Der Schatz von Daelis ================================================================================ Kapitel 4: ...ist wieder da! ---------------------------- Kaum, dass das zerbrechliche Plastik in ihren ausgebreiteten Händen landete, breitete sich auch schon ein erleichtertes Lächeln auf den Zügen der Tres Espada aus. Er war wieder da. Ihr Schatz war wieder da! Zu ihrem Glück hatte sich der Sexta Espada umgewandt und war in seinem Trakt verschwunden, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, denn sonst hätte ihr glückliches Gesicht ihm klar verraten, wie wichtig ihr dieser wertlose kleine Kugelschreiber war. So aber konnte niemand sehen, wie die grünhaarige Frau den Stift an ihre Wange hielt und glücklich lächelte. Ganz von selbst wanderten ihre Gedanken zu dem Tag, an dem sie in Besitz dieses Kleinodes gekommen war, das seitdem den Platz als 'Schatz' eingenommen hatte, während ihre Beine sie ganz automatisch in Richtung ihres eigenen Zimmers trugen. Denn in der Tat, das hatte Grimmjow richtig erkannt, stammte der Stift ursprünglich von Nnoitra Gilga, dem Octava Espada, dessen Kampfeslust selbst die des Blauhaarigen noch in den Schatten stellte. Als wäre es erst gestern gewesen, kam ihr der frische Wind, der an jenem Tag wehte in Erinnerung und trug mit sich die Worte, die gefallen waren. “Dummes Weibsbild, du verficktes kleines Stück Müll! Dieses Mal mache ich dich fertig!“ Nnoitra hatte sich zu seiner vollen Größe, immerhin über zwei Meter, vor ihr aufgebaut und plusterte sich mächtig auf. Sie seufzte tief und hoffte innerlich, wohl wissend, dass es eine vergebliche Hoffnung bleiben würde, dass sich der Octava Espada doch noch zurückziehen und sie in Frieden lassen würde. Lernte er denn nie dazu? Immer wieder stieß sie diesen Mann in den Dreck und bewies, dass sie die Stärkere war. Er war nicht einmal ein wahrer Krieger, sondern eher eine triebhaft wütende Bestie, die den Kampf liebte und suchte. Wie oft musste sie ihn noch in den Staub befördern, bevor er verstand, dass er ihr unterlegen war? Sie schloss die Augen und ließ die Beleidigungen, mit denen der schwarzhaarige dünne Mann sie jedes Mal, wenn sie sich trafen bedachte, und an die sie sich schon beinahe gewöhnt hatte, einfach an sich abprallen. Er würde wieder verlieren. Wie immer. Wie jedes Mal. Seit sie ihm vor ein paar Tagen das Leben bei einem gemeinsamen Auftrag im Namen Aizens gerettet hatte und er ihr sein Leben verdankte, war es sogar noch schlimmer geworden. Sie hatte gehofft, dass dieser Umstand ihn endlich zur Vernunft bringen und ihr Ruhe vor ihm verschaffen würde, doch das Gegenteil war eingetreten und er schien sie mehr zu hassen, als je zuvor. So sehr sie seine Art zu kämpfen und die Lebensphilosophie, die für den Octava Espada dahinter stand, auch verabscheute und wie wenig sie bereit war, ihn als Krieger anzuerkennen, so musste sie doch zugeben, dass es ihr auch ein wenig imponierte, dass er, egal wie oft sie ihn in den Staub trat, immer wieder den Willen fand, sich zu erheben und weiterzukämpfen und selbst wenn er verloren hatte stets neue Motivation fand, sie erneut herauszufordern. Es war lästig, keine Frage, doch es war auch beeindruckend. Sie ahnte bereits, dass ihre eigene Abscheu gegen den dünnen Mann längst schwand und etwas anderem wich. Es war Neliel bereits aufgefallen, als sie sich zwischen ihn und den ihm überlegenen Angreifer gestellt hatte, um sein Leben zu bewahren. Zwar hätte sie dies in jedem Falle getan, da es unbedingt galt, als Krieger seine Kameraden zu unterstützen – und aufgrund Aizens Befehlen war Nnoitra das nun einmal – doch wisperte bereits eine leise Stimme in ihr, dass sie ihn retten wollte. Widerwillig blockte sie die erste Attacke des Octava, doch allzu bald folgten weitere Angriffe. Nnoitra wollte diesen Kampf und sie wusste, dass sie erst ihre Ruhe hätte, wenn sie ihn schnell besiegte, denn aufgeben gehörte absolut nicht zu dem Wortschatz des Schwarzhaarigen. Es dauerte nicht lange und beide Espada standen sich in Resureccion gegenüber. So schnell wie der Kampf begonnen hatte, endete er allerdings auch wieder, als Neliel den niedriger gestuften Espada mit Gamuza niedertrampelte und dieser im wahrsten Sinne des Wortes Staub schmeckte. Nach dem Kampf hatte sie den dünnen Mann in sein Zimmer getragen. Natürlich hatte ihm das ganz und gar nicht gefallen und er hatte den ganzen Weg über wüst geschimpft und geflucht, doch sie hatte gesehen, wie wackelig er auf den Beinen gestanden hatte und war nicht davon ausgegangen, dass er es alleine bis in sein Bett schaffte. Also hatte sie entschieden, ihn zumindest bis in seine Räumlichkeiten zu begleiten, um sicherzustellen, dass er ankam, wo er hingehörte. An der Tür blieb sie stehen und ließ den Octava, der sie nun erbost anfunkelte und dem nun scheinbar sogar die Beleidigungen ausgegangen waren, los, der noch immer recht unsicher auf seinen stelzenartigen Beinen stand. „Du...“, begann er zischelnd. Sie schmunzelte. Er lernte wirklich nie dazu. Keine Chance. Nnoitra würde nie aufgeben und sie immer wieder herausfordern, bis er womöglich wirklich eines Tages siegte. Sie hatte die Augen geschlossen und sich nicht ohne ein gewisses Amüsement diesem Gedanken hingegeben, als etwas sie mit einem leisen 'Klong' an der Maske auf ihrem Kopf traf. Das Geräusch riss sie aus ihren Gedanken und veranlasste sie die Augen zu öffnen und verdutzt zu Nnoitra zu sehen, der den Gegenstand, der nun in ihre Hände fiel und den sie als Stift identifizierte, geworfen hatte. Der Octava Espada stand neben seinem Schreibtisch, auf diesen gestützt und starrte sie missgelaunt an. „Was grinst du denn so blöd, dusselige Ziege.“ So nannte er sie oft, verglich er doch ihre Resureccion gerne mit einer Ziege. „Wirds bald? Hau ab!“, giftete der Schwarzhaarige weiter, als sie sich nicht anschickte, ihm zu antworten. Sie hatte sich einfach umgedreht und war gegangen, den Stift noch immer in den Händen. Dass sie ihn mitgenommen hatte, war ihr erst aufgefallen, als sie in ihren Räumen ankam und sich dort auf das Sofa warf, wo ihre Fraccion, ihre Freunde, bereits auf sie gewartet hatten. Seit diesem Tage hatte sie viel über Nnoitra nachgedacht – und den Kugelschreiber, den sie behalten hatte. Der Octava Espada hatte nie danach gefragt und konnte sich vermutlich nicht einmal an diesen Zwischenfall erinnern, musste sich Neliel eingestehen, doch für sie war es ein besonderer Tag gewesen. Der Tag, an dem sie erkannt hatte, dass sie sich ganz ohne es zu merken, in Nnoitra verliebt hatte. Sie legte den Stift an ihre Lippen und schloss die Augen, spürte die gravierte '8' unter ihren Lippen und schwelgte noch einige Momente in dieser Erinnerung, bevor sie ihn an seinen Platz auf dem Schreibtisch legte, abseits vom allgemeinen Chaos, an eine sichere Stelle, damit sie ihn stets ansehen konnte und er nicht verloren ging. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)