Smallville-Expanded - 01 von ulimann644 (Black and White) ================================================================================ Kapitel 1: Der Neue -------------------  „Hey, Chloe – warte mal einen Moment!“ Das Mädchen mit den kurzen, strohblonden Haaren und den sphinxhaften, grünen Augen fuhr beim Klang dieser Stimme, im Hauptgang der Smallville-Highschool, herum. Sie kannte diese Stimme nur allzu gut, und ihr Herz schlug jedes Mal schneller, wenn sie sie hörte, denn diese Stimme gehörte Clark Kent, einem verdammt gutaussehenden Jungen von siebzehn Jahren. Und sie war in ihn verliebt, auch wenn sie es ihm bisher nie gesagt hatte. Nun, eigentlich stimmte das so nicht, denn sie hatte es ihm vor etwa einem Jahr, während eines Krankenbesuchs gestanden, doch in seinem Delirium hatte er mit nur einem einzigen Namen geantwortet: Lana. Das war einer der bittersten Momente ihres Lebens gewesen. Natürlich hatte sie in den letzten zwei bis drei Jahren gemerkt, was Clark für Lana Lang empfand, und kameradschaftlich neckend zog sie ihn damit immer wieder auf, damit er nicht bemerkte, wie es in ihr immer noch aussah. Dennoch war es etwas gänzlich anderes gewesen, zu hören, dass das einzige Wort in Clarks schwachem Zustand der ihrer Freundin Lana Lang gewesen war. Und tief in ihr drin tat es auch jetzt immer noch weh. Sich zusammen nehmend wirbelte Chloe Sullivan mit einem Lächeln herum und rief fröhlich winkend zurück: „Hallo, Clark, was gibt es denn?“ Während Clark Kent sich mit einem irgendwie verlegen wirkenden Grinsen näherte, fragte sich das Mädchen, was momentan mit ihm los sein mochte. Seit sie, vor einigen Tagen, mit einem Gas in Berührung gekommen war, dass ihre jeweiligen Gesprächspartner dazu veranlasst hatte, immer die schonungslose Wahrheit zu sagen, und an dessen Nebenwirkungen sie beinahe gestorben wäre, benahm er sich ihr gegenüber etwas seltsam. Gelinde formuliert. Zwei Tage lang hatte sie sich bei fast allen Leuten an der Highschool unbeliebt gemacht. Clark hatte zwar ihre Entschuldigung akzeptiert, aber dennoch fragte Chloe sich, ob ihr unmögliches Verhalten das von Clark zu erklären vermochte. Als Clark sie erreichte, blickte er beinahe entschuldigend und fragte dann unvermittelt: „Hast du Lana heute Morgen schon gesehen? Ich hatte gehofft, sie im Büro der TORCH anzutreffen, aber da war sie nicht.“ Chloe lachte vergnügt. „Du solltest ab und zu den Gesellschaftsteil unserer Schülerzeitung lesen, Clark. Heute haben wir einen neuen Mitschüler bekommen, und Direktor Reynolds hat ihm Lana kurzerhand als seinen Mentor zugeteilt. Dieser Typ sieht übrigens blendend aus, wenn du mich fragst. Hochgewachsen, athletisch, blond, und die blauesten Augen, die ich je gesehen habe.“ „Ach, tatsächlich?“ Chloe, die sehr scharf Clarks Reaktion auf ihre letzten Worte beobachtete, bemerkte einen leicht gereizten Unterton in seiner Stimme. Dabei fragte sie sich, ob es wohl ein Anzeichen von Eifersucht sein mochte. Sie überlegte schnell und entschloss sich, einen Schuss ins Blaue zu riskieren, indem sie nachlegte und verschmitzt meinte: „Lana schien es nicht gerade als Bestrafung zu empfinden sich um ihn kümmern zu müssen.“ Der Blick, mit dem Clark die Freundin bedachte, schien ihre Vermutung zu bestätigen und für einen Augenblick spürte sie dabei einen leichten Stich im Herzen. Ablenkend meinte sie dann: „Falls du im Moment nichts Besseres vorhast könntest du mir in der Redaktion aufräumen helfen. In der letzten Zeit stapeln sich dort die Bücher, die ich mir in der Schulbibliothek ausgeliehen habe, bis zur Decke. „Clark, der Packesel“, seufzte der Junge missvergnügt und folgte Chloe. Sie kannten sich seit der achten Klasse. Chloe war gerade mit ihrem Vater von Metropolis nach Smallville gezogen, und er hatte die Aufgabe übertragen bekommen, sie, als ihr Mentor an der Schule, überall herumzuführen. Doch Chloe hatte lediglich von ihm wissen wollen, wo sie die Tageszeitung DAILY PLANET kaufen konnte, um, wie sie sagte, den Kontakt zur Zivilisation nicht zu verlieren. Als sie erfuhr, dass er auf einer Farm wohnte, hatte sie darauf bestanden ihn besuchen zu dürfen. Clark vermutete heute noch, dass Chloe ihn und seine Eltern damals für Amish-Leute gehalten hatte, obwohl sie das bis heute vehement bestritt. Als sie schließlich sein Domizil, auf dem Dachboden der Kent-Scheune, von ihm gezeigt bekam, da hatte sie ihn einfach umarmt und geküsst. Und noch bevor er sich damals von seiner Überraschung erholen konnte hatte sie mit einem verschmitzten Lächeln gemeint, sie würde wissen, dass er an nichts anderes denken würde, und sie es deshalb möglichst schnell hatte hinter sich bringen wollen, damit sie Freunde werden können. Clark lächelte in Gedanken, an diese Zeit. Es war sein erster richtiger Kuss gewesen. Seitdem waren er und Chloe Freunde, und keiner von ihnen beiden hatte den Kuss jemals wieder erwähnt. Vermutlich war er Chloe ebenso peinlich gewesen, wie ihm selbst. Kein Wunder, war er damals doch gerade erst vierzehn Jahre alt gewesen, und Chloe noch Dreizehn. Das alles war nun bereits mehr als drei Jahre her. Chloe bemerkte das erheiterte Grinsen des Freundes, als sie die TORCH-Redaktion betraten, und mit einem fragenden Blick erkundigte sie sich: „Was findest du so wahnsinnig komisch, Clark?“ „Was? Oh, ich musste nur an eine lange zurückliegende Begebenheit denken.“ Dann blickte er sich um und seufzte abgrundtief. Chloe hatte nicht übertrieben – gefühlt befand sich das halbe Inventar der Schulbibliothek in diesem Raum. Ablenkend fragte der Junge: „Findest du nicht, dass du den Anderen auch mal eine Chance geben solltest in eines dieser Bücher zu schauen, und sie nicht als deinen Privatbesitz ansehen solltest?“ Das Mädchen lachte über den komisch verzweifelten Gesichtsausdruck des Freundes und meinte vorwurfsvoll: „Jetzt übertreibe mal nicht, Clark. Das sind doch nur...“ „Einige hundert Bücher“, beendete Clark ironisch ihren Satz. Die kannst du doch unmöglich alle gelesen haben.“ „Sehr witzig“, konterte Chloe ironisch. „Die habe ich zumeist für irgendwelche Recherchen gebraucht, also habe ich jeweils nur einen sehr geringen Teil der jeweiligen Buchtexte benötigt.“ „Vielleicht solltest du dir angewöhnen öfter mal Google zu verwenden.“ Der Blick, mit dem Chloe den Schwarzhaarigen bedachte wirkte beinahe schockiert. „Aber Clark, was würde aus uns, wenn wir nicht mehr in die Bibliothek gehen, und richtige Bücher lesen würden?“ „Studenten“, konterte der Junge trocken und schnappte sich schnell den nächsten Buchstapel, bevor Chloe eine Grundsatzdebatte über die Bedeutung von Büchern mit ihm beginnen konnte. Während sie beide mit einem Stapel Bücher bewaffnet aus dem Raum marschierten, erkundigte sich Chloe ironisch: „Wie bist du denn drauf?“ Clark wollte zu einer Antwort ansetzen, als er am Ende des Ganges zwei Personen entdeckte, die gerade, angeregt mit einander plaudernd in einen der Seitengänge einbogen. Eine von ihnen war Lana Lang. Die andere Person war ein Junge, etwa in seinem Alter, der gut 1,90 Meter groß sein musste. Chloe, die seinen Blick verfolgte erlaubte sich ein Schmunzeln und erklärte: „Das ist der Neue. Sieht er nicht toll aus?“ Clark, der die Frage kaum mitbekam nickte nur schwach. Dann sagte er: „Komm, sonst stehen wir morgen noch hier herum.“   * * *   Vor einer halben Stunde hatte ihn sein Onkel vor der Smallville-High abgesetzt, und nun spazierte er, in Begleitung von einem der hübschesten Mädchen, das ihm jemals begegnet war, durch die verschiedenen Bereiche der Schule. Ihr Gesichtsschnitt wirkte eurasisch und sie konnte nicht verleugnen, dass einige ihrer Vorfahren asiatischer Herkunft gewesen sein mussten. Bisher hatte Christian von Falkenhayn immer vermutet, dass jedes Mädchen mit einem so tollen Aussehen gleichzeitig eingebildet und hochnäsig war, doch all das traf auf das dunkelhaarige Mädchen an seiner Seite, die er um einen Kopf überragte, nicht zu. Lana Lang war charmant und gleichzeitig erfrischend nett. Außerdem erweckte sie den Eindruck, intelligent zu sein – eine sehr ansprechende Mischung, wie Christian fand. Da er selbst ein sehr kontaktfreudiger und offener Mensch war, hatte er sofort Zugang zu Lana gefunden und so schritten sie, locker plaudernd, durch die Gänge der Schule. Dabei bewunderte er einmal mehr die amerikanische Lockerheit. Stand man an deutschen Schulen, bei jedem nicht genutzten Raum vor einer verschlossenen Tür, konnte man hier quasi jeden Raum betreten, ohne gleich nach dem Hausmeister rufen zu müssen. Lana nahm ihre Aufgabe, zu seiner Freude, sehr genau und zeigte ihm jeden Winkel der Schule, angefangen vom Keller und dem Schwimmbad, über die verschiedenen Klassenräume und der Sporthalle, bis hinauf zur Aula. Dabei hatte sie sich bisher besonders für seine Herkunft interessiert. Als sie auf den Sportplatz hinaus schritten, fragte sie: „Wo genau liegt eigentlich Hagen. Von dieser Stadt habe ich leider noch nie gehört.“ „Alles andere hätte mich auch schwer gewundert“, erklärte Christian mit einem Lachen, das sich auch in seinen tiefblauen Augen wiederfand. Er überlegte kurz, ob er sich bei seiner folgenden Erklärung von Hamburg, oder von Frankfurt aus annähern sollte und entschied sich dann für die letztere Variante. Während sie langsam das Footballfeld umrundeten, meinte Lana schließlich: „Unter dem Begriff Ruhrgebiet kann ich mir etwas vorstellen. Der kam im Geschichtsunterricht öfter vor. Besonders beim Thema Zweiter Weltkrieg.“ „Kann ich mir denken. Zum Glück ist diese Zeit lange vorbei.“ „Ja“, erwiderte Lana schnell und schob sich mit der Linken eine Haarsträhne hinter das Ohr. Für einen Moment herrschte unangenehmes Schweigen bevor Lana auf das Spielfeld deutete und ablenkend fragte: „Kennt man bei euch American-Football?“ „Hagen hat eine eigene Mannschaft“, antwortete Christian und weidete sich am überraschten Blick des Mädchens. „American-Football wird in Deutschland seit den Neunzigern immer beliebter. Ich selbst habe zwei Jahre lang bei den Hagen-Oaks gespielt. Das hält zwar vermutlich keinen Vergleich zu irgendeiner amerikanischen Schulmannschaft aus, aber wir geben uns große Mühe.“ „Und ich dachte immer, in Europa wird nur Fußball gespielt.“ „Immer noch – und sehr gut“, lachte Christian. „Aber in den letzten zehn Jahren holen einige Randsportarten sehr auf.“ Lana´s braun-grüne Augen drückten beinahe so etwas wie Unglauben aus, weil Christian es gewagt hatte, American-Football als Randsportart zu bezeichnen. Ironisch erklärte sie: „Lass das mit der Randsportart keinen Menschen in diesem Land hören, sonst läufst du Gefahr geteert und gefedert zu werden?“ Christian hob amüsiert seine Augenbrauen. „So läuft das hier?“ „Ja, so läuft das hier“, lachte das Mädchen, und allein für dieses Lachen schien sich die weite Reise nach Amerika bereits gelohnt zu haben. Dann fragte sie mit erwachendem Interesse: „Auf welcher Position hast du gespielt?“ „Free Safety.“ Lana musterte ihn und meinte dann: „Ich hätte eher gedacht, du wärst Quarterback, Cornerback oder Wide-Receiver gewesen.“ Mir hat es schon immer mehr Spaß gemacht das Punkten der Gegner zu verhindern, als selbst zu punkten. Nur sportlich versteht sich. Vielleicht darf ich ja bei den Crows mal mittrainieren.“ „Du weißt, dass du dazu eine schriftliche Erlaubnis deiner Eltern brauchst, solange du keine achtzehn Jahre alt bist, Chris?“ Überrascht musterte der Hochgewachsene das Mädchen. Dann fragte er in komischer Verzweiflung: „Was ist mit diesem Land los? Auto und Motorrad fahren darf man mit Sechzehn, aber um Football zu spielen brauche ich eine Erlaubnis der Eltern. Sehr seltsam.“ Lana merkte, dass der Junge seine Worte nur zum Teil ernst gemeint hatte und grinsend meinte sie: „Vermutlich werden mir ab dem Sommer in Paris auch einige Dinge seltsam vorkommen.“ Ein enttäuschter Zug lag auf dem Gesicht des blonden Jungen, als er nachhakte: „Du gehst weg von hier?“ „Ja, nach dem Abschluss dieses Jahres. Ich möchte etwas anderes sehen, als Smallville, und ich möchte Kunst studieren. Und wo ginge das besser, als in Paris?“ Christian nickte. „Da ist etwas dran. Trotzdem schade, dass wir dadurch kaum Gelegenheit haben werden uns besser kennenzulernen.“ Im nächsten Moment lächelte er bereits wieder unbekümmert und sagte: „Ich habe ein paar Freunde dort. Wenn du willst, dann kann ich dir ein paar Tipps, in Bezug auf die Suche nach einer Studentenbude geben.“ Erfreut blickte Lana zu Christian auf. „Das wäre toll.“ Sie setzten ihren Rundgang um das Spielfeld fort und nach einer Weile fragte Lana: „Übst du sonst noch irgendwelche Sportarten aus?“ Christian nickte. „Seit meinem zehnten Lebensjahr die Kampfsportart: Muay Thai Boran. Im Gegensatz zum modernen Thaiboxen beinhaltet das traditionelle Muay Thai auch den Kampf mit verschiedenen Schilden, Hieb- und Stichwaffen, und geht über die weitverbreitete normale Kampfkunst weit hinaus. Die Augen des Mädchens weiteten sich. „Wow, das nenne ich mal einen interessanten Sport. Und sonst?“ Lachend stellte Christian die Gegenfrage: „Reicht das nicht?“ Er blickte in die wundervollen Augen des Mädchens und fügte dann hinzu: „Gelegentlich fechte ich. Das stärkt die Reflexe, die Hand-Auge-Koordination und es übt einen in Disziplin.“ Lana schmunzelte verschmitzt, als sie fragte: Und wie sind deine Reflexe so?“ „Besser als durchschnittlich“, meinte Christian trocken aber auch mit einer gewissen Selbstsicherheit. Er blieb stehen, als er ihren leicht spöttischen Blick bemerkte. Wieder blickte er in ihre Augen, die im Schein der Morgensonne, an diesem Märzmorgen, beinahe golden schimmerten. Dann fragte er unvermittelt: „Hast du zufällig eine Münze zur Hand?“ „Ja, meinen Glücks-Penny.“ Lana förderte die Münze aus ihrer Hosentasche und hielt ihn zwischen Daumen und Zeigefinger. „Was hast du damit vor?“ Ein unmerkliches Schmunzeln lag auf dem Gesicht des Jungen, als er sagte: „Lege ihn bitte auf meine Handfläche.“ Lana Lang machte ein etwas befremdetes Gesicht, tat Christian jedoch den Gefallen. Christian hielt ihr seine Hand in Bauchhöhe entgegen und meinte: „Was jetzt folgt kannst du dir sicherlich denken. Du hältst nun deine Hand in Schulterhöhe über meine. Zu irgendeinem beliebigen Zeitpunkt versuchst du dann, mir die Münze aus der Hand zu nehmen, bevor ich sie schließen kann. Ich für meinen Teil, darf meine Finger erst bewegen, sobald sich deine Hand bewegt.“ „Das klingt sehr einfach.“ Die Antwort des Jungen bestand lediglich in einem leichten Lächeln. Dann spannten sich seine Gesichtszüge, und Lana konzentrierte sich auf die Hand des Jungen. Die Sekunden schienen sich zu Minuten zu dehnen, bevor ihre rechte Hand blitzartig nach Unten zuckte. Im nächsten Moment blickte sie Christian mit einer Mischung aus Unglauben und Überraschung an, denn sie spürte, dass sie die Münze nicht in ihrer Hand hielt. Sie hatte nicht einmal die sich schließende Hand des Jungen berührt. Noch immer lag das leichte Lächeln auf dem Gesicht des Jungen, ohne dass es überheblich wirkte. „Da ist doch ein Trick dabei“, beschwerte sich das Mädchen. Christian, der zufrieden seine Hände in die Taschen seiner Hose gesteckt hatte, fragte ruhig: „Vielleicht möchtest du es mal umgekehrt probieren?“ Ein herausforderndes Funkeln lag in Lanas Blick. „Sicher.“ Christian nahm die Hände aus den Taschen, öffnete seine rechte Hand und legte den Penny in die Hand des Mädchens. Er wartete, bis Lana ihre Hand ausgestreckt hatte und hielt dann seinerseits seine Rechte darüber. Lana stellte fest, dass er seine Hand etwas weiter von ihrer entfernt hielt, als sie zuvor bei ihm, und sie nahm sich fest vor, dass er es nicht schaffen sollte, die Münze zu bekommen. Wieder konzentrierte sie sich und blickte auf die Hand des Jungen. Christians Hand zuckte nach unten Blitzartig reagierte Lana und für einen Moment glaubte sie einen schwachen Hauch auf ihrer Handfläche zu spüren. Doch dann spürte sie die Münze in ihrer Hand, und sie sagte sich, dass dies eine Täuschung gewesen sein musste. Triumphierend blickte sie in die Augen des Jungen, der nicht unzufrieden wirkte. Im Gegenteil, er schien geradezu vergnügt zu sein. Offensichtlich war er ein fairer Verlierer. „Soviel zu deinen tollen Reaktionen“, spöttelte sie schadenfroh, immer noch die Münze umklammert. „Bist du sicher, dass du den Penny noch hast?“ Ungläubig wegen der Frage, blickte Lana ihr Gegenüber an. „Ganz sicher, Chris.“ Langsam öffnete der Junge seine Hand und ein Penny lag darin. Verärgert erklärte Lana: „Hör zu, es ist einfach gewesen einen zweiten Penny in deiner Hosentasche zwischen die Finger zu nehmen und nun so zu tun, als wäre es der, den ich in meiner Hand hatte, und immer noch habe.“ „Ich an deiner Stelle würde wirklich mal nachsehen, Lana.“ Die unerschütterliche Gelassenheit des Jungen verwirrte Lana. Irgendetwas stimmte hier nicht. „Also schön, hier ist der Penny.“ Sie öffnete ihre Hand und starrte auf die Münze. Langsam, so als würde sie ihren Augen nicht trauen, nahm sie die Münze in die Linke, und drehte sie vor ihren Augen. Es war kein amerikanischer Cent, sondern ein Euro-Cent. Mit offenem Mund starrte sie Christian an und meinte schließlich: „Okay, ich bin offiziell beeindruckt. Wie machst du das?“ „Jahrelanges Training. Reflexe kann man genauso trainieren, wie Muskeln. Es ist nur etwas langwieriger.“ Christian zwinkerte ihr zu und legte den Penny neben seinen in ihre Hand. „Den Euro-Cent kannst du als zusätzlichen Glücksbringer behalten.“ „Danke, Chris. Dein Reflexe sind schlicht famos.“ Christian nickte und meinte in Gedanken: „Hoffentlich sieht das der Coach des Football-Teams irgendwann auch so. Nachher werde ich gleich einmal meinen Vater anrufen, wegen der Genehmigung.“ „Mit ihm scheinst du dich wohl besser zu verstehen, als mit deiner Mutter?“, erkundigte sich Lana und wunderte sich gleich darauf über den seltsam melancholischen Blick des Jungen. Christian atmete tief durch, bevor er leise antwortete: „Meine Mutter starb vor etwas mehr als drei Monaten, Lana. Ich habe mich mit keiner Person besser verstanden, als mit ihr.“ Spontan legte das Mädchen seine Hand auf den Unterarm des Jungen: „Tut mir sehr leid, Chris. Ich kann mir vorstellen, wie du dich momentan fühlst, denn ich habe meine Eltern bei dem Meteoritenschauer, vor vierzehn Jahren, verloren. Wenn du darüber reden...“ „Nein!“ Christian blickte Lana bittend an. „Zumindest jetzt noch nicht, okay?“ Lana nickte aufmunternd lächelnd. „Okay.“ Dann sagte sie ablenkend: „Übrigens, das Formular für die Erlaubnis, gibt es im Büro des Coaches.“ Christian nickte knapp. Sie schritten eine Weile schweigend weiter, bevor sich der Junge erkundigte: „Der Meteoritenschauer war wohl ein einschneidendes Erlebnis für die Bewohner dieser Stadt. Mein Onkel Jason und meine Tante Mary erzählten mir davon, als ich noch klein war.“ „Etwa Jason und Mary Falken?“ „Ja – kennst du die beiden etwa?“ Lana lächelte amüsiert. „Hallo, Chris, Smallville ist eine Kleinstadt. Früher waren die beiden öfter mal im Blumenladen meiner Tante. Dann bist du also Chris Falken. Direktor Reynolds hat mir vorhin nur deinen Vornamen genannt.“ „Sozusagen“, bestätigte Christian, wobei es ihm unangenehm war, seinen richtigen Namen nicht zu nennen. Doch es musste sein, um seine Sicherheit nicht zu gefährden, und obwohl er einen amtlichen Ausweis besaß, der auf diesen Namen lautete, blieb in ihm ein gewisses ungutes Gefühl zurück. Er war bislang stets für seine Ehrlichkeit bekannt gewesen, und kaum in Amerika angekommen musste er lügen, was seine Person betraf. Das gefiel ihm nicht, auch wenn er die Notwendigkeit einsah. Lana Lang musterte Chris fragend und für einen kurzen Moment beschlich sie ein seltsames Deja Vu-Gefühl, beim Blick des Jungen. Genau so hatte sie Clark Kent sie oft angesehen, wenn sie das Gefühl hatte, er würde ihr etwas verschweigen. Sie schüttelte diesen Gedanken ab und sagte sich, dass sie anfing Gespenster zu sehen. „Ist etwas?“, erkundigte sich Christian, der ihren fragenden Gesichtsausdruck nicht zu deuten wusste. Lana schüttelte lächelnd den Kopf. „Nein, alles bestens. Komm, jetzt zeige ich dir das Interessanteste an unserer Schule.“ Neugierig hakte Christian nach: „Und das wäre?“ „Die Redaktion unserer Schülerzeitung, TORCH. Meine Freundin Chloe leitet sie; ein echtes Original. Sie hatte bereits zwischenzeitlich eine eigene Kolumne beim DAILY PLANET in Metropolis.“ „Klingt interessant. Dann wollen wir diesem... Original mal einen Besuch abstatten.“   * * *   Chloe und Clark hatten die letzten Bücher zur Bibliothek gebracht und gerade wieder die Redaktion der TORCH betreten, als Lana Lang, in Begleitung des neuen Schülers, hinter ihnen herein kam. Clark musterte den Neuankömmling. Chloe hatte nicht übertrieben, ihr neuer Mitschüler wirkte durchtrainiert und sein gutaussehendes Gesicht wirkte offen und sympathisch. Er konnte nicht verhindern, dass er einen Anflug von Eifersucht dabei verspürte, Lana in seiner Nähe zu sehen, deren ovales, makelloses Gesicht ihn stets aufs Neue faszinierte. Aber es war weitaus mehr, als nur das. Der hochgewachsene Blonde wartete nicht, bis Lana ihn vorstellte sondern er schritt forsch zu Chloe und reichte ihr seine Hand. „Hallo, ich bin Chris Falken“, stellte er sich mit sonorer Stimme vor. „Und du bist...?“ Chloe schenkte dem Hünen ein strahlendes Lächeln. „Hi, ich bin Chloe Sullivan und das neben mir ist Clark Kent.“ Christian ließ Chloes Hand los um sie Clark zu reichen. „Freut mich.“ „Ja, mich auch“, entgegnete der Schwarzhaarige reserviert. „Du scheinst dich schnell mit Lana angefreundet zu haben.“ „Sie ist sehr nett“, antwortete Christian unbefangen und wunderte sich über die Reaktionen der drei Mitschüler. Während Lana verlegen wirkte und seinem Blick auswich, musterte Clark ihn prüfend. Chloe hingegen schien sich geradezu köstlich zu amüsieren. Leicht verwirrt blickte er von Clark zu Lana und wieder zu Clark. Dann dämmerte ihm etwas und vorsichtig fragte er Clark: „Sie ist deine feste Freundin, richtig?“ Nun war die Reihe an Clark peinlich berührt zu blicken und abwechselnd versuchten sie beide, beginnend mit Lana, die Situation herunterzuspielen. „Äh... nein...“ „Wir haben... nicht wirklich...“ „Eine...“ „Ähem... Angelegenheit...“ „Es ist...“ „Kompliziert...“ Christian blickte etwas konsterniert von Clark zu Lana. Offensichtlich hatte er unabsichtlich in ein Wespennest gestochen. „Ich verstehe“, meinte er, um das entstehende unangenehme Schweigen zu durchbrechen. „Eine komplizierte Angelegenheit also.“ „Oh ja“, feixte Chloe amüsiert. Dann grinste sie spitzbübisch. „Wie wäre es mit einem spontanen Interview, Chris. Ich würde dich gerne der gesamten Schülerschaft in der TORCH vorstellen, wenn du gestattest.“ Dankbar dafür, dass das blonde Mädchen im richtigen Moment die Initiative ergriff, antwortete Christian schnell: „Ja klar, warum nicht.“ Er wandte sich zu Lana um. Das ist doch okay, oder?“ Lana nickte schnell. „Sicher. Wir waren ohnehin fertig mit dem Rundgang.“ Der Blonde wurde abgelenkt, als Chloe ihr neuestes Opfer schnell mit sich zog, bevor er es sich eventuell anders überlegte. „Komm, ich zeige dir erst einmal wie wir bei der TORCH eingerichtet sind.“ Währenddessen verließen Clark und Lana das Büro der TORCH. Draußen auf dem Gang fragte der Junge: „Was hältst du von unserem neuen Mitschüler?“ Lana war für den Themenwechsel dankbar und erwiderte: „Ich kenne ihn zwar kaum, aber er macht einen ganz netten Eindruck. Glaubst du, wir hätten ihn vor Chloes Interview warnen sollen?“ „Nein“, grinste Clark, irgendwie schadenfroh aussehend. „Die Erfahrungen mit Chloe muss jeder für sich selbst machen.“ „Falls er es überlebt, wird Chloe ihn nachher bestimmt mit zum TALON schleifen. Kommst du auch heute vorbei?“ Clark nickte lächelnd. „Ich werde da sein.“ Sie lächelten sich an und begaben sich dann, in verschiedene Richtungen, zu ihren jeweiligen Kursen.   * * *   Zur selben Zeit standen Chloe und Christian, im Büro der TORCH vor einer riesigen Tafel, die über und über mit bizarren Zeitungsberichten und Bildern übersät war. Nachdem Christian fassungslos einige der Artikel überflogen hatte, wandte er sich mit fragender Miene zu Chloe um und erkundigte sich: „Was ist das?“ In einer alles umfassenden Geste streckte das Mädchen seine Arme aus und antwortet theatralisch: „Das ist meine Wand des Wahnsinns. An diese Wand kommen alle seltsamen, mysteriösen und unerklärlichen Vorfälle, die sich seit dem Meteoritenschauer in dieser Gegend ereignet haben, und wie du sehen kannst, waren das bisher nicht gerade wenige.“ „Steht da auch etwas über mysteriöse Anomalien, die dafür verantwortlich sind, dass in meiner Nähe die Fettnäpfchen immer in beängstigender Weise zusammenrücken?“ Chloe lachte vergnügt. „Nein, aber was nicht ist kann ja noch werden.“ Dann wurde sie wieder ernst und meinte: „Vergiss das von eben einfach, okay. Ich denke, dass es dir beide nicht krumm nehmen.“ Christian sah sie an und meinte übertrieben ironisch: „Sicher. Aber warum sind die beiden denn so schnell verschwunden, die Peinlichkeiten fingen doch gerade erst an.“ Etwas ernster erkundigte er sich dann: „Ist es wirklich so kompliziert, oder machen die Beiden es nur kompliziert?“ „Sowohl, als auch, Chris.“ „Autsch!“ Chloe nickte zustimmend. „Das ist genau das richtige Wort dafür. Ach ja, bevor wir mit dem Interview loslegen: Was hältst du davon, wenn ich dir heute Nachmittag das TALON zeige. Lana ist Teilhaberin des Cafés.“ „Das klingt sehr gut, Chloe.“ Ein zufriedenes Lächeln überflog das Gesicht des Mädchens. „Also schön, dann werden wir zwei mal mit dem Interview beginnen.“   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)