Virus von fragile ================================================================================ Kapitel 18: ------------ „Er ist wirklich nett. Kaum zu glauben, dass ihr beide befreundet seid“, lachte ich in den Hörer hinein und sank noch weiter ins weiche Polster der Couch. Ich hörte sein tiefes Brummen und sofort tänzelten kleine Raupen durch meine Venen. „Dir auch ein Hallo“, erwiderte er. „Hi“, hauchte ich. Ich konnte es ehrlich gesagt kaum erwarten, bis Naruto sich endlich verabschiedete und mich allein in dieser riesigen Wohnung zurück ließ. Im ersten Moment fühlte ich mich allerdings wie ein Fremdkörper. Wie eine vergessene Tasche oder sonst was. Ich kaute unbehaglich auf meiner Unterlippe heran und ermahnte mich innerlich, das endlich abzustellen. Alles war hier wunderschön eingerichtet und lud eigentlich dazu ein, sich wohlzufühlen. Das Gefühl verpuffte allerdings von Sekunde zu Sekunde mehr. Klare Linien, kein unnötiger Schnickschnack, an den man sich binden wollte. Keine Fotos, nicht mal eine Topfpflanze. Ino wäre herum gewuselt und hätte fieberhaft überlegt, ob Hortensien nicht schick auf dem einzigartigen Wohnzimmertisch aussahen. Oder ob Tulpen dem Raum einen offeneren Ausdruck verleihen konnten. Ich schnaufte, während ich mich aufs Polster fallen ließ und die Augen schloss. Naruto hatte diesen Raum lebendig gemacht und nun war das Gefühl verpufft. Ich vermisste urplötzlich Ino und das Geplapper und das aufgeregte Kichern, das sich hin und wieder überschlug. Noch bevor ich in meinem Selbstmitleid untergehen konnte, hörte ich das bekannte Klingeln meines Handys, was augenblicklich zur Folge hatte, das mein Herz bis zur Kehle schlug. Nach dem zweiten Klingeln hatte ich schon das Gespräch angenommen und ich gestehe, ein wenig beschämt war ich über die fehlende Begrüßungsfloskel meinerseits. Aber wurde das nicht einfach nur überbewertet? „Du hast eine riesige Wohnung.“ Ich wickelte eine Haarsträhne um meinen Zeigefinger und sank noch weiter ins Sofa. Ich musste das auch haben. „Wie lange wohnst du hier schon?“ „Ein Jahr ungefähr.“ „Wahnsinn.“ Das Lächeln auf meinem Gesicht erschien ohne mein Zutun. Ich fürchtete, mein Körper hatte ein gewisses Eigenleben angenommen. Das gewann allerdings nur die Oberhand, wenn Sasuke involviert war. Sein Räuspern ließ mich zusammenzucken. „Übrigens“, ich fuhr mit der Zunge über meine Lippe, „danke, dass ich hier sein darf.“ Er nahm einen tiefen Atemzug, doch noch bevor er etwas erwidern konnte, plapperte ich weiter: „Das Badezimmer ist übrigens der Wahnsinn. Wenn ich du wäre, würde ich wahrscheinlich in der Wanne mein Bett errichten. Die Kissen von der Couch würden sicher perfekt reinpassen. Oh und der Tisch.“ Ein Lachen erklomm meine Kehle. „Du wirst ihn sicher entzückend finden.“ Ein Rauschen in der Leitung, dicht gefolgt von einem seltsamen Knacken ließ mich zusammenzucken. Ich lauschte, ob ich noch immer seinen Atem hören konnte, während sich ein flaues Gefühl in meinem Magen ausbreitete. Wieso musste ich auch so los plappern? Ich ballte meine Hände zur Faust, dann öffnete ich sie und versuchte mir Luft ins Gesicht zu fächern. Das tiefe Lachen, das dann durch den Hörer drang, kroch über meinen Nacken und löste kleine Schauer auf meinem Rücken aus. „Naruto hat wohl auf seine Wirkung gehabt“, bemerkte er. Und ohne es wirklich zu wollen, plusterte ich meine Wangen auf und schüttelte meinen Kopf. Dann kicherte ich, bevor sich eine angenehme Stille über uns legte, die hin und wieder durch Regen in Tokio oder den leisen Tippen der Tastatur irgendwo in Fukuoka durchbrochen wurde. Es war fast schon einlullend. Es machte mich schläfrig. „Das ist schon ein wenig verrückt, oder?“, murmelte ich und legte meinen Kopf auf die Lehne. Ein Gähnen überkam mich. „Hn?“ „Ich bin hier. Also, in deiner Wohnung. Ich hab dich noch nie gesehen. Das könnte ein Drehbuch eines total verrückten Thrillers sein. Im schlimmsten Fall sogar ein Horrorfilm.“ „Hast du mal darüber nachgedacht, dass deine absurden Gedanken schuld daran sind, dass du dich auf ein Online-Dating-Portal verlassen musst?“ „Meine Gedanken sind nicht absurd. Ich bin ganz alleine hier. Vielleicht wollen Räuber in deine Wohnung, wissen nicht, dass ich da bin und dann werde ich unfreiwillig zum Opfer. Wenn du wieder zurückkehrst, sind alle Wertgegenstände weg und ich besudle mit meinem Blut dein wirklich perfekt geputztes Badezimmer. Putzt du eigentlich selbst?“ „Interessant, dass meine Wohnung dich zu solch Szenarien inspiriert.“ Ich gluckste, pustete die Ponyfransen aus der Stirn und rollte mich auf den Bauch. „Man muss auf alles vorbereitet sein.“ „Bist du das?“ Er klang amüsiert. „Ich habe mal einen Selbstverteidigungskurs gemacht. Im Notfall hab ich Pfefferspray in der Tasche. Übrigens muss ich feststellen, dass du Fortschritte machst.“ Ich grinste, als das bekannte „Hn“ erklang. „Deine wortkarge Art wird von Gespräch zu Gespräch weniger. Weiter so. Dann endest du vielleicht doch nicht unverheiratet, fett und vereinsamt.“ Er schwieg und schien das Licht auszuknipsen. Ich lachte, als nach einer Minute immer noch kein Ton seine Lippen verließ. „Hey, sag was.“ „Naruto hat wirklich auf dich abgefärbt.“ „Hm, wer weiß“, entgegnete ich. „Ein Naruto reicht. Am besten, du vermeidest jeglichen weiteren Kontakt.“ „Sicher, Mr. S.“ Ich schnalzte mit der Zunge und spürte das Zucken meiner Mundwinkel. Diese lockeren Gespräche waren suchterregend. Sasuke hatte Wirkung auf mich. Das war der S-Effekt. Dessen war ich mir mehr und mehr bewusst. „Weißt du“, begann ich und zwirbelte eine Strähne um den Finger. „Du könntest Superhelden-like dem Sturm draußen trotzen und mir Gesellschaft leisten.“ Sasukes Stimme vibrierte ein wenig, als er leise lachte. Dieser Ton war hinreißend. „Ich würde sagen, dass es jetzt Zeit zum Schlafen ist, Sakura.“ Ich zog die Augenbrauen zusammen und schnaufte. In meinem Gedanken war seine Antwort ein wenig anders ausgefallen. Eher wie Hey, klar. Ich spring sofort aus dem Fenster und flieg zu dir oder Gib mir zwei Minuten, dann bin ich da. Ein Glucksen entfloh mir. „Okay“, antwortete ich langgezogen. Ich schaffte es sogar, eine gute Portion Enttäuschung in meiner Stimme mitschwingen zu lassen. Er ignorierte das allerdings gekonnt. „Mach’s dir bequem.“ Dann legte er auf. Ich schwang die Beine über den Rand des Sofas und streckte mich ausgiebig. Die während dem Telefonat verloren gegangene Müdigkeit überfiel mich und entlockte mir ein lautes Gähnen. „Okay, dann ab in die Federn.“ Ich warf einen Blick aufs Sofa und überlegte, ob ich dort schlafen sollte oder mich ins Schlafzimmer begeben sollte. Ein Seufzen entfuhr mir, dicht gefolgt von einem weiteren Gähnen. „Er sagte ja, ich solle es mir bequem machen“, murmelte ich. Meine Augen huschten kurz durch den Raum und blieben an der einzigen Tür hängen, die ich noch nicht geöffnet hatte. Als ich inmitten des großen Raumes stand, prasselte das Gefühl der Unbehaglichkeit auf mich nieder. Sonst war ich wirklich nicht so. Meine Gefühle schienen sich dem unbeständigen Wetter anzupassen. Immer auf und ab. Das war sicher nicht gut fürs Gemüt. Ich runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf, während ich meine Beine dazu zwang, zum Bett zu treten. Seinem Bett. Dessen dunkelblauen Laken übrigens so zerwühlt aussahen, als wäre er vor zwei Minuten erst heraus gekrochen. Ich lachte. Möglicherweise war er wirklich nicht ganz so der Perfektionist, den ich automatisch in ihm gesehen hatte. In der Dusche standen immerhin auch die Flaschen herum. Beim zweiten Blick entdeckte ich das frische Bettzeug, dass wohl Naruto für mich hingelegt hatte, allerdings war da dieses aufkommende Bedürfnis, mich einfach reinzuwerfen, ohne die Wäsche zuerst zu wechseln. Ich grinste und ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, ließ ich mich auf die Matratze fallen. Sie sah nicht nur so weich und einladend aus, sie war es tatsächlich. Und roch ich sein Rasierwasser? Möglicherweise war das alles ohnehin nur ein Traum. Ich in Tokio. In der Wohnung einer Chatbekanntschaft. Vielleicht hatte ich das Bier ja gar nicht mit Naruto, sondern Ino getrunken und jetzt faszinierte mein Kopf etwas vor sich hin. Ich zwickte mich und zischte, als ich den Schmerz deutlich spürte. Es gab nur eine Diagnose: Verrückt. „Sakura Haruno. Du bist durchgeknallt.“ Es roch nach Zedernholz, vermischt mit einem warmen, männlich-herben Duft, das mir das Gefühl gab, hundert Ameisen würden über meine Haut krabbeln. Während Satin sich an meinen Körper schmiegte, überlegte ich, was Ino oder meine Mutter zu meinem Verhalten gesagt hätten, Ein Lachen entfloh bei der Vorstellung, dass Ino ohne Zögern neben mich gesprungen wäre. Das Bett schrie förmlich nach Wellness und es war ein Kingsize Bett. Es klang etwas übertrieben, aber selbst wenn wir unsere beiden Schlafstätten nebeneinander geschoben hätten, hätten wir sicher nicht die Größe erhalten. Meine Mutter hätte mich hingegen panisch aus den Laken gezogen. Mit einer schnellen Bewegung rollte ich mich zur Seite und strich mit der Hand über das Kissen. Ich seufzte entspannt auf, roch sein Rasierwasser und es fühlte sich an, als hätte ich mein Gesicht in seine Hände gepresst. Mein Herz wummerte. Mutter hätte mich ermahnt. Mein Verhalten war nicht die feine englische Art, immerhin war das nicht meine Wohnung. Nicht mein Bett. Aber der Geruch in meiner Nase, die kleine Kuhle der Matratze, seine Liegefläche, das Gefühl weichen Stoffes auf der Haut – all das überzeugte mich immer mehr, dass es alles echt war. „Ich muss krank sein“, nuschelte ich ins Kissen und im nächsten Moment war ich bereits eingeschlafen. Ich wachte auf, als das dumpfe Geräusch von Stöckelschuhen in meine Ohren drang und fragte mich, ob Hinata die Gummistiefel gegen schickeres Schuhwerk tauschte. Ich schmunzelte und drückte mein Gesicht zurück ins Kissen und stellte bedauernd fest, dass der Duft nicht mehr so präsent war. Ob Sasuke riechen würde, dass ich hier lag? Als die Tür mit einem Schwung aufgerissen wurde, zuckte ich erschrocken zusammen und unterdrückte einen Schreckenslaut. „Diese blöden Fuß-Töter“, erklang es aufgebracht am Zimmereingang. Im nächsten Moment war zu hören, wie die „Fuß-Töter“ wohl in die Ecke geworfen wurden. „Liebes, schläfst du etwa immer noch? Ich hab dich schon mehrfach versucht zu erreichen, aber nein – der Herr hat wohl besseres Zutun und liegt lieber den ganzen Morgen im Bett.“ Ihre Stimme klang aufgebracht, dennoch schwang Besorgnis mit. „Und glaub mir, auf den Straßen herrscht gerade Chaos.“ Ich befeuchtete nervös die Lippen. Die Stimme hatte ich schon mal gehört, allerdings konnte ich sie nicht zuordnen. Dennoch war ich mir durchaus bewusst, dass ich auf mich aufmerksam machen musste. Immerhin war ich nicht Sasuke. Ich hüstelte und richtete mich auf. Gott, ich hoffte, meine Haare waren einmal nicht zerzaust und hexenhaft. Selbst wenn es im Zimmer stockduster war und ich bezweifelte, dass man mich überhaupt wirklich erkennen konnte. „Ähm, hi?“, brachte ich hervor. Meine Kehle war trocken und ich wünschte mir ein Glas Wasser. Angespannt wartete ich auf eine Reaktion. Hatte Sasuke etwa doch eine Freundin? Zittrig fuhr ich mir durchs Haar und verfluchte innerlich die kleinen Knoten, die sich an einigen Stellen im Haar gebildet hatten. Mein Herz wirbelte in meiner Brust herum und schon im nächsten Moment hatte sich die mir fremde Person vorgebeugt und den Lichtschalter der kleinen Lampe betätigt. Die war mir gestern gar nicht aufgefallen. Ich blinzelte, um mich an die Helligkeit zu gewöhnen und erstarrte. Ich hatte noch nie solch dunkle, einzigartige Augen gesehen. Die Farbe erinnerte mich an einen nassen Sandstrand, der im Licht der Dämmerung schimmerte. Sie starrte mich erstaunt an, bevor ein freudiger Ausdruck in ihr Gesicht trat. „Sakura, das ist doch mal eine schöne Überraschung.“ Sie lächelte und das Glitzern in den Augen schien sich zu verstärken. Ich runzelte die Stirn. „Und wo hast du Sasuke gelassen?“ Sie sah sich suchend im Raum um. „Ist er im Bad?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)