Are you mine von attackonpsycho (ErenxLevi) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- „Auch weiterhin werden die Temperaturen nicht unter 30 Grad sinken“, erklang die monotone Stimme eines Nachrichtensprechers aus dem alten Radio. „Kleinere Schauer wird es erst am Wochenende geben, danach wird es wieder sonnig und...“, Jean seufzte eine Spur zu theatralisch auf und schaltete das Radio mit einem Knopfdruck aus. Sein verschwitzter Kopf landete mit einem lauten Knall auf der kühlen Ladentheke. Angesichts der Hitze hätte ich es ihm liebend gern nachgemacht, allerdings musste wenigstens einer von uns ansprechbar sein, wenn Kunden diese Bruchbude betraten. Glücklicherweise kam dies nicht allzu oft vor. Meistens begaben sich nur Stammkunden oder Touristen in den unscheinbaren Laden und das nur zu bestimmten Uhrzeiten. „Es ist so warm“, quengelte Jean lautstark. Seinen Kopf drehte er in meine Richtung, sodass ich direkt in seine verzweifelt wirkende Visage sehen konnte. Ich blickte ihn außerordentlich genervt an. Mittlerweile war er sicherlich schon seit Stunden nur am Meckern! So langsam hatte ich echt genug von ihm. Obwohl, das hatte ich schon nach nicht einmal wenigen Sekunden, in denen ich seine Anwesenheit genießen durfte. Es brauchte nie viele Worte seinerseits, damit ich mir wünschte, dass er sich auf der Stelle auf dem Mars befand. Dass er dort aufgrund des Sauerstoffmangels im Endeffekt sterben würde, versteht sich von selbst. „Das ist nicht normal“, beteuerte der Braunhaarige noch, als ob mich dies überzeugend einstimmen werden ließe, ehe er sein Pferdegesicht langsam von der kühlen Platte hob und anschließend an der Rückseite der Theke erschöpft zu Boden rutschte. Ich knurrte leise, als ich sah, wie Jean sich ebenfalls die Freiheit nahm, den Ventilator in seine Richtung zu drehen und kurz darauf auch noch weiter meckerte. „Sogar diese Luft ist warm!“, beschwerte er sich lautstark, als ob ich etwas dafür konnte. Ich wette, wenn ein paar Mädchen in seiner Nähe wären, würde das Ganze hier schon ganz anders aussehen. Dann wäre ich derjenige, der nörgelnd am Boden sitzen würde und Jean würde sich vor jenen mit seinem Aussehen aufspielte, obwohl ich das an seiner Stelle unterlassen würde. Es gab zwei Gründe dafür. Erstens sah Jean meiner Meinung nach total scheiße aus, besonders mit dem halben Liter Schweiß, welcher über seinen Körper floss. Der zweite Grund war sogar noch viel einfacher. Nach allen weiblichen Wesen, die ich kannte, glaubte ich, dass es nur wenige Mädchen gab, die wortwörtlich mit ihm in den Sonnenuntergang reiten wollten. Vielleicht wenn man sie mit Geld dazu zwingen würde – freiwillig würde sicherlich niemand gerne diesen Part übernehmen. Ich musterte meinen am Boden sitzenden Kollegen erneut. Manchmal fragte ich mich wirklich, wofür man dieses nervige Etwas eigentlich bezahlte, wenn dieser ständig Pausen machte und mir die ganze Arbeit überließ. Ich warf Jean einen bitterbösen Blick zu, den er allerdings nicht bemerkte. Und wenn doch, dann ignorierte er ihn. Dieses kleine Arschloch. Soweit ich wusste, kam er aus dem Norden und war diese Temperaturen nicht gewohnt. Vielleicht hatte er auch noch nie einen richtigen Sommer erlebt, ich wusste es nicht. Warum sollte ich mir auch merken, aus welchem Drecksloch die Pferdefresse stammte? Mich interessierte dies herzlich wenig. Ich war einfach nur froh, wenn ich meine Schicht mit jemand anderem teilte, auch wenn es keine große Auswahl an Mitarbeitern gab. Gut, das war nicht sehr verwunderlich, trotzdem nervte es mich, mit ihm zusammen zu arbeiten. Wenn ich nicht gerade mit dem Pferdegesicht Jean abhängen musste, der sich meistens damit beschäftigte, erfolgreich nichts zu tun, war Sasha anwesend, auf die man mehr achten musste, als auf sonst jemanden. Ließ man sie einmal aus den Augen, herrschte im Süßigkeitenregal plötzlich eine seltsame, gähnende Leere, die am Ende wieder ich erklären musste. Doch auch wenn Hanji, meine Chefin, hier war, war es nicht immer einfach. Diese Frau, die ich schon seit mehreren Jahren kannte, war oftmals der pure Horror. Besonders, wenn sie gute Laune hatte. Dann sprang und tanzte sie nämlich herum, als hätte sie Drogen genommen. Zu gut, dass sie meistens in ihrem winzigem Büro war und sich um den Papierkram kümmerte. Die einzige entspannende Schicht hatte ich, wenn ich sie mir mit Annie teilen durfte. Das blonde Mädchen war zwar ziemlich oft ein wenig merkwürdig und verhielt sich allen anderen gegenüber ziemlich kühl, allerdings musste ich bei ihr auf nichts achten. Ich musste mich nicht einmal mit ihr unterhalten, was bei den ganzen Freaks, die sich hier umhertrieben nun wirklich eine große Erleichterung war. Doch leider hatte ich Schichten dieser Art viel zu selten. Ganz zu schweigen davon, dass meine beste Freundin meine Kollegin Annie überhaupt nicht leiden konnte und sie jedes Mal zu streiten anfingen, wenn Mikasa auch nur den Laden betrat. Dieser Ort war einfach viel zu Nerven auftreibend. Vielleicht lag ja so etwas wie ein Fluch darauf? Das musste es sein! Seufzend fuhr mein Blick über Jean, welcher seine Augen inzwischen geschlossen hatte. Seine Haare waren bereits nass und sein weißes T-Shirt klebte, genauso wie die Shorts die er trug, an seinem Körper. Vielleicht hatte er ja einen Hitzeschock oder so etwas. Nun mir war eigentlich egal, was er hatte. Ich wäre ihn schließlich los, wenn er in der Hitze eingehen würde. Abgesehen davon, dass niemand mehr da sein würde, der ständig nichts tat, quengelte oder beleidigende Bemerkungen durch den Raum warf, würde das wahrscheinlich nicht viel an der Ausgangssituation ändern. Wenn man es freundlich ausdrücken würde, wäre sein Verrecken also sehr zu meinem Vorteil. „Du, Eren? Kannst du mir mal das Wasser geben?“, gab Jean ein Lebenszeichen von sich. Er zeigte mit einer Hand auf den Boden, wo eine Flasche direkt neben der Theke stand. Meine Augen folgten automatisch seiner Hand, jedoch zuckte ich nur mit den Schultern. „Hol sie dir doch selbst“, gab ich mit leicht hochgezogenen Augenbrauen von mir und versuchte krampfhaft, es nicht schadenfreudig klingen zu lassen. Jean knurrte darauf. „Du bist ein beschissenes Arschloch, Jäger“, meinte er angesäuert und warf mir einen Blick zu, der mir wohl Angst einjagen sollte. Vielleicht würde ihm das gelingen, wenn er nicht kurz davor wäre, zu kollabieren. Oder zu sterben. Was auch immer er gerade tat. „Sagst du“, erwiderte ich darauf amüsiert klingend und stemmte meine Ellbogen auf die Ladentheke. Streitigkeiten dieser Art gehörten schon lange zu unserem Tagesablauf, auch wenn sie heute ziemlich lasch ausfielen, da Jean, wie bereits angemerkt, bald umkippen müsste, wenn er mich nicht vorher mit der Glasflasche schlagen würde. Leider wurde ich jeden Tag mit meinem pferdeartigen Bekannten konfrontiert, ob ich nun wollte oder nicht. Er wohnte mit seiner Familie unter mir, arbeitete ebenfalls hier im „Sunny“ und besuchte fast alle Kurse an unser Schule, in denen ich auch war. Wir hatten sogar dieselben Leistungskurse gewählt, ohne es zu wollen. Ich nannte es Zufall, während Armin jedes Mal irgendetwas von Schicksal schwafelte. Wäre er nicht der intelligenteste Schüler unserer Stufe, würde ich sagen, dass er einen Knall hatte. Sah man sich allerdings an, wie viel Zeit ich mit ihm verbringen musste, wäre es eigentlich von Vorteil, gut mit Jean auszukommen. Ein großer Vorteil sogar, wenn man bedachte, dass ich ihm mindestens fünf Mal pro Tag aus reiner Routine über dem Weg lief. Doch egal wann ich mir dies vornahm, der Anblick seiner Pferdefresse zerstörte jedes Mal jegliche Pläne. Dass es allerdings nur Zufall war, dass wir fast überall zusammen waren, hatte ich erst später verstanden. Anfangs dachten ich und mein bester Freund Armin, dass Jean ein Stalker war. Wahrscheinlich war dies auch der Grund dafür, dass wir uns noch nie gut verstanden hatten. Als ich ihn mit der Frage konfrontiert hatte, ob er tatsächlich mein Stalker sei, war jegliche Freundlichkeit zwischen uns beiden verschwunden. Allerdings würde ich wohl niemals den Gesichtsausdruck vergessen, der sich auf Jeans Gesicht abgebildet hatte, als ich ihn fragte. Oh Gott, ich würde alles für ein Foto davon tun. Doch, wie sich viel zu spät herausstellte, war Jean nicht mein Stalker. Natürlich nicht. Allein der Gedanke war im Nachhinein so bescheuert, dass ich mich am Liebsten selbst dafür schlagen würde. Ehrlich Eren, wie konntest du nur so etwas vermuten? In Wirklichkeit war er mit seiner Mutter hierher gezogen, da es seiner Großmutter nicht gut ging und diese unter mir wohnte. Die jüngere Mrs. Kirschstein war eine wirklich freundliche Frau, auch wenn es mich nervte, dass sie mich bei jeder Gelegenheit zum Essen einlud. Sie ging davon aus, dass ich in meiner kleinen Wohnung vereinsamte und viel lieber mit ihrer Familie essen würde. Natürlich wusste sie nicht, dass ihr Sohn mich mit allem was er tat in den Wahnsinn trieb und das es andersrum genauso aussah. Jean musste ihr wohl von dem Tod meiner Mum erzählt haben, sicherlich hatte er es von Hanji erfahren. Vielleicht erweckte das irgendeinen merkwürdigen Mutterkomplex in Ms. Kirschstein. Ich verzog mein Gesicht. So genau wollte ich gar nicht darüber nachdenken, bevor ich noch dümmere Vermutungen aufstellte, als bei der Jean-Stalker-Geschichte. Dass der Braunhaarige die meisten Kurse mit mir hatte, konnte ich mir selbst nicht erklären. Genauso wie den Tag, an welchem er plötzlich angefangen hatte, hier zu arbeiten. Hanji hatte ihn an irgendeiner Ecke aufgesammelt wie irgendeinen Straßenpenner und dann, ganz plötzlich, war er hier gewesen. Wirklich toll, wie ich fand. Mittlerweile wusste ich nicht wirklich, was das zwischen mir und Jean war. Einerseits konnte ich ihn überhaupt nicht leiden und neigte dazu, ihm am Liebsten alle zwei Sekunden in die Fresse schlagen zu wollen, andererseits war es merkwürdig, wenn er fehlte. Doch das würde ich niemals öffentlich zugeben. Niemals. Nicht nach den ganzen Mordplänen, die ich bereits geschmiedet hatte. Seufzend nahm ich zur Kenntnis, dass die laute Glocke der Ladentür geradezu bellte und mich damit aus den Gedanken riss. Mit einer Mischung aus Ekel und Entsetzen musste ich dann auch noch feststellen, dass sich diese Gedanken um Jean gedreht hatten. Heute lief mit mir irgendetwas schief. Verdammt schief. Normalerweise verschwendete ich kaum eine Sekunde an ihn. Ich blickte zu der Ladentür und entdeckte einen schwarzen Haarschopf, der mich dann doch noch leicht lächeln ließ. Angesichts der Tatsache, dass ich dies bis jetzt den ganzen Tagt über noch nicht getan hatte, war es etwas wirklich Neues. Die Person, welche in diesem Moment den Laden betrat, war Mikasa, meine beste Freundin. Ihre Anwesenheit entspannte mich automatisch ein wenig, was im Angesicht der Tatsache, dass sie immerzu die Ruhe selbst war, nicht sonderbar klang. Nun ja, zumindest war sie dies solange mich niemand beleidigte oder gewalttätig wurde. Glaubt mir, niemand wollte sie erleben, wenn jemand sich mir gegenüber unfair verhalten hatte. Wahrscheinlich war sie hier, um mich abzuholen. Wir waren heute nämlich mit Armin verabredet, so wie jeden Mittwoch. Ich hatte zwar oftmals keine Lust dazu, so wie auch heute, jedoch wurde ich immer wieder von ihnen dazu gezwungen. Auch sie gingen davon aus, dass ich in seiner Wohnung irgendwann noch vereinsamen würde. Doch wenn wir mal ernsthaft darüber nachdachten, war dieser Gedanke wirklich suspekt. Immerhin bewältigte ich täglich durchschnittlich sechs Stunden in der Schule und drei im Sunny, da konnte ich gar nicht wirklich viel alleine sein. Doch natürlich, wie sollte es auch anders sein, nahmen sie mir dies nicht ab. „Hey“, lächelte meine beste Freundin mich an. Ihre schwarzen Haare lagen heute leicht gewellt auf ihren Schultern, wahrscheinlich, weil ich einmal gesagt hatte, dass ihr dies stehen würde. Das war schon so lange her, dass ich es nur noch vage in Erinnerung hatte. Sie hörte allerdings immer darauf, was ich bezüglich ihres Aussehen sagte, selbst wenn ich es nicht wollte. Mikasa merkte sich sogar genau meine Worte, was bei Streitigkeiten ziemlich schnell nervig wurde. Ihre braunen, geschminkten Augen funkelten freudig, während sie mir dabei zusah, wie ich mich aufrichtete und meine Hände leicht von meinem Körper streckte. „Hi“, erwiderte ich und rang mir ein deutlicheres Lächeln als zu Beginn ab, obwohl mir nicht wirklich danach war. Allerdings begann ich zu schmunzeln, als ich bemerkte, wie Jean sich urplötzlich erhob, so als wäre er auf einmal wieder zum Leben erwacht. Dabei schmiss er fast die Wasserflasche ab, für die er vor wenigen Sekunden noch wie ein Kleinkind über den Boden gekrabbelt war. Ich beobachtete überaus amüsiert, wie er sich seine nassen Haare glatt strich und noch einige Male über seine Kleidung fuhr. Es war kein Geheimnis, dass er ein Auge auf die hübsche Schülerin geworfen hatte. Wahrscheinlich war ihr die Hälfte der Jahrgangsstufe verfallen. Komisch, dass sie sich trotzdem nur mit Armin, mir und wenigen Mädchen abgab, wenn sie doch so viel mehr haben könnte. Wahrscheinlich war das wieder ein Thema, welches nur mit dem Schlagwort „Frauenlogik“ argumentiert werden konnte. Sie schlängelte sich zwischen den Regalen und Tischen hinter die Ladentheke durch und zog mich in eine kurze, warme Umarmung, welche ich, wenn auch etwas halbherzig, erwiderte. Ihre Figur, die in der kurzen Shorts und dem engen Top besonders gut zur Geltung kam, wurde begierig von Jean betrachtet, der allerdings nicht einen Funken Aufmerksamkeit von der Schwarzhaarigen bekam. Im Prinzip könnte er auch einfach nicht im Raum sein, Mikasa würde sich so verhalten, wie jetzt auch. Dies schien nun auch er enttäuscht zur Kenntnis zu nehmen, da er resigniert den Kopf senkte, was mich fast schon Lachen ließ. Jean war wirklich ein armer Idiot. Halt, nein. Das `arm´ müsst ihr euch unbedingt wegdenken. „Können wir gehen?“, fragte Mikasa nach, während sie sich auf einen alten Holzstuhl in der Nähe der Theke stützte. Er sah nicht so aus, als würde er noch lange halten. Also so, wie die gesamte Einrichtung. Hanji betonte zwar immer wieder, dass hier nichts kaputt war, sondern einfach nur antik aussehen sollte, allerdings wussten wir alle, dass sie es sich einfach nicht leisten konnte, Geld in diesen Schuppen zu investieren. Im Grunde genommen, könnte man hier nämlich alles erneuern. Ob es nun der knarrende Holzboden, die hässliche Tapete, die zerkratzte Theke, die alten Fenster oder die „antike“ Einrichtung war. „Ich weiß nicht“, ich warf einen kurzen, ziemlich genervten Blick auf Jean, der etwas wacklig auf den Beinen zu sein schien. Er versuchte wohl cool zu wirken, so wie er an der Theke lehnte und die Arme vor der Brust verschränkte. Gott, manchmal tat er mir fast schon Leid. Allerdings lag die Betonung weiterhin auf `fast´. Ich seufzte nur und wandte mich wieder meiner besten Freundin zu. „Ich muss auf diesen Idioten aufpassen“, gab ich genervt zu bedenken. Ich fühlte mich in diesem Moment, als ob er mein kleiner Bruder wäre, auf den ich aufpassen musste. „Wen nennst du hier Idioten?“, fragte Jean spitz und musterte mich überaus verärgert. Ich war mir fast schon sicher, dass er sich in diesem Moment am Liebsten mit mir prügeln würde, wäre nicht Mikasa dagewesen, vor der dies alles andere als einen guten Eindruck machen würde. Schließlich bemutterte Mikasa mich nahezu schon und nun ja, keine Mutter würde einen Typen gut finden, der ihren Sohn verprügelte. Auch, wenn ich nicht ihr Sohn, sondern ihr bester Freund war und es mich ziemlich nervte, wenn sie sich um mich kümmerte und sorgte. Trotzdem fragte ich mich langsam, woher die Pferdefresse plötzlich seine Kraft nahm. War er nicht vor wenigen Sekunden noch so erschöpft auf dem Boden herumgekrabbelt? „Außerdem kann ich das sehr wohl alleine“, der Braunhaarige verschränkte die Arme vor seiner Brust und stierte mich noch verärgerter an, als zuvor. Dieser Gesichtsausdruck sollte mich wohl erneut verängstigen, doch diesmal musste ich eher darauf achten, nicht laut los zu lachen. Seine gerunzelte Stirn zusammen mit den zu Schlitzen verengten Augen und den nach unten gezogenen Mundwinkeln waren wirklich zum Schreien. Besonders, wenn man berücksichtigen musste, dass sein Gesicht etwas von der eines Pferdes hatte. Da war sogar sein Blick als er dem Kollabieren nah gewesen war, furchteinflößender gewesen. Ich verdrehte meine blaugrünen Augen als Antwort. „Natürlich. Und wenn du alleine bist, brichst du wegen der Hitze zusammen und verreckst hier, weil ich keine Hilfe holen kann“, merkte ich sarkastisch an und verschränkte ebenfalls die Arme vor meiner Brust. Lust darauf, dass ich Hanji später erklären musste, warum mein Kollege überhitzt auf dem Boden lag, hatte ich nämlich nicht. Wirklich nicht. Jeans Lippen verzogen sich zu einem bitterem Grinsen. „Als ob du Hilfe holen würdest“, höhnte er, was mich irgendwie Grinsen ließ, auch wenn ich versuchte, es zu unterdrücken. Da hatte er nun wirklich recht. Natürlich würde ich ihm jenes niemals sagen, doch der amüsierte Ausdruck auf meinem Gesicht sprach Bände. Die Bitterkeit in dem Gesicht der Pferdefresse verschwand allerdings, als er sich Mikasa zuwandte und ganz plötzlich ein außerordentlich schüchterner Ausdruck auf seinem Gesicht lag. Konnte ich dort etwa rötliche Wangen sehen? Oh, wo war nur meine Kamera in solchen Momenten? „Ihr könnt wirklich gehen, ich habe heute nichts Besseres vor und die Hitze wird mich schon nicht umbringen.“ Er strich sich mit einem verschmitzten Lächeln durch das Haar, was wohl attraktiv wirken sollte. In mir stieß es jedoch nur einen Würgereiz hervor. „Ich bin immerhin ein Mann.“ „Das wage ich zu bezweifeln“, murmelte ich darauf, wofür mir meine beste Freundin einen bösen Blick zuwarf, welcher mich augenblicklich verstummen ließ. Blicke dieser Art sollte man nicht unterschätzen. Sie waren das Gegenteil von Jeans. „Danke“, meinte sie zuckersüß an den Braunhaarigen gewandt und beachtete ihn damit zum ersten Mal an diesem Tag. Jean schien dies nicht aufzufallen – im Gegenteil, dass Mikasa tatsächlich einige Worte mit ihm gewechselt hatte, freute ihn wie ein Hund, der ein Leckerchen bekam. Zumindest ließ sein Gesichtsausdruck dies vermuten. Bezog man das baldige Sabbern aufgrund von Mikasas Outfit mit ein, wurde der Vergleich mit einem Hund noch viel realistischer. „Also gut“, ich klatschte in die Hände und machte sich auf dem Weg zum kleinen Mitarbeiterraum. „Aber wenn du umkippst, musst du dich vor Hanji verantworten“, rief ich noch, bevor ich die Tür hinter mir schloss. „Ich kippe nicht um, Arschloch“, hörte ich die Stimme des Idioten noch zurückrufen, allerdings entschied ich mich dazu, sie einfach zu ignorieren. Wahrscheinlich wäre dies auch das Beste. Stattdessen betätigte ich den Lichtschalter rechts von mir und zuckte, wie immer, zusammen, als ich die kleinen Viecher sah, die hier herumkrabbelten. Sie waren wirklich überall, egal wohin man sah. Keine Ahnung wieso, jedoch liebte Hanji Insekten aller Art, eine Macke von ihr. Ob dies eine kleine oder große war, musste wohl jeder für sich selbst entscheiden. Da sie keinen Platz für diese Dinger hatte, wurden sie eben in ihrem Laden aufbewahrt. Um genau zu sein, im Raum für die Mitarbeiter. Außer sechs kleinen Spinden mit Schloss und einem kleinen Tisch in der Ecke, standen überall kleine Käfige. Diese waren mit Spinnen, Käfern und Würmern aller Art gefüllt, was mich angewidert das Gesicht verziehen ließ. Klar, ich war ein Mann, aber das fand ich trotzdem ziemlich abartig. Ich öffnete seinen Spind und zog mir schnell frische Kleidung über. Mein weißes T-Shirt mit dem Logo, welches aus einer Sonne mit Strand, Palmen, Wasser und der Aufschrift „Sunny“ bestand, wanderte direkt wieder zurück in den Schrank. Dieser war ansonsten nicht wirklich voll, im Gegensatz zu dem von Sasha oder Jean. Sasha bewahrte manchmal Essen darin auf, weil sie einfach immer Hunger hatte. Trotzdem litten die Süßigkeiten am Kiosk am Meisten bei ihren merkwürdigen Anfällen. Grinsend kam in mir die Erinnerung auf, wie Jean es einmal gewagt hatte, Hanjis wertvolle Käfer freizulassen, weil sie ihn scheinbar gestört hatten. Allerdings hatte Hanji dies natürlich sofort gemerkt und nun ja, sie war damals ziemlich ausgerastet. Obwohl sie das sonst nie tat – es sei denn, es ging um ihre „Babys“, wie sie die Dinger liebevoll nannte. Sie hatte Jean als Rache Regenwürmer in den Spind gelegt, anstatt ihm einfach eine Strafe zu geben, wie jeder andere, normale Arbeitgeber. Nun gut, angesichts der Tatsache, dass sie Kleintiere in dem scheiß Raum sammelte, war sie nicht normal. Aber um zum Thema zurückzukommen – jeder konnte sich wohl vorstellen, was geschah, als Jean seinen Schrank öffnete, um sich umzuziehen... Tja, seit diesem Tag, wurden ihre „Babys“ von Niemandem mehr berührt. Von Niemandem. Es wurde sogar schon darauf geachtet, sie nicht zu lange anzusehen. Ich glaube, wir hatten alle schreckliche Angst vor der Strafe, die Hanji sich ausdenken könnte. Sie war nicht ganz richtig im Kopf. Natürlich hatten wir sie trotzdem gern, aber nun ja, sie hatte eben einen Knall. Ich holte noch mein Portemonnaie und mein Handy aus dem Spind, ehe ich abschloss und kurz darauf auch schon den Raum verließ. Jedes Mal, wenn ich da drinnen war, fühlte ich mich, als ob mich jedes dieser Kleintiere beobachten würde. Wirklich gruselig. Draußen erwartete mich auch schon Mikasa, die bereits ziemlich ungeduldig schien. „Nun komm schon“, rief sie und lächelte, ehe sie mich am Handgelenk nach draußen zog. Heute schien ihre Laune wohl ziemlich gut zu sein, ganz anders als in der Schulzeit, in der sich nicht einmal ein richtiges Lächeln auf ihr Gesicht legte. Ich warf noch einen kurzen Blick zu Jean, der ihr leicht verträumt nachsah. „Bis Morgen, Kumpel“, provozierte ich ihn und sah gleich, wie sich sein Gesichtsausdruck von verträumt zu angepisst veränderte. Bei ihm ging das immer ziemlich schnell, wie ich nun wieder bemerkte. „Komm nie wieder, kleiner Wichser“, war seine äußerst freundlich klingende Antwort. Ich lachte leise, ehe ich mich zu Mikasa umdrehte und ihr folgte. Die warme Luft empfing mich beim Rausgehen, allerdings war es hier immer noch etwas kühler als im Laden, was wohl daran lag, dass dieser sich in der prallen Sonne befand. Und diese Sonne brannte nun schon Stunden lang auf die Erde herab, sodass es unvermeidlich war, nicht braun zu werden. Kalifornien eben. „Wie geht’s dir heute?“, fragte Mikasa mich plötzlich und musterte mich mit einem leichten Lächeln auf den geschminkten Lippen. Ich erwiderte dieses, ehe ich mir durch das verwuschelte Haar strich. „Seitdem du mich daraus geholt hast, besser.“ Ein ehrliches Grinsen huschte über meine Lippen. Ich steckte die Hände in die Hosentaschen und sah sie fragend an. „Und dir?“ „Gut“, gab sie nur von sich, allerdings war ihr Blick nicht mehr ganz so locker, wie zuvor. „Ist auch wirklich alles okay?“, sie war sich wieder einmal nicht sicher oder glaubte mir nicht, was ich manchmal wirklich hasste. Ich wollte nicht, dass sie sich um mich sorgte, wenn es mir doch gut ging. Zumindest redete ich mir dies ein, ob es wirklich so war, konnte ich selbst oft nicht sagen. Es gab einfach Momente, in denen war das Gefühl in mir so befremdlich, dass ich selbst nicht wusste, wie es mir ging. Doch heute war wirklich alles okay. Nicht gut oder schlecht – einfach normal. Ich ließ sie allerdings nicht an meinen Gedanken teilhaben und gab ihr lediglich ein knappes Nicken, weshalb sie nicht weiter nachfragte. An ihrem Blick konnte man allerdings erkennen, dass sie mir am Liebsten hier und jetzt die Worte förmlich aus der Mund quetschen wollte. Ich atmete leise aus, ehe wir stehen blieben, um darauf zu warten, dass die gegenüberliegende Ampel auf grün schaltete. Wir wollten die breite Straße überqueren, die zwischen uns und dem Strand lag, an dem wir uns fast jedes Mal mit Armin trafen. Meistens redeten wir nur, allerdings geschah es oft genug, dass wir auch schwimmen gingen oder Eis aßen. Dinge, die man eben am Strand tat und die mich irgendwie auch glücklich machten. Zumindest, wenn ich gute Laune hatte. Ich musterte den Strand, um schon einmal nach meinem besten Freund Ausschau zu halten. Er war wie immer voller Menschen, die in der Sonne auf ihren Handtüchern lagen, im Meer schwammen, ein Eis aßen oder aber eine Sandburg bauten. Armin wartete meistens am Strandhaus, direkt am vorderen Bereich des Strandes auf uns, damit wir uns gemeinsam zu unserem Platz unter den Palmen begeben konnten. Dort waren wir immer ungestört und konnten unsere Zeit vertreiben. Vielleicht klang es nicht wirklich spektakulär, allerdings war es das in meinen Augen. Denn dieser kleine, abgeschnittene Teil des Strandes hatte etwas furchtbar Schönes an sich, besonders wenn man dort mit Menschen saß, die einem wichtig waren. Doch ganz plötzlich bemerkte ich, dass heute etwas ganz Bestimmtes nicht stimmte. Armin, der am Strandhaus wartete, war nicht alleine und hielt nach uns Ausschau, wie sonst immer. Er wurde von zwei Jungen, die etwa in unserem Alter zu sein schienen, umringt. Ihre bedrohliche Haltung ließ vermuten, dass sie nichts Gutes mit ihm vorhatten. Genauso wie Armins ängstliche, zusammengekrümmte Pose, die er momentan einnahm, während seine Augen immer wieder hilflos zwischen den beiden Typen hin und her strichen. Als ob er abwägen wollte, wer ihm zuerst wehtun wollte. Ich biss mir auf die Unterlippe und spürte, wie mein Herz automatisch begann schneller zu schlagen. Schon wieder welche, die ihn verprügeln wollten? Mein Blick schweifte zu der Faust, die einer von den beiden Typen ballte. Sie war kurz davor die Bekanntschaft mit dem Gesicht meines besten Freundes zu machen. Ich kniff meine Augen vor Wut zusammen. Verdammt. Er würde Hilfe brauchen - alleine schaffte Armin dies nicht. Dafür war er einfach zu schwach. Viel zu schwach. Ich ballte meine Hände zu kleinen Fäusten, ehe ich meine Augen nur ganz kurz zu dem Verkehr auf der Straße gleiten ließ. Die Anspannung wuchs mit jeder Sekunde und gleichzeitig wuchs die Entschlossenheit in mir, ihm zu helfen. Ich wollte nicht, dass Armin verletzt wurde. Er konnte doch nichts dafür, dass er anders war, als diese Mistkerle. Meine Entscheidung war gefällt ohne wirklich darüber nachzudenken. Ich betrachtete die rote Ampel und dann die Straße. Es kam gerade kein Auto. Laut ausatmend beruhigte ich mich, ehe ich los rannte, so schnell ich konnte. Meine Augen waren weiterhin auf das Geschehen einige Meter vor mir gerichtet und glitten nicht einmal zur Seite. Ich wurde von diesem Bild fast schon angezogen, es ermutigte mich, immer weiter zu rennen ohne auch nur einen Gedanken an etwas Anderes zu verschwenden. Nur ganz leise vernahm ich die Stimme meiner besten Freundin, die verzweifelt meinen Namen rief. Ich drängte sie in den Hintergrund und versuchte mich zu beeilen. Die Straße war selten leer und somit auch heute voller Betrieb. Es war ziemlich gefährlich und riskant, das wusste ich. Mein Herzschlag hatte sich inzwischen verdoppelt. Armin wurde auf einmal stark ins Gesicht geschlagen und er glitt zu Boden. Doch die Kerle schienen jedoch nicht fertig zu sein, wahrscheinlich noch lange nicht. Allein dieser Anblick ließ mich so wütend werden, dass ich meine Geschwindigkeit zu erhöhen versuchte, obwohl dies kaum noch möglich war. Meine Schritte wurden immer schneller, genauso wie meine Atmung. Doch gerade, als ich die Straße fast hinter mich gebracht hatte, hörte ich plötzlich ein Auto, direkt neben mir. Der Boden vibrierte fürchterlich und ich musste um mein Gleichgewicht kämpfen. Ich riss meine Augen auf, nur um mich in letzter Sekunde vor einem starkem Zusammenprall zu retten. So nahm ich einen großen Schritt und kniff die Augen zusammen, in der Hoffnung, dass alles gut gehen würde. Stolpernd fiel ich auf den erhitzten Bürgersteig am anderen Ende der Straße. Ich stützte mich mit den Händen ab, spürte allerdings kaum die Schmerzen des Aufpralls. Es war noch gut gegangen. Meine Augen trafen auf die des Fahrers, dem ich allerdings keine weitere Beachtung schenkte. „Pass auf, wo du hinfährst, Arschloch“, rief ich nur, noch immer von der Wut gepackt, ehe ich mich wieder aufrappelte, um meinem blonden Freund zu helfen. Dass der Autofahrer eigentlich nichts getan hatte, interessierte mich in diesem Moment nicht. Auch die perplex wirkenden, grauen Augen, hatte ich inzwischen aus meinem Gedächtnis verbannt. „Armin“, mit einem lauten Ruf und von Sand gefüllten Schuhen kam ich schließlich bei dem Strandhaus an und ging zwischen die beiden Kerle, die gerade dabei waren, den Blonden zu verletzen. Ich schubste denjenigen, der Armin ins Gesicht geschlagen hatte beiseite und musterte sie mit abfälligem Blick. Beide hatten dunkelblondes Haar und dasselbe, widerliche Grinsen auf den Lippen. Sie schienen, aus der Nähe betrachtet, doch etwas älter als ich selbst zu sein, was man auch daran erkennen konnte, dass sie viel kräftiger waren. Einer trug eine Sonnenbrille und der andere eine Cap, mit der er wohl besonders cool wirken wollte. Ich kannte sie allerdings nicht, vielleicht erinnerte ich mich auch einfach nicht an sie. In diesem Moment war mir allerdings egal, wer sie waren. Es zählte nur, dass sie Armin verletzt hatten und es wieder tun wollten. „Was willst du, Pisser?“, fragte einer der blonden Muskelprotze und spuckte mir das letzte Wort regelrecht ins Gesicht. Seine Knöchel knackten bedrohlich, als er seine Hände zu Fäusten ballte. Ich ließ mir allerdings keine Angst von ihnen einjagen. Wenn nötig, würde ich mich wieder für Armin prügeln, so wie beste Freunde es nun mal füreinander taten. Okay, vielleicht war Armin nicht in der Lage, dies für mich zu tun, allerdings reichte es mir, wenn ich bei einer Kursarbeit von ihm abschreiben durfte. Das rettete mich nämlich auch vor vielen Dingen, wie zum Beispiel dem mir drohendem Wiederholungsjahr. Armin war ein unheimlich guter Mensch. Er war hilfsbereit, freundlich, furchtbar klug und gab stets den richtigen Rat. Ich konnte nicht verstehen, warum manche Menschen ihn so behandelten. Es ging mir deutlich gegen den Strich, dass er andauernd auf der Liste von irgendwelchen Leuten aus unserer Schule stand, nur weil er nicht so war, wie sie. „Wen nennst du hier Pisser?“, stellte ich die Gegenfrage, mit eisig klingender Stimme. Meine grünblauen Augen funkelten wütend, gleichzeitig auch kampfbereit. Ich merkte kaum, dass Armin hinter mir zitternd meinen Namen flüsterte. Er hatte Angst, dass ich mich schon wieder wegen ihm verletzte, das wusste ich. Das Lächeln der Beiden verschwand durch meine Provokation augenblicklich. Der Größere von ihnen ging einen Schritt auf mich zu, während ich jede seiner Bewegungen aufmerksam betrachtete, um auf alles gefasst zu sein. Die Luft wirkte plötzlich unglaublich dünn, eiskalt und gleichzeitig voller Spannung. Wie die Luft kurz vor einem Gewitter. Es würde nur noch wenige Sekunden dauern, bis sich eine riesige Schlägerei entfachen würde, wie ein Blitz, der einschlug. Doch ganz plötzlich hörte ich eine laute Pfeife, dessen Geräusch zischend die Luft durchschnitt. Mit großen, erschrockenen Augen sah ich zur Seite und erkannte meine beste Freundin, die zusammen mit irgendeinem braunhaarigem Typen auf uns zugelaufen kam. Seines Outfits nach schien er der Bademeister zu sein oder irgendein Sicherheitsbeauftragter des Strandes. Ich hörte noch, wie die anderen Beiden begannen zu knurren. „Scheiße, Mann“, murmelte einer von ihnen, seine Stimme zischte vor Wut. Ich war mir sicher, dass er liebend gern noch mehr Zeit mit uns verbracht hätte. „Wir sind noch nicht mit euch fertig.“ Ein letztes Mal strich der bedrohliche Blick des Blonden über Armin und mich. Es herrschte noch immer eisige Kälte und das Wissen, dass er es wirklich ernst meinte. Erst dann zogen die beiden Kerle ab und ließen den Blonden und mich mit Mikasa und dem Bademeister, welche langsam zu uns aufholten, zurück. Ich seufzte laut. Jetzt würde wieder eine Moralpredigt meiner besten Freundin folgen, da war ich mir sicher. Sie tat dies immerhin jedes Mal, wenn ich indirekt Scheiße baute. ~ „Ich frage mich immer noch, wie du einfach über die Straße laufen konntest. Du hättest einen schlimmen Unfall haben können!“, ertönte Mikasas Stimme dicht an meinen Ohren. Sie schüttelte immer wieder ihren Kopf, als würde sie einfach nicht nachvollziehen können, warum ich nur so dumm war. Schon seit mehreren Minuten stellte sie sich diese Frage, als ob sie eine Antwort bekommen würde, wenn sie sie oft genug wiederholen würde. Ich verdrehte nur die Augen, hoffte gleichzeitig aber auch, dass Mikasa dies nicht sehen konnte. Wenn sie merkte, dass ich genervt von ihr war, konnte sie ziemlich unangenehm werden. Ich erinnerte mich nur ungern an das letzte Mal, als wir einen Streit hatten und ich zu stur gewesen war, um mich zu entschuldigen. Inzwischen waren wir auf dem Weg nach Hause. Es hatte ewig gedauert, dem Bademeister zu versichern, dass so etwas wie eben nicht wieder vorkommen würde. Obwohl wir es hoch und heilig versprochen hatten, wusste ich bereits jetzt, dass es früher oder später wieder geschehen würde, wenn auch nicht unbedingt am Strand. Ich war mir sicher, dass meine Freunde diesen Gedanken insgeheim mit mir teilten, der Bademeister wahrscheinlich auch. Er hatte nicht so ausgesehen, als ob er eine schlechte Menschenkenntnis haben würde. Danach hatten wir uns Armins Verletzungen angesehen, welche zum Glück nicht wirklich schlimm ausgefallen waren und anschließend hatten wir sofort den Rückweg angetreten. Niemand von uns hatte noch am Strand bleiben wollen, ob wir nun wieder an unseren Lieblingsplatz gingen oder nicht. Für heute hatten wir alle genug. „Wäre er nicht gekommen, hätten sie mich verprügelt“, warf Armin kleinlaut ein. Er war schon die ganze Zeit über ziemlich ruhig, es war schon fast ein Wunder, dass er seine Stimme nun endlich wieder gefunden hatte. Als ich ihn ansah, bemerkte ich gleich, dass er in unserer Gegenwart ziemlich ruhig war, allerdings loderte in seinem Blick eine Mischung aus Wut und Enttäuschung, von der ich nicht wusste, woher sie stammte. Der Blonde wurde ständig Opfer von mehreren Leuten aus unserer Schule. Der Grund dafür war ganz simpel - Armin war schwul. Leider gab es viele Typen an unserer Schule, die dies nicht tolerierten. Ganz im Gegenteil, ihr Verhalten war regelrecht homophob. Die Blicke, die sie ihm zuwarfen und die beschissenen Gesten, die sie in seiner Nähe machten, ließen mich jedes Mal so wütend werden, dass ich fast schon kochte. Die daraus entstehenden Strapazen bügelte letzten Endes jedes Mal Mikasa aus. So gab es eine klare Rollenverteilung unter uns. Armin wurde von einem Typen gehässig angefahren, woraufhin ich auf diesen losging und dann Mikasa kam, um den Streit irgendwie zu legen. Wie sie das schaffte, konnte ich mir selbst nicht erklären, ihre Methoden waren wohl einfach erstklassig. Eine gute Frage also, warum sie nicht Streitschlichter für die kleinen Kinder werden wollte, die sich mit ihren Freunden um einen Teddybären stritten. Für mich war es allerdings kein Problem, dass mein bester Freund nicht der selben Sexualität angehörte wie ich oder Mikasa. Immerhin machte ihn dies nicht zu einem anderen Menschen. Er war immer noch der übertrieben freundliche Armin, der einem immer half und für einen da war, egal um was es ging. Leider gab es nicht viele, die so dachten, wie ich. „Das tut nichts zur Sache“, Mikasa, die vor uns ging, warf einen bösen Blick über ihre Schulter zu meinem blonden besten Freund. Armin verstummte sofort. Ihr Blick hatte wahrscheinlich bei jedem denselben Effekt. „Er hätte wenigstens warten können, bis die Ampel grün wird und nicht wie ein Bescheuerter über die Straße stürmen müssen.“ Diese Aussage kommentierte keiner von uns, da die Schwarzhaarige wohl oder übel recht hatte. Ich wollte es zwar nicht zugeben, doch musste ich mir eingestehen, dass es besser gewesen wäre, wenn ich einen kühlen Kopf bewahrt hätte. Ich hatte mich zwar nicht verletzt, allerdings wäre dies anders, wenn Mikasa nicht mit dem Bademeister aufgetaucht wäre. Doch manchmal dachte ich eben nicht nach. Jegliche Konsequenzen waren mir in diesen Momenten egal, selbst, wenn sie sehr schlimm waren. So war ich eben. Impulsiv, ein wenig hitzköpfig und vor allem ziemlich stur. Ich sah mich seufzend um und bemerkte, dass wir schon fast bei meiner Wohnung waren. Nun ja, falls man dieses Ding von höchstens zwanzig Quadratmetern Wohnung nennen konnte. Meistens lud ich Armin und Mikasa mehr oder weniger freiwillig dazu ein, auch noch zu mir zu kommen, damit wir gemeinsam aßen, doch heute war mir nicht mehr danach. Der Tag war ohnehin schon anstrengend genug gewesen, da wollte ich mir nicht den ganzen Abend über anhören müssen, wie meine beste Freundin sich über die Ereignisse des heutigen Tages beschwerte und Armin eingeschüchtert vor sich hin schwieg. Ich verabschiedete mich nur kurz von ihnen. Ein kleines Lächeln und ein schnelles „Bis Morgen“ war alles was ich von mir gab, ehe ich auch schon das Treppenhaus des Gebäudes betrat und die alten Steintreppen zu meiner Wohnung nach oben nahm. Es war furchtbar schmutzig, was daran lag, dass die beiden Typen, die diese Woche Putzdienst im Haus hatten, nichts anderes taten, als besoffen in ihrer Wohnung herum zu gammeln. Kopfschüttelnd beeilte ich mich, was angesichts der Tatsache, dass meine Wohnung im letzten Stock lag und ich furchtbar viele Treppen laufen musste, eine gute Idee war. Erst jetzt, wo ich mich intensiver bewegte, bemerkte ich die Schmerzen in meinem Bein, die höchstwahrscheinlich von meinem Sturz kamen. Sie waren nicht stark, doch blaue Flecken würden mit Sicherheit verbleiben. Noch immer tat mir der Autofahrer ein wenig Leid, den ich in diesem Moment so angeschrien hatte. Doch ich hatte nicht darüber nachgedacht, was ich tat. Mit einem lauten Seufzen kam ich schließlich vor meiner Haustür an und nahm meine Schlüssel aus der Hosentasche, um kurz darauf die Wohnung zu betreten. Sie war ziemlich klein und auch nicht sonderlich schön, doch mehr konnte ich mir nicht wirklich leisten. Die Tür hinter mir schließend, ließ ich meinen erschöpften Blick durch das Zimmer gleiten. Es war Schlafzimmer, Wohnzimmer und Küche zugleich und alles war ziemlich eng. Der alte Holzboden knarzte unter seinen Füßen und die gelbe Tapete an den Wänden war unglaublich hässlich, wie ich fand. Am anderen Ende des Raumes stand eine dunkelbraune Couch, welche zu einem Bett ausziehbar war. Da diese allerdings einen Großteil des Zimmers einnehmen würde, begnügte ich mich lieber mit dem zusammengestauchtem Stück als Schlafplatz. Davor stand ein kleines Fernseher auf einer Kommode, in welcher sich meine Klamotten und andere persönlichen Gegenstände befanden. Direkt daneben gab es eine gläserne Tür, welche auf einen Balkon herausführte, auf welchem man ungefähr drei Schritte gehen konnte, nicht mehr. Trotzdem war dies das Einzige, was ich an meiner Wohnung wirklich mochte. Gleich hinter der Tür stand schließlich noch ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen, an welchem er immer aß und seine Hausaufgaben machte. Zu guter Letzt gab es noch eine kleine Küche zu seiner rechten, sowie eine Tür zu seinem winzigem Bad, welches fast vollkommen von einer schäbigen Dusche ausgefüllt wurde. Ich fuhr mir durch meine braunen Haare und strich mir die Sneakers von den Füßen. Müde schleppte ich mich zu der Couch. Fast schon automatisch glitt mein Blick zu der pissgelben Wand, an der nur ein kleines Bild hing. Wie jeden Abend musterte ich es mit einer Mischung aus Trauer und Sehnsucht. „Ich wünschte, du wärst da“, flüsterte ich kaum hörbar, ehe ich mich auf den Rücken legte und die Augen schloss, welche in wenigen Minuten sowieso von selbst zugefallen wären. Morgen stand mir wieder ein anstrengender Tag bevor. Wie anstrengend er wirklich werden würde, war mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst. Kapitel 2: ----------- Kapitel 2 Viel zu genervt saß ich an diesem Vormittag in einer Ecke der riesigen Cafeteria. Meine müden Augen fielen ständig zu, während ich versuchte diesen verdammten Spickzettel für meine anstehende Kursarbeit fertig zu schreiben. Natürlich musste es wieder ausgerechnet mir passieren, dass ich die Geschichtsklausur vergaß und in der Mittagspause von meinem besten Freund darum gebeten wurde, noch einmal die wichtigsten Ereignisse aufzuzählen. Armin wollte damit überprüfen, ob er alles wusste, was wichtig war. Es war natürlich klar, dass dies überflüssig war, da er sowieso alles einwandfrei konnte, im Gegensatz zu mir. Und gerade durch diese kleine, fast schon unscheinbare Frage, war mir klar geworden, dass ich diesen beschissenen Test ganz vergessen hatte. Natürlich wäre dies nicht ganz so schlimm, würde er nicht über einen Drittel der Note ausmachen. Und gute Noten waren wirklich etwas, das ich gut gebrauchen könnte, wenn man sich mal mein letztes Zeugnis ansah. Ich war in wirklich allen Fächern verdammt schlecht geworden. Gestresst ging ich Armins undeutlich geschriebenen Notizen durch und versuchte so viel wie möglich auf die kleine Ecke des Zettels zu quetschen. Währenddessen hatte dieser nichts Besseres zu tun, als mir Jogurtessend Vorwürfe zu machen, die mich langsam aber sicher in den Wahnsinn trieben. „Du hattest doch eineinhalb Wochen Zeit“, merkte er wieder an, während ich zum wiederholten Mal irgendeine Jahreszahl durchstrich, um sie durch eine andere zu ersetzen. Meine Nerven waren in diesem Moment eindeutig überstrapaziert und ich war kurz davor dem Blonden einen Todesblick zuzuwerfen, als ich plötzlich hörte, wie Mikasa sich vor uns setzte. Super, wirklich. Nicht einmal diese Tortur blieb mir erspart. Eigentlich dachte ich, dass sie gerade Sport hatte und ihre Lehrerin wieder darauf bestehen würde, keine Pause zu machen. Doch natürlich hatte sich das Schicksal gegen mich verschworen und ließ sie auch noch hier auftauchen, damit sie mich mit Vorwürfen überhäufen konnte. Wirklich super. Ich hob meinen Blick, um sie anzusehen. Man sah ihr an, dass sie vom Sportunterricht kam, da ihre Wangen noch immer gerötet waren und sie ihre kurzen Haare zu einem winzigen Zopf gebunden hatte. Außerdem trug sie ihre Sportklamotten. Ich sah, wie sie ihre Augenbrauen hochzog, bis sie begriff, was ich gerade tat. Merkwürdig, dass sie dafür so lange brauchte. „Eren!“, entkam es ihr nicht weniger vorwurfsvoll als Armin, was mich dazu brachte, die Augen zu verdrehen. Ich hatte nun verstanden, dass sie es schlecht fanden, dass ich schon wieder versuchte zu schummeln. Sie konnte nun ruhig damit aufhören. Doch so, wie ich Mikasa kannte, würde zumindest sie keine Ruhe geben, bis mir ein plausibler Grund dafür einfiel, warum ich nicht gelernt hatte oder aber, bis ich ausrastete. Und für Zweiteres fehlte wirklich nicht mehr viel. Ich hatte sowieso viel zu wenig geschlafen, war fast zu spät gekommen und hatte diesen Test vergessen. Da fehlte es mir wirklich noch, von ihr genervt zu werden, damit meine Laune weiterhin sank. „Ich hatte keine Zeit“, fauchte ich und faltete den Zettel zusammen, um ihn in meine Hosentasche zu stecken. Er war bereits vollgeschrieben, weshalb ich jetzt auf meinem Arm weitermachen musste. Ich konnte nur hoffen, dass dieser Freak von Geschichtslehrer nicht wieder unsere Hände und Arme kontrollierte, sonst wäre ich aufgeschmissen. Ziemlich aufgeschmissen. „Ach ja?“, Mikasa zog ihre Augenbrauen erneut in die Höhe und beobachtete mich skeptisch dabei, wie ich versuchte möglichst viele Dinge über den ersten Weltkrieg auf meine Hand zu bekommen. Wie ich es hasste, wenn sie mich so ansah. „Der Test ist vor über einer Woche angekündigt worden, Eren. Du hättest in den Freistunden lernen können und wenn du im Unterricht aufgepasst hättest, wäre Vieles von alleine hängen geblieben“, fügte sie hinzu, noch schlimmer als Armin vor ihr. Meine Wut nahm zu, sodass ich den Kugelschreiber laut auf die Tischplatte krachen ließ. Es nervte mich, dass sie mich jedes Mal kritisieren musste. Wirklich immer, egal was ich tat. „Du bist nicht meine Mutter“, fuhr ich sie an, ehe ich meinen Rucksack packte und wütend aus der Cafeteria stürmte. Ob mich meine Mitschüler dabei beobachteten, war mir gerade wirklich ganz egal. Die Wut in mir hatte Überhand genommen. Trotzdem tat es mir fast im selben Moment ein wenig Leid, dass ich sie so angeschrien hatte. Jedoch versuchte ich dies zu verdrängen. Irgendwann musste sie schließlich verstehen, dass sie mich nicht so bemuttern sollte. Ich hasste so etwas, besonders wenn sie es tat. Mikasa musste verdammt nochmal nicht auf mich aufpassen, immerhin kam ich auch gut alleine klar. Ich verließ das Schulgebäude mit zusammengepresstem Kiefer und ließ mich außen in der Raucherecke nieder. Sie war an der Wand des äußeren Schulgebäudes und eine Glaswand trennte sie vom Rest des Hofes ab. Ich setzte mich auf eine freie Bank und zündete mir eine Zigarette an. Zu oft wünschte ich mir, ich hätte niemals mit dem Rauchen angefangen. Doch jetzt schaffte ich es einfach nicht damit aufzuhören, ich versuchte es gar nicht mehr. In der Ecke war kaum jemand. Etwas weiter von mir entfernt sah ich ein paar von Jeans behinderten Freunden, die gerade über irgendetwas lachten, der Rest war wahrscheinlich in der Cafeteria. Ich zog an meiner Zigarette und schloss kurz die Augen, um mich zu beruhigen. Hatte ich überreagiert? Die Frage begann beinahe nervtötend durch meinen Kopf zu geistern. Ein großer Teil in mir bejahte dies, während der andere strikt dagegen war. Seufzend fuhr ich mir durch mein braunes Haar und lehnte den Kopf an die kühle Wand hinter mir. Ich konnte nicht verhindern, dass mir mein Ausbruch ein wenig Leid tat. Natürlich wollte Mikasa nur das Beste für mich, doch gleichzeitig war dies so unglaublich nervig, weil es auf mich so wirkte, als wolle sie eine neue Mutter für mich sein. Ich tat ihr Leid und sie wollte ihre Rolle übernehmen, zumindest kam es mir so vor. Sie verstand einfach nicht, dass sie meine beste Freundin war und sonst niemand. Ich öffnete meine Augen wieder und sah, wie Armin auf mich zukam. Er folgte mir schon wieder nach einem Streit, stellte ich mit einem leichten Lächeln fest. Es war ständig so. Wahrscheinlich wollte er mich beruhigen und mich dazu bringen, mich bei der Schwarzhaarigen zu entschuldigen. Meistens schaffte er das auch. Ich schob dies meistens auf seine Überzeugungskraft. Wenn er wollte, konnte er wirklich sehr überzeugend sein, müsst ihr wissen. Seine Lippen waren zu einem schmalen Schlitz verzogen, während er näher kam und ich bemerkte die Besorgnis in seinen Augen. Er ließ sich neben mir nieder und legte sich seinen Ranzen auf den Schoß ohne etwas zu sagen. Ich bemerkte beinahe sofort, wie mich seine Augen mit sorgenvoller Miene betrachteten. Doch gleichzeitig nahm ich einige angewiderte Blicke von Jeans Freunden wahr, die allerdings verschwanden, als ich ihnen einen bedrohlichen zurückwarf. Mein Ruf an dieser beschissenen Schule war ihnen bewusst. Wahrscheinlich war das auch der Grund dafür, warum Armin und ich oftmals überrascht gemustert wurden. Der schwule Streber und das merkwürdige Problemkind, dies passte nun mal nicht wirklich zusammen. „Es tut mir Leid“, erklärte Armin nach ein paar Minuten des Schweigens ganz leise und sah mich mit seinen hellen, blauen Augen an. Sie wirkten wirklich traurig und ich sah die Reue in ihnen, obwohl er nicht wirklich etwas getan hatte. Auch Mikasa war eigentlich nicht schuldig. Viel eher war ich derjenige, der überreagiert hatte, wie so oft. Doch das gab ich nur sehr ungern zu. Ich seufzte und blies gleichzeitig den Rauch aus meiner Lunge. „Es war meine Schuld“, meinte ich schließlich. Dieses Geständnis schien ihn ein wenig zu überraschen, da er seine Augen leicht weitete. Warum wir uns in letzter Zeit wegen solcher Kleinigkeiten stritten, war mir schleierhaft. Ständig rastete einer von uns wegen einer winzigen Meinungsverschiedenheit aus, nur damit wir uns kurz darauf wieder vertrugen. Und meistens war ich derjenige, der diesen Part übernahm. Es war einfach zu nervig, besonders, weil ich schon so genug Probleme hatte. Früher war dies nie so gewesen und wir hatten uns immer super verstanden. Früher, als meine Mutter noch gelebt hatte. Mit der Zeit war alles so kompliziert geworden. „Nein, wir hätten dich nicht so nerven sollen. Immerhin wissen wir, dass im Moment alles...“, er schien nach den richtigen Worten zu suchen, „ziemlich schwer für dich ist.“ Der Blonde kratzte sich am Hinterkopf und lenkte seinen Blick auf die Glasscheibe, in der sich unsere Gesichter spiegelten. Ich dachte kaum über seine Worte nach uns gab nur einen zustimmenden Laut von mir. Stattdessen fiel mir bei meinem Spiegelbild auf, dass ich heute extrem scheiße aussah, ganz im Gegenteil zu Armin. Meine Haare standen von meinem Kopf ab, meine Haut wirkte blass und unter meinen Augen bildeten sich riesige Ringe ab, fast schon so, als hätte ich tagelang nicht geschlafen. Seine Haare dagegen lagen perfekt auf seinem Kopf, nicht einmal ein winziges Haar schien abzustehen. Außerdem wirkten seine Augen viel wacher und lebhafter, wenngleich mich die Sorge in ihnen störte. Ihm stand dieser Ausdruck nicht. „Was hältst du davon, wenn wir morgen Abend nochmal zusammen feiern gehen?“, wechselte er ganz plötzlich das Thema. Kurz musterte ich Armin ein wenig verwirrt, ehe ich mit den Schultern zuckte. „Warum nicht“, entgegnete ich ohne auf den abrupten Wechsel zu achten und lächelte leicht. Ein wenig Ablenkung würde mir gut tun. Noch dazu war ich schon lange nicht mehr richtig ausgegangen. Im Moment bestand mein Leben nämlich aus Arbeiten, Schule und Schlafen, für mehr hatte ich kaum Zeit, da meine Wohnung irgendwie finanziert werden musste. Auch wenn sie aussah wie das letzte Drecksloch. „Okay“, Armin grinste mich an. Er freute sich immer darüber, wenn er mich aus dem Haus locken konnte. Stichwort Vereinsamung und so etwas. Dann richtete er sich auf und schulterte seinen Rucksack. „Komm, wir wollen doch nicht unsere wunderbare Klausur verpassen oder?“, fragte er mich lachend, woraufhin ich ihm ein schiefes Grinsen schenkte. Ich liebte es, wenn er mich aufmuntern konnte. Nur er war dazu in der Lage, niemand sonst. Warum das so war, wusste ich selbst nicht. „Auf keinen Fall“, stimmte ich ihm mit einer großen Spur von Sarkasmus zu und schnippte den Rest meiner Zigarette auf den Boden, um ihn zu begleiten. Ich war mir sicher, dass ich diesen Test verhauen würde. Gleichzeitig hoffte ich allerdings, dass mir die Information, die ich auf mir und meinem Spickzettel verewigt hatte, zu wenigstens einem schwachem D verhelfen würde. Es war schon spät, als ich mich auf dem Weg zum Laden machte. Armin und Mikasa hatten heute früher Schluss als ich und waren somit schon Zuhause bei ihrer Familie. Nach der Geschichtsklausur, die ich hundertprozentig verhauen hatte, hatten sie sich von mir verabschiedet. Auch wenn ich mich inzwischen bei Mikasa entschuldigt hatte, spürte ich immer noch eine gewisse Spannung zwischen uns dreien. Auch zwischen Armin und ihr. Ich wusste nicht, was es war, doch irgendetwas lag zwischen ihnen und es störte mich gewaltig. Doch auch, als ich nachgefragt hatte, erhielt ich nur die Antwort, dass nichts wäre. Manchmal fragte ich mich wirklich, ob sie dachten, dass ich dumm war. Nun gut, meine Noten sprachen vielleicht dafür, doch sie kannten mich viel besser, als irgendwelche dummen Tests. Seufzend machte ich mich auf dem Weg zu der Straßenbahn. Heute war es nicht wirklich kühler als gestern, was mich jetzt schon nervte. Inzwischen waren es nach Vier Uhr, meine Schicht begann demnach in einer halben Stunde. Eigentlich war ich viel zu müde, doch ich konnte mir nicht freinehmen, da ich das Geld unbedingt brauchte. Viel dringender, als alle Anderen, die im Sunny arbeiteten. Annie zum Beispiel verbrachte ihre Zeit nur dort, damit sie sich nächstes Jahr einen Urlaub mit ihrer besten Freundin buchen konnte. Oder Sasha, die den Job nur angenommen hatte, damit sie sich die vierfache Essensportion in der Cafeteria leisten konnte. Warum Jean dort war, wusste ich nicht, allerdings fragte ich auch nicht nach. Nicht, dass der Spinner noch dachte, dass ich mich ernsthaft für ihn interessierte. In der Straßenbahn war viel los, so wie immer. Ich musste stehen, während immer mehr Leute einstiegen, obwohl kaum noch Platz war. Genervt verdrehte ich die Augen und wartete darauf, dass ich schnell zu meiner Station kam, möglichst ohne Berührungen von fremden, verschwitzten Menschen. Die Temperatur stieg weiterhin und mir wurde während der Fahrt unglaublich schlecht. Ich fühlte mich schon fast so, als müsste ich mich übergeben, als die monotone Stimme endlich ankündigte, dass wir nun bei der Station angekommen waren, der ich schon sehnsüchtig entgegengefiebert hatte. Wie ein Bescheuerter sprang ich aus der Bahn, kaum dass die Türen offen waren und sog die Luft ein, wie irgendein Junkie seine Drogen. Erst, als das Gefühl der Übelkeit ein wenig verflogen war, machte ich mich auf zum Laden, der nicht allzu weit von hier entfernt war. Betrachtete man die Lage des alten Schuppens, müsste es dort vor Kunden nur so wimmeln. Schließlich lag er direkt im Zentrum, wo jeden Tag tausende von Menschen vorbeigingen. Und trotzdem war es nicht so. Nicht, dass es mich stören würde, solange ich mein Geld bekam, war mir egal, wie viele Leute die Bude betraten. Allerdings wäre es wohl nicht gerade vorteilhaft, wenn wir pleitegehen würden. Seufzend verließ ich die kleine Haltestelle und ging zusammen mit einer riesigen Menschenmasse über den Zebrastreifen direkt daneben. Manchmal hasste ich es wirklich in einer Großstadt zu wohnen, wo lauter Menschen waren, egal wohin man ging. Allerdings war der Gedanke ohne sie zu leben gleichzeitig merkwürdig. Ich hatte immerhin noch nie in einem Dorf oder so etwas Ähnlichem gelebt. Ein oder zweimal war ich als Kind in Mums kleiner Heimatstadt in Mexiko gewesen, doch das war auch schon alles. Ich spazierte über den Bürgersteig und steuerte das Ende der Straße an, wo ich schon von weitem den kleinen Laden erkennen konnte. Er stach unter den ganzen bunten Gebäuden nicht wirklich heraus, die meisten gingen einfach an ihm vorbei, so wie ich es früher auch immer getan hatte. Bis ich angefangen hatte, mir dort meinen Unterhalt zu verdienen. Das war eine schöne Zeit gewesen. Ich atmete laut aus und wieder ein, versuchte gleichzeitig Kraft zu gewinnen, um meinen heutigen Arbeitstag durchzustehen. Meine Schicht teilte ich mir heute mit Annie, also war es immerhin recht entspannend. Nur wenige Sekunden später betrat ich den Laden, wie immer mit einem kleinem, aufgesetztem Lächeln. Der alte Holzgeruch zusammen mit der angenehmen Kälte der Klimaanlage, empfingen mich. Sofort glitt mein Blick zu der Theke, hinter der allerdings nicht, wie eigentlich erwartet, Annie stand. Ihr Platz wurde von Hanji eingenommen, die sich mit irgendjemandem unterhielt, den ich von meinem Standpunkt aus nicht sehen konnte. „Und, was meinst du?“, fragte sie gerade noch, ehe ihr die Glocke an der Eingangstür verriet, dass ich eingetroffen war. Sofort blickten ihre Augen, die hinter ihrer riesigen Brille steckten zur Tür und sie lächelte mich freudig an. „Eren! Du kommst gerade richtig! Ich habe deinen – wahrscheinlich – neuen Chef dabei!“, rief sie, ihre Stimme klang überdreht und aufgeregt, so wie immer. „Meinen neuen Chef?“, ich warf ihr einen verwirrten Blick zu, während sich ihre Worte in meinem Kopf wiederholten ohne wirklich Sinn für mich zu machen. Wovon sprach sie da eigentlich? Die Ältere neigte ihren Kopf überrascht zur Seite. „Hat Jean dir denn nicht davon erzählt?“, fragte sie und klang dabei ein wenig fassungslos. Ihre Hände klopften in einem komischen Rhythmus auf die Ladentheke, während sie darauf wartete, dass ich etwas erwiderte. „Nein?“, entkam es mir schließlich ein wenig überrumpelt. Ich hatte immer noch keine Ahnung wovon sie eigentlich sprach. Meine Gedanken überschlugen sich und ich versuchte mich daran zu erinnern, ob Jean nicht erwähnt hatte, dass Hanji den Laden nicht mehr führen würde. Allerdings war ich mir sicher, dass er es nicht getan hatte. Dieser kleine Mistkerl. In meinem Kopf bildeten sich gefühlte tausend Fragen, die ich versuchte irgendwie einzuordnen. „Und... wer ist dieser Chef?“, fragte ich schließlich ein wenig skeptisch. Ich war mir sicher, dass Hanji mir gleich noch erzählen würde, warum sie sich so plötzlich dazu entschlossen hatte, den Laden nicht mehr weiterzuführen. Mir fiel zwar kein guter Grund ein, allerdings wusste ich schon lange, dass es nicht ihr Traum war einen Laden zu besitzen. Diesen hier hatte sie von ihrem Vater geerbt. Sie hatte mir oft erzählt, dass es eher ein Zwang für sie war, ihn behalten zu müssen. „Levi Ackerman, ein Kumpel von mir“, sie lächelte, zeigte dann auf den Stuhl, der von dem Vorhang einige Zentimeter hinter der Theke verdeckt wurde. Ich hörte, wie sich jemand erhob und hinter diesem hervortrat. Und in diesem durchgeknalltem, zweifelsohne bescheuertem Moment gingen mir nur drei Worte durch den Kopf. Ach. Du. Scheiße. „Levi?“, fragte Hanji ihren Freund grinsend, „das ist...“, wollte sie mich vorstellen, doch er hielt sie davon ab. Seine grauen Augen musterten mich erst ein wenig perplex, so wie vor ein paar Tagen noch, bevor sie furchtbar amüsiert wirkten, fast schon so, als hätte ich irgendeinen richtig guten Witz erzählt. „Der kleine Wichser, der mir vor's Auto gelaufen ist“, vollendete er ihren Satz und verschränkte mit einem überlegenen Ausdruck auf seinem Gesicht die Arme vor seiner Brust. Mir fiel sofort auf, dass er einen Kopf kleiner als Hanji war, wahrscheinlich nur 1,60 Meter. Und trotzdem verlieh ihm sein Auftritt etwas, das ihn älter wirken ließ, sodass seine Größe in den Hintergrund rückte. Bei seinem Anblick erinnerte ich mich wieder an den Fahrer, an seine grauen Augen und die schwarze Undercutfrisur. Ich hatte sie an diesem Tag nur verschwommen gesehen, da ich mich auf die Leute, die Armin verprügeln wollten konzentriert hatte, doch jetzt, wo ich ihn wiedersah, konnte ich mich nur zu gut an ihn erinnern. Ich schüttelte leicht den Kopf, um meine Ungläubigkeit auszudrücken, ehe ich mir mit einer Hand durch das Gesicht fuhr. „Und du bist dann wohl das Arschloch, das mich fast überfahren hat.“ Kapitel 3: ----------- Kapitel 3 Ich sollte irgendwann einmal damit anfangen, respektvoller mit Menschen umzugehen. Besonders, wenn diese Menschen älter als ich und ziemlich autoritär sind. Wahrscheinlich hätte ich niemals von mir selbst erwartet, jemals einen Entschluss dieser Art zu fassen. Als sich jedoch die stahlgrauen Augen meines Gegenübers förmlich in meine Haut bohrten, wusste ich, dass dieser Typ nicht ungefährlich war und er es bestrafen würde, wenn man nicht richtig mit ihm umging. So wie ich es, nur nebenbei angemerkt, gerade machte. Auch wenn er momentan Ruhe und Gelassenheit ausstrahlte, wirkte es trotzdem so, als würde er mir mit jeder verstreichender Sekunde am Liebsten in die Fresse schlagen wollen. Spätestens als Hanji zischend die Luft einsog und Levi mit einem leicht verzogenem Gesichtsausdruck an der Schulter festhielt, um ihn zurückzuhalten, wusste ich, dass ich am Besten nicht irgendwann damit anfangen sollte, respektvoll zu werden, sondern gleich, wenn möglich. Sonst könnte dies nämlich ein böses Ende nehmen. Ein sehr Böses, um genau zu sein. Der Schwarzhaarige ließ sich von der Hand auf seiner Schulter nicht beirren und trat hinter der Theke hervor ohne Hanji jegliche Art von Beachtung zu schenken. Seine langsamen, kontrollierten Schritte machten mir aus irgendwelchen Gründen ein wenig Angst, welche mir nicht einmal die blonden Muskelprotze vom Vortag beschert hatten. Und diese waren größer als Levi gewesen, viel größer. Noch immer brannten sich seine stahlgrauen, hart wirkenden Augen in meine Haut und spätestens jetzt, wo er kaum noch einen Meter von mir entfernt war, kam ein ziemlich mulmiges Gefühl in mir auf. Trotzdem war es, als ob mich seine Augen in einen Bann ziehen würden, dem ich einfach nicht entkommen konnte. Als ob sie mich gefangen nehmen würden, ohne Aussicht auf Befreiung. So stand ich nur wie angewurzelt an der Tür und beobachtete ihn dabei, wie er mir furchtbar langsam auf die Pelle rückte. Diese fast schon in Zeitlupe ablaufende Bewegung ließ die Aufregung auf das Kommende beinahe elektrisch durch meinen Körper jagen. Erst jetzt, wo er mir viel näher war, bemerkte ich die schwarzen Piercings in seinen Ohren, die ihm etwas Rebellisches gaben. Sein ausdrucksloses Gesicht wirkte jung. Trotzdem wirkte es so, als ob es schon Vieles gesehen und erlebt hätte. Ich schätzte ihn zwischen 25 und 30, nicht älter. Er trug außerdem ein enges, graues T-Shirt, unter welchem man deutlich die definierten Bauch- und Brustmuskeln erkennen konnte, was mich vermuten ließ, dass es nicht gerade angenehm war, sich mit ihm anzulegen. Seine schmalen Hüften wurden von einer dunklen Jeans umhüllt, die ihm bis zu den Kniekehlen reichte. So locker, wie sie saß, konnte man schon fast davon ausgehen, dass sie ihm zu groß war. Bei seiner Größe wirklich kein Wunder. „Du wagst es also, frech zu sein, Balg?“, der Kleinere war mir inzwischen so nah, dass ich seinen warmen Atem an meinem Hals spüren konnte. An dieser Stelle bildete sich sofort eine prickelnde Gänsehaut und der Rhythmus meines Herzens wurde zunehmend schneller. Auch wenn er zu mir aufsehen musste, lag in seinen Augen solch ein starker Ausdruck, dass ich es nicht einmal wagte, mich überlegener zu fühlen. Seine Größe machte wohl nur auf den ersten Blick etwas aus. „Ich habe mich nur verteidigt“, gab ich trotzig zurück und biss mir schon kurz darauf auf die Zunge. Augenblicklich spürte ich die Reue, die sich durch meinen Körper zog. Konnte ich nicht einmal meine verdammte Klappe halten? Ich brachte mich ständig in Schwierigkeiten, weil ich einfach nicht wusste, wann es genug war. Es war zum Verzweifeln. Gerade jetzt wäre es am Besten, einfach still zu sein oder wenigstens zu einer Entschuldigung anzusetzen. Trotzdem verhielt ich mich wie ein kleines Kind und wollte das letzte Wort haben. Ich konnte nicht einmal etwas dagegen tun, die Worte kamen ohne große Überlegung über meine Lippen. „So? Ich glaube, dir muss mal jemand beibringen, wie man sich anständig benimmt“, er flüsterte diese Worte schon fast, hauchte sie an meine Halsschlagader. In seinen Augen blitzte etwas Angriffslustiges auf, das mich unwillkürlich erschaudern ließ. Die Luft zwischen uns war voller Spannung, wie kurz vor einem Kampf. Allerdings war mir von Anfang an klar, dass er diesen Kampf gewinnen würde, egal wie sehr ich mich anstrengte. Ich wusste nicht einmal, woher diese Erkenntnis stammte, sie war einfach da. „Aber keine Sorge, diese Aufgabe wird nun automatisch von mir übernommen“, ein minimales, beinahe schon boshaftes Grinsen legte sich auf seine Lippen, ehe er sich wieder umdrehte und zurück zu Hanji schritt. Jeder weiterer Meter, der die Distanz zwischen uns vergrößerte, erleichterte das Atmen für mich erheblich. Mein Brustkorb bebte durch die intensiven Schlägen meines Herzens. Der Kerl jagte mir Angst ein. Doch gleichzeitig machte ihn diese Sache umso interessanter. „Du nimmst den Laden also?“, Hanji, die das Geschehen zuvor noch mit großen Augen beobachtet hatte, strahlte Levi mit einer solchen Freude an, dass die Gefahr bestand, zu erblinden. Der Schwarzhaarige lehnte sich lediglich an die Wand und steckte seine Hände in die Hosentaschen. „Gut erfasst“, war seine kurze Bestätigung, woraufhin er von der Braunhaarigen in eine innige Umarmung gezogen wurde. „Danke, danke, danke!“, rief die Größere begeistert, während sie den Kleineren knuddelte, als wäre er irgendein flauschiges Stofftier. Ich rechnete schon damit, dass er sie von sich stoßen und böse anfunkeln würde, allerdings ließ er es mit einem genervten Blick über sich ergehen und murmelte nur etwas in Richtung: „Behalt' deine Griffel gefälligst bei dir, Brillenschlange.“ Gleichzeitig traf mich die Bedeutung ihres Gespräches in diesem Moment mit voller Wucht. Nicht, dass ich ihre Worte vorher nicht verstanden hatte. Es kam mir nur plötzlich so vor, als ob sie Farbe annehmen würden, jetzt, wo sie mir wirklich klar wurden. Der Zwerg sollte tatsächlich den Kiosk übernehmen? Die Chance, dass dies ein blöder Scherz war und die Beiden sich gleich lachend auf dem Boden rollen würden und riefen: „Überraschung Eren! Wir wollten dich nur verarschen“, war wohl doch sehr gering. Zumindest von Levis Seite aus. Mein Kopf begann sich mit Bedenken zu füllen. Levi war mein neuer Chef und ich hatte es mir sofort mit ihm verbockt. Kündigen wäre eine Alternative, die vielleicht etwas übertrieben war, dennoch würde diese meinen Stolz verletzen und mich aussehen lassen, als würde ich den Schwanz einziehen. Aber dies war ja nicht einmal das größte Problem. Am Schlimmsten fand ich eher, dass ich es mir nicht einmal leisten konnte, diese Stelle aufzugeben. Ich brauchte das Geld, um mir meine kleine Wohnung und den wöchentlichen Einkauf leisten zu können. Wovon sollte ich sonst leben? Die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht ganz so schlimm werden würde wie erwartet, war gleich null. Das Verhalten des Schwarzhaarigen machte mir schon jetzt klar, dass er mich auf keinen Fall sonderlich freundlich behandeln würde. Verärgert über diese ausweglose Situation beobachtete ich Hanji dabei, wie sie Levi wieder aus ihrer Umarmung entließ. Stattdessen drehte sie sich zu mir, um mir endlich zu erklären, warum sie mir das hier antat. Natürlich konnte sie nicht wissen, dass ich Levi indirekt kannte und es mir von Anfang an mit ihm verscherzen würde, doch warum sie den Laden abgeben wollte, wusste ich noch immer nicht genau. „Also... Eren“, sie kratzte sich etwas verlegen am Hinterkopf, während ich sie mit verengten Augen musterte. „Setz dich doch erst mal“, ihre Stimme klang etwas nervös und piepsig, ganz im Gegenteil zu eben, wo sie Levi noch so überschwänglich gedankt hatte. Sie erinnerte mich schon fast an meine Mutter, als sie mir damals von unserem Umzug erzählte und ich alle meine Freunde zurücklassen musste. Noch immer ziemlich misstrauisch ließ ich mich auf einem Stuhl hinter der Theke des Kiosk nieder. Die Nähe zu dem merkwürdigem Zwerg neben Hanji beunruhigte mich wieder etwas. Was sollte daraus werden, wenn er zu meinem Chef wurde? Dann wären die Arbeitszeiten ja noch viel unerträglicher. Ich war mir sogar sicher, dass ich mir alle Schichten viel lieber mit Jean teilen würde, als ihn wiederzusehen und das sollte schon etwas heißen. „Ich... also“, sie wusste nicht so recht, wie sie anfangen sollte, „ich habe dir doch davon erzählt, dass ich mein Studium bald beende und nun ja, du weißt doch, dass ich den Laden nur geerbt habe...“, Hanji klang unsicher, sodass ich fast schon daran zweifeln musste, dass es wirklich sie war, die gerade vor mir stand. Ich kannte dieses Verhalten gar nicht von der sonst so enthusiastischen, hyperaktiven Frau. Ich nickte leicht, wenn auch etwas bedrückt, ehe sie fortfuhr. „Mein Durchschnitt ist sehr gut und ich habe ein ausgezeichnetes Angebot – vorerst als Praktikantin - in einer Praxis bekommen. Du müsstest sie einmal sehen, Eren, sie ist riesig und furchtbar bekannt! Meine Chancen auf einen richtigen Job würden gut stehen“, ihr strahlendes Gesicht, verdunkelte sich wieder, als sie fortfuhr. „Natürlich hätte ich dann keine Zeit mehr für den Laden... und deshalb bin ich zu dem Entschluss gekommen, hier aufzuhören.“ Die Enttäuschung saß tief, jetzt, wo sie mich über die Situation aufgeklärt hatte. Ich hasste Veränderungen sowieso schon und nun fand auch noch eine solch große statt. Zum Kotzen, wirklich. Ich musterte den kleineren Mann neben ihr misstrauisch, ehe ich mich wieder an meine eigentliche Chefin wandte. „Und warum hast du ihn gefragt?“ Ich versuchte zwar, das „ihn“ nicht zu abfällig klingen zu lassen, weil ich wusste, dass dies Folgen haben könnte, allerdings konnte ich nicht verhindern, dass ich leicht das Gesicht verzog. Der Typ hatte es bereits jetzt geschafft, auf meiner persönlichen Beliebtheitsskala auf die Null zu sinken. Okay, es gab nicht mal eine Hand voll Menschen, die auf der Zehn standen, doch das ignorierte ich in diesem Moment einfach. Hanji strich sich über ihr braunes Haar und atmete angestrengt aus. Dieses Ausatmen wirkte so erschöpft, dass ich mich fragte, ob ich wirklich so anstrengend war oder aber, ob sie wieder einmal übertrieb. Beides war möglich, allerdings hoffte ich eher auf Letzteres. „Weil er mein bester Freund ist und einen Job sucht“, sie grinste ganz leicht, ehe sie ihm in die Seite boxte. „Und da er so sozial und vor allem freundlich ist, dachte ich, dass das Ganze hier perfekt passen würde!“ Pah! Falls mich diese Aussage überzeugen sollte, hatte sie ihr Ziel um einiges verfehlt. Ich versuchte mein Gesicht nicht zu verziehen. Wenn man so jemanden als „sozial“ und „freundlich“ bezeichnete, musste man vorher die Definition geändert oder einen an der Klatsche haben. Andere Erklärungen kamen für mich nicht in Frage – und wenn man von Hanji sprach, konnte man eindeutig von der zweiten Variante ausgehen. Gut, vielleicht war ich auch nicht der netteste Mensch, allerdings lächelte ich wenigstens einmal und stand nicht griesgrämig in der Ecke und starrte alle Anwesenden in Grund und Boden nieder, als hätten diese soeben einen schlimmen Mord begangen. Sind ja wirklich gruselig, diese stahlgrauen Augen. Ich würde sagen, der Kerl weiß, wie man sich Respekt verschafft. Was für ein Spaß das wohl wird, wenn der auf Großmaul Jean trifft? Ich atmete laut ein und aus, ehe ich mich langsam erhob. „Wenn das so ist“, ich versuchte freundlich zu lächeln, „dann tut es mir wirklich aufrichtig Leid.“ Ich ging meinem Vorhaben von eben nach und wollte mich bei ihm entschuldigen, um das Beste aus dieser Situation zu machen. Ändern konnte ich es sowieso nicht und Hanji ein schlechtes Gewissen machen, weil sie eine wichtige Chance ergriff, am Wenigsten. Meine starken Bemühungen mich bei ihm zu entschuldigen verfehlten ihr Ziel allerdings bei Weitem, wie ich anschließend feststellen musste. „Tz“, entkam es meinem Gegenüber, seine grauen Augen streiften mein Gesicht eine Spur zu düster. „Steck' dir deine halbherzige Entschuldigung sonst wo hin, Balg. Das hier wird in Zukunft die Hölle für dich.“ Das waren... keine sonderlich guten Voraussetzungen. Ich konnte nicht anders, als meine Augen zu weiten und ihn sprachlos anzublicken, während ein flaues Gefühl meinen Magen heimsuchte. Immerhin war dies nicht wirklich das, was ich mir als Antwort von ihm erhofft hatte. Ich presste meine Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und das Lächeln entglitt meinem Gesicht sofort. Konnte er nicht einfach meine Entschuldigung annehmen, mein Lächeln erwidern und mir eine Gehaltserhöhung für mein gutes Benehmen geben? Mein Gott, so schwer war das doch nicht oder? „Ach Levi~“, kam es amüsiert kichernd von Hanji, die den Kleineren ganz und gar nicht ernst nahm, im Gegensatz zu mir. Ich wusste zwar, dass sie nicht ganz normal war, aber mal ganz im Ernst, hatte sie keine Angst vor dem Tod? Denn so, wie dieser Levi sie daraufhin anblickte, war es nicht ganz falsch zu vermuten, dass er es in Frage stellte, sie in geraumer Zeit umzubringen. „Sei nicht so streng mit Eren, er ist doch noch jung“, damit tätschelte sie meinen Kopf, wofür sie wieder einen bösen Blick kassierte, diesmal allerdings von mir. Sicherlich war dieser nicht ganz so effektiv wie Levis, jedoch gab ich mir wirklich Mühe. Sie ließ sich wiederum nicht davon stören, was mich die Augen zusammenkneifen ließ. Wie kam sie damit eigentlich immer wieder durch? Jedes beschissene Mal? „Ich bin mir sicher, dass es ihm wirklich leidtut, dass er dir vor dein Auto gelaufen ist. Das Ganze war doch auch ein dummer Zufall.“ Hanji grinste den Schwarzhaarigen abschließend an, ehe sie sich an die Theke lehnte. Ihre daraufhin wechselnde Mimik deutete auf einen Themenwechsel hin. „Wann willst du denn eigentlich anfangen?“, fragte sie ihren Freund interessiert. Ihre Stimme klang mit einem Mal wieder ernster, so wie fast immer, wenn es um etwas Geschäftliches ging. Dann war sie plötzlich ein anderer, beinahe normaler Mensch. Irgendwie ziemlich eigenartig. Und in gewisser Weise auch angsterregend. Levi zuckte nur mit den Schultern. „Wann es dir recht ist“, gab er kurz von sich. Seinen wachsamen Blick nahm er endlich von mir und richtete ihn auf seine Freundin. Aus irgendeinem Grund erleichterte mich dies, immerhin brauchte ich mir nun nicht mehr wie Beute vorzukommen, die vom Jäger beobachtet wurde. Diese wachsamen, strengen Augen wirkten unglaublich bedrohlich, auch wenn er sicherlich nur 1,60 Meter groß war. Seine Größe spielten bei dieser Ausstrahlung keine Rolle mehr, dem war ich mir nun hundertprozentig bewusst. Natürlich hoffte ich in diesem Moment, dass Hanji ihn erst etwas später einstellen würde. So hätte ich etwas Zeit um mich vor ihm vorzubereiten, denn ich war mir sicher, dass er nicht umsonst sagte, dass dies meine persönliche Hölle werden würde. Ich wusste nicht wieso, doch irgendwie machte es mir neugierig und erweckte so etwas wie Kampfgeist in mir. Er wollte mich für meine anfängliche Respektlosigkeit bestrafen und ich war gerade dabei einzuknicken. Doch wenn er erst hier anfing, würde alles anders verlaufen, das würde ich ihm schon noch zeigen. Nicht, dass ich nicht schon genug Probleme hatte. „Montag wäre gut“, Hanji strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und faltete ihre Hände ineinander. Levi setzte zu einem Nicken an, als sich gerade in diesem Moment die Ladentür öffnete und das helle Leuten der kleinen Glocke erklang. Eine kleine Frau, die ich auf etwa Zwanzig Jahre schätzte, kam herein. Sie besaß hellbraunes, kurzes Haar und große, braune Augen. Ich wusste sofort, dass sie zum ersten Mal hier war. Sie schien etwas zu suchen, da ihre Augen durch den Raum glitten, ehe sie an uns hängen blieben. Ein ehrliches Lächeln trat auf ihre Lippen und sie kam auf die Theke zu. „Hey“, rief sie freundlich, ehe sie sich hinter die Theke begab und erst Hanji umarmte, welche ihre Begrüßung sowie die innige Geste sofort erwiderte. Dann trat sie zu Levi und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. Auch wenn der Schwarzhaarige nicht unbedingt begeistert davon aussah, konnte ich nicht anders, als sie dabei zu beobachten. Mir stand die Überraschung förmlich ins Gesicht geschrieben. Der Kerl hatte eine Freundin? Wirklich? Die junge Frau drehte sich darauf zu mir und reichte mir die Hand. Levi, der hinter ihr stand, wirkte noch immer nicht sehr erfreut über ihren Auftritt, was mir zu bedenken gab. „Wir kennen uns noch gar nicht“, strahlte sie und ich musste zugeben, dass sie sofort sympathisch auf mich wirkte. „Ich bin Petra, Levis Freundin und Kommilitonin von Hanji“, stellte sie sich freundlich vor. Ihre gesamte Ausstrahlung war das komplette Gegenteil zu der ihres Freundes. Wie hielt sie es bloß mit so einem griesgrämigem Mann aus, der nicht einmal ein Schmunzeln zustande brachte? Ich schüttelte den Kopf, um meine Gedanken loszuwerden und reichte ihr ebenfalls meine Hand. „Ich bin Eren und arbeite hier“, entgegnete ich mit einem ebenfalls freundlichem Lächeln. Petra schien eine dieser Menschen zu sein, zu denen man gar nicht unfreundlich sein konnte. Diese Menschen, die immer so nett, hilfsbereit und freundlich waren, dass man sich schon fragte, wie sie dies schafften. Zu solchen Menschen konnte man einfach nicht fies sein, es klappte einfach nicht. „Wer weiß, wie lange du hier noch arbeitest“, kam es darauf von meinem zukünftigem Chef. In seiner Stimme lag etwas Herausforderndes, auf das ich nur zu gerne mit einem kurzen Blick einging. Mir war klar, dass ich mir in Zukunft keine Fehler mehr erlauben durfte. Kein Zuspätkommen, kein Faulenzen während der Schicht und kein Streit mit den Mitarbeitern. Es würde schwer werden, doch mit einem Mal packte mich die Lust, ihm zu beweisen, dass er mich nicht feuern konnte und würde. „Sehr lange“, antwortete ich also und bemühte mich genauso kühl zu klingen, wie er. Auch, wenn es mir nicht ganz so gut gelang. Ich hatte nicht viel Übung in so etwas. Erst seit dem Tod meiner Mutter hatte ich überhaupt angefangen, mich zu verändern und nicht mehr der freundliche Junge zu sein, den alle kannten. Der Junge, der gut in der Schule war und im Basketballteam seiner Schule spielte. Der Eren, der tausende Freunde hatte und sich vorgenommen hatte, niemals Alkohol zu trinken oder zu rauchen. Diese Person war verschwunden, durch diesen einen Augenblick. „Das werden wir sehen“, kam es darauf nüchtern von ihm. Seine gleichgültig wirkende Miene und die stahlgrauen Augen schienen mich provozieren zu wollen. Mit einem Mal wurde mir klar, auf was dies hinauslief. Eigentlich war es ein ganz simples Spiel, welches ohne richtige Regeln mit dem heutigen Tag begann. Auch das Ziel war mir nicht bewusst, allerdings war ich mir darüber im Klaren, dass ich nicht aufgeben würde. In mir sammelten sich bereits jegliche Sätze, die ich ihm entgegenwerfen konnte, als Hanji sich plötzlich verlegen am Hinterkopf kratzte und die Augen leicht frustriert zusammenkniff. „Scheint so, als würdet ihr beide noch viel Spaß in Zukunft haben“, schloss sie sarkastisch klingend aus unserem Wortwechsel. Ihr gekünsteltes Kichern löste die Spannung in der Luft nicht wirklich. Genauso wenig, wie das darauf ertönende „Tz“ von Levis Seite. Schließlich drehte er sich zum ersten Mal seit ihrer Ankunft in die Richtung seiner Freundin und nickte ihr zu. „Können wir dann?“, fragte er kühl. Wahrscheinlich war sie gekommen, um ihn abzuholen. Doch in seiner Stimme lag keine Zuneigung, keine Herzlichkeit. Auch in seinen Augen herrschte unglaubliche Leere. Ich fragte mich augenblicklich erneut, wie sie es mit ihm aushielt. Für mich sah Petra eher nach einer Frau aus, die Liebe benötigte, was Levi ihr mit großer Wahrscheinlichkeit nicht geben konnte. Zumindest meiner Vermutung nach. Er könnte auch noch andere Seiten haben, die ich nicht kannte. Gespaltene Persönlichkeit oder so ein Mist. „Natürlich“, das warme Lächeln lag noch immer auf den Lippen der Braunhaarigen, als sie sich von uns verabredete. Dass Levi diese freundlichen Gesten nicht erwiderte, schien ihr egal zu sein. „Macht euch noch einen schönen Tag“, sie fuhr sich über das helle Haar, ehe sie von Hanji zu mir blickte. „Bis dann. Ich bin sicher, wir sehen uns bald wieder“, damit verschwand sie direkt hinter Levi, der nur die Hand zum Abschied hob, bevor er zur Tür hinaus ging. Ich konnte schon fast mit Sicherheit sagen, dass diese halbherzige Geste nicht einmal mir sondern Hanji galt. „Ähm... Möchtest du Tee, Kaffee.. Cola... Bier?“, wir waren kaum eine Sekunde alleine, da versuchte Hanji bereits, sich so schnell wie möglich von mir zu entfernen. Ihre Hände kramten nervös in einem Schrank herum – in welchem sich nicht einmal die Getränke befanden – und ihr war ihr Unbehagen deutlich anzusehen. Sie hatte Angst, dass ich ihr böse sein würde. Ich sah es ihr deutlich an. Sie versuchte das Thema zu wechseln, noch bevor ich es angesprochen hatte. „Hanji“, meine Stimme klang etwas enttäuscht. „Es.. weißt du...“, wollte ich ein Gespräch mit ihr beginnen, doch sie ließ mich erst gar nicht richtig aussprechen. Etwas, das sie häufig tat. „Es tut mir Leid“, mit einem Mal drehte sie sich um. Auf ihrem Gesicht spiegelte sich Reue wieder. „Aber du weißt ja, dass dieses Geschäft eine Last für mich ist und – oh Gott – hätte ich gewusst, dass das zwischen euch beiden auf diese Art und Weise eskaliert, wäre ich anders an die Sache herangegangen. Vielleicht ist Levi doch nicht die beste Person für diesen Job... Ich meine, die Anderen halten vielleicht auch nicht viel von ihm. Warum habe ich ihn bloß überredet? Ich...“ Diesmal war ich derjenige, der sie unterbrach. Ich konnte ihr einfach nicht mehr dabei zuhören, wie sie sich für alles verantwortlich machte und zusätzlich verunsicherte. „Hör mal, ich bin mir sicher, es ist dir nicht leichtgefallen, den Laden abzugeben. Aber du konntest doch nicht wissen, dass dein bester Freund, der sich bereiterklärt hat das Ganze hier auf sich zu nehmen, meiner Meinung nach ein Arschloch ist“, versuchte ich sie zu besänftigen, wenn auch mit den falschen Mitteln. Allerdings schien sie nicht wirklich zufrieden, ganz im Gegenteil. „Er ist kein Arschloch, Eren“, entkam es ihr etwas zerknirscht. Ihre Verteidigung überraschte mich etwas. „Levi ist nicht leicht, aber auch das hat seine Gründe.“ Sie seufzte resigniert aus, ehe sie wieder zum eigentlichen Thema zurückkehrte. „Ich habe einfach nur Angst, dass das mit dem Laden nicht mehr funktionieren wird. Nur, weil ich ihn abgebe, heißt das nicht, dass mir nichts mehr an ihm liegt.“ Auch ich seufzte auf. Nicht nur, weil ich merkte, dass ihr meine voreilig gezogenen Schlüsse missfielen, sondern auch, weil ein kleiner Teil in meinem Inneren ihre Sorge teilte. „Außerdem gefällt mir nicht, wie ihr euch angesehen habt.“ Ihre Augen streiften mich mit einer gewissen Sorgfalt. „Diese Rivalität, wie bei einem Wettkampf, der darum geht, wer es länger hier aushalten wird. Wirklich kindisch.“ „Ach“, ich grinste, „gerade diejenige, die mit Insekten im Nebenzimmer spielt, nennt mich kindisch!“ Meine ehemalige Chefin begann darauf zu kichern und mir wurde klar, dass ich sie unheimlich sehr vermissen würde. Sie war eine der Einzigen, die meine Laune mit ihrer nervigen und trotz allem irgendwie lustigen Art immer wieder verbessern konnte. Ihre amüsierte Miene veränderte sich allerdings schlagartig in eine eher schockiert wirkende. „Oh nein! Ich muss den Raum auch noch ausleeren bevor Levi hier anfängt“, stieß sie bereits jetzt schon erschöpft klingend hervor. Scheinbar hatte ich sie an diese weniger erfreuliche Aufgabe erinnert. „Dann würde ich an deiner Stelle langsam mal anfangen“, meinte ich schmunzelnd und versuchte mir meine Belustigung darüber nicht ansehen zu lassen. Ich hörte noch wie sie murrte, ehe sie sich zum Mitarbeiterraum begab. Währenddessen stellte ich mich an die Kasse, um endlich mit meiner Schicht zu beginnen, die inzwischen schon lange genug verzögert worden war. Allerdings bemerkte ich gerade in diesem Moment, wie sie vor der Tür stehen blieb. Ohne sich umzudrehen, hörte ich sie mit fester Stimme fragen: „Versprichst du mir, dass du immer zu mir kommst, wenn dir etwas fehlt, Eren? Auch, wenn ich nicht mehr deine Chefin, sondern nur noch eine Freundin bin?“ Diese ernsten Worte waren ein riesiger Kontrast zu den Witzen von eben, sodass sie mir fast den Magen umdrehten. „Ich verspreche es“, sagte ich. Allerdings zweifelte ich diese Aussage an. Somit war es kein richtiges Versprechen. Es war eher eines, das von Anfang an dazu da war, irgendwann gebrochen zu werden. Und ich war mir sicher, dass Hanji dies wusste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)