Virus von fragile ================================================================================ Kapitel 15: ------------ „Spinnst du? Du kannst doch nicht einfach mit einem Fremden mitgehen!“ Inos Stimme ächzte durchs Telefon und sorgte dafür, dass sich meine Nackenhaare aufstellten. Ich verzog meine Mundwinkel und schloss meine Augen. „Du kennst die doch gar nicht“, fuhr sie lautstark vor. Ich wäre jede Wette eingegangen, dass sie mürrisch dreinblickend eine Hand in die Hüfte stemmte und ihr Kinn in die Höhe rückte, um größer und bedrohlicher zu wirken. Sie mutierte hin und wieder zu einer Übermutter. Aber eigentlich hatte sie damit ja vollkommen Recht. Mir entfloh ein Brummen. „Ino. Ich kenne ihn sehr wohl“, entgegnete ich ein wenig kleinlaut. Auf diese Diskussion hatte ich keine Lust. Natürlich war ich mir der möglichen Gefahr bewusst, aber… wer Naruto auch nur einmal im Leben vor sich stehen hatte, der konnte definitiv bezeugen, dass keinerlei Gefahr von ihm ausging. Er war ja kein Attentäter, oder ein Mörder, der seine Axt vor meinem Gesicht herumschwang. Wieso das ohnehin immer wieder bei Männern aufkam, die ich nicht kannte, wunderte mich extrem. Alle Männer, die Ino nicht kannte, bekamen sofort einen „Achtung er ist gefährlich Stempel“ aufgedrückt. „Mach dir keine Sorgen, Ino“, begann ich. Ich hörte sie Schnauben. „Soll ich lieber am Bahnhof übernachten? Oder unter einer Brücke? Hoffen, dass ich nicht weg gepustet werde?“ Ihr Zischen drang durch den Hörer und machte jeder Schlange Konkurrenz. Höchstwahrscheinlich biss sie sich gerade auf die Zunge, damit sie nicht erneut in eine Schimpftirade verfallen konnte. „Mir wird schon nichts passieren. Du weißt doch, wo ich bin“, versuchte ich sie zu besänftigen und strich mir das Haar aus der Stirn. Hinata warf mir vom Tresen aus einen unsicheren Blick zu, während Naruto selbst am Handy hing. Er wirkte allerdings entspannter als meine Wenigkeit. „Es ist Hinata Hyuga. Wenn mir je was passiert, kannst du an die Presse gehen.“ „Papperlapp. Es sind Fremde. Ich komm dich holen.“ Ihre Stimme klang beunruhigt. „Ino. Ich komm hier nicht weg. Und ich hab schon drei Hotels angerufen, aber es ist alles bereits voll. Die Züge fahren erst morgen wieder. Ich hab das Interview noch nicht hinter mich gebracht, weil es abgesagt wurde. Und es ist Naruto.“ Sie lachte freudlos. „Ach, es ist Naruto. Wie gut, dass du ihn schon so gut kennst. Kannst du mir auch seine Lieblingsfarbe nennen?“ Ich wusste, dass sie es ins Lächerliche ziehen wollte. Ich schmunzelte und gab ihr „Orange“ als Antwort. Sie schnaubte laut und steckte ihre Hand in die Chipstüte. Das Rascheln war unverkennbar. „Ich will nicht, dass dir was passiert. Ich hätte mitkommen sollen.“ Ich kicherte. „Genieß die Nacht ohne mich. Morgen heißt es dann Beauty-Evening. Nur du und ich.“ Meine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, als ich Ino leise flüstern hörte, dass Sai morgen Abend nicht kommen konnte. „Schreib mir bitte extrem viele Nachrichten, hörst du?“, richtete sie an mich. „Wenn ich nicht stündlich eine Nachricht bekomme, ruf ich die Polizei.“ „Klar“, antwortete ich. „Schlafen werde ich also nicht.“ „Du musst wachsam sein.“ „Am besten, ich lege ein Messer unters Kissen.“ „Für den Fall der Fälle. Ja.“ Ich gluckste und sie stimmte mit ein. „Sakura, wenn ich nichts mehr von dir höre, schicke ich deine Mom.“ Mein Lachen überschlug sich und ich zog die Aufmerksamkeit Narutos auf mich. Er grinste mich an und ich hatte das starke Bedürfnis, ihm zuzunicken. Fünf Minuten später eilten wir bereits durch die Straßen und ich wünschte mir nichts Sehnlicheres, als einen quietschbunten Anorak. Gut, die Farbe war mir ziemlich egal. Allerdings stieg der Neid von Tropfen zu Tropfen, auch wenn Hinata und Naruto genauso durchnässt waren, wie ich. Der Himmel schien bleischwer zu sein und ein eiskalter Wind pfiff durch die Straßen und ließ mich frösteln. Ich hatte das Gefühl, dass meine Zehen bei jedem weiteren Schritt einer nach dem anderen abstarben. Ganz kurz flackerte der Wunsch auf, wieder im warmen Foyer zu sein, statt draußen. Auf der Straße folgte ein Auto dem nächsten so dicht, dass die Scheinwerfer aufgefädelt wie auf einer Schnur an mir vorbeizogen. Unter den Reifen spritzte das Wasser bis zum Gehweg auf, während die Scheibenwischer hektisch von links nach rechts schlugen. Der Regen peitschte in mein Gesicht und ich hoffte, wir würden bald ankommen. Wer ahnte auch schon, dass das Wetter binnen Sekunden umschlug und die Wolken sich alle zeitgleich entluden. Ich jedenfalls nicht. Meine Jacke klebte bereits an meinem Körper und die Haarspitzen schienen magnetisch an meine Haut gezogen zu werden. Ich schnaubte, spürte das Wasser in meinen Schuhen und schenkte dem Himmel einen verärgerten Blick. „Beim nächsten Besuch bringst du Gummistiefel mit!“, rief Naruto und lachte. Er sprang in eine Pfütze und drehte sich zu Hinata und mir um. Sie kicherte und ich schüttelte den Kopf. „Schön, dass einer von uns Spaß am Wetter hat“, bemerkte ich. Er schüttelte seine strohblonde Mähne und die blauen Augen funkelten. „Das ist doch nur Wasser“, grunzte er. Und über uns grollte der Himmel. „Ja und ich habe das Gefühl, es sammeln sich sogar schon in meinen Lungen Pfützen.“ Und obwohl ich es eigentlich nicht wollte, stimmte ich in sein helles Lachen ein, während Hinata mir ein sanftes Lächeln schenkte. Ich ließ mich laut ächzend auf den Rücksitz des schwarzen SUV fallen und fiepte leise auf, als das Wasser meinen Nacken hinunterlief. Naruto fuhr sich einmal quer übers Gesicht und strich sein Haar nach hinten. „Okay. Ab ins Trockene.“ Er startete das Auto und strich kurz über Hinatas Hand. Ich lächelte und wandte meinen Blick nach draußen, um den Beiden ihren Moment zu lassen. Immerhin war ich hier die Fremde. Ich strich mit den Händen kurz über die weichen Polster und hoffte, dass wir schon bald von der Straße runterkamen. Im Auto war es laut, denn der Regen prasselte in einer heftigen Flut gegen das Blech. Ich schloss die Augen und schnappte kurz nach Luft, ehe ich nach meinem Handy griff und die Nachricht öffnete, die ich vorhin erhielt. Hi. Bist du gut angekommen? Ich lächelte und strich mir die nasse Strähne von der Stirn. Naruto summte mit der leisen Radiomusik, die nach hinten drang. Allerdings wurde das meiste vom lauten Prasseln des Regens verschluckt. Als sich endlich die Wärme im Auto ausbreitete, stieß ich einen wohligen Seufzer hervor und rieb meine Hände über den Sitz, um die Kälte in den Knochen zu verscheuchen. Dann öffnete ich die zweite Nachricht, die eintrudelte. Mein Herz machte einen kleinen Hüpfer. Ich hoffe, du passt auf, dass er keinen Unsinn treibt. Ich fragte ihn, was genau er meint. Meine Finger fühlten sich dabei an wie kleine Eiszapfen. „Es dauert nicht mehr lange“, sagte Hinata und drehte sich zu mir um. Ihre Wangen waren von unserem schnellen Marsch leicht gerötet. Sicher aber auch an Narutos Hand, die ihre umschlungen hielt. Ich nickte und bewegte meine Zehen in den nassen Schuhen. Es war ein kläglicher Versuch ein wenig Wärme zu erzeugen. Mein Handy vibrierte erneut. Es reicht, dass er den Tisch zertrümmert hat. Schmeißt ihn raus, wenn er Unsinn treibt. Das Stirnrunzeln war unvermeidbar. Meine Mutter piekte mir immer mit einem ihren spitz gefeilten Fingernägeln gegen die Stirn, sobald ich diese in Falten legte. „Das sieht im Alter unschön aus“, ermahnte sie immer. Ich befeuchtete meine Lippen und schnappte eine dicke, mit Wasser voll gesogene Strähne, die ich mit den Fingern auswrang. Mit einem kleinen Hüsteln machte ich auf mich aufmerksam. „Sag mal, Naruto. Wo genau fahren wir jetzt hin?“ Er setzte den Blinker und bog in eine Tiefgarage ein. Hinata stieß einen erleichterten Seufzer aus. „Das Geräusch hat mich fast wahnsinnig gemacht“, wisperte sie. Als Naruto hielt, drehte er sich um. „Wir sind bereits da.“ Noch bevor ich fragen kannte, wo wir uns befanden, öffnete Hinata bereits die Beifahrertür. „Lasst uns schnell reingehen, bevor wir noch erfrieren.“ Sie rieb ihre Hände gegeneinander und öffnete meine Autotür. „Wir müssen aus den nassen Sachen raus.“ Ich nickte, stopfte mein Telefon zurück in die Tasche und beobachtete, wie Naruto sich vor dem Fahrzeugheck schüttelte. Die Szene ließ mich schmunzeln. Ob er sich im Klaren war, dass er wie ein Hund wirkte? „Sakura, macht es dir was aus, uns vielleicht beim Reintragen zu helfen?“, fragte Hinata und öffnete den Kofferraum. Ich blickte fragend auf den Werkzeugkasten und das Holz, das hinten verstaut war. „Was genau habt ihr vor?“ „Wir bauen etwas“, antwortete Naruto und trat zwischen uns. „Nicht ganz“, erwiderte Hinata und schnappte sich ein Stück Holz. „Naruto wird bauen. Wir wärmen uns auf.“ Ich verfluchte den Regen, das Donnergrollen, den außer Betrieb genommenen Fahrstuhl und die Treppenstufen zum sechsten Stock, die ich erklomm. Das war der schlimmste Tag seit langem. Hinata wirkte entspannt und Naruto nahm pfeifend eine Stufe nach der anderen. „Wie viele Stufen sind es noch?“, quengelte ich. Hinata warf mir einen belustigten Blick zu. „Da wären wir schon“, flötete Naruto und hielt uns die Tür auf. Dabei verbeugte er sich wie ein Diener und ich konnte mir ein leises Lachen nicht verkneifen. Die Wände des Flurs waren schneeweiß und auf jeder Seite lag eine Tür. Schnaufend kamen wir vor einer der Beiden zum Stehen. „Bitte unbedingt die Schuhe ausziehen. Sonst bringt er uns alle um.“ Naruto schob sich die Schuhe bereits von den nassen Füßen und steckte den Schlüssel ins Schloss. „Wer bringt uns um?“, fragte ich ein wenig verwirrt. Blindäugig war ich den Beiden gefolgt. Ein wenig Panik flackerte in mir auf. Vielleicht waren die beiden ja auch ein Killerpaar. Über den Gedanken schüttelte ich den Kopf. Narutos Grinsen erschien erneut auf dem Gesicht. „Sasuke“, antwortete er. „Sasuke“, wiederholte ich ungläubig. „Wieso sollte er uns töten?“ Hinatas Kichern ließ mich erröten. „Sasuke mag es nicht, wenn das Parkett dreckig wird.“ Ich legte meine Stirn in Falten und starrte erst Hinata, dann Naruto an. Er prustete über Hinatas Erklärung. „Er mag es nicht?“, wiederholte er. „Von wegen. Er wird zur Furie. Von wegen ruhiger und besonnener Kerl.“ „Moment“, bat ich. Ich strich mir durchs Haar. „Das… also… wir sind bei Sasuke?“ Beide nickten und Naruto stieß die Tür auf. Mein Herz schien zum Stillstand zu kommen, nur um dann wie wild zu pochen. „Ist das euer Ernst?“ Wieder ein Nicken. „Was, aber… wieso?“ Ich hob beide Augenbrauen und mein Herz versuchte meine Brust zu sprengen, so eng wurde es in ihr. Naruto schlüpfte in die Wohnung und betätigte den Lichtschalter, während ich das Gefühl hatte, meine Beine wären mit Blei gefüllt. Oder Zement. Ich empfand die Stadt bereits als „nahe an Sasuke“, das hier übertraf das allerdings bei Weitem. „Ja, er meinte, ich soll dich herbringen. Keine Angst. Wir lassen dich später allein.“ Er lächelte. „Jetzt komm schon rein.“ „Was meinst du mit allein?“ „Ich wohn da“, er deutete mit dem Finger auf die gegenüberliegende Tür. „Sei kein Frosch, Sakura. Komm rein. Wir müssen unbedingt aus den Klamotten raus. Ich geb dir was von Sasuke.“ Ich zögerte. „Wieso gehen wir nicht zu dir? Wir können doch nicht einfach seine Wohnung belagern.“ Für diesen Moment war ich nicht vorbereitet. Meine Beine konnten mit jedem Wackelpudding auf der Welt mithalten, als ich über die Türschwelle trat. Das war Sasukes Wohnung? Unschlüssig blieb ich im Flur stehen und betrachtete Naruto, der aus den Schuhen schlüpfte und sie sorgfältig beiseite stellte. Meine Augen versuchten alles zeitgleich zu erfassen. Den schwarzen Wollmantel an der Garderobe, die dunklen Dielen, der Spiegel mit dem silbernen Rand und den grauen Teppich inmitten des Raumes. Ich ging einen Schritt nach vorne und zog die Schuhe aus, die ich neben die anderen stellte. Direkt unter den Mantel, der einen Duft von Sandelholz versprühte. Oder bildete ich es mir ein? Mein Gehirn lief auf Hochtouren, mein Herz trommelte vor Aufregung und die plötzliche Hitze, die mich überfiel sorgte dafür, dass rote Flecken auf meinem Gesicht erschienen. Oder der Spiegel, in den ich starrte, war eine fiese Zirkusattraktion, die nur zu gerne die Optik veränderte. „Sei nicht so schüchtern, Sakura“, lachte Naruto und zog an meinem Ärmel. „Fühl dich wie zuhause.“ Ich befeuchtete meine Lippen und ließ meinen Blick erneut über den Eingangsbereich schweifen. „Das ist Sasukes Wohnung?“, brachte ich über die Lippen. Naruto grunzte amüsiert und zog mich weiter hinein. „Das war nur der Eingang.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)