Warum erwachsen werden von Amunet ================================================================================ Kapitel 33: Kapitel 33 ---------------------- Peter starrte auf den Felsen, dessen Anblick James so verzückte. Doch egal wie lange und wie konzentriert er darauf blickte, ob er blinzelte oder nicht, er konnte keine Höhle entdecken. James neben ihm wurde ungeduldig, weil Peter scheinbar nicht begriff, was da vor ihnen lag, aber Peter verstand. Der Eingang zur Höhle war seinen Augen verborgen. Er war kein Pirat. Hook hatte doch gesagt, dass die Piratenhöhle seiner Neugier bisher entgangen war, weil die Höhle nur für Piraten war. Jetzt wusste Peter auch, was dies bedeutete. Nur mit den Augen eines Piraten war der Eingang der Höhle zu sehen. Mit den Zähnen auf der Unterlippe kauend, fragte Peter sich, ob es ihm überhaupt möglich war, die Höhle zu betreten, oder ob die Anstrengungen der letzten Tage vergebens waren. Was sollte er machen, wenn nur James hineingehen konnte? Was, wenn er das Gift niemals in Händen halten würde? „Und? Kannst du sie noch immer nicht sehen?“, fragte James, packte ihn am Arm und zog in voll Elan mit sich. „Nein.“ „Wie kann das sein? Der Eingang ist riesig! Drei Mann passen locker hinein. Ein Schild von der Größe eines Kalbs hängt über dem Eingang. Die Piratenflagge ist aufgemalt.“ „James…“, sagte Peter, stemmte seine Füße in den Boden und versuchte, seinen Arm zu befreien. „Was?“, meinte James gereizt und blieb plötzlich stehen, um Peter anzusehen. „Ich kann die Höhle nicht sehen, weil ich kein Pirat bin.“ „Aber wenn du sie nicht sehen kannst – wie gedachtest du dann, hinein zu kommen?“ Peters Schweigen war ihm scheinbar Antwort genug. „So ist das… Deshalb wolltest du mich nicht zu den anderen Erwachsenen lassen. Hast du mir deshalb auch Informationen über mein altes Leben versagt? Weil du befürchten musstest, ich würde dich alleine lassen?“ „Ein wenig“, gestand Peter, welcher den Hauptgrund ganz woanders sah. Wie hätte er einen Kapitän James Hook ohne Erinnerungen auf einer gefährlichen Insel wie Nimmerland alleine lassen können? Wie hätte er ihn, der ohne Gedächtnis so verwundbar wie ein Kind war, verlassen können? Vergessen waren alle seine Gedanken an Rache. „Ein wenig?“, echote James. Seiner Körperhaltung konnte Peter nur allzu deutlich entnehmen, dass er wütend war. „Weshalb dann noch? Weshalb sollte ich noch bei dir bleiben?“ James‘ Vergissmeinnichtblaue Augen durchbohrten Peter. Verzweifelt suchte er nach Worten, um James zu beruhigen, doch seine Zunge verweigerte ihren Dienst. So musste er hilflos mit ansehen, wie James‘ Zorn sich steigerte. „Hast du deshalb mit mir geschlafen?“ „Was?“, fragte Peter geschockt. „Hast du deshalb mit mir geschlafen? Damit ich bei dir bleibe? Dich in die Höhle lotse?“ „Nein!“ Wie konnte der Pirat ihm nur etwas Derartiges vorwerfen? „Wirklich?“, bohrte James nach, packte Peters Schultern grob, den der plötzliche Schmerz zum Aufstöhnen brachte. „Wirklich!“, schrie Peter und versuchte, sich aus dem brutalen Griff zu befreien, doch je mehr er sich wehrte, umso fester hielt James ihn. Tränen schossen ihm in die Augen und dann, von einer Sekunde auf die andere, ließ James abrupt los. Wimmernd fiel Peter auf seine Knie. Er wusste nicht, weshalb, aber er konnte seine Gefühle nun keine Sekunde länger unterdrücken und er weinte. Laut, schniefend, mit bebenden Schultern. Dumpf registrierte er, dass James ein paar Meter von ihm weg ging, nur um dann wieder umzudrehen und sich ebenfalls hinzuknien. Seine Hand zuckte vorsichtig von ihm zurück, aber letztlich legte er sie auf Peters Schulter, der den Körperkontakt befremdlich fand. Schlimm wurde es jedoch erst, als James ihn in seine Arme zog. „Es tut mir leid“, flüsterte er in Peters Haar. Peter hörte es, dennoch konnte er seine Tränen nicht mehr stoppen und letztlich wurde James‘ geflüsterte Entschuldigung, die solange in Peters Ohren klang, bis die letzte Träne vergossen war und Peter sich wieder beruhigt hatte, zu einem andauernden Mantra. Mit geröteten Augen sah Peter auf, direkt in James‘ Gesicht. Er sah das Bedauern in dem gebräunten Gesicht, sah die Reue für sein vorschnelles Verhalten und etwas in Peter begehrte auf und sagte, dass dies keine Rolle spielte. Auf ein Neues hatte der Pirat ihn verletzt. Welche Rolle spielte es, ob dieser Mann dabei Hook oder James war? Wenn lieben bedeutete, erwachsen zu werden, sich verletzlich zu machen, weshalb sollte er das wollen? Weshalb sollte irgendjemand das wollen? Aber Peter spürte auch diese andere Seite in sich, die, welche James verzeihen wollte. Die, welche es auch lieber hatte, wenn sie sich vertrugen. „Glaubst du das wirklich?“, fragte Peter und entzog sich der Umarmung, die bisher immer Geborgenheit vermittelt hatte und sich jetzt wie ein Gefängnis anfühlte. „Ich… Nein. Ich weiß, du könntest so etwas nicht tun.“ „Weshalb behauptest du es dann?“ Peter war verwirrt, geschockt, durcheinander. „Weil ich plötzlich Angst hatte.“ „Angst? Du? Wovor?“ Der Hook, den Peter kannte, ja sogar der James, den Peter hatte kennenlernen dürfen, hatte sich nie gefürchtet. „Versteh doch! Seit Samantha‘s Verrat habe ich nie wieder solch tiefe Gefühle zugelassen. Doch das mit dir – es unterscheidet sich. Bei dir zu sein fühlt sich realer an als alles, was ich jemals mit Frauen geteilt habe. Nur… Es verunsichert mich. In deiner Nähe fühle ich mich wieder wie der unreife Bursche, der in die Falle getappt ist. Kann ich dir trauen? Oder wirst du mich ebenfalls verraten? Wirst du mich eines Tages ebenso hintergehen, wie Samantha es tat?“ Peter war gerührt. Sein Herz verzieh James, wenngleich es vor Scham schier erstickte. Er betrog diesen aufrichtigen Mann bereits. Nicht mit seinem Körper, sondern mit seinem Handeln. Er agierte hinter James‘ Rücken und plante, den Mann, für den er so unerklärlich viel empfand, dem er seine Unberührtheit geschenkt hatte, zu vergiften, um ihm die letzten Geheimnisse von Kapitän Hook zu entlocken. Aber wollte er das überhaupt noch? War der Mann vor ihm nicht längst wichtiger geworden als das Abenteuer? Der Blick aus Peters grünen Augen wurde ganz weich, während er das Gesicht des Mannes vor ihm betrachtete. Er spürte, wie sein Herz für James überquoll mit einem wärmenden Gefühl, für welches Peter keinen Namen kannte. Was es auch war, es verleitete ihn zu den nächsten Worten. „Versprich mir, dass du nie wieder so etwas Schreckliches zu mir sagst.“ „Das verspreche ich.“ Die pure Erleichterung sprach aus James. „Dann ist jetzt wieder alles gut?“ „Ja. Nein. Da gibt es etwas, das ich dir sagen muss. Es geht um das, was wir in der Höhle finden.“ „Ist mir egal“, sagte James ernst. „Gleich, was es ist, es spielt keine Rolle, denn ich vertraue dir.“ „Darum geht es doch“, meinte Peter, dessen schlechtes Gewissen pochte. „Ich muss es dir sagen.“ „Dann sprich“, lächelte James ihn auffordernd an und die Schuld drückte Peter beinahe nieder. „In der Höhle, da finden wir ein Fläschchen-“ „Kapitän!“ Der Ruf von Smee unterbrach Peter mitten im Satz. „Kapitän, da seid Ihr ja!“ Alles was Peter noch hatte sagen wollen, ging in dem Getöse der Piraten unter, die nun als allen Ecken angestürmt kamen und ihn und James umzingelten. Fortsetzung folgt… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)