Cursed Shadow von _-Merle-_ (- verliebt in einen Dämon -) ================================================================================ Kapitel 4: Grund der Verzweiflung --------------------------------- Ich dachte, mich würde nichts mehr in dieser magischen Welt wundern. Und dann erschreckte mich doch ein normales, instinktives, leichtfertiges Handeln. Etwas, das auch in meiner Welt passieren konnte. Etwas Menschliches. Es passierte direkt vor meinen Augen, als der Schattenmann seine Faust ballte und Deeon ins Gesicht schlug. Mir kam es vor, als würde sich die Welt in Zeitlupe drehen. Wie er seinen Arm hob und ein rasanter Windschub an mir vorbei glitt. Mein Haar wurde dabei aufgewirbelt. Mein Körper wurde starr. Doch der Schlag war so schnell, dass ich ihn kaum sehen konnte. Entsetzt erkannte ich, dass Deeon wie durch eine unnatürliche Macht nach hinten geworfen wurde und an der nächsten Wand aufprallte. Es passierte alles so schnell. Sofort zuckte ich zusammen, hielt mir meinen Mund zu und schreckte zurück. Gewalt habe ich schon immer gehasst. Gewalt aus Hass und Wut oder nur Gewalt aus Spaß. Das Gefühl der Hilflosigkeit in solchen Situationen. Der starre Körper, der sich nicht mehr bewegen wollte. Weder um sich zu wehren, noch um einzugreifen oder zu fliehen. Oder Gewalt die man einfach dulden musste. Gewalt habe ich einfach nur gehasst. Meine Muskeln schienen wie eingefroren. Geschockt riss ich meine Augen auf und blickte aus der Tür. Hinter Deeon zerbrachen einige Steine an der Wand und etwas Sand stieg auf. Ich sah in eine helle, sandige Vorhalle. Der Boden war mit braunem Sandstein und die Wände mit sandfarbenen Quarzsandsteinen gebaut. Einige Fackeln loderten an Halterungen den Wänden und mir kam es so vor, als sei die Luft viel wärmer. Mitten im Raum stand eine Statue eines prachtvollen, ägyptischen Krokodils. Durch den Aufprall, stieg der Staub bis zur der Statue auf. Diese Kraft hinter dem Schlag war so unheimlich und voller Rachedurst. Schaudernd stand ich da und hielt mir noch immer die Hände vor dem Mund. Einen Schritt lief der Schattenmann aus dem Fahrstuhl und sah wartend in Deeons Richtung. Er wirkte so aufgebracht, dass er sich nur schwer zusammenreißen konnte, nicht sofort auf ihn loszustürmen. Seine Augen wurden zornig und er starrte mit seinem stechenden Blick seinen Gegner an. Er presste die Fäuste zusammen und die Zähne aufeinander. Er machte sich bereit jeden Moment los zu rennen. Ich wusste nicht was ich tun sollte. Vor kurzem hatte der Schattenmann noch meine Sympathie gewonnen. Dass ich versucht hatte, in ihm eine nette Person zu sehen, war wohl doch ein Fehler. Was wäre, wenn er nun auch mich angreifen würde? Ich stand direkt hinter ihm. Er war so launisch und sprunghaft. Ich verstand seine eigensinnige und impulsive Art nicht. Ein Mensch konnte solch einen Schlag nicht überleben. Deeon überzeugte mich aber von der Tatsache, dass auch er kein Mensch war und diesen Schlag überstanden hatte. Schließlich wurde es ruhig in der Halle. Die letzten Brocken fielen von der Wand und langsam legte sich der Staub. Dann erkannte ich erleichtert, wie Deeon vom Boden aufstand und gelassen etwas Dreck von seiner Kleidung schlug. Entsetzt riss ich die Augen auf. So viel Blut floss über sein Gesicht und sein Arm war gebrochen. Die Haut in seinem Gesicht war an einigen Stellen zerrissen. Dieser Anblick war schockierend. Ich konnte nicht sprechen. Ich wollte laut schreien oder kreischen und doch hielt mich meine Angst zurück. Ich war so verstört, dass ich nicht einmal Zittern konnte. Dieser Hass der im Raum stand, fühlte sich so schrecklich an. Doch dann lief Deeon unbekümmert auf uns zu. Ihn interessierten seine Wunden nicht. Es war ihm sogar bewusst, dass der Schattenmann so reagieren würde. Mit einem dezenten Husten machte er auf sich aufmerksam. Dann griff mit seinem gesunden Arm, seinen gebrochenen. Mit einem Ruck richtete er diesen wieder und ein lautes Knacken hallte durch den Raum. „Du bist also noch stärker geworden?“, fragte er locker. Doch der Schattenmann stemmte sich einen Schritt vor. „SCHNAUTZE! DU HAST MEINE SEELEN GESTOHLEN!“, schrie er wutentbrannt, „AM LIEBSTEN WÜRDE ICH DICH AUSEINANDER REISSEN!“ Doch Deeon blieb ruhig. Er lief einige Schritte weiter und richtete seine blonden Haare. Noch immer hatte er das viele Blut im Gesicht. Anscheinend machte ihm der Schlag nichts aus, denn er grinste verlegen zur Seite. „Nun ja… ich brauchte so viele Seelen, für einen guten Zweck...“, dann setzten sich seine Wunden langsam zusammen und sein Blut verschwand. Überrascht sah ich, wie nicht eine Narbe und kein Kratzer hinterlassen wurden. Als ich die beiden dort stehen sah, erkannte ich, wie unterschiedlich sie waren. Der Schattenmann trug so viel Wut und Hass in sich. Das zeigte sich auch in seiner kalten, blassen Haut, so wie in seinem grimmigen Gesicht und seinen pechschwarzen Haaren. Anders als Deeon. Er war wie der erwachsene, große Bruder. Mit seinen eleganten blonden Haaren und seiner aufrechten Erscheinung hätte er schon fast ein edler Ritter sein können. Schließlich konnte sich der Schattenmann nicht mehr zurück halten. Er rannte auf Deeon zu. Sein Abstoß war so stark, dass der Windstoß mir die Beine weg riss. Ich fiel plötzlich zu Boden und wurde in einem Sandnebel zurück gelassen. Dieser Ruck riss mich jedoch aus meiner Starre. So schnell ich auch am Boden aufkam, so schnell stemmte mich wieder auf und lief aus dem Fahrstuhl. Doch ich bemerkte direkt, dass ich mich beiden nicht nähern sollte. Mit blitzschnellen Schritten lief der Schattenmann auf den Anderen zu. Man konnte ihn kaum sehen. Erneut holte er zum Schlag aus und raste ihm mit geballter Faust entgegen. Ein leises „Nein!“, schlich aus meinem Mund. Ich war zu starr um meine Stimme zu erheben. Meine Angst hielt mich dort fest, wo es sicher war. Mein Körper wollte nicht zulassen, mich in eine gefährliche Situation zu begeben. Doch es war falsch was der Schattenmann tat. Ich wollte ihn aufhalten, aber ich konnte nicht. Geschickt wich Deeon dem Schlag mit einer Drehung aus und der Schattenmann traf die Wand hinter ihm. Der Blonde mache einen schwebenden Sprung nach hinten und drehte sich um. „Du bist zwar stärker geworden, aber hast nichts dazu gelernt! … Ein toter Mensch, der noch immer nicht seine Emotionen im Griff hat!“, sagte Deeon eisern und schüttelte den Kopf. „Schnauze..“, kam es grimmig vom Schattenmann. Er riss seine Hand aus der Mauer und griff erneut an. Ein Fausthieb mit der Rechten, dann einen mit der Linken, schließlich ein Tritt in Richtung Knie. Doch jedes Mal wich Deeon aus. Mal zur Seite, dann bückte er sich nach hinten und schließlich sprang er einige Meter zurück. „Lass es. Bitte. Ich wollte dir nie schaden.“, erklärte Deeon während des Ausweichens. Er wehrte sich nicht. Er beobachtete nur und tat alles um nicht von den Hieben getroffen zu werden. „Schnautze!“ Dieser Kampf ging so rasend schnell. Ich war schockiert und doch gefesselt. Ich wollte ihnen nicht zusehen! Ich hätte weg rennen sollen! Aber ich stand nur da und konnte mich nicht bewegen. „Wieso?“, fragte ich leise und lehnte mich an die Wand. Entgeistert ließ ich mich auf den Boden sinken. Dann realisierte ich Deeons Worte. Er nannte den Schattenmann - Einen toten Menschen – Was meinte er damit? Plötzlich kamen mir beide näher. Ich blickte erschrocken auf aber war nicht in der Lage mich zu bewegen. Mein Körper war zu starr. Alles ging zu schnell. Warum nur hat der Schattenmann, Deeon so gehasst? Wer war der Böse in diesem Schauspiel? Wurde der Schattenmann zu Recht wütend? Oder war Deeon der gute Held in dem Kampf? Unterbewusst wollte ich, dass der Schattenmann nicht nur aufgab, sondern verlor. Ihr Kampf wurde immer schneller und kräftiger. In mitten des aufgewirbelten Sandes erkannte ich nur die Silhouetten der beiden kämpfenden. Plötzlich sprang der Schattenmann aus dem Wirbel heraus. Ich erschrak. Gerade als ich wieder auf sah, sprang der Junge aus dem Kampf heraus, blickte kurz über seine Schulter zu seinem Gegner und ließ zwei Dolche in seinen Händen erscheinen. Dann verschwand der Schattenmann urplötzlich von der Stelle. Er war einfach weg. Mitten im Kampf war er plötzlich verschwunden. „W… was?“, stotterte ich. Ich wusste nicht was geschehen war. Der Schattenmann war nicht mehr zu sehen. Es war auf einmal so leise. Deeon wich zurück und blieb hellhörig stehen. Die Luft knisterte vor Aufregung. Aufmerksam sahen seine Blicke abwechselnd zu allen Seiten. Er blieb mit erhobenen Armen am gleichen Ort und beobachtete seine Umgebung. „Er ist weg…“, flüsterte ich und sah mich um. Nichts war mehr zu hören. Keine Schläge, keine Schreie, keine Schritte. „Er ist weg!“, sagte ich lauter und stand erleichtert auf. Ich lächelte glücklich. Es war, als würde mir ein Stein vom Herzen fallen. Dieses bedrückende Gefühl, welches den Raum füllte, war verschwunden. Ich konnte wieder aufatmen! Doch Deeon bewegte sich immer noch nicht. Er war still und wandte mir den Rücken zu. Also lief ich auf ihn zu. „Deeon!“, lächelte ich. „Der Schattenmann, er ist weg.“ Als Deeon mich näher kommen sah, erschrak er plötzlich. „Bleib weg, Yuki!“, unterbrach er mich und starrte mir mit aufgerissenen Augen entgegen. Er zeigte mit seiner Hand weg und lief panisch auf mich zu. Plötzlich hörte ich hinter mir ein seltsames Geräusch. Ein Zischen oder Knistern. Etwas bewegte sich hinter mir. „Was…?“ Ich drehte mich ahnungslos um. Dann griff Deeon meinen Arm und wollte mich zur Seite ziehen. Denn vor mir bildete sich ein großer, seltsamer, blau aufleuchtender Ring. Im gleichen Augenblick erkannte ich den Schattenmann aus diesem Ring heraus springen. Er sprang uns entgegen, mit seinen Messern in den Händen. Ich erkannte den kalten, toten Blick in den Augen des Schattenmannes, welcher Deeon galt. Dieser Blick änderte sich sofort in eine erschrockene Miene, als er mich vor Deeon stehen sah. Sein Angriff würde nun nicht Deeon treffen, sondern mich. Obwohl Deeon mich weg zog, obwohl der Schattenmann seinen Angriff abzubrechen versuchte, obwohl ich doch nichts mit alle dem zu tun hatte, war es nicht mehr abwendbar. Unsere Blicke kreuzten sich einen Augenblick. Er starrte mich angstgelähmt an. Und schließlich spürte ich auch schon ein schmerzendes Gefühl in meinem Bauch. Ich hatte das Gefühl, diesen Moment nicht überleben zu können. Und das letzte was ich sehe wäre das geschockte und fassungslose Gesicht vom Schattenmann. Er biss die Zähne zusammen und versuchte sich weg zu drehen. Ich sah wie er es bereute zugeschlagen zu haben. Er wollte mich nicht treffen. Doch sein Hass machte ihn blind. Aus dem Stechen wurde ein Pochen und aus dem Pochen ein schreckliches Ziehen. Mir blieb der Atem stehen. Meine Finger zitterten. Meine Muskeln spannten sich an. Doch im nächsten Augenblick war der Schmerz plötzlich verschwunden. Mein Körper schien kochend heiß. Plötzlich pochte eine Schockwelle aus meinem Inneren heraus. Mit einem Mal riss diese helle Schockwelle den Schattenmann von mir weg. Es war wie ein Schutzschild, welches ihn abhielt, mich zu verletzen. Der Boden erschütterte. Die Wände wackelten und plötzlich durchlief ein heller Blitz den ganzen Raum. Ein mächtiger Druck warf mich zurück. Währenddessen zersplitterte der Dolch in der Hand des Schattenmannes und er wurde von mir weg geschleudert. „Kyaa!“ Ich fiel rückwärts in Deeons Arme und wurde zusammen mit ihm auf den Boden geworfen. Alles drehte sich um mich und ich wusste nicht was mit mir geschah. Vor Angst kniff ich die Augen zu. Es war, als würde ich eine Zeit lang schweben. Bis ich mit einem Ruck auf etwas Weiches landete. Mein Körper krampfte zusammen. Ich hielt meinen Kopf schützend zwischen meinen Armen und strengte alle Muskeln meines Körpers an. „Nein nein nein nein…“, flüsterte ich vor Angst. Ich lag am Boden und wollte mich nicht bewegen. Langsam legte sich auch der Sand und das laute Grollen des Knalls verstummte. Erst nach einigen Sekunden bemerkte ich schützende, warme Arme um mich. Sie hielten mich sicher. Dann bemerkte ich einen sanften, ruhigen Atem und ein leises Herzklopfen. Doch ich wollte die Augen nicht öffnen. Ich wollte nichts sehen! Ich wollte nichts anderes hören als dieses sorglose Pochen des Herzschlags. Es beruhigte mich. Meine Hände legte ich vor meine Augen und versuchte alles um mich herum auszublenden. Es dauerte etwas, bis ich schließlich ein sachtes „Yuki?“, hörte. Ich wusste, dass es Deeon war. Ich spürte ihn die ganze Zeit bei mir. Aber ich wollte nicht aufstehen. Zum ersten Mal spürte ich ein so angenehmes Gefühl in dieser Welt. Ein bekanntes Gefühl. „Nein…“, wisperte ich und drückte mich tiefer in seine Arme. Warum kam er mir so bekannt vor. Warum war seine Nähe so normal für mich? Dann begann ich zu wimmern. „Warum ist er so ein Monster? Warum muss ich das mitmachen?“ Aber mein Retter schwieg und sah nachdenklich weg. Er antwortete mir nicht sondern umarmte mich schützend. Seine Nähe war so vertraut und erleichternd. Ich wollte nicht, dass es endete. Doch nach einem Moment faste er mich und stand mit mir in den Armen auf. Obwohl ich es vermeiden wollte, half er mir langsam auf und wischte mir über meine Wangen. Mein Blick war erst herab gerichtet und wanderte schließlich zu Deeon auf. Wir schwiegen uns lange an. Es kam mir so vor, als könnte ich Deeon vertrauen. Als würde ich ihn kennen. Als könnte ich ihm alles sagen. Doch sollte ich das wagen? Ich war ganz alleine in dieser Welt. Wem konnte ich vertrauen? Langsam beugte er sich zu mir herunter und legte seine Hand behutsam auf meine Wange. „Ist alles in Ordnung?“ Betrübt sah ich weg und nickte. „Hmmh…“ Deeon sah sich um. „Ihr habt einen Packt oder? Er kann dich nicht verletzten.. das würde diese Schockwelle erklrären!“ Dann blickte er zu mir. „Yuki. Du wirst bald alles verstehen. Das verspreche ich. Aber du darfst keine Angst haben!“ Ich blickte stumm herab und dachte nach. Das musste ich wohl so hinnehmen, auch wenn ich es nicht wollte. Doch die Hoffnung, dass alles nur ein schlechter Traum war, hatte ich schon aufgegeben. Schließlich blickte Deeon mit ernstem Blick hinter uns. Also drehte auch ich mich um. Wir sahen den Schatten, bewusstlos am Boden liegen. „Was ist passiert? Ist er… tot?“ „Nein. Doch ich habe ihn lange nicht so unachtsam gesehen.“, antwortete Deeon. Er sah sich mit schnellem Blick um. „Argh. Er hat seinen zweiten Dolch zerbrochen! Dieser… ach egal.“ Ich starrte den Bewusstlosen lange an. Ich war wie benommen. „Was passiert jetzt?“, meine Stimme wurde leiser. Ich hatte nun die Möglichkeit zu fliehen. Doch auch wenn ich Angst vor diesem Schattenmann hatte, so machte ich mir Sorgen um ihn. Ihn so dort liegen zu lassen konnte ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Obwohl ich die Situation hätte ausnutzen können, konnte ich es nicht. „Was wird nun mit ihm? Ich.. ich kann ihn dort nicht so liegen lassen.“, erklärte ich, mit dem Gedanken an unseren Pakt. Immerhin war es meine Aufgabe, ihm zu helfen. Deeon blickte zu mir hinunter und lächelte. „Ich dachte mir, dass du das sagst“, grinste er und näherte sich dem Schattenmann. „Wir sollten ihn in seine Bibliothek bringen.“ Ich wich zurück. „Was? Aber er wollte dich töten! Du hilfst ihm?“ Natürlich war seine Entscheidung die Richtige. Doch wunderte mich sein Verhalten. „Nein… er kann mich nicht töten.“, erklärte er gelassen und wandte sich mir wieder ab. Wieder waren es nur Bruchstücke an Informationen, dir mir hingeworfen wurden. Ich konnte mir kein Bild von all dem machen. Und nie bekam ich eine ausreichende Antwort. Mich ärgerten diese kleinen Bruchteile an Informationen. Also packte ich Deeon am Arm. „Warte!“, sagte ich bevor er sich zu dem Mann bückte. Ich war nervös, doch blieb stark. „Ich will endlich wissen was hier los ist! Was ist er!? Was ist das alles hier?“, meinte ich und blickte in der Halle rum. Dann sah ich auf den Schattenmann. „Warum ist er ein toter Mensch?“, fragte ich ihn und zeigte auf ihn. Meine Nerven waren aufgebraucht. Ich war schnell irritierbar. Alles wirkte doppelt so schlimm auf mich und erschöpfte mich. Doch wollte ich unbedingt eine Antwort. Deeon sah mich mit seinem entspannten und beruhigenden Blick an, während er sich zu dem Bewusstlosen am Boden kniete. „Wenn wir ihn hier weg gebracht haben, dann erkläre ich dir alles. Versprochen.“, meinte er und hob den Mann mit einem Ruck auf seine Schulter. „Jetzt sollten wir uns aber beeilen.“, meinte er zum Schluss und deutete zum Ausgang. Wir liefen zurück zum Aufzug. Ich folgte ihm leise und unauffällig. Schnell traten wir hinein, drehten uns um und sahen die Türen langsam zugehen. Deeon grinste mich an. „Er ist eigentlich ein ganz lieber Typ. Er braucht nur jemanden der ihn auf den Boden zurück holt, wenn er wieder abhebt.“ Ich sah ihn fragend an. Kitsune sagte das gleiche. Doch irgendwie konnte ich mich mit dem Gedanken nicht anfreunden, dass dieser Schattenmann lieb sein sollte. Schweigend richtete ich mich also wieder nach vorn. Der Weg zurück zur Bibliothek war sehr schnell. Es war der gleiche Weg zurück, wie wir hin gingen. Aber mit Deeon an meiner Seite, machten die Dämonen eher einen Bogen um uns. Den ganzen Weg blieb ich nahe bei Deeon. Irgendwie freute es mich, dass er bei mir war. Wir liefen rasch, denn es sollte keiner sehen, dass wir den bewusstlosen Schattenmann in seine Bibliothek trugen. An der Eingangstür angekommen, öffnete ich die letzten beiden Türen und trat schließlich wieder in die Bibliothek ein. Deeon lief zur Couch. Er stellte sich zwischen Couch und Tisch und beugte sich vor. „So! Mein Freund.“, meinte er und warf den Mann lieblos herab Der Schattenmann landete unsanft auf das gepolsterte Möbelstück. Ein Arm hing herunter und er war so groß, dass seine Schuhe auf der Armlehne lagen. „Da wären wir!“, sagte Deeon erleichtert und richtete seine Kleidung. Ich setzte mich auf einen Sessel neben ihm. „Und?“, fragte ich fordernd und blickte ihn neugierig an. „Du meintest, dass du mir alles erklärst.“ Erst schien er überrascht, doch dann grinste er. „Gut, dass du dich setzt. Es wird wohl etwas länger dauern.“, meinte er und setzte sich auf die Couch, neben den Schattenmann. Ich hielt die Luft an und beobachtete ihn gespannt. Deeon überlegte erst und kratze sich am Kinn. „Hmh…“ Dann sah er auf den kleinen Tisch und erkannte das Buch in welches der Schattenmann vorher noch beschrieben hatte. „Ah! Du weißt nicht was das für Bücher sind, oder?“, fragte er und öffnete dieses. Darauf schüttelte ich neugierig den Kopf. „Nein. Ich weiß gar nichts… außer, warum diese Dämonenwelt entstanden ist.“ Deeon betrachtete mich eine Weile und überlegte. „Hm… Nun gut. Ich versuche dir so viel wie möglich zu erzählen bevor er wieder aufwacht. Ich denke nicht, dass er mich hier gerne sieht.“ „Warum?“, fragte ich ihn sofort. „Hm?“ „Warum will er dich hier nicht sehen? Warum hasst er dich so?“ Daraufhin begann er zu lachen. „Hahaha. Also, ich weiß nicht genau, was du alles mitbekommen hast. Aber ich habe ihn bestohlen. So wie er gesagt hat. Aber denk bitte nicht falsch von mir!“ „Naja… ich kann hier wohl niemanden beurteilen können… ihr seid keine Menschen…“, seufzte ich und sah zur Seite. Das Feuer brannte noch im Kamin. Es war die ganze Zeit nicht ausgegangen. „Er ist ein Mensch!“, kam es von Deeon. Ich sah ihn überrascht an. Interessiert richtete ich meine Blicke wieder zu ihm und runzelte die Augenbrauen. „Was ist er nun genau? Ist er ein Dämon? Oder Monster?“ „Wie gesagt.“, sprach er weiter, „Er ist ein Mensch. Das alles was ich dir erkläre, wird er dir wohl niemals von alleine sagen. Aber es ist wichtig, dass du das weißt. Also hör zu: Dieser Kerl ist ein Mensch. Ein toter Mensch. Er lebt aber schon viele Jahrhunderte. Ein paar davon verbrachte ich mit ihm. Damals gab es eine Zeit, in welcher die Menschen für jedes Problem und jedes schlechte Ereignis einen Schuldigen suchten, selbst wenn es gar keinen gab. Und diese Schuld wurde ständig auf Ketzer abgewälzt. Also auf alle Personen, die nicht an die offizielle Lehre der Kirche glaubten. Vielleicht sagt der Begriff „Inquisition“ dir ja etwas? Jedenfalls war er ein einfacher Junge mit einer kleinen Schwester, einem Vater und einer Mutter. Eine kleine Familie, doch sehr liebevoll. Sie hielten stark zusammen. Alles Menschen. So menschlich und sterblich wie Menschen nur sein konnte. Es waren harte Zeiten für ihn. Sein Vater starb sehr früh. Er lag Tagelang im Bett und wurde schnell immer kränklicher. Da sich seine Gesundheit nicht verbesserte, versuchte die Mutter auf allen Wegen eine Heilung zu finden. So suchte sie nach Heilerinnen und Hexen. Sie beschäftigte sich selber mit Pflanzenkunde. Doch nichts half. Während sein Vater im Sterben lag, musste sein Sohn sich also um das Einkommen kümmern. Er war weit weg und arbeitete hart. So war er nicht anwesend, als sein Vater starb. Gleichzeitig wurden seine Schwester und Mutter der Hexerei Beschuldigt, da man glaubte, sie hätten seinen Vater verflucht. Als er also erst nach mehreren Tagen harter Arbeit zurück kam, stand das Haus bereits leer und seine Familie war verschwunden. Mutter und Schwester wurden während seiner Abwesenheit auf brutalster Weise von der Inquisition gefoltert, bis sie sich zur Hexerei bekannten. Er hatte nicht einmal mehr die Möglichkeit, mit ihnen zu sprechen. Ihm fiel sofort auf, dass etwas nicht stimmte, als er das leere Haus betrat. Schließlich hörte er das Jubeln von Menschen und die Schreie von Frauen. Er folgte den Geräuschen und fand in Mitten des Dorfplatzes einen riesigen Scheiterhaufen. Darauf gefesselt waren seine Mutter und seine Schwester. Sie schrien vor Angst und Schmerzen und die Zuschauer jubelten gehässig. Seine restliche Familie wurde elendig verbrannt. Die Flammen loderten höher als die Dächer der Häuser. Niemand hatte sich gewagt ihnen zu helfen. Nur einer wagte es, laut zu werden. Nur er versuchte sich panisch durch die Massen durchzukämpfen doch wurde von denen zurück gehalten, die sich seine Freunde nannten. Niemand half ihm. Man hielt ihn nur zurück, um ihn vor weiterem Unglück fernzuhalten. Sie konnten ihn nur schwer aufhalten. Er schlug um sich. Er kreischte. Mit aller Macht schrie er ihnen zu. Mit aller Kraft wollte er sich durch die Menschenmassen durchkämpfen. Doch es war zu spät. Man hatte ihm alles genommen. Am Ende hatte er nichts mehr. Keine Familie und keinen Willen mehr zu leben. Jeder Anwesende war für ihn nur ein Schuldiger. Für ihn waren alle für den Tod seiner Familie verantwortlich. Selbst er selber, da er sie nicht retten konnte. Er trug nur den tiefen Hass der Rache und die verbitterte Verzweiflung der Machtlosigkeit in sich. Er konnte seine Familie nicht retten. Er konnte ihnen nicht helfen. Er war machtlos. Aus tiefster Verzweiflung rannte er vom Dorf weg in einen tiefen Wald. Er wollte die „Hexerei“ herausfordern, welche seiner Familie vorgeworfen wurde. Wenn es sie wirklich gäbe, sollte sie auch ihn heimsuchen. Er konnte das Leid seiner Schwester und seiner Mutter nicht aushalten. Er war so in Hass versetzt, dass er nicht einmal weinen konnte. Was seine Mutter aushalten musste. Welches Leid seine Schwester ertragen musste. Und er war nicht für sie da gewesen. Nicht einmal kurz vor ihrem Tod. Im Wald war es finster und kalt. Niemand war dort, denn alle feierten die Verbrennung. Er brach zusammen und flehte Gott an, ihm zu helfen oder einfach sein Leben zu beenden. Er schrie und schlug um sich. Er warf sich zu Boden, doch ihm antwortete nur die grauenhafte Stille. Er lag am Boden und winselte. Und dann trat eine Frau mit weißem Haar zu ihm. Sie lächelte und reichte ihm ihre Hand. Sein Flehen wurde erhört. Nur leider nicht von Gott. Sie half ihm, gab ihm Kraft und machte ihn schließlich zu einen Dämon. Er hat warhaftlig einen Pakt mit dem Teufel getroffen. Naja, so lebte er dann weiter. Später traf ich auf ihn. Wir.. lebten zusammen.. ich trainierte mit ihm.. und er nannte sich bald auch selber Dämon. Das alles ist ungefähr 700 Jahre her. Seit dem lebt er ganz alleine mit diesem Hass in sich und keiner, nicht einmal ich hatte es geschafft ihm zu helfen. Aber Yuk! Ich weiß, dass du ihn verstehen wirst. Auch wenn er sich wie ein böser Dämon gibt, ist er nur eine verlorene traurige Seele.“ Meine Augen füllten sich mit Tränen als ich die Geschichte des Schattenmannes hörte. Ich war geschockt. Es kam mir vor, als würde ein fürchterlich schwerer Stein auf meiner Brust liegen, der mir das atmen erschwerte. Ich hielt die Hand vor meine Lippen und richtete meinen Blick auf den Schattenmann. Der Schattenmann lag still auf der Couch und atmete gleichmäßig ein und aus. Nun erkannte ich nicht mehr diesen brutalen und abscheulichen Dämon, sondern einen verzweifelten und einsamen Jungen. Wie konnte es sein, dass er ein Mensch war und all die Jahre mit dieser Last lebte? Es musste schrecklich gewesen sein. Eine Träne kullerte an meiner Wange hinunter. Mitleid überkam mich. Vor Scharm setzte ich mich wieder aufrecht hin und wischte mir die Träne von der Wange. „Entschuldige…“, räusperte ich mich. Deeon ließ mir einen Moment, um mich zu beruhigen. Mitfühlend sah er mich an und schwieg. Schließlich nahm er das Buch, welches auf dem Tisch lag und blätterte in diesem die alten und vergilbten Blätter zurück. „Hmm.. Hier drin stehen die Namen aller Seelen, die er gesammelt hat!“, erklärte er nun weiter. Ich wandte mich ihm zu und lauschte aufmerksam seinen Worten. Dabei versuchte ich mein Mitgefühl und die Trauer zu unterdrücken die mich doch so sehr einnahm. Man konnte mich schnell zum Weinen bringen. Nami nannte mich immer einen „extremen Empath“, also jemanden, der sich gut in die Gefühle der anderen hinein versetzen konnte. Doch egal wie sehr ich weinte, sie schaffte es immer mich wieder zum Lächeln zu bringen. Durch meine Empathie fühlte ich mich ständig mit anderen verbunden. Und in diesem Fall konnte ich mich sehr gut in seine Einsamkeit hinein versetzen. Wie er alleine im Dunkeln steht und darauf wartet, dass er gefunden wird. Wenn ihm das gebrochene Herz mehr schmerzt als die Kälte des Regens. Er kann nichts dafür. Dieses Gefühl ist einfach da! Egal ob er will oder nicht. Dieses Stechen was er los werden will. Doch weder weinen noch schreien kann helfen. Wenn er hinfällt und nicht mehr alleine aufstehen kann. Und er wartet und horcht in die Stille, ob jemand das Wimmern hört. Wenn einfach nichts, absolut nichts funktioniert und er doch nur möchte, dass jemand seine Hand nimmt und ihn nach Hause bringt, weil er einfach keine Kraft mehr hat alleine zu gehen. Doch dieses Gefühl will nicht verschwinden. Bis er sein Herz schließlich weg sperrt, um den Schmerz nicht mehr zu fühlen. Ich atmete schwer auf und beugte mich etwas vor. Deeon sprach weiter. „Hör mir nun gut zu! Diese Frau im Wald, war ein Dämon. Aber nicht irgendein Dämon! Sondern Lilith. Das erste Kind des stärksten Wesens in dieser Dämonenwelt. Glaube nicht, dass das stärkste Wesen ein Dämon ist! Nein, es ist alles andere als das! Es ist ein Engel! Du kennst seinen Namen bestimmt.“ Ich riss die Augen auf und sah zu ihm. „D… der Teufel?“, zitterte meine Stimme. Deeon nickte mir ernst zu. „Genau! Als das Kind Luzifers, besitzt sie eine enorme Macht und lässt diese auch jeden spüren. Aus Langeweile und Zeitvertreib lässt sie andere Leiden und hat daran ihren Spaß. So auch bei ihm. Im Gegenzug zu seiner Seele, gab Lilith ihm die Macht, sich an alle rechen zu können, die ihm Unrecht angetan haben. Sie schenkte ihm für seine Rache eine dämonische Seele und dessen Kraft. Und er nutzte diese Gelegenheit ohne zu zögern. Jeder Mann starb durch seine Hand. Jede Frau tötete er und auch den Kindern nahm er das Leben. Die Seelen sollte er in Büchern sammeln und Lilith anschließend liefern. Sein Hass wütete überall. Er rottete das gesamte Dorf aus. Doch als das Massaker vorbei war, hielt er seine Vereinbarung nicht ein! Er hätte die Dämonenseele, seine Seele und auch die der Toten, Lilith überreichen müssen um als leere Hülle sterben zu müssen. Doch er flüchtete, verschwand und nahm die Seelen mit sich die er den Menschen entrissen hatte. Seit dem versteckt er sich vor ihr. Die vielen Seelen die er hatte, waren das Fundament seiner gigantischen Kräfte die er nun besitzt. Und seine Kraft wuchs weiter. Seitdem ist er ein Mensch, der mit einem kalten, toten Körper und einer falschen Seele lebt.“ Ich musste erschrocken schlucken. Das alles konnte ich nur schwer verarbeiten. Ich wusste nicht wie ich reagieren sollte. Stehen, sitzen, lachen, ihn noch schockierter ansehen? Nun legte ich meine Hände auf die Lehnen und stemmte meinen schwachen Körper auf. Ich stellte mich hinter den Sessel und atmete tief ein. Überwältigt von all dem, wischte ich mir kurz durch mein Gesicht und streifte durch meine Haare. „Puuu…“, atmete ich nachdenklich aus. Deeon schwieg nur und sah zu mir hinauf. Mit kurzen Schritten bewegten mich ganz langsam von ihm weg. Immer wieder sah ich zum Boden und zur Seite. Ich rieb mir den Nacken, bis auf meine Lippen und fuchtelte nervös mit meiner Hand gegen meinen Oberschenkel. Mitten im Raum blieb ich schließlich stehen und verschränkte die Arme ineinander. Jetzt hatte ich realisiert, dass diese Welt nicht nur kitschige, klischeehafte, gruselige und fantasievolle Seiten hatte. Sondern auch knallhart, brutal und grausam war. Und ich sollte nun in dieser Leben. Es wurde mir unangenehm, dass Deeon dort saß und wartete, ich jedoch keinen Ton von meinen Lippen ließ. Ich näherte mich dem Kamin mit dem warmen Feuer und starrte sorgenvoll in die heißen und knisternden Flammen. „Und..“, begann ich zu reden. „Ja?“ Ich zögerte einen Moment. „Dieses Mädchen… Lilith. Sie sucht ihn immer noch?“, fragte ich dann und schaute beunruhigt zu dem schlafenden Schattenmann hinüber. „Yuki..“ sagte Deeon mit seiner trostreichen Stimme und stand schnell auf. Er legte das Buch zurück auf den Tisch und lief zu mir. Noch bevor er etwas sagen konnte, erzählte ich ihm meine Sorge. „Ich bin an diesen Typen gebunden. Was passiert denn mit mir, wenn Lilith ihn findet? Nun bin ich mitten in dieser Geschichte hinein geraten! Ich will kein Opfer eines verrückten Dämonenmädchens mit zu viel Zeit und Macht werden!“, sagte ich leise und zupfte an meinem Pullover herum. Immer wieder biss ich mir auf meine Lippe. Die schlimmsten Gedanken fesselten mich und ich starrte einfach nur in das Feuer. - Ja was würde denn dann passieren? Wenn er stirbt, sterbe ich auch? Oder gehöre ich diesem Mädchen? Kann ich nie wieder nach Hause? – Ich fummelte immer hektischer an meinem Pullover herum. Bis Deeon sich plötzlich neben mich stellte und mich an meinen Schultern packte. Er drehte mich behutsam zu sich und beugte sich etwas zu mir hinunter. „Yuki! Yuki, nein. Du brauchst keine Angst zu haben! Ich passe auf dich auf! Und Lilith kann ihm nicht einfach so die Seele rauben.“ Überrascht sah ich in seine Augen. Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Er verwirrte mich. „Aber du hast doch… gesagt..“, stammelte ich vor mich hin. „Ja, sie will seine Seele haben! Sie liebt seine Seele. Und die Macht die sich dahinter verbirgt. Sie will diese Seele aber nicht in sich aufnehmen. Lilith will sie als Trophäe besitzen. Die Seele, der sie seit mehreren hundert Jahren hinterherjagt. Sie kann sich seine Seele aber nicht einfach so an sich reißen. Sie weiß nicht wo er ist. Um ihn zu finden bräuchte sie seinen Namen.“ „Seinen Namen..?“ „Ja, dir ist bestimmt schon aufgefallen, dass ihn jeder anders nennt, oder man nur Schattenmann zu ihm sagt. Er besitzt keinen Namen. Sie müsste ihn erst finden und besiegen. Und eine namenlose Seele zu finden, ja selbst eine namenlose Person zu finden, ist unmöglich.“ Ich konnte zwar noch nicht alles begreifen was er erklärte, doch ich merkte, dass ich mir keine Sorgen machen musste. Nachdem Deeon mir beistand, konnte ich mich irgendwie beruhigen. Zurückhaltend sah ich schließlich zu Boden und nickte. „Oke..“ Zwar hatte er mir meine Angst damit etwas genommen. Doch ich wusste, dass ich mich hier nie wirklich sicher fühlen könnte. „Darf ich dich um einen Gefallen bitten Yuki?“, hörte ich dann von Deeon. Wieder spürte ich dieses bekannte Gefühl von Deeons Nähe. Ich mochte dieses schützende Gefühl, welches er mir jedes Mal gab, wenn wir uns nahe waren. Verwundert runzelte ich die Stirn und sah ihm errötet in die Augen. Er hatte einfach so viel Charme und diese stattliche Haltung. Hoffentlich merkte er nicht, wie schüchtern ich ihn doch anhimmelte. Verlegen legte ich meine Arme auf die Brust und betrachtete seine hellen Augen. „J.. ja?“ Erst lächelte er zufrieden. Doch sein Lächeln wurde zu einem bedenklichen, fast schon traurigem Gesichtsausdruck. Für Deeon war es wichtig und er wollte auch, dass ich seine Meinung ernst nehme. „Wir kannten uns vor langer Zeit und standen uns wie Brüder nahe.“, meinte er und richtete sich zum Schattenmann. „Ich mache mir Sorgen um ihn.“, fuhr er fort, „Das letzte Mal habe ich ihn vor 17 oder 18 Jahren gesehen. Und zuletzt hatte ich sein Vertrauen zerstört, indem ich ihm einige seiner Seelen stahl. Aber bitte glaube mir!“ Er griff nach meiner Hand, „Diese Seelen waren wirklich wichtig für mich!“, erklärte er unruhig und sah mir etwas verzweifelt in die Augen. Er gab zu, die Seelen gestohlen zu haben. Ich wollte nicht glauben, dass er etwas Böses damit beabsichtigt hatte. Er sah mich an und dachte nach. Dann hielt seine Hand vorsichtig an meine Wange. Wie ein Eisblock stand ich plötzlich ganz starr, doch mein Gesicht war so rot wie ein dampfender Wasserkocher. Er kam mir so nahe. Ich wünschte mir seine Nähe sehr. Doch ich war zu nervös. Mein Herz pochte wild und mein Magen kribbelte, doch ich konnte einfach nichts sagen. Wir sahen uns lange an. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Aber eine schöne Ewigkeit. Ihm wieder so nahe zu sein. Das einzige schöne Gefühl, welches ich in dieser Welt bisher hatte. Ich wollte, dass er bei mir bleibt. Mir hilft das alles zu überstehen! Er sollte mir noch näher kommen. Auch wenn ich ihn vor kurzem erst kennen lernte, fühlte es sich an, als würden wir uns doch schon Ewigkeiten kennen. Dann sprach er weiter. „Yuki…“ „Ja?“ Noch ungeduldiger hätte ich wohl nicht sein können. Meine Hoffnung stieg immer weiter. Doch bewegten seine Blicke sich zu dem Schattenmann. „Yuki! Ich möchte dich bitten auf ihn aufzupassen!“, sagte er schnell. „Er ist sehr stur aber du darfst keine Angst vor ihm haben, er kann dir nichts tun.“, erklärte er weiter. Meine Hoffnung schmolz mit einem Mal dahin. Ich ließ meine Haltung hängen. Innerlich zersplitterte mein Herz theatralisch. - Natürlich, der Schattenmann. - Meine romantische Vorstellung war nun geplatzt. Ich atmete traurig ein. Dann versuchte ich ihn aber anzulächeln. „Ehh… eh… ok…“, kam mit letztem Atemzug von mir, bevor ich enttäuscht weg sah. „Danke..“, flüsterte er noch erleichtert und gab mir einen sanften Kuss auf die Stirn. Ich wunderte mich und errötete. Ich wollte nicht, dass dieser Moment endete, doch so sehr ich es mir auch wünschte, Deeon wich auch schon wieder von mir ab. „Er wird gleich wach. Ich sollte besser gehen. Sonst eskaliert es gleich wieder.“, lächelte er und lief an mir vorbei, zur Tür. „Wir kennen ja sein Temperament.“ „Ja. Stimmt.“, nickte ich ihm zu und lehnte mich an den Sessel. „Aber im Inneren, ist er ein lieber Kerl“ Er ging zum Ausgang und drückte den Henkel. Ich sah ihm träumend hinterher, als er sich noch einmal zu mir umdrehte. „Mach dir keine Sorgen! Wir werden uns bestimmt wiedersehen.“, grinste er und lief schließlich aus der Bibliothek. Ich sah ihm stumm nach. Dann schloss er auch schon die Tür hinter sich. Er lief aus dem Raum und ließ mich wie angewurzelt dort stehen. Meine Knie waren weich und mit meinem vernarrten Blick auf die Tür gerichtet, ließ mich auf die Armlehne plumpsen. Noch immer sah ich zur Tür. Wenn Deeon bei mir war, gefiel mir diese Welt doch ein wenig besser. - Was geschieht nur immer mit mir, wenn ich ihn sehe? – Gedankenlos schaute ich ihm immer noch nach. Dabei fühlte ich mich so unbesorgt und leicht. Er gab mir so ein schützendes Gefühl. „Hach..“ Nun lehnte ich meine Arme auf der roten Sessellehne und legte meinen Kopfauf meine Hände. Ein erfreutes und unbekümmertes seufzen ließ ich von mir. „Hmm… Deeon... danke.“, flüsterte ich. Er war so lieb zu mir. Ich wollte ihn immer bei mir haben. Während ich vor mich hin träumte, hörte ich noch ein weiteres Seufzen. Es war jedoch nicht meines. Es kam von dem Mann hinter mir. Dieses Seufzen war mit viel Schmerz und Ächzen untermalt. Nach einem kränklichen Husten drehte ich mich schließlich um. „Hm?!“ Der Schattenmann wurde wach. „Arg…“, er grummelte und wischte sich über sein Gesicht. „Was zur Hölle…?“ Genervt sah ich zur Seite und rollte die Augen. Denn kaum konnte ich diese warme, schöne, romantische, kuschelige und doch traumhafte Stimmung genießen, wurde sie auch schon mit seinem kalten, gestressten Verhalten unterbrochen. Ich schnaufte kurz. Dann drehte ich mich zu ihm. „Du bist wieder wach!“, sagte ich überrascht. Also schüttelte ich schnell meinen Kopf, klopfte mir fix auf die Wangen und lief zu dem Jungen. „Geht… geht es dir gut?“ „Wie sind wir hier her gekommen?!“, maulte der Junge und lehnte sich auf seinen linken Arm. Sein Gesicht war durch den Schmerz verzerrt und er verbreitete wieder dieses negative Gefühl im ganzen Raum. „Äm… also Deeon hat-“, stotterte ich. Ich wusste, dass er diesen Namen bestimmt nicht wieder hören wollte. Und genau so reagierte er auch. „DEEON?“, schrie er. Ich zuckte bei seinem Geschrei zusammen und biss die Zähne unsicher zusammen. „Er war hier drin?! Wo ist der?!“ Verärgert versuchte er aufzustehen. Er drehte sich zur Seite und setzte erst den einen, dann den anderen Fuß auf den Boden. Voller Wut wollte er sich nun aufstemmen. Ich erkannte, wie er auf seinen Beinen schwankte. Trotz seiner Schmerzen beharrte er auf seinen Hass. „Setz dich lieber..“, sagte ich, doch trat respektvoll einen Schritt zurück. „Lass mich! Wo ist der Typ?“ Er war so stur hektisch. Als er nun versuchte aufrecht stehen zu bleiben, kam er ins straucheln. Er zitterte am ganzen Körper, aber er war zu stolz um sich wieder zu setzen. „ARG! Dieser Mistkerl!“, fluchte er wild. Ich erinnerte mich wieder an Deeons Worte. -Yuki! Ich möchte dich bitten auf ihn aufzupassen! Er ist sehr stur aber du darfst keine Angst vor ihm haben, er kann dir nichts tun.- „Ich… werde den.. fertig machen..“, nörgelte der Schattenmann weiter. Dann verlor er an Kraft. Er wackelte immer mehr und er verdrehte die Augen. Ich raffte mich zusammen! Er war auch nur ein Mensch! Er sollte lernen seinen Hass im Zaum zu halten! Und ich wollte keine Angst mehr vor ihm haben. Schließlich wollte er an mir vorbei, zur Tür laufen. Ich hatte aber keine Lust mehr, mir seine gespielte, extrem männliche und stolze Seite anzusehen! „HEY!“, sagte ich also laut und versuchte ihm zu helfen. „Bleib einfach sitzen!“, meinte ich genervt. Aber er drückte mich weg. „Lass… mi..-“ Doch kaum machte er einen weiteren Schritt, konnten ihn seine Beine nicht mehr halten. Er brach zusammen. Doch bevor er auf den Boden fiel, stellte ich mich vor ihn und fing ihn auf. „Heee..!“, moserte ich und stemmte mich gegen ihn. Ich wollte nicht auch noch unter ihm zusammen zu brechen. Er war so groß, muskulös und schwer. War er etwa wieder bewusstlos? Er wurde immer schwerer. „Hey! Setz dich… setz dich wieder! Hallo?“ Ich war sauer auf ihn! Er hätte einfach nicht aufstehen sollen! Doch er war zu stolz und stur, statt sich etwas sagen zu lassen. „Du.. bist so schwer… ah!“ Mit aller Kraft versuchte ich ihn wieder zur Couch zu tragen. Ich sackte selber etwas ein. „Nein! Ich werde bestimmt nicht auch noch hinfallen!“ Seinen Arm legte ich unbeholfen über meine Schulter. Dabei spürte ich wieder, wie kalt seine Haut war. Schritt für Schritt näherte ich mich der Couch. - Wenn er nur gehört hätte! Ich sollte ihn einfach fallen lassen! - Noch ein Schritt, dann hievte ich ihn wieder auf die Couch. Sofort atmete ich erleichtert auf. „SO!“ „Hmgh…“, er nuschelte leise. Es waren unverständliche Laute. Er war noch wach, doch bewegte sich kaum. Ich legte seine Beine wieder hoch und stellte mich vor ihn. „Was?“ Schnell kniete ich mich neben ihn. Ich streifte die Haare von seiner Stirn und fühlte nach Fieber. - Was auch sonst, er ist eiskalt. - Dachte ich mir ironisch. „Was kann ich für dich tun?“, fragte ich überfordert. Der Schattenmann hob leicht seinen Arm. „Das.. verdammte Buch!“, murmelte er. „Was? Ein Buch?“ Ich stand schnell auf und lief zum nächsten Regal. „Buch? Hier sind so viele? Was für eins?“ Sofort griff ich eins und rannte wieder zurück. „Hier! Und jetzt?“ Schnell öffnete ich es und hielt es ihm hin. Ich erkannte viele Namen auf den Seiten. Aufgelistete Namen. Wie es wohl auch die anderen Bücher hatten. Die gesammelten Seelen von Menschen, wie Deeon es mir erzählte? Ich kniete mich neben ihn und achtete darauf, was er als nächstes machen wollte. Der Schattenmann hob langsam seine Hand und fuhr mit den Fingern über die einzelnen Namen. Sie begannen rot zu leuchten. Staunend betrachtete ich die Buchstaben. Ein unangenehmer Hauch fuhr plötzlich durch den Raum. Ich hörte Stimmen. Leise Stimmen. Sie kamen aus dem Buch. Es war ein Weinen. Nein! Ein Schreien?! Aber es war nicht nur eine Stimme. Ich hörte plötzlich viele leidende Stimmen. Ein Schauer lief mir über den Rücken und ich bekam eine Gänsehaut. Verstört sah ich in das Buch. Ich erkannte das die leuchtenden Buchstaben langsam verschwanden. Je mehr Namen verschwanden, desto entspannter wirkte sein Gesicht. „W… was tust du da..?“, fragte ich zögerlich. Er schloss die Augen und atmete zufrieden ein und wieder aus. Dabei lösten sich alle Namen einer ganzen Seite auf. Die leisen Stimmen waren wieder weg und dieser kalte Hauch war auch vorbei. Einen Moment sah ich auf die nun leere Seite. Dann schlug er das Buch direkt wieder zu und ich zuckte zusammen. Der Schattenmann setzte sich wieder fit auf. „Das waren die letzten Worte der Seelen, bevor sie in das Buch geschrieben wurden..“, erklärte er kalt. „Frag nicht weiter…“, meinte er noch und sah betrübt zur Seite. Wir schwiegen eine Zeit lang. Ich glaubte zu wissen, was mit den Seelen nun geschehen war. Doch ich traute mich nicht es auszusprechen. Nachdenklich sah ich zum Boden. Der Schattenmann saß ebenso Trübsal blasend vor mir wie ich vor der Couch kniete und versuchte seine Blicke zu meiden. Stumm stand ich auf und drückte das Buch an mich. „Es tut mir so leid…“ flüsterte ich dem Buch zu und lief an der Couch vorbei. Die Seelen waren wohl nun endgültig tot. Er hatte sie ausgelöscht. Für seine eigene Kraft. Der Schattenmann sah noch immer von mir weg. Meine leisen Worte trafen wohl auch ihn. Wir beide bemitleideten wohl auf gleicher Weise die Seelen doch sprachen nicht darüber. Ich trottete langsam zum Regal zurück und legte das Buch wieder hinein. Behutsam streifte ich über die ledrigen Rücken der anderen Bücher und dachte nach. Es war so still. Der Schattenmann war doch auch nur ein Mensch. Er tat mir leid. Denn er wurde irgendwie gezwungen auf diese Weise zu leben und diese Dinge zu tun. Er konnte sich nicht aus diesen Fesseln befreien. Egal wie sehr er es wollte. Es hieß, fressen oder gefressen werden. Und das äußerte sich so, indem er die Seelen der Menschen auslöschen musste um zu überleben. Auch wenn mich die ausgelöschten Seelen traurig stimmten, hatte ich Verständnis für ihn. Lange sah ich durch die Regale und musste über den Schattenmann und seine Vergangenheit nachdenken. Ich wollte nicht, dass er weiter durch seine kalte Welt laufen musste. Er hatte niemanden. Dadurch musste er alles alleine bewältigen und passte sich eben dieser kalten Welt an. Ich wollte etwas sagen. Da ich wusste, dass er ein Mensch war, fühlte ich mich mit ihm verbunden. Doch ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Er saß noch immer am Kamin und schwieg. Ich wollte ihm zeigen, dass ich ihn verstand. Nun biss ich auf meine Lippe. „Es ist nicht deine Schuld..“, unterbrach ich die Stille. „Ich.. ich weiß wie es dir gehen muss..“, sprach ich traurig weiter und sah zu Boden. Doch er antwortete nicht. Ich wusste nicht einmal, ob er mir zuhörte. Doch ich wollte ihn nicht ansehen. Sollte ich ihm sagen was ich wusste? Auch wenn ich mich dabei so schrecklich fühlte, ihn auf seine Vergangenheit anzusprechen. „Ich.. also..“, stotterte ich, „Du bist auch nur ein Mensch. Du musstest so viel ertragen. Ich weiß, was dir.. passiert ist.“ Ich musste schwer schlucken. Mein Magen krampfte zusammen als ich weiter reden wollte. Es musste auch schwer für ihn sein, daran erinnert zu werden, an das Schlimmste was ihm in seinem Leben passiert war. Doch er sollte darüber reden! Er sollte nicht versuchen diesen Kampf alleine bewältigen zu wollen. Nur wenn er darüber sprechen konnte, konnte er Hilfe bekommen. Und ich wollte ihm doch diese Hilfe geben. Würde er sauer sein? Würde er wieder ausrasten? Ich erinnerte mich an die Geschichte. Wir er panisch vor dem Feuer stehen musste und ihm niemand half. Er wurde allein gelassen. Ich fing an zu weinen. War es weil ich mich schuldig fühlte? Oder war es Mitleid, für den Schattenmann, der mir doch mein Leben nehmen wollte? Obwohl ich versucht hatte es zu unterdrücken, kullerten Tränen an meinen Wangen hinunter. „Damals... als deine Familie...“ Ich konnte es nicht aussprechen. „Es tut mir so leid, was dir passiert ist…“, weinte ich. Noch immer hörte ich nichts von ihm, nur mein pochendes Herz. Ich sah voller Kummer auf den Boden. Dann legte ich meine Hände vor mein Gesicht und weinte weiter. „Es tut mir so leid!!“ Plötzlich spürte ich wie er hinter mir stand. Ich schreckte auf, doch traute mich nicht mich umzudrehen. Dann legte er seine Arme um mich. Ich riss meine Augen auf und merkte wie er mich an sich drückte. Er umarmte mich ohne etwas zu sagen. Wir sahen uns nicht an. Doch fühlten wir in diesem Moment ein tiefes Vertrauen ineinander. Da wurde mir bewusst, was Kitsune und Deeon meinten. – Er ist ein lieber Typ.- Sagten sie mir immer wieder, ohne dass ich ihnen Glauben schenken wollte. Wieder erkannte ich ihn ihm diesen hilflosen Jungen. Den Jungen, der spürte wie traurig sein Leben war. Der Junge der spürte, dass nun jemand da war, der sich für seine Geschichte interessierte. Wollte er das überhaupt? Ich faste seinen Arm und presste mich an ihn. „Entschuldige…“, sagte ich niedergeschlagen und schniefte. Aber er überspielte schließlich seine eigene Trauer und fing an zu grinsen. „Du erinnerst mich an mich selber… Hör auf zu heulen! Das ist doch meine Vergangenheit, nicht deine.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)