Gleich und Gleich gesellt sich gern von May_Be (oder doch nicht?) ================================================================================ Kapitel 3: Sanfter Regenschauer ------------------------------- Hanami wusste nicht recht, ob sie wütend oder verletzt sein sollte. Wahrscheinlich war sie von beidem ein bisschen. Es ärgerte sie, dass sein Necken sie so dermaßen aus der Fassung brachte. Sie bekam kaum ihren Mund auf und konnte sich gegen ihn nicht behaupten. Warum war sie in seiner Gegenwart so wehrlos? Hanami hing ihren Gedanken nach, während es draußen zu regnen begann. Dunkle Wolken zogen auf und lösten hinter den Fenstern dieselbe bedrückende Stimmung aus, die in Hanamis Inneren herrschte. Sie saß immer noch im leeren Klassenzimmer, nachdem Kai sie allein zurückgelassen hatte, und versuchte sich vergeblich mit Hausaufgaben abzulenken. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass bereits eine Dreiviertelstunde vorbei war. Bis jetzt hatte Hanami nur ein bisschen mit Mathe angefangen und sehr produktiv war sie ja nicht gewesen. Sie seufzte bedrückt und packte ihre Sachen zusammen. Zu ihrer Enttäuschung musste sie feststellen, dass sie keinen Regenschirm dabei hatte. Nachdem Hanami ihre Tasche gepackt hatte, tappte sie ins Erdgeschoss und zog sich ihre Schuhe um. Als sie die Schule verließ, kam ihr ein kühler Windstoß entgegen, der ihre Frisur durcheinander brachte. Über ihr befand sich zum Glück ein Dach, das sie erst einmal vom Regen schützte. Während sie überlegte, ob sie losrennen oder abwarten sollte, bis der Regen nachließ, wurde sie Eingangstür geöffnet und Kai trat an ihre Seite. Seine Hände waren wie so oft in die Hosentaschen gesteckt, was seiner lässigen Art nur noch mehr Ausdruck verlieh. Hanami war überrascht, ihn hier zu sehen, da sie angenommen hatte, er wäre bereits nach Hause gefahren. „Wo musst du hin?“, fragte Kai wie aus heiterem Himmel und sah zu ihr. Hanami hob fragend eine Augenbraue, während er sie aufmerksam musterte. „Nach Hause“, erwiderte sie. „Das trifft sich gut“, meinte Kai, holte seinen Schirm aus der Tasche und breitete diesen über ihnen aus. „Ich muss in dieselbe Richtung.“ Wollte er ihr damit anbieten, sie zu begleiten? Hanami konnte sich das kaum vorstellen. Vorhin war er alles andere als höflich gewesen. „Ich weiß grad echt nicht, was das soll. Aber mach dir bloß keine Umstände. Ich schaff's schon allein nach Hause.“ Hanami wollte keinen Gefallen. Am Ende wäre sie ihm noch was schuldig! „Sei doch nicht so stur. Bis du zu Hause ankommst, bist du klitschnass und morgen wahrscheinlich krank.“ Es klang vernünftig. Aber Hanami wollte das einfach nicht. Seine Stimmungsschwankungen machten sie ganz kirre. „Ich sagte nein.“ Endlich gab sie ihm Kontra. Dachte er etwa, er konnte sie erst so gemein behandeln und dann wäre auf einmal alles gut? „Was willst du damit überhaupt erreichen? Du kannst mich doch eh nicht leiden.“ Jetzt war es raus. Seit Shimoda behandelte er sie wie es ihm gerade passte. Hanami hielt es nicht mehr aus, schließlich waren sie Freunde gewesen. Zumindest hatte sie das angenommen. Und mit Freunden ging man so nicht um. Kai seufzte. „Mach nicht so ein Drama draus. Ich begleite dich, weil es regnet. Und jetzt komm.“ Er umschlang sachte ihren Arm und zog sie mit sich. Hanami ließ sich unwillkürlich mitziehen und willigte somit schweigend ein. Auf dem Weg zum Bahnhof wechselten sie kein einziges Wort miteinander. Wenn sie nicht so grimmig nebeneinander gehen würden, dann könnte man sie eventuell für ein Liebespaar halten. Aber das waren sie natürlich nicht. Sie waren ja nicht einmal richtig befreundet. Zumindest nicht mehr. Seit dem Kuss hatte sich etwas verändert. Hanami hatte sich verändert. Und Kai konnte damit überhaupt nicht umgehen. Dabei hatte sie gedacht, dass er vielleicht so ähnlich empfand wie sie. Da sie so nah beieinander gehen mussten, streiften sich ihre Ärmel ab und zu. Und wenn das geschah, spielte Hanamis Herz wie verrückt. In der Bahn war zu dieser Stunde sehr viel los und sie mussten sich zwischen die Menge quetschen. Na hoffentlich gab es hier keine Grabscher! Als ob Kai ihre Gedanken erraten hätte, legte er seinen Arm beschützend um ihre Schulter und drückte sie näher an sich. „Wenn dich jemand begrabscht, sag's mir. Dann knall ich ihm eine.“ Hanamis Wangen fingen an zu glühen. So nah war sie ihm das letzte Mal in Shimoda gewesen. Es erfreute sie, dass er sich für sie einsetzen würde, aber einen bissigen Kommentar konnte sie sich nicht verkneifen. „Keine Sorge“, erwiderte Hanami und löste sich aus seiner Umarmung, „ich kann gut auf mich selbst aufpassen.“ Kai sah zu ihr herab und sein Blick verriet, dass er daran keinen Zweifel hatte. „Ich hab's nur anbieten wollen.“ Hanami rollte mit den Augen. „Mein Retter in der Not!“, veräppelte sie ihn und als sich dann ihre Blicke trafen, mussten beide auf einmal lachen. Kai konnte dem Drang, in schallendes Gelächter zu fallen, nicht widerstehen. Sie hatte die Eigenschaft ihn ständig zum Lachen zu bringen. Ihre Sprüche waren oft sehr direkt, aber gleichzeitig aufrichtig. Dieser Moment lockerte die Stimmung und der Kuss, der plötzlich alles komplizierter werden ließ, schien vergessen. Nach wenigen Minuten stiegen sie mit grinsenden Gesichtern aus der Bahn, der Regen hatte nachgelassen. Nur vereinzelte Tropfen fielen noch vom Himmel. „Den Rest des Weges schaff ich allein, du musst mich nicht weiter begleiten“, meinte Hanami und Kai nickte. „Alles klar. Ich bin eh schon spät dran.“ Er war bereit sich von ihr zu verabschieden, doch wandte sich dann wieder an sie. „Ach ja, dass ich dich nicht mag, hab ich nie behauptet.“ Er wartete ihre Reaktion ab, doch Hanami sah ihn nur verdutzt an. „Wir haben uns doch ganz gut verstanden, Hanami. Lass bitte das, was in Shimoda passiert ist, unsere Freundschaft nicht kaputt machen.“ Kai wollte keine Szene, er wollte, dass sie seine Worte einfach hinnahm, sie akzeptierte. Sie sollte ihm nicht hinterher laufen, auch wenn er das für einen kurzen Augenblick genossen hatte. „Wir sehen uns morgen“, sagte er und wartete ihre Antwort nicht ab. Es kam ihm so vor, als liefe er vor irgendetwas davon. Aber noch konnte er nicht sagen wovor. Kai stieg in die Bahn und fuhr wieder zurück. In Wahrheit musste er nicht einmal in dieselbe Richtung fahren wie sie. Aber es hatte geregnet und er konnte sie doch nicht einfach so stehen lassen. Nein, es hatte noch einen anderen Grund. Kai hatte ein schlechtes Gewissen, weil er so fies zu ihr gewesen war und das nagte an ihm. Deswegen war er auch nicht einfach nach Hause gefahren. Er hatte gewartet, bis das Nachsitzen zu Ende war, und hatte sie dann an der Eingangstür abgefangen. Hoffentlich bekam sie seine nette Geste nicht in den falschen Hals. Er wollte sich damit eigentlich nur bei ihr entschuldigen, sein Verhalten wieder gut machen. Kai war verabredet. Er traf sich mit seiner Freundin in einem Café. Sie hatte bereits auf ihn gewartet. Mit einer knappen Entschuldigung hauchte er ihr einen Kuss auf die Wange und führte sie hinein. Komischerweise konnte sich Kai nicht so richtig auf sie konzentrieren, weil ein anderes Mädchen in seinem Kopf rumschwirrte. „...Alles in Ordnung mit dir? Du bist so still.“ Kai sah auf und schüttelte den Kopf. „Ja, alles gut. Erzähl weiter.“ Kai versuchte sich auf Kotori zu konzentrieren, aber es gelang ihm einfach nicht. „Wollen wir zu mir?, unterbrach er sie und erhob sich dann. Vielleicht konnte er Hanami somit aus seinen Gedanken verbannen. „Eh... zu dir?“ Kotori war unentschlossen. Sie waren erst seit ein paar Tagen zusammen und sein Angebot kam viel zu schnell. Vor allem da beiden klar war, was sie zu Hause erwartete. „Kommst du jetzt oder nicht?“ Kai verlor langsam die Geduld. Sie sollte sich mal schneller entscheiden. Doch ein Blick in ihr verängstigtes Gesicht nahm ihnen die Entscheidung ab. „Ach vergiss es.“ Kai schnappte sich seine Tasche, bezahlte für ihre Getränke und verließ das Café. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)