Auf der Jagd von matvo (Schatten und Licht, Interlude 2) ================================================================================ Kapitel 3: Sei stolz! --------------------- Im langen Laufschritt bahnte sich das Katzenmädchen ihren Weg durch die bevölkerte Straße vor ihr an hohen Gebäuden aus Sandstein vorbei. Die ehemals weiten weißen Leinen ihres Trainingsanzugs waren inzwischen Grau und klebten an ihrem kräftigen Körper. Die hohen Zinnen des Rathaus, in dem sie zu Gast war, kamen näher, immer näher und doch konnte sie die blonde Frau hinter sich nicht abschütteln. Als sie schließlich die weiten Türen des Machtzentrums Chuzarios erreichte, war Serena nur wenige Meter hinter ihr. „Und du willst außer Form sein?“, fragte sie Merle schwer atmend, während sie sich auf ihre Knie stützte. „Wäre ich Vollbesitz meiner Kräfte, hättest du mich nach der ersten Kurve verloren.“, antwortete sie zwischen in ihren schweren Atemzügen. Serena schüttelte verärgert den Kopf. „Soll ich jetzt den Schwanz einziehen oder vor Ehrfurcht erstarren?“ „Sei Stolz. Auf dich selbst.“, gab Merle kleinlaut zurück. „Es wird frisch. Lass uns rein gehen.“ Die Wachen vor den Flügeltüren des Rathaus empfingen die Frauen mit gehobenen Brauen. Im respektvollen Abstand zueinander betraten sie das hohe Foyer und gingen Zielstrebig zum Trainingsraum, der ursprünglich für die junge Monarchin Chuzarios eingerichtete worden war. Dieser enthielt bis auf ein Gestell, gespickt mit Waffenattrappen, keinerlei Einrichtung. Sie legten ihre Schuhe und ihre Fußbekleidung ab, ehe sie sich auf den Holzboden wagten. Die Herrin des Hauses hatte diese Regel aufgestellt. Andächtig fühlte das Katzenmädchen das schnörkellose Holz unter ihren Pfoten. Sie musste zugeben, ihr gefiel die Vorschrift. Serena schnappte sich ein langes Holz in Form eines Langschwerts, während Merle sich zwei kurze Stäbe nahm.Um deren ungewohntes Gewicht zu prüfen ließ sie die schmalen Zylinder in ihren Händen kreisen. Ihre Gegnerin hingegen fixierte sie bereits mit der Spitze ihrer Klinge. „Fertig mit spielen?“, spottete sie streng und griff an. Mit einen langen Schritt trieb sie die Waffe beidhändig auf Merle Mitte zu, die diese erst mit ihrer erhobenen Linke fixierte um dann mit ihren rechten ein Streich gegen Serenas Unterleib zu führen. Von der Wucht und den Überraschungsmoment getroffen klappte sie auf ihren Knien zusammen. Einen Moment sahen sich die Frauen stumm an, ehe sich die Menschenkriegerin mit wildem Gebrüll vom Boden katapultierte. Merle trat seelenruhig beiseite und stellte ihr einen Fuß in den Weg. Nun machte Serena wieder Bekanntschaft mit den Boden. Sie hatte so gar nichts von ihrem eleganten Bruder, stellte das Katzenmädchen amüsiert fest. „Genug.“, unterbrach die Stimme einer jungen Frau den Kampf. Überrascht blickte Merle zur Tür. Sie hatte die erfrischende Auseinandersetzung mit ihrer Freundin wohl zu sehr genossen. Zwischen den beiden Pfosten hatte sich unbemerkt eine kleine Gruppe aus Zuschauern gebildet, angeführt von Sophia, die Glanz und Gloria ausstrahlte wie eh und je. Begleitet wurde sie von einer Dame mittleren Alters, die Merle seltsam fremd erschien. Vielleicht lag es daran, wie sie sich in ihrem Kleid unbehaglich wand. Vor ihr hielt sie einen Bub, ebenfalls angemessen ausstaffiert, der die Prinzessin mit großen Augen betrachtete. Seine Haut war beinahe so schwarz wie sein kurzes, krauses Haar. Mit seinen Händen umklammerte er einen Trinkbecher. Er konnte nicht älter als zehn Jahre sein. Die Köpfe weiterer Umstehende lugten hinter den Besuchern hervor. „Eure Majestät, welch unerwartete Freude.“, begrüßte Merle sie höflich. Eine von Sophia Augenbraue zuckte, doch dann bemerkte sie die Leute hinter sich. Genervt streifte sie ihre Schuhe ab und bat ihre Begleiter es ihr gleich zu tun. Die ungebeten Zeugen ließ sie mitsamt der Fußbekleidung hinter der sich schließenden Tür zurück. „Merle, ich möchte dir Frau Lavellan vorstellen.“, eröffnete sie ihr Anliegen und wies dabei auf ihre brünette Gefolgschaft. „Sie ist eine Gesandte des Drachenvolkes und begleitet den jungen Herrn vor ihr, Koami.“ Sie ermunterte den Jungen mit einer Hand auf der Schulter vorzutreten. „Er stammt vom Mond der Illusionen.“ „Von der Erde?“, fragte sich Merle überrascht. Der Junge nickte zögernd. „Er möchte euch etwas zeigen, Herrin.“ melde sich Lavellan respektvoll zu Wort. Sie nahm ihm das Gefäße ab und legte ihre Hand über seine Augen. Über Sophia gelangte der Becher in die Hand von Merle. Verstohlen flüsterte die Königin ihr zu, sie solle sich zu einem beliebigen Punkt im Raum begeben. Das Katzenmädchen begutachtete die klare Flüssigkeit im Becher und schloss aus der Scharade, dass der Junge wie Hitomi über übersinnliche Fähigkeiten verfügen musste, die es nun zu demonstrieren galt. Also schlich sie sich in einem zufälligen Winkel vom Jungen weg. „Wo ist das Wasser, Koami?“, fragte die Drachenvolkgesandte. Er zeigte zielsicher auf Merle, die beeindruckt pfiff. „Wie hast du das gemacht?“ „Das Wasser in deiner Hand bewegt sich wenig. Das Wasser in Menschen bewegt sich viel.“ „Du kannst Wasser spüren?“ „Wenn ich meine Augen schließe, kann ich es fast sehen.“, antwortete er voll naiven Stolzes. „Koami ist eines der Kinder, das wir euch anvertrauen möchten, Herrin“, klärte Lavellan sie auf. „Wasser zu finden, ist die spezielle Ausprägung seiner Gedankenkräfte.“ „Du bist anders!“, teilte der Junge Merle noch immer verblüfft mit. „Anders?“ „Nicht so wie die Katzen aus meiner Heimat.“ Ein weiteres Mal sprang die Frau des Drachenvolks ein. „Als wir...unseren Gästen vom Mond der Illusionen euch beschrieben, wollte keiner uns glauben, dass es auf Gaia Katzen in Menschengestalt gibt. Keiner bis auf Koami.“ „In meiner Heimat gibt es Katzen so groß wie Menschen.“, erklärte der Junge. „Aber du siehst ganz anders aus.“ Katzen so groß wie Menschen, staunte Merle. Meinte er wirklich Katzen und eher solche Mischwesen wie sie eins war? Unterdessen suchte Sophia die Nähe zu Serena, die sich unauffällig in eine Ecke zurückgezogen hatte. „Lass die beiden sich kennen lernen.“, flüsterte sie ihr zu. „Ich begleite dich auf dein Zimmer.“ Allens Schwester wollte protestieren, doch Merle nickte ihr unauffällig zu, also fügte sie sich. Widerwillig legte sie ihr Holzschwert ab und folgte der Königin ohne wirklich zu verstehen, was vor sich ging. Zusammen traten sie in den Flur. „Hast du Lust auf einen Ausflug?“, fragte sie die junge Frau neben sich, nachdem beide die erste Biegung genommen hatten. Wieder wusste Serena nicht, was sie erwidern sollte. „Es gibt das etwas, wobei du mir helfen kannst.“, fuhr Sophia fort. „Sehr gern, Exzellenz...eh, ich meine eure Majestät. Ich zieh mich nur schnell um.“ „So wie du bist, bist du perfekt. Nur ein Mantel gegen allzu neugierige Augen wäre angebracht.“ Kaum waren diese Worte ausgesprochen, da legten schon zwei geübte Hände Serena einen schwarzen Umhang über ihre Schulter. Das Mädchen ertastete verblüfft den rauen Stoff. Auch Sophia empfing ihren Überwurf. „Das Material ist relativ robust und einfach zu waschen, also benutze ihn ruhig nach dem Training, wenn dir kalt wird.“ „Der ist für mich?“ Die Königin gluckste vergnügt. „Wenn er dir schon so gut gefällt, warte ab, welches Kleid ich für dich hab anfertigen lassen. Inklusive passenden Mantel versteht sich.“ „Herrin, ihr müsst euch wegen mir keine Umstände machen.“, lehnte Serena höflich ab, doch Sophia trieb sie zur Eile an und wollte davon nichts hören. „Du bist Allen Shezars Schwester, des angesehensten Schwertkämpfer von ganz Gaia. Nur weil er nicht gerne einkaufen geht, musst du dich nicht in Lumpen kleiden.“ „Darum ja.“, widersprach sie leise und wähnte sich schon vor einem Kriegsgericht. „Mein Bruder ist derjenige mit den großen Verdiensten, nicht ich. Weder mein Bruder noch ich haben viel Geld. Wir können eure Freundlichkeit mit nichts begleichen.“ Erst wollte die Königin die Aufmerksamkeit auf Merle, ihre großen Taten und den Umgang der beiden Mädchen miteinander lenken, doch auch dieser Kontakt war über Allen entstanden. Also wich sie aus. „Allein mein Geschenk auszuschlagen, spricht von großem Mut. Außerdem warst du es doch, die sich in Farnellia todesmutig den damals noch unbekannten Flugmaschinen entgegen gestellt hatte.“, wandte sie stattdessen ein. Serenas Gesicht hellte sich zu Sophias Freude merklich auf. Hatte sie dank Merles Abreibung vergessen, dass in ihr auch ein Krieger schlummerte? „Ich sehe eine große Zukunft für dich. Wer weiß? Vielleicht kann ich dir heute etwas unter die Arme greifen.“ Weiterhin stutzig folgte Serena der Herrscherin in die Kutsche, die zwar überdacht, aber vollkommen schmucklos war. Nicht einmal eine berittene Eskorte stand bereit. Sobald das Gefährt sich wiehernd in Bewegung gesetzt hatte, sprach Sophia eine Entschuldigung aus, die ihr auf der Seele brande: „Es tut mir leid, wie Merle dich im Training behandelt hat. Normalerweise stärkt sie nicht ihr Ego auf Kosten ihrer Schüler, sondern hält sich zurück. Ich weiß nicht, was mir ihr los war.“ „Ihr glaubt...“, stotterte Serena baff. „Nein, so war das nicht. Ich habe sie trainiert.“ „Sie hat dich vernichtend geschlagen.“, stimmte die Monarchin in ihre Verwirrung ein. „Wie kamst du auf den Gedanken, du seist besser als sie?“ „Sie hat schwach ausgesehen.“, antwortete die Kriegerin gleichgültig. „Außerdem muss ich nicht unbedingt besser kämpfen können, um sie zu trainieren. Hauptsache ich weiß, wie ich sie weiter treibe.“ „Heute hat sie sicherlich einiges an Selbstvertrauen gewonnen.“, erwiderte ihr Gegenüber trocken. „Beim nächsten Lauf nimmt sie die Dächer und ich die Straße.“, scherzte Serena, doch die Monarchin erwiderte völlig ernst: „Fallende Dachziegel stell ich aber in Rechnung.“ Nach einen Moment des Schmunzeln brach Gelächter bei beiden aus. Als das Lachen verflogen war, fragte Sophia sanft: „Erzählst du mir ein bisschen von dir?“ Serena überwand sich. „Was möchtet ihr wissen?“ Beide verfielen in ein Gespräch und so verging die Zeit im Flug. Serena beschrieb gerade ihren Alltag, als sie noch bei ihrem Bruder gewohnt hatte, da kam ihr Gefährt zum Stehen und wenig später öffnete der Kutscher die Tür. Vorsichtig begutachtete Serena die Umgebung, doch bis auf eine geschlossene Scheune umgeben von Wald und Wiesen auf flachen Hügeln war nichts zu sehen. „Wo sind wir?“ „Auf einem Truppenübungsplatz.“, antwortete Sophia auf ihre angespannte Frage und führte sie durch eine kleine Tür in das zugige Holzgebäude hinein. „Ich möchte dir etwas zeigen und hoffe, du kannst mir mehr darüber erzählen.“ Die Monarchin holte einen kleinen Energiestein hervor, der wie auf Befehl erstrahlte. Serenas Augen schwollen an. Im Licht vor ihr präsentierte sich ein Echo aus einem ihrer früheren Leben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)