent schwieg. Dann legte er seinen Arm um seine Frau, zog sie langsam zu sich heran und küsste sie sanft auf den Mund, wobei es ihm herzlich egal war, dass sie von der Straße aus dabei beobachtet werden konnten. Ein aufdringliches Klopfen an die Seitenscheibe des Pickups ließ beide auseinander fahren, und unwillig blickte Jonathan Kent zur Seite um zu sehen, wer dieser unverschämte Störenfried war. Dann kurbelte er schnell die Seitenscheibe herunter und stieß überrascht hervor: „Sheriff Adams!“ Die Polizistin grinste anzüglich. Dann meinte sie: „Ich hoffe, sie legen es nicht darauf an, dass ich Sie beide wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verwarnen muss.“ Jonathan Kent, der in den Augen der Frau erkannte, dass sie nicht wegen dieses harmlosen kleinen Kusses an seine Autoscheibe geklopft hatte, fragte etwas gereizt: „Sheriff, was wollen Sie?“ Das bisherige, gezwungene Lächeln der Polizistin gefror auf ihren Lippen. „Ihr Sohn war gestern bei mir und hat seiner Aussage noch etwas hinzugefügt. Ich habe es nicht gerne, wenn man mir solche wichtigen Details erst so spät erzählt, Mister und Misses Kent. Also machen Sie ihrem Sohn begreiflich, dass ich ihn das nächste Mal, wenn er Informationen in einer Ermittlung vorenthält wieder zum Straßensäubern rekrutieren werde. Dann aber nicht für vierzig Stunden, sondern für vierzig Monate. Haben wir uns verstanden?“ „Glasklar, Sheriff.“ Die Polizistin setzte wieder ihr ironisches Grinsen auf, bevor sie abschließend sagte: „Sehr gut, Mister Kent. In diesem Fall wünsche ich ihnen noch einen angenehmen Tag.“ Damit stieg sie zu ihrem Deputy in den Streifenwagen und fuhr davon. Unwillig blickte Jonathan Kent dem Wagen hinterher. „Irgendwann werde ich dieser Person sagen, was ich von ihr halte, Martha.“ „Vergiss es, Jonathan. Wo waren wir stehen geblieben?“ Beide lächelten sich an. Als vor ihnen, direkt am TALON, ein Tumult entstand blickten sie durch die Windschutzscheibe hinaus. Die Tür des Cafés war aufgeflogen und ein athletischer, blonder Junge schoss plötzlich heraus, riss dabei fast zwei Passanten um und hetzte dann über die Straße, auf sein Motorrad zu. In fieberhafter Eile setzte er seinen Helm auf und startete die Maschine. Jonathan Kent dachte im ersten Moment an einen Überfall, doch wer überfiel schon ein Café statt einer Bank? Dann flogen die Türen des Cafés erneut auf und zwei Mädchen nahmen die Verfolgung des Jungen auf, der jedoch schneller war. Als er sein Motorrad mit Notwerten beschleunigte wandte er sich zu den beiden hinterherlaufenden Mädchen um und winkte ihnen zu. Konsterniert blickte Jonathan seine Frau an: „Was war das denn?“ Martha Kent verkniff sich ein Lachen. „Ich glaube, das war der Neffe von Jason und Mary Falken. Als ich Mary neulich beim Einkaufen traf, erzählte sie mir, dass ihr Neffe aus Deutschland für einige Zeit bei ihnen leben wird. Davon wollte ich dir noch erzählen.“ „Wie es aussieht, hat zumindest der keine Probleme ein Mädchen abzubekommen. Wenn sie ihm schon zu zweit bis auf die Straße nachlaufen...“ Damit blickte er seine Frau verschmitzt an und küsste sie erneut. Als Martha Kent ihren Mann schließlich mit sanfter Gewalt von sich schob, meinte sie: „Lass uns rasch die Torten bei Lana abliefern, und dann fährst du mich schnell nach Hause und wir verbringen einen romantischen Nachmittag.“ Jonathan lächelte anzüglich „Wie romantisch?“ Martha hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. „Sehr romantisch...“   * * *   Nachdem Christian den beiden Latinas knapp entkommen war, entschloss er sich spontan dazu, zur Farm der Kents hinaus zu fahren um Clark dafür zu danken, dass er sich bei Alicia für ihn eingesetzt hatte. Zumindest hoffte er, ihn dort anzutreffen. Als er die Farm der Kents erreicht hatte, stellte er seine Maschine ab, legte den Helm auf den Sitz und klingelte zunächst an der Haustür der Kents. Niemand reagierte und Christian schritt langsam wieder von der Veranda zu seiner Maschine, als er Geräusche aus der Scheune vernahm. Lächelnd schritt er in die Richtung, aus der sie gekommen waren und trat ganz ungezwungen ein. Was er dort sah, ließ ihn einen Moment lang an seinem Verstand zweifeln und sein Mund öffnete sich unwillkürlich. Clark Kent warf Heuballen, die auf dem Boden lagen, hinauf auf den Dachboden der Scheune, der einige Meter über ihm lag, so als würden sie nichts wiegen. Als nur noch drei Ballen übrig waren, stieß Christian mit dem Fuß achtlos gegen einen Metallgegenstand, der auf dem Boden der Scheune lag. Clark wirbelte herum und blickte Christian überrascht und erschrocken zugleich an. „Im Haus war Niemand, und da dachte ich, ich schaue mal hier nach, ob ich dich finde“, erklärte Christian, immer noch mit verwunderter Miene. Dann meinte er: „Ich weiß nicht, was du morgens isst, Clark, aber ich hoffe, du hast davon noch etwas.“ Er deutete auf die Strohballen. „Darf ich das auch einmal versuchen?“ Endlich hatte sich Clark wieder gefangen und fragte: „Was machst du hier?“ „Oh. Ich wollte mich bei dir bedanken, weil du Alicia dazu gebracht hast, mit mir zu reden. Dank deiner Hilfe haben wir unseren kleinen Streit beigelegt.“ Langsam kam er näher, bis er neben Clark stand. Er hob probehalber einen der Heuballen an und blickte hinauf zum Dachboden, wo die anderen Ballen lagen. Schmunzelnd meinte er dann: „Das mit dem Versuch können wir vergessen, denke ich.“ „Du scheinst nicht sonderlich erschrocken zu sein, wegen dem, was du gesehen hast?“ fragte Clark mit gelinder Verwunderung in der Stimme. „Sollte ich das?“ Fragend blickte Christian den Schwarzhaarigen an und setzte sich auf den Heuballen. „Ich hatte ja bereits an der Saunders-Schlucht gesagt, was ich denke. Und nach der kleinen Demonstration gerade, verstehe ich, dass du es für dich behältst, denn offen gesagt, ich war schon etwas erschrocken, Clark. Aber nur im ersten Moment. Denn dann habe ich mich wieder daran erinnert, was du für mich in Bezug auf Alicia getan hast. Außerdem kennst du auch mein Geheimnis, und du hast versprochen es zu wahren, obwohl du mich so gut wie gar nicht kennst. Es klingt vielleicht etwas naiv, Clark, aber etwas in mir sagt mir, dass du ein durch und durch anständiger und guter Kerl bist.“ Clark setzte sich neben Christian. „Was macht dich da so sicher?“ Christian blickte Clark offen an und erklärte: „Es ist, wie ich es sagte, Clark. Ich verlasse mich auf meinen Instinkt. Aber es gibt, jetzt, da ich dich in Aktion gesehen habe, eine neue Frage für mich. Warum bist du nicht in die Gießerei gestürmt, und hast diese Gangster unschädlich gemacht? Du wusstest doch, dass du mir haushoch überlegen bist.“ Clark suchte nach Worten. Dann sagte er vorsichtig: „Es gibt auf dem Gelände der Gießerei etwas gegen das ich allergisch bin.“ Christian, der merkte, wie ungern Clark darüber sprach, beließ es dabei und hakte nicht weiter nach. Immerhin kannte Clark ihn kaum. Woher sollte er also wissen, ob er ihm vertrauen konnte. Ablenkend fragte er: „Lana weiß es nicht, oder?“ „Nein.“ Christian nickte nachdenklich. „Ist es deshalb so kompliziert bei euch?“ Clark nickte bedrückt. „Ja. Ich habe es ihr deshalb nie gesagt, um sie zu schützen. Aber mittlerweile frage ich mich, ob das richtig ist. Vielleicht verliere ich sie deswegen.“ Christian grinste schief. „Vor einem halben Jahr noch hätte ich dir an dieser Stelle vermutlich dazu geraten es ihr zu sagen. Aber mittlerweile habe ich selbst erfahren, dass es Situationen geben kann, in denen das keine Option ist. Weißt du: Irgendwie ist es auch ein Vorteil, dass Alicia weiß, wer ich bin. Denn offen gesagt, Clark, ich finde sie sehr... nett.“ Im nächsten Moment schüttelte er den Kopf und gab zu: „Nein, ich finde sie wundervoll. Und ich bin wirklich froh, dass sie nun weiß, was in der Gießerei wirklich passierte und dass ich ihr nichts vorzumachen brauche. Heute Nachmittag gehen wir gemeinsam, mit meinem Onkel und meiner Tante, zum Spiel der Crows. Kommst du auch hin?“ Clark schüttelte seinen Kopf. „Nein, ich gehen nur selten zu den Spielen.“ Christian spürte die leichte Wehmut seines Gegenübers und er fragte: „Du spielst nicht mit, weil du Angst hast, jemanden zu verletzen?“ „Ja. Und meine Eltern würden ausflippen, wenn ich es dennoch tun würde, obwohl ich mir sicher bin, dass ich meine Kräfte unter Kontrolle halten kann.“ „Das ist ihnen wohl auch kaum zu verdenken“, stellte Christian fest. „Wenn du aus Versehen einen der Gegenspieler so durch die Gegend werfen würdest, wie vorhin diese Heuballen, und dabei die halbe Stadt zuschaut, dann würde das eurem ruhigen Leben hier auf der Farm sicher einen leichten Dämpfer verpassen.“ „Soviel ist sicher“, seufzte Clark zustimmend. Mit verändertem Tonfall fragte er dann: „Ich bin erleichtert, dass du wegen dem, was du nun weißt, kein Monster in mir siehst.“ „Vielleicht, weil wir beide ganz genau wissen, dass diese drei Verbrecher, die Alicia vergewaltigen wollten, diese Bezeichnung hundertmal mehr verdient haben, Clark.“ Demonstrativ legte Christian seine Hand auf die Schulter des Schwarzhaarigen. „Und ich weiß, dass du so etwas niemals tun würdest.“ „Danke Chris. Es tut sehr gut mal mit jemandem reden zu können, ohne sich verstellen zu müssen.“ Christian lächelte. „Kann ich mir denken. Übrigens, falls du dich wundern solltest, dass ich nicht danach frage, ob du sonst noch etwas Außergewöhnliches kannst: Ich denke, du wirst es mir schon sagen, wenn du den Eindruck gewonnen hast, dass du mir vollkommen vertrauen kannst.“ Sie maßen sich eine Weile mit Blicken bevor Clark schließlich nickte. Dann nahm er den Faden von zuvor auf und fragte: „Du hast ein Date mit Alicia Sterling?“ „Äh... nein, eigentlich kann man das so nicht sagen. Ich glaube auch, dass es momentan noch zu früh wäre sie darum zu bitten, nach dieser traumatischen Attacke dieser drei Gangster am Dienstag. Aber ich hoffe schon, dass sie irgendwann ja sagen wird, wenn ich es tue.“ „Ich wünsche dir bereits jetzt viel Erfolg.“ „Danke, Clark.“ Christian war schon drauf und dran sich zu verabschieden, doch dann fiel ihm noch etwas ein. „Glaubst du, dass Chloe wirklich dichthalten wird? Ich hatte den Eindruck, dass ihr die TORCH über alles Andere geht.“ Clark nickte überzeugt. „Das wird sie, Chris. Notfalls drohe ich ihr an, sie nicht mehr zu grüßen, falls sie vorhaben sollte, doch zu reden.“ Christian lachte: „Das nenne ich mal eine kuriose Drohung.“ Dann erhob sich der Blonde um sich zu verabschieden. Gleichzeitig hörte er eine bekannte Stimme von draußen, die irgendwie misstönend rief: „Clark, bist du hier?“ „Wenn man vom Teufel spricht, dann steht er hinter einem“, knurrte Christian flüsternd, als im nächsten Moment ein blondes Mädchen mit kurzen Haaren hereinkam und er erkannte, dass es sich um Chloe handelte. „Oh ja, diese Auftritte hat sie echt drauf“, raunte Clark zurück. Schnell steuerte Chloe, vergnügt lächelnd, auf die beiden Jungen zu und meinte verschmitzt: „Was machen zwei so gutaussehende Typen wie ihr wohl, einsam und allein, in einer Scheune?“ „Aufpassen, dass man ihnen nicht den letzten Nerv stiehlt“, konterte Christian trocken. „Ich war gerade im Begriff zu gehen, also viel Spaß, ihr beiden.“ Damit verschwand er zum offenen Scheunentor und Chloes verwundertes Moment mal veranlasste ihn lediglich, seine Schritte zu beschleunigen. In der Scheune blickte Chloe fassungslos zu Clark und fragte ungläubig: „Hat der mich gerade abblitzen lassen?“ „Dein besonderer Charme wirkt vielleicht nicht auf ihn“, orakelte Clark schmunzelnd. Dann wurde er ernst: „Vielleicht ist er aber auch nur angefressen, weil du in seinem Privatleben herumgeschnüffelt hast, obwohl du es mittlerweile wirklich besser wissen solltest. Deswegen ist er nämlich gestern mit Alicia Sterling an einander geraten – und rate doch mal, wer das angerichtete Chaos wieder für dich geradegebogen hat.“ Etwas zerknirscht blickte Chloe zu dem Jungen auf, für den immer noch ihr Herz schlug. „Ich habe den Wink verstanden, Clark.“ Clark lächelte nachsichtig. „Das bezweifle ich, aber ich mag dich trotzdem. Aber sag, was treibt dich hier raus?“ Das Mädchen war Clark dankbar wegen des Themenwechsels. „Es geht um Pete. Irgendwie benimmt er sich in letzter Zeit etwas seltsam. Und damit meine ich nicht, dass er sich gut mit... Chris Falken versteht. Irgendwie scheint Pete momentan durch den Wind zu sein, und ich frage mich warum?“ „Chloe...!“ „Als Freundin, Clark, nicht als Klatsch-Reporterin.“ Clark machte eine zweifelnde Miene. „Das mit der Klatsch-Reporterin hast du gesagt. Vielleicht sollte ich mal mit Pete reden.“ Chloe nickte zufrieden. Natürlich wusste sie davon, dass zwischen Pete und Clark momentan etwas Funkstille herrschte. Deshalb versuchte sie, auf diese Weise zu vermitteln. „Das ist es, was ich hören wollte, Clark.“ Dann blickte sie unwillkürlich zum Scheunentor und meinte: „Jetzt muss ich aber wieder los.“ „Chris ist sicherlich schon über alle Berge, und wenn er gescheit ist, schon auf dem Weg in einen anderen Bundesstaat.“ Giftig zischte das Mädchen: „Jungs tun nie das, was gescheit wäre.“ Damit verschwand sie und Clark blickte ihr nur kopfschüttelnd nach.   * * *   Alicia Sterling hatte sich besonders für das heutige Spiel zurecht gemacht. Als sie ihre Stiefmutter am Morgen darum gebeten hatte, ihr Rastazöpfe zu flechten, nachdem sie das Bad über eine Stunde lang blockiert hatte, da hatte diese sie nur schmunzelnd angesehen, aber sich eines Kommentars enthalten. Die halbe Nacht hatte Alicia wach gelegen weil sie sich so sehr auf den heutigen Nachmittag gefreut hatte und dabei pausenlos an Chris hatte denken müssen. Seitdem er sich so verständnisvoll gezeigt, und sie später nach Hause gebracht, hatte, war er ihr nicht wieder aus dem Kopf gegangen. Seine ruhige Art, sein offenes Wesen und seine teutonische Erscheinung – das alles gefiel ihr sehr gut. Die Zeit schien nicht vergehen zu wollen, und es schien ihr, dass eine halbe Ewigkeit vergangen war, bis es endlich an der Tür klingelte, und die Falkens sie abgeholt hatten. Ihre Mom, die heute Spätdienst leisten musste, hatte ihr wissend lächelnd viel Spaß gewünscht, als sie das Haus verließ. Nun saß sie, dicht neben Chris, auf der Haupttribüne des Schulstadions und feuerte begeistert die Crows an. Jason und Mary Falken hatten sich einige Reihen tiefer niedergelassen, wobei Jason seinem Neffen belustigt zugezwinkert hatte. Christian, der sich von der Begeisterung des Mädchens an seiner Seite anstecken ließ, meinte zwischen zwei Spielzügen: „Man merkt, dass du sonst unten an der Seitenlinie stehst und das Team anfeuerst.“ „Ich kann es gar nicht abwarten nächste Woche wieder dabei zu sein“, erklärte Alicia begeistert. Dann lächelte sie und sagte sofort: „Obwohl es auch sehr schön ist, hier gemeinsam mit dir das Team zu unterstützen.“ „Ja, das ist es“, antwortete Christian lächelnd. Dabei konnte er sich gar nicht sattsehen an ihrer zauberhaften Erscheinung. In ihren engen Bluejeans, und dem königsblauen Pullover mit der schneeweißen Bluse darunter, und mit den geflochtenen, schulterlangen Rastazöpfen sah sie an diesem herrlich sonnig-warmen Märztag einfach zum Anbeißen aus. Er fragte sich, ob die Farbwahl wohl Zufall war, oder ob sie auf die Schalke-Fahne an der Wand seines Zimmers geachtet hatte. Sie beobachteten den nächsten Angriffszug der Crows gegen die Mannschaft aus Granville, die in dieser Saison als einzige Schulmannschaft der näheren Umgebung noch schlechter spielte, als die der Crows. Nach einem nur mäßigen Raumgewinn, meinte Alicia wie nebenbei: „Gefallen dir die Farben, die ich trage?“ Christian lachte. „Du hast auf die Fahne in meinem Zimmer geachtet, richtig?“ Alicia lächelte ihn vergnügt an. „Ja, und es hat eine Weile gedauert, bis ich im Internet den zugehörigen Verein gefunden hatte. Seit wann bist du Fan von denen? Ich kenne ein paar europäische Fußballvereine, wie Barcelona, oder Manchester United, aber von Schalke 04 hatte ich bis dahin noch nie etwas gehört.“ „Sakrileg!“, beschwerte sich Christian grinsend. „Schalke ist eine Religion in unserer Gegend.“ Er nickte bedeutungsvoll. „Kein Scherz, Alicia. Schalke-Fan bin ich übrigens in vierter Generation.“ Alicia schmunzelte. „Gelegentlich verfolge ich die Spiele unserer Frauen-Nationalmannschaft. Aber ganz ehrlich, das Spiel ist doch zum einschlafen langweilig.“ Diesmal blickte Alicia ernsthaft, bis sie das enttäuschte Gesicht des Jungen zum Lachen reizte. Dann erklärte sie: „Manche der Spiele sind wirklich toll gewesen.“ „Gott sei Dank“, atmete Christian erleichtert auf. „Ich dachte schon ich würde neben einer Ketzerin sitzen.“ Sie lachten sich an. Beide verspürten eine innere Unruhe, während sie weiter das Spiel verfolgten. Immer wieder blickten sie sich still lächelnd an. Da Christian gehört hatte, dass man hier in Amerika, abseits der großen Städte, etwas puritanischer in der Erziehung war, traute er sich nicht recht einen Schritt weiter zu machen, weil er befürchtete Alicia zu erschrecken, wenn er einfach ihre Hand ergriff, oder gar den Arm um ihre Schulter legte. Außerdem war da der Überfall gewesen. Das führte zu einer gewissen Unsicherheit, die er nicht gewohnt war. So in Gedanken versunken durchfuhr es ihn einen Moment später siedend heiß, als er die Finger des Mädchens auf seiner Hand spürte. Automatisch öffnete er sie und Alicia legte ihre Hand in seine. Sanft schloss sich die Hand des Jungen um die von Alicia, drückte sie behutsam, und glücklich lächelte blickte er das Mädchen von der Seite an.“ Auch Alicia lächelte sichtlich zufrieden und erwiderte den sanften Druck seiner Hand. Beide waren dabei so mit sich selbst beschäftigt, dass keiner von ihnen beiden Chloe Sullivan bemerkte, die drei Reihen höher saß, und diese kleine Szene beobachtete. Trübsinnig blickte das blonde Mädchen auf die beiden hinunter. Dann sagte sie sich, dass diese erste Schlacht verloren war, aber der Krieg noch lange nicht, solange beide nicht offiziell zusammen waren. Da konnte noch eine Menge passieren, wenn sie sich nur von ihrer besten Seite zeigte. Ein zaghaftes Lächeln überflog ihre Lippen. Noch würde sie nicht aufgeben...   * * *   Sie feierten nach dem Spiel noch im TALON den knappen Sieg der Crows. Später hatten sie noch einen Abstecher zur Saunders-Schlucht gemacht, wo sie, Hand in Hand, durch den noch recht kahlen Wald spaziert waren und einfach die Nähe des anderen genossen hatten. Alicia war sehr daran interessiert gewesen mehr über Christian zu erfahren und diesem war es in Bezug auf Alicia kaum anders ergangen. Nachdem Christian sie später am Abend bis zur Tür ihres Hauses gebracht hatte, standen sie sich auf der kleinen Veranda gegenüber. Christian bemerkte den plötzlich etwas unsicheren Blick des Mädchens. Auch Alicias Lächeln wirkte gezwungen. Als Christian sie fragen wollte, was los sei, da glitzerten plötzlich Tränen in ihren Augen und etwas erschrocken fragte der Junge leise: „Was hast du, Alicia? Habe ich etwas gesagt, oder getan, das dich verletzt oder traurig gestimmt hat?“ Das Mädchen schüttelte stumm den Kopf. „Nein, mir kam nur gerade der Gedanke... Ach, es ist zu blöd...“ Christian wusste nicht, was er davon halten sollte. Er schluckte und sagte dann sanft: „Bitte sage mir was los ist, Alicia.“ Das Mädchen blickte zu ihm auf und Tränen rannen über ihre Wangen. „Ich musste gerade nur wieder daran denken, welche Position deine Familie in Deutschland hat. Während meine Familie...“ Sie blickte Christian verzweifelt an, bis dieser plötzlich verstand. Sanft erwiderte der Junge: „Hey, was redest du denn da? Standesdünkel - das gehört ins Mittelalter, Alicia aber nicht in unsere Zeit. Oder glaubst du wirklich, dass ich mich und meine Familie als etwas Besseres sehe?“ Er überlegte einen Moment und fragte dann enttäuscht: „Oder glaubst du etwa, ich wäre so und würde nur mit dir spielen?“ Alicia blickte in Christians traurige Augen, und mit einem Mal schalt sie sich eine Närrin wegen ihrer dummen Gedanken. „Entschuldige Chris, ich... ich...“ Sie spürte, wie Christian ganz behutsam ihre Hände in seine nahm. Dann erklärte er sehr eindringlich: „Alicia der Tag war sehr schön, und das lag daran, dass ich ihn mit dir verbracht habe. Und ich würde mich wirklich gerne einmal außerhalb der Schule mit dir verabreden.“ Alicia wich seinem Blick aus, weil sie sich für das schämte, was sie für einen kurzen Moment von ihm gedacht hatte. Als sie ihn wieder ansah, blickte sie in sein abwartend lächelndes Gesicht. Vorsichtig fragte sie: „Soll das vielleicht so etwas wie ein Date werden?“ Christian, der befürchtete zu forsch vorgegangen zu sein, erwiderte schnell: „Nein, das muss es nicht... ich meine... natürlich wäre das auch sehr schön, aber...“ Ein schüchternes Lächeln lag auf den Lippen des Mädchens, als es sich ein Herz fasste, in Christians blaue Augen blickte, die ihr so sehr gefielen und leise fragte: „Wollen wir uns nicht einmal zu einem offiziellen Date treffen, Chris?“ Ein glückliches Lächeln stahl sich auf das Gesicht des Jungen. „Sehr gerne Alicia.“ „Dann wirst du mich also morgen Vormittag darauf ansprechen, wenn ich bei euch zum Muay Thai-Training vorbei schaue, und wir werden eins mit einander verabreden?“ „Ja“, strahlte der Junge. „Genau so werden wir es machen. Und um deine Frage ganz klar zu beantworten: Ich pflege keinerlei Standesdünkel, Alicia Sterling. Ich... habe dich wirklich sehr gern.“ Glücklich lächelnd trat Alicia dicht an Christian heran, während sie einander noch immer an den Händen hielten, und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. „Gute Nacht, Chris“, flüsterte sie leise. Auch er gab dem Mädchen einen Kuss auf die Wange. „Gute Nacht, Alicia. Ich freue mich bereits auf deinen morgigen Besuch.“ Widerstrebend ließ Christian die Hände des Mädchens los, als sie zur Haustür ging. Er wartete, bis sie im Haus war und ihm durch die Scheibe der Tür noch einmal lächelnd zu winkte, bevor er sich abwandte und vergnügt die Treppen hinunter hüpfte. Noch einmal wandte er sich um und winkte, bevor er davon schritt, wobei er das unbändige Verlangen unterdrückte mit den Fingern zu schnippen. Und während er so in die Nacht hinaus schritt, wurde ihm bewusst, dass er sich bis über beide Ohren in Alicia Sterling verliebt hatte.     TO BE CONTINUED... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)