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Dunkler als schwarz

Shinichi x Ran
von

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Kapitel 45 – The Sherlock Holmes Mystery Tour

Kapitel 45 – The Sherlock Holmes Mystery Tour
 


 

Yusaku wagte nicht, seinen Sohn anzusprechen, als der mit seinem Wagen durch die Stadt heizte, so schnell es der Verkehr eben zuließ. Shinichi hatte nicht geredet, seit er das Krankenhaus verlassen hatte.

Er hatte ihm bedeutet ins Auto zu steigen, wortlos – und nun saß er mit starrem Tunnelblick und ums Lenkrad verkrampften Händen am Steuer und machte seiner Mutter nicht nur hinsichtlich ihres Bleifußes am Gas sondern auch ihrer rasanten Kurvenlage ernsthafte Konkurrenz. Er war blass, hatte seine Unterlippe zwischen die Zähne gezogen, schien kaum zu atmen.
 

Und der Kriminalschriftsteller fragte sich ernsthaft, was zwischen den beiden jungen Männern gelaufen war, als er einen netten kleinen Plausch mit Torus Schwester abgehalten hatte.
 

Wohin fahren wir so schnell, als ob der Teufel persönlich hinter uns her wäre, mein Sohn?

Oder soll ich eher sagen… dass wir es sind, die dem Teufel hinterherjagen, versuchen, etwas schneller zu sein als er?
 

Das trifft es wohl eher… nicht wahr, Shinichi?
 

Erst als sie fast da waren, ahnte Yusaku, was das Ziel seiner Fahrt war.
 

Das Sherlock-Holmes-Museum.
 

Shinichi stellte den Wagen am Straßenrand ab, legte die Marke, die sie für diese Zwecke im Auto hatten, in die Windschutzscheibe und sprang aus dem Wagen, ohne zu achten, ob sein Vater ihm folgte.

Der Auflauf vor dem Museum war um diese Uhrzeit schon beachtlich – galt das Museum lange Zeit nur als Insidertipp, zählte es mittlerweile zu den Top ten von Londons beliebtesten Attraktionen.

So viele Leute hatte Shinichi hier allerdings selten gesehen – er bezweifelte, dass man alle diese Menschen auf einmal in dieses schmale Gebäude gehen lassen würde können.

Dann sah er den etwas ältlichen, untersetzten, dicklichen Mann, den man wieder für Dr. Watson ausgab – etwas, das Shinichi wie jedes Mal etwas ärgerte, weil Dr. Watson in seinen Augenin den Büchern nie als alter, dicker Arzt porträtiert worden war - viel eher zeichnete Doyle ihn als jungen, wachen Arzt, Kriegsveteran, ein Mann der viel gesehen und viel erlebt hatte und der, wenn er auch nicht nicht mit Holmes‘ Kombinationsgabe mithalten konnte, ihm an Mut und Tatendrang jedoch in nichts nachstand.
 

Viel Zeit für diese Gedanken hatte er heute jedoch nicht.

Er eilte, ohne zu rennen, an den Menschen vorbei. Er wusste, sobald er rannte, erregte er Aufmerksamkeit – und ein rennender Beamter von Scotland Yard, denn auch wenn er in Zivil war, war er doch bekannt genug – würde zweifellos Skepsis und vielleicht sogar Angst schüren.

Noch schien nichts Ungewöhnliches passiert zu sein – keiner schien beunruhigt oder gar panisch zu sein.
 

Gut… das ist… gut. Denke ich.
 

Etwas anderes war weniger gut - denn hier und jetzt merkte er, was ihm sein Ruf tatsächlich einbrockte.
 

Er hatte kaum den Wagen verlassen, als die ersten schon zu tuscheln anfingen und versuchten, unauffällig zu ihm zu blicken.

Yusaku schaute ihn nur kurz an, als er, all diese Blicke ignorierend, zielstrebig zum Eingang strebte, vorbei an der Schlange, die ihm verdutzt hinterherblickte.

Natürlich waren die meisten Leute hier Touristen – allerdings allesamt eingefleischte Sherlock-Holmes-Fans.

Dass sie sein Gesicht kannten, er ihnen als „moderner“ Sherlock Holmes bekannt war, weil man ihm hier seit fast fünf Jahren diesen großen Namen aufdrückte und der auch noch nebenan wohnte, wunderte ihn nicht.
 

Wahrscheinlich wird mein Name schon bei Stadtführungen erwähnt… und mein Gesicht im Reiseführer abgedruckt.
 

Ein säuerliches Lächeln kräuselte seine Lippen – allerdings nicht lange. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals.
 

Dann war er endlich an der Kasse angekommen, wo eine altmodisch gekleidete Mrs. Hudson den Eintritt kassierte.
 

„Good morning.“, keuchte er etwas atemlos, schluckte, sammelte sich.

„Miss, I am very sorry to interrupt your business. Could you tell me what this is all about? I’ve rarely ever seen so many people here…”
 

Er bemerkte aus dem Augenwinkel, dass sein Vater hinter ihm erschienen war.

Die Lady an der Rezeption hingegen strahlte die beiden Japaner vor ihr an.

„What an incredible honour! Sherlock Holmes himself is showing up…!”, sie überging den Versuch Shinichis, zu protestieren, und fuhr ungerührt fort, “ …– we’d never expect that even Scotland Yard got the news about our latest event. But Sir – if you’re askin what’s going on, I must suppose, that you unfortunately don’t know what we’ve set up here and your visit is rather coincidental…”

Shinichi schaute sie perplex an.

„No. Ah. I would’nt ask if I knew. What’s this „latest event“?“

Die Frau lächelte ihn immer noch fröhlich an.

„The Sherlock Holmes Mystery Special Tour, of course!”

Shinichi blickte sie bass erstaunt an, merkte, wie er nervös schluckte.

„The Sherlock Holmes Mystery Special Tour?“, echote er, kam sich etwas dumm dabei vor.

“Sure. That’s the name. We had the idea to set up current cases in our museum, and let the visitors solve it with Holmes’ methods. The very interesting fact is, that it’s your case. My congratulation to its solution, by the way… though we hoped, of course, that it would last a bit longer to make it more of an adventure for our visitors…”

Der junge Superintendent tauschte einen kurzen Blick mit seinem Vater aus, merkte, wie es hinter seiner Stirn erneut zu pochen anfing.

„When, exactly, came the idea for this event into your mind? And when, if I might ask, did you decide to use… what you call “my current case”?”
 

“Mrs Hudson” lächelte.

“We were very lucky, indeed. A couple of tourists suggested this idea. Great Sherlock Holmes fans, who read about your case in the Guardian, some days ago. And we were even luckier, as we found a young actress, willing to play a victim today – she and her partners showed up just a few hours ago, preparing everything…”
 

Shinichi blinzelte, überlegte hastig.

“Could you describe the tourists?”

“Asian and English. One man and two women.”

Sie lächelte entschuldigend.

“But if you excuse me. I really have to let those guys in now, they are curious and impatient…”

Shinichi sah sie an, lächelte sie gewinnend an. Er wusste, er musste da rein. Und zwar, bevor eine Horde wildgewordener Sherlockianer da drinnen alles auf den Kopf stellte, um seinen Fall zu „lösen“.

Und so legte er so viel Verständnis und Schmeichelei in seine Stimme, wie er konnte. Sein Vater warf ihm von der Seite einen milde erstaunten, nichtsdestotrotz amüsierten Blick zu. Anscheinend würde er gleich eine weitere Kostprobe des schauspielerischen Könnens seines Sohnemanns sehen.

“I understand completely. That’s really exciting, I suppose, and the fans are dying to get a glimpse…”

“Oh yes, they are – in fact, you were quite right. We’ve never have had such a queue…”

“And it would be just shameful, if anything wasn’t as it should be. If I take it right, they have for sure informed themselves about the investigation, have sucked in every piece of information they could’ve possibly get their hands on…

That must have taken days to plan it, the whole morning to prepare it… my respect for this labour…”
 

Und er merkte sofort, dass seine kleine Bemerkung zog.

„Sure. It took almost a week. In fact, the idea occurred after the first victim… since then we planned, set up the paper ad to look for an actress, prepared the room… if there is any tiny mistake it would be extremely disappointing… for us, for our visitors…”

Sie klang unsicher, schien ins Grübeln zu kommen.
 

Und dann schien ihr aufzufallen, wer vor ihr stand.
 

„But you know everything about it! You led the investigation and solved the case! Would you do us the favour and have a short look at it, before we let the masses in? That would be – that would be – the top of the crops! A Sherlock Holmes - approved crime scene… Sir…”
 

Sie schaute ihn bittend an.

„Would you have a second to do us this great, great pleasure?“
 

Yusaku musste sich ernsthaft zusammennehmen, als er seinem Sohn zusah, der sich nun ganz offensichtlich zierte und mit Hingabe den bescheidenen und schwer beschäftigten Ermittler zum Besten gab.
 

„I’d love to, really. But honestly, my timetable is… I just dropped in as I was curious, as you perhaps know I live next door, and I was just on my way…”
 

“Oh, please! Oh, pretty, pretty please!”

Ein Chor weiblicher Stimmen schallte ihm entgegen – hinter der Verkäuferin waren noch zwei weitere, ziemlich junge Mitarbeiterinnen auftaucht, ebenfalls gekleidet in der Haushälterinnenkluft des ausgehenden 19ten Jahrhunderts und bettelten ihn nach allen Regeln der Kunst an – ihre Augen groß und flehend, die Stimmen hoch und quengelnd. Shinichi wandte den Kopf ab, scheinbar beschämt, hob die Hand.
 

„Well, if you so urgently want me to have a look at it… how could I say no, when such lovely girls ask me…“
 

Einen Augenblich später standen sie im Gang und von Shinichis Rolle als bescheidener, geschmeichelter Polizist war nicht ein Hauch mehr übrig.

Yusaku sah ihn von der Seite her milde lächelnd an, als er ihm und einem der Mädchen durch das Haus folgte.

„Ernsthaft. Deine Mutter könnte das nicht besser.“

Shinichi warf ihm einen Blick aus dem Augenwinkel zu, lächelte kurz – ein Lächeln, das genauso schnell verschwand, wie es gekommen war. Er sah angespannt aus, schien fast ein wenig zu fürchten, was auf sie warten könnte.
 

„Du denkst, das Mädchen…“

Shinichi schluckte hart.
 

„Wo sonst… wer sonst…“

Er stopfte seine Hände in seine Hosentaschen, zog die Schultern kurz hoch, ließ sie dann wieder sinken, versuchte, etwas gelassener auszusehen, um kein Aufsehen zu erregen und das Mädchen, das sich immer wieder umblickte – ganz offenbar war sie nicht nur Fan der literarischen Figur von Sherlock Holmes, sondern auch seiner Reinkarnation aus Fleisch und Blut nicht abgeneigt – zu beunruhigen. Er lächelte ihr verlegen zu, ehe er sich seinem Vater zuwandte, der leise weitersprach.
 

„Aber Shinichi, hast du sie gehört – diese Leute hätten dieses Szenario heute schon seit einer Woche geplant… wie konnten sie…“

Shinichi wandte sich um, blickte seinem Vater ernst in Gesicht.
 

„Ich glaube, die haben das alles hier schon viel länger geplant. Ich meine, überleg mal… das ist ein Plan, der sich immer und zu jeder Zeit ausführen lässt. Die Hauptdarsteller sind jederzeit austauschbar und immer rekrutierbar – ich meine, warst du schon einmal an einer Kunstuni? Ich jetzt schon. Du wirst jederzeit innerhalb einer Minute eine Handvoll junger Leute finden, die buchstäblich morden würden, um mit ihrer Kunst endlich erfolgreich zu sein, einen Gönner zu finden, Geld zu verdienen, Publikum zu bekommen. Erfolg, Ansehen… Applaus… das ist das Brot, von dem diese Menschen leben. Und sie sind in einer Masse ihresgleichen, wo sich kaum jemand abhebt. Vielmehr schubst sich gegenseitig jeder mit den Ellenbogen nach hinten, in einer Zeit, die für Kunst eigentlich kein Geld und keine Zeit übrig hat. Es ist ein Kinderspiel. Es ist lachhaft, wie einfach es ist. Und das war schon immer ihr großes Talent – einfache, idiotensichere Pläne.“
 

Seine Stimme klang bitter, merkte, wie sein Herz zu rasen anfing, als sie endlich im obersten Stock angekommen waren – in dem Zimmer, in dem man eigentlich Holmes‘ Gegner fand. In dem der große Kopf des Hundes von Baskerville ausgestopft an der Wand hing, und in der Moriarty als Wachsfigur grimmig aus einer Ecke jedem Besucher das Blut in den Adern gefrieren ließ – oder es zumindest versuchte.
 

Heute waren weder der Hund noch Moriarty zu sehen.
 

Heute zog etwas anderes Shinichis Blick auf sich – ließ ihm das Blut in den Adern schier gefrieren.
 

Es war das Bild, das an der Wand gegenüber der Tür hing, dort, wo sonst der Hundekopf gehangen hatte.
 

Es war das Bild von Meredith.
 

Und überall im Raum lagen Gänseblümchen.
 


 

Ran seufzte, blickte um sich und war schier überfordert.

Neben ihr stand Kazuha, schaute sie abwartend an, schien ihr Gefühl von latenter Orientierungslosigkeit zu teilen. Shiho stand mit verschränkten Armen neben ihnen, hinter ihr Akai, in exakt der gleichen Körperhaltung und ähnlich sachlichem Gesichtsausdruck.
 

Sonoko und Yukiko hingegen grinsten übers ganze Gesicht.
 

„Und wo wollen wir zuerst hin?“

Aufregung lag in Sonokos Stimme.

„Ich hätte ja nie gedacht, dass der Kerl wirklich Ahnung davon hat, wo man in London einkaufen kann, aber das ist – der – Wahnsinn!!“
 

Sie standen in der Oxford Street vor den Eingangstoren von Selfridges. Leute, bepackt mit gelben Plastiktüten strömten an ihnen vorbei. Ein wenig weiter die Straße unter blinkte ihnen das Primark-Logo entgegen.

Yukiko und Sonoko schienen in ihrem Element.
 

„Komm, meine Liebe! Es wird Zeit, dir was Hübsches zu kaufen!“

Yukiko hakte sich bei Ran unter, zog die verdutzte junge Frau mit sich in den Laden – die sich vom Kaufeifer, den Shinichis Mutter an den Tag legte fast ein wenig anstecken ließ. Ein leises Lächeln schlüpfte ihr auf die Lippen – und verschwand wieder, als sie an ihn dachte.
 

Shinichi.
 

Eine seltsame Unruhe hatte sie seit ein paar Minuten ergriffen, und sie fragte sich, was er wohl gerade tat. Yukiko merkte, sie sie kurz aus dem Tritt kam, sah, wie nachdenklich ihr Blick war.

„Ran.“, murmelte sie leise, blieb kurz stehen, strich ihr über die Wange, bis ihre Hand auf ihrer Schulter zum Liegen kam.

„Ran, ich weiß, du denkst an ihn. Ich auch.“

Sie seufzte tief.

„Seit fünf Jahren fast jede Minute. Und mache mir Sorgen. Aber heute Morgen, Ran – heute Morgen, als ich ihn mit dir sah – da hatte ich zum ersten Mal seit fünf Jahren das Gefühl, dass ich aufhören kann, mir Sorgen zu machen.“

Ein ermutigendes Lächeln war auf ihre Lippen getreten.
 

„Er wird sich sein Leben nicht entgehen lassen, Ran…“
 

Ran holte tief Luft, nickte dann fest.

„Sie haben ja Recht…“

„Nicht „Sie“, meine Liebe.“

Yukiko lachte.

„Da ich wirklich denke, dass er demnächst nichts mehr anbrennen lassen wird, denke ich doch, wir sollten schon mal zum Du übergehen. So lange wie wir uns schon kennen, ist das doch längst überfällig.“
 

Damit zog sie ihre Schwiegertochter in Spe mit sich in die marmornen Einkaufshallen.
 

Nein… ganz sicher wird er sich sein Leben mit dir nicht mehr entgehen lassen… wenn er bis dahin wohl auch noch ein schönes Stück Arbeit vor sich zu haben scheint.
 


 

Vor ihm auf dem Boden lag, schön wie der Abendstern, Meredith.
 

Man hatte ihr ihre Haare geflochten und hochgesteckt, sie mit einem Schwarm kleiner glitzernder Haarnadeln und einer locker geflochtenen Kette aus schneeweißen, echten Gänseblümchen verziert. Man hatte ihre Augen dunkel getuscht, ihr einen Lidstrich gezogen – ihre Lippen waren passend zu ihrem hellen Typ zartrosa angemalt und ließen sie duftig und frisch aussehen, süß wie ein Wolke Zuckerwatte. Sie steckte in einem ihrer Kleider, einem silbergrauen Traum aus Wildseide mit Flügelärmelchen, die ihr luftig über die Schultern hingen; der Oberteil ihres Kleids war als strassbesetzte Corsage ausgearbeitet, mit zarten Volants am Ausschnitt – der Rock umspielte in vielen transparenten Lagen, die hie und da etwas gerafft und mit einem kleinen glitzernden Stein befestigt waren, ihre Beine.

Ihre Fingernägel waren rosa lackiert – und in einer ihrer Hände lag ein Gänseblümchen. Der herbe Duft der kleinen weißen Blumen, die um sie herum gehäuft waren, brachte ihn fast zum Würgen.
 

Und über allem, an der Wand, prangte ihr Bild und schaute sie alle an.
 

Yusaku war hinter ihn getreten – und sah jetzt, was Shinichi hatte auf der Stelle erstarren lassen. Sein Atem war kaum wahrnehmbar, so flach hob und senkte sich seine Brust, seine Augen vor Entsetzen geweitet. Das wirklich Absurde an der Szene allerdings war die junge Frau, die voller Begeisterung in den Raum trat und munter zu plaudern anfing.
 

„Isn’t it great? It’s so… authentic. Her pale face, that… blood…“

Sie warf einen leicht angewiderten Blick auf den Boden, wo ein roter Fleck in den Teppich sickerte.

„That magnificent picture – that marvellous dress of real wild silk – now, say, isn’t it just like another victim in your case?“
 

Und erst jetzt schien wieder Leben in Shinichi zu kommen. Er sah sie an, verkniff sich den Kommentar, der ihm wie eine bittere Pille auf der Zunge lag, trat in den Raum.
 

Er schluckte, ging vor Meredith in die Knie, streckte eine Hand aus, berührte ihren Hals.

Yusaku schluckte hart – er sah, wie Shinichis Finger zitterten, ahnte, was er dachte.

Dass er wieder versagt hatte.

Wieder zu langsam gewesen war.
 

Dann sah er, wie Shinichi den Atem anhielt, sich über sie beugte – sein Ohr an ihre Nase und ihre leicht geöffneten Lippen hielt – und nach ein paar Sekunden langsam und gepresst ausatmete. Yusaku schaute ihn an.

„Sie atmet?“, fragte er langsam. Shinichi setzte sich auf, zog seine Jacke aus und presste sie fest auf die Wunde an Merediths Seite, nicht jedoch, ohne sein Mobiltelefon zuvor herausgeholt zu haben.

„Rufst du den Krankenwagen, Vater? Ich… übernehme Scotland Yard.“
 

Erst jetzt meldete sich die junge Frau wieder zu Wort, die gerade völlig perplex das Verhalten von Sherlock Holmes beobachtet hatte.

Und erst jetzt ging ihr auf, was hier wirklich geschah.
 

„Oh my god. She is… she’s no… actress…“

Sie merkte, wie ihr die Beine den Dienst versagten, wollte an der Mauer hinunterrutschen, als sie seinem Blick begegnete.

Shinichi schaute sie an, hatte gerade aus der Kontaktliste seines Smartphones die Nummer seiner Dienststelle herausgesucht und hielt nun inne.

„No. She is not an actress. She is, in fact, another victim in my case…”
 

Er schluckte.
 

“Please go down and tell… Mrs Hudson not to let anybody in here. Show the police, as soon as they arrive, where we are. The same goes for the ambulance. Thank you.”
 

Die junge Frau nickte, tastete sich mit schlotternden Knien die Wand entlang zur Tür, stürzte dann polternd die Treppen hinab.

Er hörte, wie sein Vater dem Krankenwagen ihre Position und die Verletzungen ihres Opfers schilderte, und wollte gerade selber endlich auf den Wählknopf drücken, als ihm ein leises Seufzten ins Ohr kroch.

Er wandte sich zu Meredith, sah, wie sie ihn mit blassen Augen ansah.

„Mr. Holmes…“, hauchte sie.

„Mr. Kudô would be more fitting.“, meinte Shinichi lächelnd.

“But don’t speak, Meredith. It’s way to tiring for you. Save your breath…”

Er strich ihr übers Haar, beruhigend.

„The ambulance is coming. Everything will be alright, just… hold on…“

Sie stöhnte leise auf.

“Have you seen Eduard? I… I am so worried… he…“

“He’s at Scotland Yard. He’s safe there. Don’t worry.“

Er lächelte sie weiterhin beruhigend an – biss sich auf die Lippen. Er wusste, er sollte sie das nicht fragen, nicht jetzt, wo jedes Wort sie anstrengte – andererseits würde er diese Gelegenheit vielleicht nicht wieder bekommen, wenn er sie nicht jetzt gleich nutzte.
 

„Meredith.“, fing er an, sah ihr eindringlich ins Gesicht.

„Meredith, where are they?“
 

Sie schaute ihn an – schien jedoch mit ihren Gedanken ganz weit weg zu sein. Auf ihren Lippen lag ein seliges Lächeln, als sie einen Namen murmelte.
 

„Eduard…“
 

Shinichi ließ sein Handy sinken, als er spürte, wie ihr Atem gepresster wurde. Langsam sank ihr Kopf zur Seite, als sie die Augen langsam schloss.

„Meredith?“

Er beugte sich zu ihr.
 

„Meredith? Halten Sie durch…“

Namenlose Kälte erfasste ihn, als er spürte, wie sie immer schwächer wurde – die erste Aufregung, sie überhaupt noch am Leben zu finden wich dem immer größer werdendem Schock, dass sie hier starb.

Starb, bevor Hilfe eintraf.

Starb…
 

Er atmete scharf ein, merkte, wie sich ein paar unangenehme Erinnerungen aus ihrem dunklen Loch in seinem Kopf emporwinden wollten

Erinnerungen an eine Nacht, Erinnerungen an den Geruch von gerinnendem Blut, Erinnerungen an die letzten Atemzüge eines jungen Mädchens…
 

Erinnerungen an den Tod.

Erinnerungen, die ihn überrennen, ihn zerreißen und wehrlos, hilflos und handlungsunfähig liegen lassen wollten.
 

Nein… nicht…
 

Ran…
 

Und es fast schafften.
 

Eine Hand auf seiner Schulter war es schließlich, die ihn aus dem Sog dieser dunklen Gedanken riss. Er sah auf, in die Augen seines Vaters – und er wusste genau, dass der Mann genau wusste, woran er gerade dachte.
 

„Lass mich das machen. Ruf die Polizei an, Shinichi.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von:  Leylis
2017-02-08T04:22:20+00:00 08.02.2017 05:22
Warum gibts denn ausgerechnet zu diesem Kapitel so wenige Kommentare?!
Es hat mir bisher vielleicht sogar am besten gefallen. ^_^

Shinichi und Yusaku zusammen ergeben ein super Team. Die inzwischen zweite Schauspieleinlage von Shinichi fand ich klasse. Mal eine neue Seite an ihm. Und überhaupt... das Sherlock Holmes Museum als Tatort!
Schön ist außerdem, dass Meredith tatsächlich noch lebt. Wobei... schlampige Arbeit seitens Gin, passt nicht zu ihm.

Die Andeutung zu den Kunststudenten und ihren Problemen geben einem auch zu denken. Reine Kreativität oder realer Bezug? Zumindest kenn ich da auch so die ein oder anderen entsprechenden Studenten, die hart für ihre Kunst arbeiten müssen... stelle ich mir nicht einfach vor.

Btw, ich bin der gleichen Meinung wie Shinichi bzw. du was die Darstellung von Dr. Watson anbelangt. Das hat mich auch bei den Verfilmungen mit Basil Rathbone und Nigel Bruce immer gestört...
Von:  Reshin
2016-12-14T13:13:59+00:00 14.12.2016 14:13
Ohh so spannend! Ob es Meredith auch schaffen wird, so wie Ran? Ich hoffe doch sehr..
und noch immer keine Nachrichten von Eddy. Oh je oh je...
Arg, das Shinichi tatsächlich das Halozinogen verabreicht bekommen hat... wie können sie nur!!
Frage mich wo der Boss dann ins Spiel kommt.
Fragen über Fragen... die Spannung steigt... bald hab ich auch alle vorhandenen Kapitel durch und bin up-to-date - kann sich das einer vorstellen :D
Von:  Shelling__Ford
2016-08-23T16:24:01+00:00 23.08.2016 18:24
Hallöchen Leira, hier bin ich auch schon wieder ;)

Eigentlich müsste Yusaku die Strecke ja kennen, Shinichi wohnt schließlich nicht weit weg davon ^.~
Aber kein wunder das Shinichi da so fährt, man kanns ihm nicht verdenken und nen wenig was muss er ja auch von seiner Mum haben *gg*

Das Sherlock Holmes Museum *quiiieeetsch*
<3 <3 <3
Wäre der Anlass nur nicht so bitter... auch wenn ich die Fans gut verstehen kann, wenn es so was geben würde, wäre ich wohl auch die erste in der Schlange XD
Schade eigentlich das sie sowas nicht machen, da könnten sie sich eine scheibe von dir abschneiden ;)
Shinichis Schauspielkünste kommen da wie immer sehr gut an. Auch wenn ich auhc mal nen Kompliment an dich machen muss, das so zu sticken und ihn nicht plump sagen zu lassen das er da rein muss passt schon sehr sehr gut zu ihm ^_^
Hat mir jedenfalls sehr gut gefallen!
Auch die Kulisse mit den Blumen und dem Bild *schluck*

Klar das Ran da merkt das irgendwas nicht stimmt bei ihm, auch wenn man irgendwie als Leser froh ist das sie endlich mal von Yukiku und den anderen auf andere Gedanken gebracht wird.

Was man von Shinichi ja nicht sagen kann... kein wunder das er da ein wenig brauch um wieder zu sinnen zu kommen und zu agieren bei dieser Szene und dem was er eigentlich hatte verhindern wollen.
Auch die Erkentniss der Angestellen vom Museum da war mehr als passend... die ironie des vergleichs zwischen Holmes und ihm kommt natürlich nochmal deutlich raus wenn er da nach Ms. Hutson ruft und alle so ein wenig rumkommandiert, bitter- aber hat mir natürlich sehr sehr gut gefallen!

Und sie lebt... gerade so, und denkt doch nur an ihren Freund *seufs* kommt uns auch bekannt vor... und Shinichi erst, das Blut die wunde, das Leben das sie langsam verlässt und die Haut die immer kälter unter sienen Fingern wird *Schauder* nur gut das Yusaku da war um seinen Sohn da abzulösen, ich glaube alles andere hätte in diesem Moment keinen Sinn gemacht. Shinichi muss gleich wenn seine Kollegen kommen noch genug bewältigen, da hilft es nichts wenn er in schrecklichen Erinnerungen versinkt. Er brauch seinen Verstand... aber genau das ist es auch was sie angreifen... sie machen ihn Mürbe mit den Morden und die Droge tut ihr übriges noch dazu, ich fürchte ja nur das das alles nur die Spitze des Eisbergs ist und das dicke ende noch kommt.

Nu warten wirs mal ab, ein Kapitelchen hab ich noch hier rum liegen, ab dann gibts auch für mich frischfleich ://)

Bis bald,
LIebe Grüße,
deine Shelling

Von:  Diracdet
2016-07-16T17:31:13+00:00 16.07.2016 19:31
Hallo Leira,

wieder spät, aber nicht sooooo spät (hoffe ich).
Das Sherlock-Holmes Museum also... unter dem Aspekt, dass Shinichi nicht wirklich von alleine drauf kommt, ist es schon etwas ironisch. Als wollte ihm Gin eins so richtig reinwürgen, gerade dort eine Leiche zu verstecken und Shinichi findet sie dann beinahe nicht!
Umgekehrt wie gesagt, schon eine gute Wahl – wenn Shinichi auf der Höhe wäre, und eine recht perfide Idee mit dem aktuellen Fall. Was mich ein wenig dabei stutzig macht – und ich wüsste wirklich gerne, ob ich es falsch verstehe oder du das so meinst – wie viel hat Gin nun wirklich vorher geplant? Weil die Frau an der Kasse meinte, die Idee kam vor ein paar Tagen schon auf. Da war Eduard noch nicht gefasst! Heißt das, dass Gin das mit einkalkulierte, als er diese Szenerie wählte??? Ich muss dann an den Joker aus The Dark Knight denken, der manchmal ziemlich random Dinge vorauszusehen scheint, die recht merkwürdig sind. Es kommt mir halt hier nur sehr heftig vor. So ähnlich mit dem genau dann leeren Loft, als Shinichi eintrifft.

Malzu der Idee mit dem aktuellen Fall... aufwendig, Respekt, aber vermutlich auch was, was einen vom monotonen Alltag ablenkt. Dass sie ihnen gefällt, glaube ich gerne. Aber neben dem Umbau der Requisiten das zusammentragen von sich stündlich ändernden Nachrichteninformationen zu dem Thema. Wenn sie anfangen ihren Draft einzurichten, könnte sich noch sooooo vieles anders entwickeln, als gedacht. Da hätte die Motivation von der Realität überholt werden können. Muss wohl der Chef von oben sein OK gegeben haben.
Und dann... Meredith... puuh, das ist heftig. Also die Szene ist dir echt gut geglückt! Und ich denke, wenn es noch irgendeinen Zweifel gab, sie ist Ran doch extrem ähnlich. Im sterben liegend fragt sie nach Eduard! Überhaupt, sie muss ja, als sie mit Gin und Chianti ankam, ruhig geblieben sein,w enn auch aufgrund einer Drohung. Unauffällig, freundlich, eigentlich sogar fröhlich – sie wurde für einen Job in einem Museum gecastet, kriegt dort Geld – also aus Sicht der Mitarbeiter im Museum... Das alles ohne mit der Wimper zu zucken durchziehen... Wow, ich bin echt beeindruckt von ihr.
Was zu der ganzen Situation natürlich besonders passt, ist nun das Bild. Ich weiß nicht, ob ich als Mitarbeiter im Museum stutzig geworden wäre, wenn die Arbeitsvermittlung eine Schauspielerin samt Selbstportrait anbietet für diese Szene – wohlgemerkt nachdem nun auch noch ein Künstler als Täter überführt wurde, aber es ist natürlich perfekt für diesen Fall und dessen Darstellung.

Bleibt noch unser moderner Holmes selbst.
Zu Shinichis Schauspielkünste... ich würde sagen du hältst dich da recht an den Manga... auch wenn ich es nicht unbedingt als Kompliment sagen würde. Keine Frage, in dieser Szene, wie er sich Zutritt verschaffte, indem er geschickt sein Wissen verkaufte, war topp gespielt, was er auch öfters demonstrierte. Andererseits, ist er sehr oft nicht nur fahrig, was die Selbstdarstellung angeht – oder sie ist ihm völlig egal – dass andere das für ihre Zwecke gegen ihn ausnutzen. Und auch dann scheint er es einfach hinzunehmen, als störte es ihn nicht. Ich finde es manchmal einfach inkonsistent bei ihm. Aber wie gesagt, das lebt Gosho vor, insofern kann ich es kaum als OoC bezeichnen.
Was noch interessant bei ihm war, war die Szene am Ende mit Meredith in seinen Armen – wie gesagt, sie erinnert hier extrem an Ran. Und das erinnert ihn natürlich an vor 5 Jahren. Nur weiß ich nicht, ob es ihm was bringt. Er scheint sehr überzeugt zu sein, dass Ran jetzt in Sicherheit ist... was ich aber sehr bezweifle...

Ein kürzeres Kapitel, deshalb auch ein kürzerer Kommentar, es hat mir aber sehr gut gefallen.

Bis zum nächsten Mal.^^
Liebe Grüße,
Diracdet
Von:  Julep7
2016-07-13T12:30:42+00:00 13.07.2016 14:30
Hallo Leira,

deine Beschreibung von Watson, wie Shinichi/du ihn siehst finde ich sehr passend, da ich mich nicht erinnern kann, dass Doyle ihn jemals als eine untersetzte, ältliche Peson beschrieben hat, sondern eher als dünn und gut gebräunt (ich glaube so war es zumindest im ersten Buch?) Es ist schon ewig her, dass ich einige der Sherlock Holmes Geschichten gelesen habe, aber bei Wikipedia (dem man natürlich nicht immer glauben sollte) stand, dass Watson früher Rugby gespielt hat und er hinterher leider nicht mehr ganz so sportlich war und seine Kondition zu wünschen übrig lässt. Das hieße jedoch noch lange nicht, dass er sehr dick und unsportlich ist, meiner Meinung nach. 
Ich mag Martin Freeman als Watson in der britischen Serie "Sherlock" sehr gerne. Er lässt Watson aufleben und stellt ihn nicht als Idioten dar (generell die Drehbuchautoren) und gibt ihm etwas frisches und sympathisches. Aus irgendeinem Grund habe ich mir Watson immer ein kleines bisschen größer vorgestellt, aber das tut in dem Fall nichts zur Sache. 

Ich war auch ganz aufgeregt dabei, mit Shinichi und Yusaku im Auto. Man hofft doch irgendwie, dass Meredith noch nicht tot ist und siehe da, sie hat noch ein Fünkchen Leben in sich. Hoffentlich kommt sie rechtzeitig ins Krankenhaus. 
Jetzt aber nochmal zum Anfang. Praktisch wenn man mit seiner Dienstmarke einfach mal überall parken kann. :P 
Shinichis Schmeicheleien und das dazugehörige schauspielerische Talent, haben hervorragend funktioniert, wie zuvor im Krankenhaus mit der Anmeldedame. Er hats halt in sich, der gute Shinichi. 

Grauenvoll, wie Shinichi die arme Meredith entdeckt... Zuerst das Gemälde, dass er aus der Wohnung her kannte, dann die ganzen Gänseblümchen und zuletzt Meredith, in einem weiteren wunderschönen Wildseidekleid. 
Leira, da du so gerne zeichnest/malst: Hast du Skizzen der Kleider gemacht oder vielleicht auch ein Kleid gemalt? Du beschreibst sie zwar immer so toll, aber es ist doch nochmal etwas ganz anderes, die Kleider zu sehen. Da du jedoch eh so viel beschäftigt bist, wohl eher nicht. 

Gut, dass Yusaku dabei war und seinen Sohn sogleich zurück ins Hier und Jetzt bringen konnte. Ansonsten hätten Shinichi wohl nur die Bilder der Vergangenheit eingeholt und wer weiß, wozu er dann noch in der Lage gewesen wäre. 
Bin gespannt, wie Montgomery und der Rest des Yards auf diese Nachricht reagieren und wie schnell Shelley am Ort des Geschehens sein wird. 

Diesen Mord im Sherlock Holmes Museum zu platzieren, war gar kein schlechter Schachzug. 
Durch die ganze Aufregung, wo, wann, wie, von wem das ganze passieren konnte, da der angebliche Mörder im Knast sitzt, kann es natürlich passieren, dass sich für Gin die Gelegenheit bietet an Ran ranzukommen. Keine Ahnung wie, aber irgendwann muss es doch mal passieren.
Diese Neuigkeiten werden sich wie Lauffeuer ausbreiten und eventuell auch eine Panik geschehen lassen. 

Rans Intuition, dass etwas mit Shinichi ist, ist wieder mal spot-on. :)

Ich freue mich schon so sehr aufs nächste Kapitel. 
Außerdem habe ich nun endlich die letzten Kapitel kommentiert und hänge nicht mehr hinterher. Das macht mich glücklich. ;)

Beste Grüße
Julep
Von:  Sunah
2016-07-10T00:27:10+00:00 10.07.2016 02:27
Oh wow.....du haust mich einfach immer wieder um.

Ich habe rein garnichts an dem Kapitel auszusetzen, außer dass ich mich wundere, wie Shinichi es geschafft hat direkt vor dem Museum zu parken. Aber die Beschreibung vom Museum hat mir einen Flashback verpasst (ich bin mir sicher, jedem der schon mal da war ging es genauso :) )
Kann es kaum erwarten zu sehen ob Meredith überlebt....und wie es sonst noch weitergeht!

LG Sun Ah


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