Warum erwachsen werden von Amunet ================================================================================ Kapitel 24: Kapitel 24 ---------------------- Seit geschlagenen fünf Minuten starrte Peter den Mann vor sich an. Nur dumpf registrierte er, wie die Miene Hooks permanent fragender und ungeduldiger wurde. Was sollte Peter ihm nur sagen? Oder war dies vielleicht eine neue List, die ihn verwirren sollte? Wenn ja, so funktionierte sie einwandfrei. Peter war verwirrt. Oder war es tatsächlich die Blume gewesen? Aber Peter hatte gänzlich anderes mit der Pflanze im Sinn gehabt. Die Blume sollte ihm helfen, Hook zu vergessen, nicht umgekehrt! „Junge“, forderte Hook da, ohne zu bemerken, dass er Peter inzwischen duzte, „sprich mit mir! Da du mich zu kennen scheinst, und sich hier niemand anderer befindet, der meine Fragen beantworten könnte – Sag mir wer ich bin!“ Peter räusperte sich. „Du bist Kapitän James Hook.“ „Hook? Bist du sicher, dass dies mein Name ist? Er ist so wenig vertraut.“ Auf die Frage antworte Peter galant, indem er lediglich seine rechte Braue hob und auf den Haken an Hooks Hand blickte. Hook folgte dem Blick. „Potzblitz! Was ist mit meiner Hand geschehen? Als ich das letzte Mal hinsah war sie noch da.“ Zum Glück war es so dunkel, dass Hook die erröteten Wangen Peters nicht sehen konnte. Der hatte nämlich keine Lust, Hook zu erklären, dass er es gewesen war, welcher dem Kapitän die Hand abgeschlagen hatte. Aber da Peter etwas in Hooks letzter Aussage aufgefallen war, konnte er den Piraten ganz gut ablenken. „Wann hast du denn zuletzt hingesehen?“ „Nun…“, überlegte Hook. „Ich war in London. Mir scheint, als hätte ich noch den Gestank der Themse in der Nase.“ „Erinnerst du dich an mehr?“ Voller Neugier blickte Peter Hook an. Er hatte noch nie etwas über Hooks Vergangenheit erfahren, doch sollte dieser sich gerade daran erinnern? Wenn ja, weshalb dann nicht an seinen Namen? „Mir war kalt“, sprach Hook weiter. „Meine Schulter schmerzte.“ Seine Hand wanderte zu seiner Brust, doch nur Peter wusste, dass sich unter dem Stoff verborgen jene Narbe befand, die Peter vor einer gefühlten Ewigkeit mit seinen Fingern liebkost hatte. „Schwäche steckte in meinen Gliedern, so als hätte ich tagelang nichts gegessen und ich konnte nicht richtig sehen. Ein roter Schleier lag über meinen Augen.“ Die Spannung in Peter wuchs. Diese Geschichte schien interessant zu werden, doch Hook hielt plötzlich inne. „Weshalb erzähle ich dir das überhaupt? Du bist ein Kind, wie könntest du mir helfen. Bring mich zu einem Erwachsenen.“ „In Nimmerland gibt es keine Erwachsenen. Nur dich und mich“, log Peter dreist und bog sich diese kleine Schummelei mit der Tatsache zurecht, dass sich in diesen Teil Nimmerlands tatsächlich kein vernünftiger Mensch wagte. „Du beliebst du scherzen.“ „Nein“, meinte Peter. „Komm mit, ich führe dich zu unserem Lager. Das Feuer müsste noch brennen. Dort kannst du mir sagen, woran du dich erinnerst und ich werde versuchen, deine Lücken zu füllen.“ Ohne auf Hooks Reaktion zu warten, ging Peter voraus. Er wusste, dass der Pirat folgte, denn er hörte die schweren Schritte hinter sich. Der Anflug eines Lächelns huschte für einen Sekundenbruchteil über sein Gesicht, ehe es wieder verschwand. Auch wenn Peter gut geblufft hatte, er war noch immer durcheinander, denn er wusste nicht, was er mit einem Hook ohne Erinnerungen anfangen sollte. Es war unmöglich, den Mann zu seinen Männern an Bord der Jolly Roger zu bringen. Sollten die Piraten erfahren, was mit ihrem Kapitän passiert war, würden sie die verlorenen Jungen unkontrolliert jagen. Hook hatte sie zumindest in Schach gehalten. Daran was geschehen würde, sollte ein anderer Pirat zum Anführer werden, wollte er überhaupt nicht denken. Ein Schauer lief ihm den Rücken hinab, und er drängte die düsteren Gedanken wieder zurück. Am Lager angekommen setzte Peter sich ans wärmende Feuer. Unentschlossen blieb Hook hinter ihm stehen. Erst eine Weile später gesellte der Pirat sich zu ihm, einen gebührenden Abstand einhaltend. „Das soll unser Lager sein? Wo sind die Zelte? Die Pferde?“, maulte Hook auf eine verwöhnte Art, die Peter an dem Kapitän nicht kannte. Hooks Zunge überschlug sich fast, als er nachsetzte: „Wo sind die Diener, der Wein, die Huren?“ „Huren?“, hakte Peter unwillkürlich nach. „Dirnen, Freudenweiber“, sagte Hook und hielt schlagartig inne, während er sich zugleich sein Gegenüber genauer betrachtete und sich Röte auf seinen Wangen ausbreitete. „Wie alt bist du, Bursche? 16, 17 Jahre? In deinem Alter war ich schon ein Fachmann derartiger, fleischlicher Gelüste. Du wirst doch wissen, was das ist? Hat dich dein Vater nicht in eines der Freudenhäuser mitgenommen?“ „Ich habe keinen Vater.“ „Verzeiht“, sagte Hook, sein Gesicht ehrlich bestürzt. „Ich wusste nicht…“ „Schon gut“, meinte Peter, der nicht vermissen konnte, was er nicht kannte. Da Peter aber bemerkte, dass Hooks Bestürzung weiterhin anhielt, wechselte er das Thema. „Erzähl mir von den fleischlichen Gelüsten. Erzählt mir von deiner Vergangenheit. Daran, woran du dich alles erinnerst.“ „Weshalb sollte ich dies tun?“ „Warum nicht?“, die Gegenfrage. „Beantwortest du dann auch meine Fragen?“ „Ich sagte doch, ich werde versuchen, die Lücken in deinem Kopf zu füllen.“ Peter blickte Hook direkt in die Augen. Der Mann vor ihm sah aus wie der Kapitän, der ihn kurz zuvor noch geküsst hatte, aber etwas an ihm war anders. Fast hätte Peter gesagt, dass Hook jünger aussah. So als wäre eine Last von seinen Schultern gefallen und er hätte einen Teil seines Lebens abgestreift, der ihn hatte vorzeitig altern lassen. Peter musste zugeben, dass er sich von diesem Hook ebenso stark angezogen fühlte, wie von dem alten. Doch das, was zwischen ihnen schwang, war so unterschiedlich. Der alte Hook war düster, bedrohlich und die Spannung zwischen ihnen war greifbar gewesen. Am neuen Hook hatte Peter bisher nichts bedrohliches finden können. Seine Augen waren offen und ehrlich, von List und Tücke war darin kein Funke zu erkennen. Die Energie war schwächer, hatte nicht diesen körperlichen Touch und doch fühlte zumindest Peter, dass auch jetzt noch etwas zwischen ihnen schwang. „Zu den Huren“, sagte Hook schmunzelnd, „sollten wir bis zum Schluss unseres Gespräches warten. Wenn du solange nichts darüber wusstest, kommt es auf ein paar Stunden länger auch nicht mehr an. Zumal du mir noch die Erklärung schuldig bist, weshalb du mich küsstest.“ Peter setze gerade an, um Hook über seinen Fehler zu belehren, denn schließlich war der es gewesen, welcher Peter geküsst hatte und nicht umgekehrt, doch dieser unterbrach ihn jäh. „Nein! Wenn du mich ständig unterbrichst und wie eine Frau von Thema zu Thema springst wie die Flöhe von Ratte zu Ratte, kommen wir nie an den Punkt, an dem ich dir meine Fragen stellen darf.“ Gereizt schnalzte Peter mit der Zunge. In einem Punkt waren der alte und neue Hook identisch – sie kommandierten Peter scheinbar gerne. Des lieben Frieden willens lächelte er den Mann vor sich an und schluckte jede noch so freche Entgegnung hinunter. Oh, dieses Abenteuer wurde immer ungeheuerlicher und verlangte eine Menge von ihm. Aber Peter fühlte sich zum ersten Mal seit Tagen in der Lage, es zu überstehen. Wenn der Hook ohne Erinnerungen an Nimmerland kein Interesse verspürte, ihn zu küssen, daran sogar etwas abstoßendes sah und seine Fähigkeiten lieber an Frauen verschwendete, würde er Peter weniger durcheinanderbringen. Die Vorstellung war wundervoll, insbesondere da ihm just einfiel, dass er nun jederzeit gehen und zu seinem Lager zurückkehren konnte. Hook würde ihn kaum aufhalten. Er sah sich schon in ihrem Versteck sitzen, die verlorenen Jungen um ihn herum, wie er ihnen erzählte, wie er den gefährlichen Piratenkapitän zähmte. Wie er ihm mit viel List das Gedächtnis raubte und ihn im unheimlichen Nimmerwald aussetzte. Oh, Peter würde von ihnen wie ein Held verehrt werden. Natürlich würde Peter nicht alles erzählen. Das Hook ihn küsste, ihn berührte, ihn Zuneigung empfinden ließ, nun, dies würde er den verlorenen Jungen verschweigen. Sie würden es nicht begreifen, denn selbst Peter begriff es nicht und er hatte es schließlich erlebt. „Wo soll ich anfangen zu erzählen?“ „Was ist deine älteste Erinnerung?“ Hook schloss seine Lider. Seine Züge waren entspannt, während er sich zurückerinnerte und Peter fand ihn in diesem einen Moment schön. Nicht schön, wie es Frauen waren, sondern auf eine ganz andere, männliche Art. Er blinzelte, um den Gedanken daran zu vertreiben. Woher dieser so plötzlich gekommen war? Und während er gegen die schlagartig aufgekeimte Feststellung kämpfte, tauchte der Wunsch nach dem alten Hook so heftig in ihm auf, dass Peter beinahe aufgesprungen wäre. Gerade so hielt er sich an Ort und Stelle, doch er war erleichtert, dass Hook vor ihm die Augen noch geschlossen hielt. Sein Gesicht hatte das ganze Gefühlswirrwarr deutlich abgezeichnet. Bemüht seine Emotionen wieder unter Kontrolle zu bekommen, war er froh, als Hook seine Augen öffnete und ihn angrinste. „Ich weiß es jetzt! Das erste, woran ich mich erinnere, ist das Getrampel von nackten Kinderfüßen auf knarzenden Holzdielen. Meine Gouvernante rannte mir hinterher, während ich durch das Herrenaus lief, um meinen Vater zu suchen. Mein Vater kam mir entgegen, angelockt von dem Radau, den die kleine Jagd verursachte.“ Hook hielt inne. Seine Augen wurden größer und größer. „Mein Name ist nicht Hook!“, sagte er verblüfft und ein freudiges Lächeln legte sich auf seine Lippen. „Mein richtiger Name ist James Anthony Malloray. Ich bin der dritte Lord von Hemforth Shire.“ Fortsetzung folgt… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)