Virus von fragile ================================================================================ Kapitel 9: ----------- Ich spürte, wie meine Wangen einen Rotton annahmen und sich die Hitze der Aufregung, gepaart mit Überraschung und Ärgernis über die Aktion meiner besten Freundin, über meine Haut ausbreitete und sogar meine Ohren zum Kribbeln brachte. Mein Blick richtete sich auf meine Füße und ich verfluchte die gepunkteten Socken, die ich trug. In der nächsten Sekunde dachte ich an meine lausige Frisur, die aus einem einfachen Pferdeschwanz bestand. Ich schlug meine Hände vor das Gesicht und versuchte vor Scham im Boden zu versinken, während mir langsam bewusst wurde, dass S mich noch immer betrachten musste. Ein tiefer Seufzer verließ meine Kehle und ich war noch immer nicht gewillt, meine Hände vom Gesicht zu nehmen, auch wenn da eine kleine Hoffnung in mir aufkam, dass ich S sehen könnte. Mein Herz pochte bei dem Gedanken stärker. „Das ist so peinlich! Wie lange schon?“, nuschelte ich. Erneut drang ein amüsierter Laut aus den Lautsprechern. „Nicht allzu lange“, gab er als Antwort. „Ich hasse sie dafür“, brummelte ich. „Willst du nicht endlich die Hände vom Gesicht nehmen?“ Ich schüttelte den Kopf. „Niemals!“ „Für's Verstecken ist es zu spät, ich hab dich schon gesehen.“ „Und ich hoffe, es war nicht zu viel.“ „Ich denke es ist wichtiger, dass du deinem Blind Date beim ersten Treffen weniger von dir präsentierst.“ Er lachte kurz. „Jetzt komm schon, Sakura. Machen wir das Beste daraus. Ich hab nicht allzu viel Zeit.“ Widerwillig nahm ich die Hände vom Gesicht, nahm einen tiefen Atemzug und stellte mich meinem Videochat. Meine Augen huschten über den schwarzen Bildschirm und ich schürzte die Lippen. „Hey, wieso kann ich dich nicht sehen?“ „Das liegt daran, dass meine Kamera defekt ist.“ „Und warum?“ Ich klang enttäuschter als ich eigentlich klingen wollte und verschränkte die Arme vor der Brust. Während mich der dumme Pullover zu Tode zu kratzen versuchte, wippte ich nervös mit dem rechten Fuß. „Das ist ein wenig unfair, oder? Du kannst mich sehen, aber ich dich nicht.“ Ich hörte, wie er sich im Stuhl zurück lehnte und sich leise räusperte. „Es geht doch auch gerade um dich, nicht um mich.“ „Das-“ „Was für Klamotten hast du zur Auswahl?“ „Du kommst vielleicht schnell zur Sache“, nuschelte ich und musste ziemlich bockig klingen. Ich konnte nicht leugnen, dass ich verärgert war und mit hundertprozentiger Sicherheit sah S dies. Er schwieg und ich ergab mich seufzend meinem Schicksal. Mit meinen gepunkteten Socken stapfte ich aus dem Sichtfeld der Kamera und warf mit Absicht den Eso-Flatter-Rock ins Bild. „Weißt du, ich mochte den Rock wirklich sehr gerne“, grummelte ich, was mir ein erneutes Lachen einbrachte. Mein Herz hüpfte fröhlich in der Brust umher, wann immer ich sein tiefes Lachen hörte. Und da seine Erkältung so gut wie weg war, wurde es immer schöner. Ich schlüpfte in eine schwarze Hose und schnappte mir eine der Blusen. „Ich finde es wirklich unfair, dass du mich siehst und ich dich nicht. Ich werde solange hier stehen bleiben, bist du für einen Ausgleich gesorgt hast.“ Ich verschränkte die Arme vor der Brust und fühlte mich ziemlich siegessicher. Er seufzte tief. „Die Kamera ist wie schon erwähnt, defekt.“ „Ist das dein Ernst?“, erwiderte ich schnippisch. „Naruto hat sie kaputt gemacht, als er mit seiner Flamme geskypet hat. Beschwer dich also bei ihm, nicht bei mir.“ Ich rollte mit den Augen. Na klar, eine bessere Ausrede fiel ihm nicht ein? Wobei Naruto tatsächlich etwas chaotisch rüber kam, wenn man das nach ein paar kurzen Gesprächen überhaupt schon sagen konnte. „Du hättest dir ja eine neue kaufen können“, entgegnete ich. S‘ Lachen verschaffte mir eine Gänsehaut. „Komm schon, ich habe dir gesagt, dass ich nicht allzu viel Zeit habe.“ „Ich will einen Ausgleich.“ „Lass uns das ganze Outfit-Ding erst zu Ende bringen. Dann kannst du mir Vorschläge unterbreiten.“ Ich grinste breit, zupfte am Saum der Bluse herum und strich mit der Hand einen weißen Fussel von der Hose. Ich warf einen kurzen Blick auf den Kleiderschrank und überlegte für eine Sekunde, doch noch etwas anderes anzuziehen. „Brauchen Frauen immer solange?“ S‘ Stimme klang ein wenig ungeduldig. Ein Lachen drang aus meiner Kehle und ich trat selbstbewusst vor die Kamera, aber alles was ich erntete, war Stille. Nur allzu gerne hätte ich sein Gesicht gesehen, während er mich musterte. „Du siehst aus, als würdest du zu einem Geschäftsessen gehen.“ „Ich fühle mich eher so, als ginge ich zu einer Henkersmahlzeit.“ Meine Mundwinkel verzogen sich ein wenig bei dem Gedanken an das Blind Date, das ich eigentlich gar nicht wollte. Dennoch war da irgendwo der Drang doch über meinen Schatten zu springen. Mal dieses ganze was wenn er ein Axtmörder oder Vergewaltiger ist beiseitegeschoben, war das alles doch recht aufregend und neu. Natürlich lud meine Mom nicht irgendeinen Kerl ein. Sicher musste sie ihn kennen. Ihre einzige Tochter in Gefahr bringen? Niemals. Allerdings konnte ich mir wirklich gut vorstellen, wie meine Mutter diesem Kerl das Ohr vollgequatscht hatte und er eher notgedrungen zusagte, damit er endlich von ihrem Plappermaul verschont wurde. „Dramatisierst du das nicht ein bisschen zu stark? Geh hin, iss und geh wieder.“ Ein Kleidungsstück nach dem anderen wurde abschätzend begutachtet, hin und wieder verlangte er sogar, ich solle mich drehen. Ehrlich gesagt, kam ich mir ziemlich verarscht vor und ich wusste genau, dass er mich triezte. „Weißt du, Sakura. Das netteste, was du bisher anhattest, war das Weiße mit den schicken Socken“, lachte er plötzlich. „Weiß? Ich hatte nichts Weißes-“, ich stoppte und wurde schlagartig so rot wie eine Tomate, „du hast mich in meiner Unterwäsche gesehen?!“ Ino würde tausend Tode sterben. „Ich schlage vor, du trägst das schwarze Kleid, das da an der Tür hängt.“ Ich stemmte meine Hände in die Hüften und warf einen vorwurfsvollen Blick Richtung Kamera, aber kein weiteres Wort folgte von ihm. „Na gut, aber das ist das letzte Mal, dass ich mich umziehe“, entkam es mir etwas widerwillig. Ich wünschte mir, ich könnte im Erdboden versinken. Das war peinlicher als alles andere auf der Welt. Wäre genügend Platz im Kleiderschrank, hätte ich mich dort hinein verkrochen und wäre nie wieder hinaus gekommen. Leider war dieser dumme Kleiderschrank bei Weitem nicht so groß wie Inos, was übrigens daran lag, dass sie beschlossen hatte, einige ihrer Klamotten in meinem unterzubringen. Und den Staubsauger. Ich rollte mit den Augen und überlegte warum ich auch immer allem zustimmte, was sie sagte. Sicher lag das an diesen verdammten Kulleraugen. Kein Wunder, dass Sai sie sogar zu Shoppingtouren begleitete, ohne auch nur ein Widerwort zu geben. Shopping war okay. Aber Shopping mit Ino war genauso gut, wie sich selbst die Kugel zu geben. Er gab ein einfaches „Hn“ als Antwort und ehe ich etwas erwidern konnte, hörte ich die schrille Klingel durch die Lautsprecher. „Sorry, bin gleich zurück“, kam es schnell von ihm. Der Plan einfach krank zu werden, blinkte vor meinem inneren Auge auf und ich begann leise vor mich hin zu fluchen, während ich das Kleid vom Bügel nahm und aus dem Sichtfeld der Kamera ging. Ich zwang mich in das Dress und musste entsetzt feststellen, dass ich ein wenig zugelegt hatte, seit ich das Kleid zuletzt trug. Oder es war in der Reinigung eingegangen. Kurzerhand zog ich meinen Bauch ein und schloss den Reißverschluss am Rücken, den ich zu diesem Moment genauso verfluchte wie meine blonde Mitbewohnerin. Skeptisch betrachtete ich mich im Spiegel. „Nichts mehr essen bis Morgen“, schwor ich und strich über meinen kleinen Blähbauch und verzog meinen Mund. War es denn zu viel verlangt, einfach nur sexy auszusehen? Ich entfernte das Zopfgummi und schüttelte meine Mähne kurz. Dieses Kleid war das liebste Kleid, das ich besaß und ich wollte unbedingt S‘ Zustimmung. Sogar meine Socken streifte ich ab und schnappte mir die schwarzen Pumps, die unter meinem Bett lagen. Ich wollte ja nur eine Zustimmung für dieses Kleid, indem ich trotz ein paar Kilos mehr auf den Hüften, nach meinem Erachten immer noch hübsch aussah. Und eventuell endlich S sehen. Das war doch nicht zu viel verlangt oder? Ich schüttelte erneut meine Mähne und damit die kleinen Zweifel, die sich in meinen Kopf geschlichen hatten, davon und trat überzeugt vor die Kamera. „Oh, was für ein entzückendes Ding.“ Ich zuckte unter der mir fremden Frauenstimme zusammen. „Eh?“, brachte ich fragend hervor. Ziemlich geistreich von mir. „Sasuke, Schatz, du hast mir gar nicht erzählt, was für eine hübsche Freundin du hast.“ Ein Grinsen erschien auf meinem Gesicht, immerhin hörte ich erstmals den Namen des mysteriösen Mr. S. Warum war ich eigentlich noch nicht drauf gekommen, ihn danach zu fragen? Hin und wieder überlegte ich tatsächlich, wie sein Name wohl lautete. Seiichi, Shun oder Shigure spukten mir immer wieder mal im Kopf herum, aber an Sasuke hatte ich nie gedacht. Ich konnte mir gut vorstellen, dass S – also Sasuke, in diesem Moment die Augen rollte oder ein leises Zischen von sich gab. Ein Kichern entfloh mir. „Mom, du hast an meinem Computer überhaupt nichts zu suchen“, brummte er. „Sei still und mach mir lieber einen Kaffee oder eine Tasse Tee.“ Es war ein kaum hörbares Grummeln, aber eindeutig kam dieser Laut aus Sasukes Mund und ich unterdrückte ein Lachen. Wie schön es für meine Seele doch war, zu sehen, dass auch andere Kinder anstrengende Eltern zu haben schienen. Ich konnte hören, wie Sasuke sich entfernte und wohl dem Befehlston seiner Mutter gehorchte, was mir ein Schmunzeln auf das Gesicht zauberte. Sie räusperte sich und ich fokussierte mich erneut auf meinen Laptop. „Nun zu dir, meine Liebe. Gibt es also wirklich jemanden, der meinen Sohn dazu bringt, auch mal an andere Dinge zu denken?“ „Das, ähm, andere Dinge?“ Nervös pustete ich eine Strähne von der Stirn und zog die Pumps wieder aus. Ich schrumpfte um fünf Zentimeter und beschloss mich schnell hinzusetzen. Ihr Lachen klang hell und fröhlich. „Andere Dinge als ständig nur arbeiten.“ Warum auch immer, aber ich stellte mir vor, sie würde mir nett zuzwinkern. Sasuke schien ein richtiger Workaholic zu sein. „Ich bin übrigens Mikoto. Sasukes Mutter.“ Meine Mundwinkel zuckten amüsiert und ich setzte mich vor den Laptop. „Ich bin Sakura. Nett, sie kennen zu lernen.“ „Ich hab schon befürchtet, ich würde nie eine Frau präsentiert bekommen. Herrje, mein Buch-Club brachte mich schon für ein Weilchen dazu, daran zu denken, mein Sohn wäre schwul.“ Sie gluckste, was mich zu einem breiten Grinsen brachte. „Also nicht falsch verstehen, ich habe nichts dagegen. Wo die Liebe hinfällt, nicht wahr? Dennoch wünsche ich mir dann doch gerne Enkelkinder und er ist ja jetzt auch nicht mehr der Jüngste und-„ „Mom. Bitte heb dir das für unsere Familienfeiern auf, ja?“, bat Sasuke und stellte die Tasse auf den Tisch. „Karma“, lachte ich laut und hörte Sasuke genervt aufstöhnen. Das machte beinahe den Anblick meiner weißen Unterwäsche wieder wett. „Richtig, Familienfeiern. Ich würde nicht all meine Wünsche, was deine Zukunft betrifft, an Familienfeiern verkündigen, würdest du es endlich mal schaffen, auch ohne Feierlichkeiten bei deinen Eltern aufzukreuzen. Reicht es denn nicht, dass dein Bruder ständig unterwegs ist?“, fragte sie verbittert. „Er bereist ein Land nach dem anderen und wer weiß wo er jetzt gerade steckt, während du in der Arbeit versinkst und höchstens mal Naruto mit nach Hause bringst. Weißt du, dein Vater und ich würden wirklich sehr gerne Enkelkinder haben.“ „Es ist meine Entscheidung, wann ich Kinder will.“ Seine Stimme klang äußerst genervt, aber das steigerte mein Amüsement umso mehr. Ich kicherte. „Aber Sasuke, so ein kleines grimmiges Du… das wäre doch total süß.“ Während Mikoto ein lautes und kehliges Lachen entfloh, seufzte sich Sasuke angespannt durch die Tonleiter. „Genug auf meine Kosten amüsiert, ihr Zwei. Mom, du kannst ja schon mal auf die Terrasse gehen und deinen Kaffee genießen. Sakura, zurück zu dir.“ „Was genau macht ihr eigentlich?“, erkundigte sie sich. Ich lächelte in die Kamera, obwohl ich nicht einmal wusste, ob ich gerade angeschaut wurde oder nicht. „Ich habe morgen ein Blind Date und er hilft mir ein Outfit auszusuchen.“ Sie brachte ein enttäuschtes „Oh“ über die Lippen, ehe sie mit fester Stimme verkündete, dass ich sicher in allem schön aussähe, was mir einen leichten Rosaschimmer auf die Wangen zauberte. „Zieh auf jeden Fall dieses hübsche Kleid an, das du jetzt trägst“, bestimmte sie, „und nimm nicht zu viel Make Up. Man will doch dein liebreizendes Gesicht noch erkennen können.“ Ich nickte lächelnd. „So, Sasuke. Wir müssen jetzt unbedingt über den Geburtstag deines Vaters sprechen. Dieser Sturkopf weigert sich, eine Party steigen zu lassen. Ach, und Sakura… du bist natürlich gerne eingeladen zu kommen.“ Wieder entfloh mir ein Lachen und ich bedankte mich. „Sasuke? Wo ist hier das Eingabefeld? Ah, schon gefunden. Sakura?“ Ich hob fragend eine meiner Augenbrauen und wartete stumm auf ihre nächsten Worte. „Sollte sich dein Blind Date als komischer Kauz entpuppen, zögere nicht und melde dich, ja?“ Noch während sie ihren Satz zu Ende führte, ploppte das Nachrichtenfenster auf. Überrascht starrte ich die Nummer an, die mir soeben geschickt worden war und hörte ihr helles Lachen. „Sasukes Nummer“, kicherte sie. „Gut, bevor du jetzt noch mehr Sachen sendest, ohne zu fragen, beenden wir das jetzt“, hörte ich Sasuke sagen. „Wenn etwas ist, dann melde dich. Bis bald.“ Und bevor ich mich verabschieden konnte, war das Chatgespräch beendet. Ungläubig starrte ich das kleine Fenster an, in der mich die Nummer anzulachen schien. Ich grinste, schnappte mir mein Mobiltelefon und begann die Ziffern freudig einzutippen. Und gerade als ich auf den Speicher Button klicken wollte, ergab sich unser Stromnetz dem alten Haus und hüllte uns erneut in Dunkelheit. Ino stieß nebenan einen lauten Fluch aus. Ich hingegen quiekte freudig auf und unterdrückte das aufkommende Bedürfnis ihn sofort zu kontaktieren. „Dieses verdammte Haus“, schrie Ino. „Ich hab die blöde Gesichtsmaske im Auge!“ Mir entfloh ein Lachen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)