Cursed Shadow von _-Merle-_ (- verliebt in einen Dämon -) ================================================================================ Kapitel 23: Das Irrlicht ------------------------ „Könntest du dich mal beeilen?“, hörte ich Shiro motzend vor der Zimmertür rufen. Mit verschränkten Armen lehnte er sich an die Wand neben der Tür. Ich stand in einem kleinen Zimmer und versuchte mit kunstvoll verkrampften Bewegungen den Reißverschluss meines Kleides am Rücken zu öffnen. Doch egal wie sehr ich mich beugte oder verdrehte, ich konnte den Verschluss nicht öffnen. „Jaa! Ich versuch es ja… aber.. argh! Das geht nicht!“, ärgerte ich mich und versuchte es weiter. „Hetz mich nicht so!“ Shiro stellte sich genervt vor die Tür. „Du wolltest der Göre doch helfen! Es kann mir egal sein, wenn sie aus eigener Dummheit stirbt.“ Nach diesen Worten erinnerte ich mich an das traurige Gesicht von Atropos. Kintaro half ihr sich auf einen Stuhl zu setzen und sich zu beruhigen. Wir standen alle bei ihr und hörten ihren aufgebrachten Worten zu. „Ich konnte sehen, dass sie in einer Höle ist. Nahe der Klippe! Diese Räuber von neulich haben sie wohl. Geschnappt. Diese verdammten…“ „Aber warum sollten die Räuber sie plötzlich haben?!“, fragte Kintaro beunruhigt. Meine Gedanken rasten. Vor Kurzem war sie doch noch hier! Wie konnte das passiert sein? Da fiel es mir ein! „Die Irrlichter!“, sagte ich laut und zog die Aufmerksamkeit auf mich. Sie sahen mich verdutzt an. Doch ich hob die Hand und erklärte. „Nagisa will ihren Fehler wieder richten! Sie wollte bestimmt die Irrlichter wiederholen! Damit Atropos nicht mehr so wütend auf sie ist!“ Doch Atropos lehnte sich entkräftet an den Tisch und schüttelte den Kopf. „Aber woher sollte sie denn wissen wo diese Räuber sind? Ich weiß nicht was ich tun soll… Ich konnte sie sehen. Ich konnte sehen, dass sie jeden Moment sterben könnte. Aber ich bin zu schwach…“, Tränen füllten ihre Augen. Sie blickte erschöpft aus dem Fenster. Wir alle schwiegen einen Moment. Atropos war am Ende und Kintaro sah traurig zu Boden. Seine Haare verdeckten etwas sein Gesicht und er ballte die Fäuste. Dann blickte ich zu Shiro. Ihn interessierte die Situation nicht. Er wollte lediglich weiter reisen und stand an der Tür. Atropos und Kintaro haben mir so leid getan. Sie hatten mein vollstes Mitgefühl. Sie konnten nichts tun. Sie waren hilflos. Kintaro war viel zu schwach um es mit einer Gruppe von starken Räubern aufzunehmen. Und Atropos konnte sich nach dem Schock kaum noch bewegen. Ich wollte helfen, nur wie? Ich war doch selber schwach. Ich konnte nur daneben stehen und nichts tun. Doch Kintaro ging einen Schritt vor und schlug plötzlich auf den Tisch. „Ich werde sie holen!“, sagte er mutig. Wir schauten ihn verwundert an. Kintaro atmete nervös und seine Fäuste zitterten. Ohne aufzusehen sprach er weiter. „Ich werde Nagisa nicht im Stich lassen. Sie hat so viel für mich getan! Sie versucht immer ihr bestes! Ich mache auch manchmal Fehler! Und immer wieder hilft sie mir! Nun bin ich mal dran! Nun muss ich ihr helfen! Ich muss sie retten! Ich brauche sie. Ich… ich kann nicht ohne sie… ich..“, er biss die Zähne zusammen. Sanft berührte Atropos seine Hand auf dem Tisch. „Kintaro…“, sagte sie nur leise. Dann sah er auf. Es war Angst und Wut in seinen Augen zu erkennen. „Ich weiß, dass ich selber schwach bin. Aber ich werde alles tun, was ich kann, um sie zu retten! Sie wird nicht sterben! Atropos! Ich verspreche es dir! Ich gebe nicht auf! Ich hole Nagisa wieder!“, sagte er laut. Dann wurde er wieder ruhiger und blickte nachdenklich aus dem Fenster. „Und wenn… wenn sie wieder da ist… dann…“, nun richtete er seinen Blick zu mir. „Dann sage ich ihr, was ich für sie empfinde. Ehe es eines Tages zu spät ist.“ Überrascht von seinen Worten starrte ich ihn wortlos an. Er war so tapfer. Zwar war sein Geist mit Angst erfüllt, doch die Hoffnung seines Herzens hatte ihm Kraft gegeben. Dieser aufrechte Charakter, dieser starke Wille. Und doch wusste ich, dass er es mit Hoffen und Wollen nicht schaffen würde. Das konnte ich nicht zulassen! Ein Scheitern kam gar nicht in Frage. „Wir helfen dir!“, platzte es aus meinem Mund. Kintaro sah mich starr an. Er traute seinen Ohren wohl nicht. Doch ich wiederholte mich. „Kintaro! Wir werden dir helfen! Shiro und ich! Du musst da nicht alleine durch!“ Dann schaute ich zu Shiro und hoffte auf eine Zusage. Er war der Einzige, der dieser Sache gewachsen war. Er war der einzige, der das schaffen konnte. Er war der einzige mit so viel Macht und Stärke, dass ihm diese Rettung gar nicht schwer fallen würde. Doch wie konnte ich nur davon ausgehen, dass Shiro hilft. Einer fremden Person. Besonders in unserer jetzigen Lage, in welcher wir selber Hilfe brauchten. Wie konnte ich das nur von ihm verlangen. Hatte ich das Recht dafür? Natürlich nicht. Er würde auch sicherlich nicht einwilligen. Und so wie meine Gedanken um dieses Thema kreisten, erkannte ich seinen Blick. Seinen ruhigen, gar nicht verärgerten Blick und ich beruhigte mich. Statt mich anzukeifen oder ignorant die Hilfe zu verweigern, beobachtete er mich mit seinen weiß-blauen Augen. Wusste er etwa, dass ich ihn bitten würde? Warum reagierte er nicht aufgebracht und warf mir böse Worte an den Kopf? Wollte er sogar von selber helfen? Auch wenn dies überhaupt nicht seine Art war. Wir sahen uns einen Moment lang an. Ich wusste, dass dieses Schweigen keine Ablehnung war. Dann blickte er herab und hob arrogant eine Augenbraue. „Danach wird unsere Reise aber fortgesetzt!“, sagte er nur, verschränkte seine Arme und willigte somit ein. Ich lächelte glücklich und nickte ihm zuversichtlich zu. „Ja!“ Kintaro ging auf Shiro zu. „Das würdest du tun? Aber… ich kann nicht verlangen, dass ihr euch für uns in Gefahr begebt! Es könnten zu viele Räuber sein! Und…-“ „Keine Sorge!“, grinste ich ihm bedenkenlos zu. Dann deutete ich auf Shiro. „Das da ist immerhin der Schat… ehh… sch… stärkste Typ den ich kenne! Der packt das!“ Plötzlich hörte ich Kintaro schniefen. Tränen flossen aus seinen Augen. Er wischte sie mit seinem Arm weg doch es folgten immer mehr. „Danke… ich danke euch…“ „Yuki!“, rief Shiro mich aus meinen Gedanken. Verwirrt schüttelte ich meinen Kopf und kam wieder zu mir. Dann hörte ich wie der Türhenkell bewegt wurde und drehte mich überrascht um. „Wie unfähig bist du? Beeil dich!“, motzte Shiro und kam grimmig herein. Im Hintergrund sah ich Kintaro panisch von links nach rechts rennen. Anscheinend traf er Vorbereitungen für unseren Weg. So schnell wie Shiro hinein kam und auf mich zu lief, ging ich abrupt zurück und hielt meine Hände beschämt vor mich. Da ich Schuhe und Handschuhe schon ausgezogen hatte und auch den Verschluss der Nackenschleife des Kleides geöffnet hatte, erschien die Situation peinlich für mich. Doch Shiro bereitete es keinen Scharm. Immerhin war ich noch bekleidet. Er bemerkte auch direkt meine Arme hinter meinem Rücken und erkannte mein Problem. Er stöhnte genervt und machte mit seiner Hand eine kreisende Bewegung. „Dreh dich um.“ „Eh. Was?!“, meine Wangen wurden ganz rot und meine Augen groß. Doch Shiro blickte mich ungeduldig an und wiederholte sich nicht noch einmal. „Ok..ok..“, antwortete ich nachdem er mich nur mürrisch ansah und drehte mich um. Gleichzeitig streifte ich meine Haare nach vorn. Als ich spürte, wie er den Verschluss des Kleides griff, rief ich noch kurz auf. „Du darfst nicht gucken!“, meinte ich laut ohne ihm mein errötetes Gesicht zu zeigen. „Ja, ja.“, meinte er nur und zog den Verschluss hinunter. Warum klopfte mein Herz so? Es war doch nur Shiro. Mit ihm hatte ich weitaus peinlichere Situationen durchlebt. Als er mich in meinem Zimmer überrascht hatte und er meine Unterwäsche unter meinem Nachthemd gesehen hatte. Oder als er nur im Handtuch bekleidet, stolz neben mir stand. Als er meine Strümpfe ausgezogen hatte um meine Brandwunde zu heilen. Wie uns alle in der Schule angestarrt hatten. Oder als er plötzlich vor meinem Zimmer stand und ich unbekleidet heraus ins Bad stürmen wollte. Moment, warum erinnere ich mich gerade jetzt an diese Szenen? Plötzlich dampfte mein Kopf und wurde glühend rot. Warum gerate ich überhaupt ständig mit Shiro in solche Situationen? Es war, als wäre mein Atem stehen geblieben, da meine Gedanken meinen Körper einfroren. Ich presste meine Lippen fest aufeinander und hielt meine Hände vor mein Gesicht. Plötzlich hörte ich bekümmerte Worte von Shiro. „Was ist das?“, fragte er plötzlich. Erschrocken sah ich über meine Schulter und erkannte wie er mich besorgt ansah. „SPANNER!“, sagte ich laut und drehte mich hektisch um. „Du solltest doch nicht gucken! Hey! Geh! Guck weg!“ Doch er machte nur einen kleinen Schritt zurück um meiner wedelnden Hand auszuweichen. Mit der Anderen hielt ich mein Kleid oben. Doch Shiro sah mich weiter ernst an. „Wie ist das passiert?“, fragte er nur ruhig ohne sich von meinen Worten einschüchtern zu lassen. Doch ich versuchte ihn weiter aus dem Zimmer zu scheuchen. „Geh raus!“, sagte ich laut, zeigte auf die Tür und kniff die Augen zusammen. Absichtlich versuchte ich jedem Blick auszuweichen. Plötzlich griff er meine erhobene Hand, sodass ich vor Schreck meine Augen aufriss und ihn schweigend ansah. Sein Blick war so ernst und doch besorgt. Er war nicht stechen scharf wie sonst sondern sanftmütig und einfühlsam. „Du musst es mir nicht sagen, doch ich würde gerne wissen, ob das meine Schuld war.“, sagte Shiro besorgt und ließ meine Hand wieder los. Ich sah ertappt zu Boden. Er hatte die Narbe auf meinem unteren Rücken gesehen. Nicht sehr groß, dennoch groß genug, dass man sie sofort erkannte. Ein länglicher heller Streifen. Doch darüber zu reden fiel mir schwer und stimmte mich traurig. Da ich es nicht sehen musste, versuchte ich es einfach zu vergessen. Betrübt sah ich zu Boden und traute mich nicht ihn anzusehen. „N… nein… das ist alt…“, stotterte ich leise und streifte die Haare hinter mein Ohr. Ich wollte das Thema nicht weiter vertiefen. Nicht jetzt. Nicht hier. Am liebsten nie. Doch Shiro trat mir sofort mit Verständnis gegenüber. „Frauen sollten rein und nicht von Narben geprägt sein… Möchtest du, dass ich sie heile?“, sprach er sofort ohne mich in die Bedrängnis einer Erklärung kommen zu lassen. Überrascht sah ich ihn an. Ich war kurz sprachlos. Aber wollte ich das? Wollte ich, dass er einen Teil meiner Vergangenheit löscht? Etwas, das ich Jahre mit mir tragen musste. Obwohl ich es hasste und doch zu dem machte, was ich jetzt bin. Ich drehte mich nachdenklich weg und fummelte an der Wäsche auf dem Tisch. „Ich… ich…“, zierte ich unangenehm meine Antwort. Doch Shiro lief schon wieder zum Ausgang. „Zieh dich um.“, sagte er als ich überrascht aufblickte und ihn schon an der Tür stehen sah. Glücklicherweise war das Gespräch somit auch schon beendet, ohne dass ich mich dazu äußern musste. „J… Ja!“, rief ich ihm noch zu als er die Tür hinter sich schloss. Dann war ich wieder alleine. Nachdenklich blickte ich in die Leere und fasste an meinen Rücken. Diese Narbe war ein Geschenk meines Großvaters. Ich wünschte mir, diese Momente einfach vergessen zu können. Doch wenn diese mein Leben nicht geprägt hätten, wäre ich dann nicht auch ein anderer Mensch geworden? Und wenn ich Shiro nicht getroffen hätte, wie wäre mein Leben jetzt? Aufgewühlt seufzte ich und ärgerte mich. Darüber nachzudenken würde doch nun auch keinen Sinn machen. Also griff ich entschlossen die Kleidung. Ein einfaches weißes Shirt und eine Braune Hose welche schon ein wenig zerfranst und Kaputt war. Dazu leichte, braune Schuhe. Mein Kleid legte ich über die Lehne eines Stuhles und zog mich schnell um. Nach kurzer Zeit lief ich schon umgekleidet aus dem Haus wo Shiro, Atropos und Kintaro auf mich warteten. „Wir müssen durch den Wald! Wenn Atropos es richtig erkannt hat, müssten die Räuber an irgendeiner Höhle an der Klippe sein!“, sagte Kintaro nervös und zeigte in die Richtung, in welcher wir aufbrechen mussten. Er trug ein Schwert an seiner Linken, welches viel zu groß für ihn erschien und Pfeil und Bogen an seinem Rücken. Shiro stand genervt und mit überkreuzten Armen neben ihm. Er konnte es kaum erwarten, das Alles endlich hinter sich zu bringen. Atropos trat vor. „Beeilt euch. Ich weiß nicht, wie viel Zeit sie noch hat!“, sagte sie leise und faste Kintaros Arm. „Keine Sorge Atropos! Ich hole sie wieder!“, antwortete er ihr zuversichtlich und hob seinen Daumen. Schließlich drehte er sich zum Wald. „Dann mal los!“, sagte er laut, hob seine Hand und startete unseren kleinen Ausflug. Shiro und ich liefen nebenbeinander und folgten Kintaro. Noch bevor wir die Bäume und Sträucher erreicht hatten, kam Shiro mir etwas näher. „Dir ist hoffentlich bewusst, dass ich meine Kraft nicht nutzen kann.“, flüsterte er mir zu ohne mich anzusehen. Ich blieb perplex stehen. „W.. was… aber… stimmt ja!“, sagte ich erschrocken und hielt die Hand vor meinem Mund. Doch Shiro kommentarlos weiter. Als mir bewusst wurde, was das bedeutete, rannte ich ihm schnell nach um ihn einzuholen. „Aber.. schaffst du das trotzdem..?“, flüsterte ich genau so leise zurück und sah besorgt zu ihm hoch. Wenn er seine Magie nicht nutzen konnte, würde es bedeuten, dass er viel schwächer ist! Er könnte sich nicht teleportieren wie ich es aus dem Kampf von ihm und Deeon kannte und ich wusste nicht, was ihm seine Kraft sonst noch gab. Eventuell könnte er sich nicht heilen wenn er verletzt werden würde. Aber Shiro grinste arrogant als ich eine zweifelnde und bekümmernde Miene aufzog. „Natürlich schaffe ich das. Ich bin immerhin der stärkste Typ den du kennst.“, zitierte er mich und blickte leicht schmunzelnd zu mir herunter. Ich runzelte besorgt die Augenbrauen doch meine Mundwinkel mussten bei seinen Worten lächeln. Ich hoffte, dass er Recht behalten würde. Nachdem wir nun über Sträucher und Büsche, Gräser und Pflanzen, zwischen den riesigen Bäumen liefen, wurde der Boden freier. Als ich an den letzten Bäumen vorbei kam, erkannte ich den großen See vom Abend zuvor. „Eh! Das kenne ich hier!“, sagte ich laut und sah mich um. Auch wenn die Sonne nun schien und die Irrlichter nicht zu sehen waren, war der Anblick dieses Ortes bezaubernd. Nun blieb Kintaro stehen und wir stoppten. „Hmh.. also ich glaube.. wir müssen da lang.“, sagte er zögerlich und rieb sich das Kinn. „Bist du dir sicher?“, fragte Shiro und legte die Hände in seine Hosentaschen. Der Blauhaarige lächelte nervös. „Nun ja… also ich war nicht so oft hier draußen.“ Doch langsam wurde Shiro wütend. „Ich habe keine Lust hier lange herum zu trödeln! Weißt du wohin oder nicht?“ „Naja.. also Atropos hatte gesagt.. wir müssen in den Westen… oder in den Osten? Ich bin mir nicht mehr ganz sicher…“ Unmissverständlich seufzte Shiro laut und rollte die Augen. Da Kintaro sich wohl etwas unter Druck gesetzt fühlte, deutete er planlos gerade aus. „Da lang!“, und lief weiter. Während die beiden sich unterhielten stand ich abseits und betrachtete die Umgebung. Mich faszinierten viel mehr der Ausblick und die wunderschöne Natur. Bis auf das Gespräch zwischen den anderen Beiden war es sehr ruhig und beruhigend. Meinen Blick hatte ich stets in die Richtung des riesigen Sees gerichtet. Das Licht der, in der Nacht leuchtenden Blumen, waren nun erloschen und sie wirkten unscheinbar und normal. Auch wenn dadurch die Magie dieses Sees nicht mehr so sehr zu erkennen war, so war dies ein Anblick, den ich nie vergessen wollte. In dem See schwammen noch die Fische, welche sich der Wasseroberfläche näherten. Träumend richtete ich meinen Blick langsam auf und sah in die Ferne des Waldes, zwischen den dichten Ästen und dem sanften Nebel. Doch als ich gedankenlos umherblickte, erkannte ich ein kleines gelbes Licht am Rand des Sees. „Hmh?!“, neugierig starrte ich dieses kleine Leuchten an. Es sah aus wie eines der Irrlichter. Sie waren am Tag jedoch weniger auffällig als in der Nacht. Somit näherte ich mich diesem kleinen Wesen. Es schwebte etwas hoch und herunter, als würde es versuchen, meine Aufmerksamkeit zu erhaschen. Gerade als Kintaro und Shiro weiter in die eine Richtung gingen, lief ich jedoch in eine andere. Erst bemerkten sie mein Zurückfallen nicht, da sie damit beschäftigt waren den richtigen Weg zu finden. Mit schnellen, unauffälligen Schritten, tapste ich zum See und kniete mich zu dem Irrlicht. „Was ist denn?“, fragte ich es und hob meine Hand. Dieses kleine Wesen grinste mich an und drehte sich tanzend in der Luft. Dann stelle sie sich kichernd in meine Handfläche. Leise sprach ich weiter. „Kannst du mir helfen? Kannst du mir zeigen, wo deine Freunde sind? Und wo meine Freundin ist?“ Wieder hörte ich ein Kichern von ihr. Sie bewegte sanft ihre kleinen Flügelchen, stellte sich auf ihre Zehenspitzen und drehte sich in einer Pirouette. Als sie am Ende meiner Hand angekommen war, sprang sie mit einer eleganten Haltung von mir weg. „Hey! Warte!“, sofort stand ich auf und lief ihr hinterher. Als ich aufsprang bemerkte Shiro mich. „Yuki! Was tust du da?!“, fragte er laut und drehte sich zu mir. Während ich dem Irrlicht folgte, sah ich kurz zu ihm. „Shiro! Sie zeigt mir den Weg dahin! Zu den anderen Irrlichtern! Und zu Nagisa!“ „Schwachsinn! Das ist ein Irrlicht!“, meinte er und versuchte mich davon abzuhalten weiter zu rennen. Doch ich folgte ihr weiter. „Kommt! Glaub mir!“ „Yuki! Warte!“, nun rannte auch Shiro mir hinterher. Im Hintergrund hörte man Kintaro verwirrt, wie er nach uns rief und schließlich auch zu rennen begann. Ohne mich aufhalten zu lassen lief ich diesem Lichtchen hinterher. Ich lief an dem See entlang und wieder in den dichten Wald hinein. Über umgeknickte kleine Baumstämme und Äste. Über Steine und Sträucher. Das kleine Licht war so schnell, darum beeilte ich mich, sie nicht aus den Augen zu verlieren. Es schwirrte in kurvenförmigen Flügen immer weiter gerade aus. Der Weg war anstrengend, doch ich wusste, dass sie helfen wollte. Wütend rannte Shiro hinter mir. „Lass das! Yuki! Weißt du überhaupt woher die Viecher ihren Namen haben?!“, meinte er laut und biss die Zähne aufeinander. „Vertrau mir doch! Ich glaube wirklich, dass das der Weg ist!“ „Yuki!“ Ich wollte mich nicht von ihm aufhalten lassen. In mir wusste ich, dass es richtig war. Dieses Irrlicht wollte helfen und uns nicht in die Irre führen. Also setzte ich einen Schritt nach dem anderen. Ich spurtete durch den Wald. Kleine Tierchen flohen, als ich rastlos an ihnen vorbei rannte. Das Laub am Boden knisterte mit jedem Schritt und ich erkannte, dass es immer heller wurde. Helle Sonnenstrahlen waren am Ende zu erkennen und die Dichte des Waldes nahm ab. Doch das Irrlicht flog zu schnell. „Bleib hier!“, bat ich nach Luft schnappend und rannte durch das letzte Gebüsch. Plötzlich blendete mich das schimmernde Tageslicht. Ich rannte aus dem Waldrand heraus und sah erschrocken in den blauen Himmel. Das Irrlicht war verschwunden und der Weg war abrupt zu ende. „Hä?!“ Da ich meine Füße jedoch nicht so schnell stoppen konnte, sah ich erschrocken herab in einen Abgrund, auf welchen ich geradewegs steuerte. Ich riss perplex meine Augen auf. Meine Muskeln krampften sich zusammen, doch das hielt mich nicht auf. Panisch biss ich die Zähne zusammen und versuchte mein ganzes Körpergewicht nach hinten zu verlagern. „Hng!“ Doch es war zu spät. Noch bevor ich meinen Körper zum stehen bringen konnte, rutschte ich auch schon an der Kante der Klippe ab. Ich verlor den Halt auf meinen Beinen, als der Boden nachgab, sich einige Steine lösten und herunter brachen. Ich konnte mich nicht halten, es war, als schwebte ich kurz in der freien Luft bevor ich herunter stürzen sollte. Unter mir war ein tiefer Abgrund. Es waren scharfe und lange Felsen zu sehen, auf welche Wellen eines Meeres prallten. Auch wenn der Anblick schön war, so fürchtete ich mich jedoch vor dem Fall, der mir bevor stand. Doch gerade als mein Körper dem freien Fall ausgeliefert war, wurde ich mich einem Ruck aufgehalten. „Yuki!“ Gerade als ich in den Abgrund fiel, spurtete Shiro mir nach. Er rutschte in Eile über den Boden und griff nach meiner Hand. „Yuki!!“, schrie er wieder und sah zu mir herab. Ich spürte plötzlich seine kalte Haut an meinem Arm. Dann kam der Boden mir nicht mehr näher. Ich hing in der Luft. Wie erstarrt richtete ich mich zu ihm hoch. Mein Herz pochte wild. Wollte mich das Irrlicht doch in die Irre führen? Meine Ohren piepten vor Aufregung und ich konnte nur meinen Atem hören. Nur schwer realisierte ich, was passiert war. „Shiro..?“, fragte ich leise und schaute hinauf, in sein besorgtes Gesicht. Doch aus seinem erst selbst erschrockenen Blick wurde eine genervte Maske. „Du blöde Kuh!“, schrie er mich wütend an. Nachdem er das sagte, kam ich wieder zu mir. Doch ich lächelte glücklich, denn ich war froh ihn zu sehen. Er hatte mich gerettet, mal wieder. Seinen Oberkörper hatte er weit über den Abgrund gelehnt und hing selber senkrecht herunter. Mit seiner anderen Hand hatte er sich an einem Stein festgehalten. Als er mich endlich nach hinten beugte um mich hoch zu ziehen, krallte ich mich an die Kante der Klippe und stemmte mich hoch. Oben angekommen schmiss ich mich zur Seite und schnappte nach Luft. Shiro hockte mir gegenüber. Auch er war ziemlich aufgebracht und musste sich einen Moment beruhigen. „Was sollte das?!“, kam es erzürnt von ihm. „Muss ich dir ´ne scheiß Kette um den Hals werfen, damit du nicht ständig Schwierigkeiten bereitest?!“ Seine Worte trafen mich. Ich drückte meine Finger nachdenklich auf den Boden zwischen den Steinchen und dem Gras und zögerte. „Ich.. ich dachte.. also.. Ich könnte helfen..“ „Yuki!“, sprach er nun laut, sodass ich aufmerksam aufblickte. Er sah mich mit stechendem Blick an. „Ich will nicht mehr-“ „Shiro!! Yuki!!“, schrie Kintaro aus der Ferne und rannte auf uns zu. Aufgebracht drehten wir uns zu Seite und sahen, wie er unbeholfen, steif und träge durch den Wald stapfte, bis er erschöpft bei uns ankam und sich erst einmal schwer atmend vorbeugte, um Luft zu schnappen. Als ich reumütig zu Boden sah, da ich auch von ihm einen Tadel erwartete war ich überrascht als er sich jedoch freute. „Ha! Ihr habt es gefunden!“, sagte er erleichtert und lief zum Rand der Klippe. Shiro und ich schauten uns erst beide verwirrt an. Dann drehten wir uns gleichzeitig zur Klippe und sahen auch hinab. „Da! Da hinten! Seht ihr diese Höhle?!“, meinte er und zeigte mit dem Finger hin. Er hatte Recht. Dort, zwischen einigen großen, spitzen Steinen, war tatsächlich, nahe der Klippe, ein Weg der in eine Höhle führte. „Gut gemacht Yuki!“, freute Kintaro sich strahlend und voller Eifer. Ich biss auf meine Lippe und runzelte die Stirn undgläubig, ob meine Art die Höhe zu finden, tatsächlich so gut war. Doch es freute mich, dass wir endlich angekommen waren. Schnell kletterten wir an einem weniger steilen Stück die Klippe herunter und näherten uns dem Eingang unauffällig. Das Wasser neben uns prallte auf die Felsen und ein meeresartiger Geruch erfüllte die Luft. Kleine Wasserperlen prasselten an unsere Füße, während sich ein kleiner Schaum an den flachen Stellen der Steine sammelte und wieder abfloss. Der braune Steinboden, auf welchem wir liefen, war benetzt mit Wasser und an unebenen stellen füllten sich kleine Pfützen. Es war nur wenig Platz um zur Höhle zu gelangen, darum liefen wir hintereinander, aufmerksam den Weg entlang. Shiro lief vor, hinter ihm folgte ich und hinter mir war Kintaro. Ich war etwas besorgt, da Shiro seit seinem Vorwurf nicht mehr mit mir geredet hatte. Doch was wollte er mir zuletzt sagen? -Ich will nicht mehr- Nicht mehr was? Während des Laufens stellte ich mir vor wie er böse vor mir stehen würde und mich wütend belehrt. –Ich will nicht mehr, dass du ständig Mist baust- Ich will nicht mehr, dass ich dich ständig retten muss!- Ich will nicht mehr, dass du immer nur Ärger machst!- Ich will nicht mehr, dass du dabei bist!- … Ich will nicht mehr, dass du hier bist!- Besorgt griff ich in den Stoff meines Oberteils und stellte mir jegliche Szenarien vor, was er sagen wollte. Wollte er wirklich, dass ich verschwinde? Es war doch nie meine Absicht, ständig Schwierigkeiten zu bereiten. Ich wollte doch auch nur mal etwas richtig machen. Plötzlich blieb Shiro stehen und wir hielten an. „Da ist jemand.“, sagte er leise und wich etwas zurück. Wir versteckten uns hinter einem herausragenden Felsen. Einer der Räuber patrouillierte tatsächlich am Eingang. Das war meine Chance endlich etwas richtig zu machen! Ich würde mich komplett an Shiros Anweisungen halten! „Und was machen wir jetzt?“, fragte ich überrascht und stellte mich neben ihn. Doch Shiro sah mich plump und genervt an. „Hmh… was denn?“, fragte ich überfordernd lächelnd. Doch dann packte er mich an meiner Hüfte, hob mich einfach hoch, drehte sich und stellte mich hinter Kintaro wieder ab. „DU bleibst hier. Kein Wort, keine Dummheiten! Mach Sitz und beweg dich nicht vom Fleck!“, befahl er mir ernst. Enttäuscht sah ich ihn mit großen Augen an. Das war nicht ganz, woran ich gedacht hatte. Doch ich wollte auf ihn hören. Ich wollte nicht wieder Probleme bereiten. „Ja..“, antwortete ich also leise und blickte weg. Sofort wandte Shiro sich wieder zum Eingang. „Komm.“, meinte er zu Kintaro und schlich sich langsam mit ihm heran. Dieser Mann, der am Eingang patrouillierte war groß und muskulös. Gelangweilt lief er von links nach rechts und trank immer wieder aus einer kleinen Metallflasche. „Der ist alleine.“, flüsterte Shiro und lehnte sich an einen Felsen. „Hmh!“, nickte Kintaro ihm nervös zu. „Er scheint auch ganz schön betrunken zu sein.“ „Hmh!“, kam es nur wieder von dem Blauhaarigen. Er zitterte ängstlich und er hatte seine Hand ruhelos an seinem Schwert. Shiro drehte sich gelassen zu ihm. „Noch nie gekämpft?“, fragte er ihn. Nachdem Schweißperlen an seiner Stirn herunter kullerten, schluckte Kintaro unsicher und schüttelte den Kopf. „Mh mh…“, verneinte er. Dann drehte Shiro sich wieder dem Räuber zu. Dieser lief, nachdem er wieder seine Flasche öffnete, direkt auf die Beiden zu, ohne etwas zu ahnen. Er lief gelangweilt seine Route ab und trank dabei. Gerade, als er seine Flasche wieder absetzte, stand Shiro plötzlich grinsend vor ihm. Der Mann klimperte fassungslos mit den Augen. „He..? Was zur..“ Doch ehe er etwas tun konnte, holte Shiro mit seiner Faust Schwung, und verpasste ihm einen heftigen Kinnhaken. Der Mann fiel leicht in die Luft, doch bevor er sich auf den Beinen fangen konnte, griff Shiro sich den Schädel des Mannes und schlug ihn brutal gegen einen Felsen. Kintaro schauderte als er das Blut am Stein sah und der Mann leblos vor ihm zu Boden krachte. „Hnng! Ist.. der tot?!“, fragte er mit zitternder Stimme und starrte auf den Körper. „Nein. Aber er wird sicherlich Kopf- und Zahnschmerzen haben, wenn er zu sich kommt.“, grinste Shiro. Dann stellte er sich vor den Eingang und atmete tief ein und wieder aus. „Bereit?“, fragte er ruhig und bewegte seinen Kopf seitlich, dass sein Nacken knackte. Kintaro zog sein Schwert und hielt es zitternd vor sich. „Ehm.. ja.“ Doch Shiro blickte ihn unbeeindruckt an. „Leg dein Schwert zurück. Tze. Eine Schande wie du es hältst! … Du holst deine zickige Freundin. Ich lenke die Aufmerksamkeit auf mich. Wenn du stirbst, dann rette ich dich nicht. Verstanden? Und wenn du sie hast, renn einfach weg. Ich erledige das.“, erklärte Shiro unmissverständlich und ließ die Gelenke seiner Finger knacken. Kintaro steckte verwirrt sein Schwert in die Scheide. „Aber… du kannst doch nicht alleine..-“, begann er und packte ihn an seiner Schulter und stellte sich vor ihn. Plötzlich erkannte Kintaro, Shiros hassenden Blick und seiner schaurigen Art, dass ihm die Worte weg blieben. Ein Schauer lief über seinem Rücken. Er schreckte etwas zurück als er diese kalte Aura von Shiro, nein, von dem Schattenmann, bemerkte. Er war plötzlich ganz anders. Er war so angespannt, er war angsteinflößend, er unheimlich. Er war furchterregend. Er war wieder voll und ganz der Schattenmann. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)