Down Hill 3: Crisis von Sky- ================================================================================ Kapitel 2: Die Diagnose ----------------------- Matt hatte kaum geschlafen und war müde und erschöpft. Außerdem machten ihm diese Kopfschmerzen zu schaffen. Die Zeit des Wartens verging quälend langsam, in der Dr. Helmstedter die Blutproben auswertete und diese Ungewissheit war kaum auszuhalten. Während der Wartezeit saß er meist bei Morph und Christine. Die beiden sahen ihm seine Unruhe deutlich an, doch die Soldatin selbst schwieg für ihren Teil. Nur Morph suchte das Gespräch. „Wie geht es dir bei der ganzen Sache, Matt? Ist sicherlich nicht leicht, eine Entscheidung zu treffen, oder?“ „Natürlich nicht“, gab dieser zu und kratzte sich am Kopf. „Warum musste es ausgerechnet Mello erwischen und wieso hat Umbra ihn gerettet? Irgendwie kommt mir das Ganze mehr als faul vor, aber ich weiß einfach nicht, wie ich das Ganze deuten soll. Wenn ich ehrlich sein soll, ich bin gerade ratlos.“ „Wen wundert es?“ kam es überraschend von Christine, die die Beine überkreuzt und ihre Jacke ausgezogen hatte, sodass nun ihre diversen Tätowierungen zu sehen waren. „Du bist erst 23 Jahre alt und damit noch viel zu jung für einen Shutcall. Das soll keine Kritik sein, aber dir mangelt es an Erfahrung. Das ist das Problem. Und wenn dann auch noch jemand involviert ist, der dir sehr nahe steht, ist es nur verständlich, dass man ratlos ist. Außerdem ist das Ganze tatsächlich sehr rätselhaft und auch ich könnte jetzt keinen Sinn darin erkennen, warum Umbra plötzlich einen Menschen rettet, anstatt ihn zu töten. Ich kann verstehen, dass es dir schwer fällt, eine Entscheidung zu treffen. Du bist der Shutcall, du triffst hier die Entscheidung, das ist Fakt und das ist der Weg, den du gewählt hast. Und wir werden dir helfen, so gut wir können und jede deiner Entscheidungen akzeptieren.“ „In diesen Momenten muss ich mich an etwas erinnern, was Kaonashi mal gesagt hatte, als ich mich mit ihm zu geschäftlichen Verhandlungen getroffen habe“, murmelte Morph und wirkte nicht weniger demotiviert als Matt. Er hatte zwar nicht die beste Meinung von Mello, aber diese Entwicklung ging auch nicht spurlos an ihm vorbei. „Um etwas zu bekämpfen, das nicht menschlich ist, muss der Mensch selbst zum Unmenschen werden und seine Menschlichkeit über Bord werfen.“ „Klingt ähnlich wie das, was unsere Ausbilder zu sagen pflegten“, bemerkte Christine, ging aber nicht weiter darauf ein. Dieses Gespräch half Matt aber auch nicht wirklich weiter. Er konnte sich gut vorstellen, dass es Mello auch ziemlich beschissen ging und er wahrscheinlich gar nicht geschlafen hatte. Die 24-Stundenfrist war fast vorbei und Helmstedter ließ sich immer noch nicht blicken. Er und seine Assistentin Birdie arbeiteten auf Hochtouren und von ihrer Diagnose würde Mellos Leben abhängen. Als Matt den Untergrund ins Leben gerufen hatte, hätte er sich nie im Leben träumen lassen, dass er mal in so eine Lage kommen würde und über das Leben seines besten Freundes und seiner einst großen Liebe entscheiden musste. Wirklich alles hätte er getan, damit ihm dies erspart blieb. „Sehen wir es einfach mal so“, begann Morph wieder nach einer längeren Pause, um das Schweigen zu brechen. „Mellos Chancen stehen vielleicht gar nicht mal so schlecht. Immerhin hat er nicht das reine Umbra-Gen injiziert bekommen, sondern bekam lediglich Umbras infiziertes Blut. Außerdem ist es doch seltsam, dass Helmstedter und Birdie nicht schon viel früher aufgefallen ist, dass er infiziert war. Immerhin haben sie ihn doch operiert und da hätten sie es sehen müssen. Wahrscheinlich sind diese Fähigkeiten nicht sonderlich stark ausgeprägt.“ Ja, auch Matt hatte sich bereits gewundert, warum erst jetzt aufgefallen war, dass Mellos Blut infiziert war. Wahrscheinlich lag darin ein winziger Hoffnungsschimmer, dass er seinem Freund das Todesurteil ersparen konnte. Aber andererseits konnte es vielleicht bedeuten, dass sich sein Zustand immer weiter verschlechtert hatte und es nur noch eine Frage der Zeit war, bis Mello zu einem zweiten Umbra wurde. Und bevor das geschah, würde Matt ihn töten, auch wenn es ihn schmerzte. Doch lieber wollte er Mello diesen Horror ersparen, zu so einem Monster zu werden. In diesem Moment sah er Bilder vor seinem inneren Auge, wie Mello immer unmenschlicher wurde und nicht mal mehr in der Lage war, zu sprechen oder andere zu verstehen. Doch kaum, dass er daran dachte, kehrte wieder der brennende Schmerz in seinen Kopf zurück, der meist nur einen kurzen Moment andauerte, so als würde ihn jemand mit einer glühenden Nadel stechen. Dabei hatte er diese Kopfschmerzen noch nie gehabt. Erst seitdem Mello hier war. Ob das vielleicht wirklich vom Stress her kam? Birdie meinte jedenfalls, dass es vielleicht psychosomatische Symptome sein könnten. Eigentlich auch kein Wunder. Nach den ganzen Dingen, die in der Vergangenheit geschehen waren, wunderte es ihn auch nicht wirklich, dass es ihm Kopfschmerzen bereitete. Das Ganze war ja auch ziemlich belastend, wenn man so darüber nachdachte. Da kam eben auch dieses gewaltige Gefühlschaos zustande und es wirkte sich dann in Form von Kopfschmerzen auf seinen Körper aus. Dieses verdammte Durcheinander von Gefühlen und diese Ungewissheit… Er hatte Mello gesehen, als er vor den Toren von Efrafa I gefunden wurde. Es war ein schockierender Anblick für ihn gewesen, vor allem weil Mello mehr wie eine Leiche als ein lebender Mensch ausgesehen hatte. Und dann war es auch noch ihr Wiedersehen nach vier Jahren gewesen. Als Matt erfahren hatte, was Mello alles zugestoßen war und dass er sogar noch im Hell’s Gate gelandet war, da hatte es ihn natürlich nicht kalt gelassen. Er war bestürzt gewesen, aber… irgendwie konnte er nicht das fühlen, was er eigentlich fühlen wollte. Natürlich wollte er auch wütend sein, um Mello endlich klar zu machen, dass es Grenzen gab, die er einfach nicht überschreiten durfte. Aber er wollte auch andere Dinge fühlen. Er wollte insgeheim wieder diese alten Gefühle für ihn haben und ihm wieder nah sein, so wie damals, als sie betrunken gewesen waren und er alles auf eine Karte gesetzt hatte. Ja er wollte wieder diese Liebe für Mello fühlen, trotz all der Dinge, die gewesen waren. Aber irgendwie kam ihm diese Liebe nur wie eine Erinnerung vor, die nicht seine war. Er wusste, dass er Mello geliebt hatte, aber jetzt kam es ihm so vor, als hätte es diese Gefühle nie gegeben. Als wäre Mello emotional ein Fremder für ihn. Und das belastete ihn natürlich, auch wenn er bisher niemandem davon erzählt hatte. Schließlich aber erhob sich Christine und entschuldigte sich kurz. „Ich muss in der Festung nach dem Rechten sehen und mich mit Nora besprechen. Ich werde in knapp einer Stunde wieder zurück sein.“ Damit verließ sie den Raum und schloss die Tür hinter sich. Wahrscheinlich aber war dies auch nur ein Vorwand gewesen, um zu gehen. Es war nicht auszuschließen, dass sie längst gemerkt hatte, dass Matt Probleme emotionaler Natur hatte und er jetzt ein Vieraugengespräch mit Morph brauchte, der ihm in solchen Sachen deutlich besser helfen konnte. Sie sah sich da eindeutig nicht in der Lage, ihm da zu helfen, da sie nicht so viel von Romantik oder einfühlsamen Gesprächen hielt. Außerdem konnte bei einer schwulen Beziehung am allerbesten ein schwuler Mann helfen. Morph schien wohl den gleichen Gedanken zu haben und rückte seinen Hut zurecht. „Jetzt sag schon, was dir auf der Seele lastet, mein Freund. Ich sehe dir doch an, dass dich diese verkorkste Beziehung zwischen dir und Mello belastet.“ Matt nahm seine Fliegerbrille ab und rieb sich die Augen. Es war irgendwie eine seltsame Angewohnheit von ihm, die er schon seit seiner Ankunft in Down Hill hatte. Manchmal kam er sich selbst schon fast fremd vor, denn er hatte ganz plötzlich mit dem Rauchen aufgehört und Videospiele spielte er auch kaum noch. Naja, wahrscheinlich war das auf den heftigen Schlag auf dem Kopf zurückzuführen, der ihn fast getötet hatte. Danach hatte er so einige Gedächtnislücken gehabt und wahrscheinlich hatte dies auch diese kleinen Verhaltens- und Charakterveränderungen zur Folge gehabt. „Ich bin nach wie vor furchtbar wütend auf ihn. Aber… irgendwie wünsche ich mir, dass da noch etwas anderes wäre.“ „Etwa Liebe?“ Matt antwortete nicht darauf, aber er wusste, dass Morph sich so seinen Teil dachte. „Ich weiß, dass ich ihn wirklich geliebt habe“, begann der 23-jährige zu erklären. „Aber irgendwie kommt mir das so vor, als wäre das nur eine Art Traum gewesen. Natürlich ist das alles wirklich passiert, aber ich fühle mich einfach nicht so. Es kommt mir so vor, als hätte es diese Gefühle nie gegeben. Aber…“ „Du würdest ihn gerne lieben“, ergänzte der inhaftierte Journalist und nickte. „Das Problem ist, dass du dich emotional von ihm gelöst hast. Diese Liebe, die du für ihn empfunden hast, ist offenbar erloschen, obwohl du dir wünschst, es gäbe sie noch.“ „Total bescheuert, oder?“ „Ach was. Das passiert vielen Ehepaaren, die nichts für die Beziehung tun, sodass irgendwann die Luft raus ist. Da erlöschen leider Gottes auch diese Gefühle mit der Zeit. Ist nicht gerade erfreulich, ich kenne das. Ich hab mir oft gewünscht, nicht schwul zu sein und meine Frau lieben zu können. Dann wäre vielleicht vieles einfacher gewesen.“ „Und was soll ich machen? Kann man da überhaupt noch irgendetwas tun?“ „Nun, das kann niemand sagen. Man kann aber versuchen, daran zu arbeiten. Wenn du wirklich wieder diese alten Gefühle für Mello empfinden willst, dann solltest du darüber nachdenken, dich neu in ihn zu verlieben. Das geht auch. Klappt zum Beispiel bei Menschen, die sich nach einer retrograden Amnesie neu in ihren Partner verlieben, an den sie sich nicht erinnern. Ich habe da sogar schon mal jemanden interviewt. Aber es liegt ganz bei dir und vor allem auch an ihm, wie viel er dafür bereit ist zu tun. Es wird jedenfalls nicht leicht werden, das kann ich dir jetzt schon sagen. So etwas erfordert harte Arbeit und nicht immer gelingt es. Das muss ich leider auch sagen. Ich habe wirklich oft genug versucht, mich in meine Frau zu verlieben, aber letzten Endes konnte ich nichts daran ändern, dass ich keine Liebe für sie empfinden kann. Womöglich lag es aber auch daran, weil ich für sie nie etwas empfunden habe. Bei dir ist es anders. Du hast Mello geliebt und du hast die Motivation, dich wieder in ihn zu verlieben, obwohl er so eine Scheiße mit dir abgezogen hat. Vielleicht klappt da was. Aber… wenn die Diagnose von Helmstedter nicht so ausfällt, wie du es dir erhoffst, dann wirst du gezwungen sein, eine Entscheidung zu treffen. Du musst dann klare Position beziehen und das tun, was du für richtig hältst. Du bist der Shutcall, diese Entscheidung kann dir niemand abnehmen. Außer vielleicht du gibst deinen Posten weiter, dann würde ein anderer über Mellos Leben entscheiden.“ „Was würdest du an meiner Stelle tun?“ „Das kommt auf die Diagnose an. Wenn Hoffnung für ihn besteht, würde ich ihn unter meinen Schutz stellen, auch wenn er ein Vollidiot ist, der schneller mit der Faust zuschlägt als er nachdenkt. Wenn er eine eventuelle Gefahr darstellt, würde ich ihn dort unterbringen, wo er kaum eine Gefahr darstellt und man ihn unter strenger Beobachtung hat. Und sollte er sich zu einer großen Bedrohung entwickeln, würde ich ihn wegsperren und eine Möglichkeit suchen, um ihm zu helfen. Und wenn ich keine Möglichkeit finde und es keinen Ausweg mehr gibt, werde ich dann entweder sein Leid beenden oder warten, bis der letzte Rest Menschlichkeit erloschen ist, damit ich wenigstens keine ethischen Vorbehalte habe, was dann die Experimente mit ihm betrifft.“ Eigentlich hatte Morph ja Recht. Es war die vernünftigste Entscheidung, aber er fürchtete sich vor der Diagnose. Wieder rieb er sich die Augen und fragte erschöpft „Wie spät?“ „Wir haben jetzt gleich 19 Uhr. Also dürfte die 24-Stundenfrist jetzt gleich vorbei sein.“ Nun, dann war auch die Wartezeit endlich vorbei und er würde gleich Gewissheit haben. Damit erhob sich der 23-jährige und verließ den Raum, Morph folgte ihm. Es war ein unsäglich schwerer Gang für Matt und er spürte, wie die Aufregung stieg. Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, aber es fiel ihm immer schwerer. Wahrscheinlich hatte sich Mello nicht anders gefühlt, als er zu Helmstedters Labor gegangen und sein eigenes Todesurteil vor Augen hatte. Matt hatte nie an so etwas wie Gott geglaubt und jetzt, in dieser Hölle hier, würde er auch ganz gewiss nicht anfangen an Gott zu glauben. Denn hier gab es keinen Gott… nur den täglichen Kampf ums Überleben. Matt erreichte schließlich das Labor, klopfte der Höflichkeit halber kurz an und trat dann ein. Das Labor war schon seit der Eröffnung von Down Hill vor 21 Jahren in Betrieb und mit modernster Technik ausgestattet und ermöglichte nicht nur genaue Analysen und Untersuchungen, sondern auch chirurgische Eingriffe, damit keiner der Insassen das Gefängnis verlassen musste. Es gab genügend Fälle, wo solche Krankenhauseinlieferungen eine beliebte Fluchtmöglichkeit für Insassen waren. Und mit dieser Einrichtung wurde ihnen selbst diese Alternative genommen. Der Geruch von Desinfektionsmitteln stieg Matt in die Nase und er sah Birdie an einem Tisch sitzen und wie sie etwas durch ein Mikroskop zu erkennen versuchte, während der Doktor selbst mit den Blutproben arbeitete. Obwohl er seit 24 Stunden nicht mehr geschlafen hatte, wirkte er noch hellwach und fit. Die Ankömmlinge schien er bei seiner Arbeit nicht sonderlich zu beachten, sondern ging seiner Tätigkeit seelenruhig weiter nach, sodass Matt natürlich nachfragen musste. „Also Dr. Helmstedter, sind Sie mit der Analyse soweit fertig und können eine Diagnose treffen?“ „Einen kurzen Moment noch…“ Der Doktor hob eine kleine Blutampulle hoch und hielt sie gegen das Licht, wobei er sie ganz vorsichtig schüttelte. Er rückte seine Brille zurecht und schwieg einen Moment nachdenklich, dann aber meinte er „Enttäuschend. Keine Hinweise auf eine Polycythaemia vera…“ „Doktor?“ „Polycythaemia ist auch als Krebserkrankung bekannt und führt aufgrund der erhöhten Zellenanzahl zu einer Blutverdickung. Aber anscheinend war es wohl etwas anderes…“ Etwas ungeduldig räusperte sich Matt, woraufhin er seine Frage mit der Diagnose wiederholte. Daraufhin stellte Dr. Helmstedter die Blutprobe zurück und rückte erneut seine Brille zurecht. „Ach ja… die Diagnose. Nun, Birdie und ich haben die Proben genauestens untersucht. Sowohl das Blut des Infizierten, als auch diese Probe hier.“ Und damit zeigte er ihnen ein Reagenzglas mit einer pechschwarzen Substanz darin, die er aus Mellos Wunde gewonnen hatte. „Bedauerlicherweise konnte ich keine Veränderung seiner normalen Blutwerte feststellen und Umbras Gen auch nicht nachweisen. Es ist, als ob es gar nicht existiert.“ Verwirrt runzelte Matt die Stirn. „Und was bedeutet das?“ „Dass das Umbra-Gen nicht dominant genug ist, um seine Blutzellen permanent zu befallen. Der Vorgang sieht dabei folgendermaßen aus: Das Umbra-Gen verschmilzt quasi mit der DNA und schreibt eine bestimmte Frequenz um, die die Blutproduktion steuert. Der Körper produziert daraufhin neues Blut, welches den Kühlungsprozess des Körpers zur Folge hat, woraufhin der Blutdruck gesenkt und das Blut selbst sich verdickt. Dabei spricht man vom Blood-Freezing. Allerdings ist dieser Prozess bei Mello nur bruchstückhaft, was darauf zurückzuführen ist, weil er nicht das reine Umbra-Gen besitzt. Stattdessen wurden nur Bruchstücke der entsprechenden DNA-Frequenz beeinflusst, sodass sein Körper nur in bestimmten Situationen die Umbra-Blutzellen produziert. Nämlich bei einer starken Adrenalinausschüttung, zum Beispiel bei Schmerzen oder großen Stress. Die Umbra-Zellen vereinnahmen dann die Blutkörperchen, sammeln sich an den verletzten Körperstellen und verbinden sich, dabei wird die Körpertemperatur reguliert, wodurch dann der Blood-Freezing Prozess stattfindet. Der Körper beginnt daraufhin mit dem Wundheilungsprozess und dabei werden die Umbra-Zellen wieder vollständig abgebaut, sodass sie sich nicht mehr nachweisen lassen.“ „Bei Mello verhält es sich ähnlich mit einem HIV-Infizierten“, erklärte Birdie, um es ihnen halbwegs bildlich zu veranschaulichen. „Er hat zwar eine Infektion, aber die Krankheit, also sprich AIDS, hat er nicht. Folglich also kann er nicht zu Umbra werden, zumindest gehen wir momentan noch davon aus. Dies ist erst mal nur eine vorläufige Diagnose.“ Das klang schon mal viel versprechend, doch Matt wollte sich nicht allzu viele Hoffnungen machen, denn es konnte noch ganz anders ausgehen. „Und geht von ihm eine Gefahr aus?“ „Das lässt sich noch nicht zu hundert Prozent sagen“, gab die tollpatschige Ärztin zu. „Dazu müssten wir die Proben längere Zeit untersuchen, um zum Beispiel ein Wachstum feststellen zu können. Aber bisher reagierte Mellos Blut nicht und die Zellen ließen sich wie gesagt nicht nachweisen. Folglich also ist die Gefahr gering, dass er zu einer Bedrohung werden könnte.“ Innerlich atmete Matt auf, aber auch nur innerlich. Nach außen hin blieb er weiterhin gefasst und so fragte er weiter „Und wie hoch ist sein Nutzen für die Experimente?“ „Schwierig zu sagen“, murmelte Birdie und warf putzte schließlich ihre Brillengläser. Bevor sie aber weitersprechen konnte, ergriff Dr. Helmstedter wieder das Wort. „Die Problematik in seinem Fall besteht darin, dass es sich bei ihm lediglich um einen Penumbra handelt, also um einen Halb-Umbra. Sein schwarzes Blut reagiert lediglich so lange, bis der Körper mit der oberflächlichen Wundheilung fertig ist. Und in seinem Fall schreitet sie sehr schnell voran. Ich wage zu behaupten, dass wir sein Blut kaum verwerten können, solange er keinen starken Schmerzen ausgesetzt wird. Auch eine Ansteckung dürfte kaum möglich sein. Aber dies ist lediglich eine oberflächliche Diagnose. Näheres kann ich nur sagen, wenn ich noch ein paar Tage bekomme, um das Umbra-Blut zu untersuchen.“ Matt verschränkte die Arme und dachte nach. Mello war also lediglich ein Halb-Umbra und das schwarze Blut war zu schwach, um vollständig von ihm Besitz zu ergreifen, weil wahrscheinlich die verabreichte Menge zu schwach war. Demnach also konnte er Mellos Todesurteil abwenden und ihm noch eine Chance geben. „Das heißt dann also, wir müssen Mellos Leben nicht unbedingt opfern.“ „Es wäre sinnvoll, einige Versuche durchzuführen und anhand dessen festzustellen, wie sein Umbra-Blut reagiert.“ „In Ordnung“, meinte Matt und nickte bedächtig. Er ging noch mal alle Fakten durch und versuchte eine Lösung zu finden, die alle Beteiligten zufrieden stellte, vor allem aber seinem Freund das Leben rettete. Eine Weile lang herrschte nachdenkliches Schweigen, bis er dann zu dem Entschluss kam „Sie haben die Umbra-Proben, Dr. Helmstedter und können diese näher auf ihre Bestandteile untersuchen. Aber ich will keine unnötigen Opfer, die sich auch vermeiden lassen könnten. Aus diesem Grund sehe ich davon ab, Mello an Umbras Stelle für die Versuche einzusetzen und sein Leben aufs Spiel zu setzen, wenn es nicht die entsprechenden Resultate liefert, die den ganzen Aufwand wert ist. Ich werde Mello unter meine Beobachtung stellen und er wird in Efrafa bleiben. Wenn keine akute Gefahr von ihm ausgeht, dann sehe ich auch kein Grund, ihn zu isolieren und ihn durchzufüttern. Und vielleicht könnten seine Fähigkeiten auch zu unserem Vorteil sein. Wenn seine Wundheilung wirklich schneller ist und Umbras Blut ihm erlaubt, trotz der Freisetzung bei Verstand zu bleiben, können wir ihn beobachten und anhand dessen erkennen, ob es wirklich risikofrei ist, wenn wir Umbras Blut an den anderen austesten.“ Birdie war von der Idee begeistert, was aber auch daran lag, weil sie jeden sofort ins Herz schloss und deshalb sicherlich nicht weniger getroffen wäre wie Matt, wenn Mello für die Experimente geopfert wurde. Was Dr. Helmstedter betraf, so ließ sich nicht direkt erkennen, wie er zu der Sache stand. Dieser Mann war Matt sowieso manchmal ein Rätsel und nicht gerade die vertrauenswürdigste Person. Als Arzt war der Mann ein wahres Genie, das ließ sich nicht leugnen. Aber als Mensch… tja, da würde er nicht unbedingt seine Gesellschaft suchen. Er war sich auch sicher, dass es Helmstedter nicht anders erging und er lieber eine andere Form der Gesellschaft suchte. „Nun gut“, meinte er schließlich und ein eiskaltes Lächeln, welches schon fast bedrohlich und unheilvoll wirkte, spielte sich auf sein Gesicht. „Ich werde mich nach dem Willen des Shutcalls richten und die Proben weiter untersuchen. Wenn ich die Bestandteile habe, werde ich dann auch wieder im Besitz des reinen und unvermischten Umbra-Gens sein, mit dem sich dann auch eine Möglichkeit finden wird, durch die Todeszone zu kommen.“ Damit war dies geklärt, aber Matt beschlich irgendwie ein ungutes Gefühl, wenn Dr. Helmstedter das sagte. Er bedankte sich bei Birdie und Helmstedter für die schnelle Diagnose und verließ das Labor. Immer wenn er dort war und diesen ekelhaften Desinfektionsgeruch in der Nase hatte, wurde ihm fast schon klaustrophobisch zumute und er bekam Kopfschmerzen. Er konnte nicht erklären wieso, aber er hasste dieses Labor. Es machte ihm irgendwie Angst… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)