Dunkler als schwarz von Leira (Shinichi x Ran) ================================================================================ Tag 4 - Kapitel 10: Touristen ----------------------------- TAG VIER KAPITEL 10 – TOURISTEN Ran seufzte, ließ sich in die Polster ihres First class – Luxussessels sinken, den sie Sonokos Kreditkarte zu verdanken hatte. Tief atmete sie ein, genoss das Prickeln in ihrem Bauch, das Gefühl von Aufregung, das in ihr aufkeimte, als die Boeing über die Rollbahn rumpelte, an Geschwindigkeit zunahm und sie in ihren Sitz drückte. Als sie den Boden verließen, lief ihr ein Schauer von den Fingerspitzen, die sich in die Armlehne krallten, über ihre Arme hinauf über den Kopf und den Rücken wieder hinunter, ließ all ihre Härchen und Haare sich einzeln aufstellen. Fast schon aufgekratzt beobachtete sie wie sie den Boden verließen, Tokio erst langsam, dann immer schneller immer kleiner wurde, bis sie unter leichtem Rütteln und Schütteln und gelegentlichem Absacken des Flugzeugs in die dichte Wolkendecke eintauchten – was ihr erneut ein ziemlich flaues Gefühl in der Magengegend bescherte. Dann brachen sie durch die weiße, duftige Masse und sahen weit und breit nur silbrig-weiße, flauschige Unendlichkeit, beschienen vom Vollmond, die nur ab und an einen Blick auf die Welt unter ihnen erhaschen ließ – eine Welt, die fast genauso aussah wie über ihnen - tausende winzige Lichter in einem weiten, dunklen Meer. Über ihnen die Sterne und unter ihnen die Formationen der Straßenlaternen und Beleuchtungen der Stadt. Ran atmete auf, schloss die Augen, als der Flieger nun scheinbar wie auf Schienen durch die Luft glitt, merkte erst jetzt, wie herrlich das Gefühl war, einfach rauszukommen, diese Stadt, dieses Leben ein bisschen zu verlassen, Urlaub zu machen, endlich. Ein Lächeln malte sich auf ihre Lippen. Sie merkte, wie ihre Lider schwer wurden, sie noch tiefer in ihren Sitz sank, und genoss das Gefühl des Loslassens, das sie gerade übermannte. Sonoko, die neben ihr saß, wandte sich ihr zu, wollte gerade etwas sagen, schloss aber ihren bereits geöffneten Mund wieder, als sie sah, wie ihre Freundin entspannte und schließlich wegnickte. „Das wurde Zeit, Ran…“, wisperte sie leise, lächelte. Neben ihr saß Kazuha, nahm leise raschelnd den Reporter auseinander, den sie vom Zeitungsstapel in der Wartehalle des Terminals genommen hatte, überflog die ersten Zeilen. Die Schlagzeile hatte sie auf die Tageszeitung aufmerksam gemacht; leider war es die Ausgabe des vergangenen Tages, die neue Auflage war anscheinend noch nicht verfügbar gewesen in Tokyo. Sie hatte vermutet, dass es um Heijis Fall ging, weshalb sie anfing, zu lesen, auch wenn es ihr das Englisch ein wenig schwer machte. Sie bekam dennoch mit, dass es im ersten Absatz um ein Mädchen mit asiatischen Wurzeln ging. Tot, gekleidet in ein Seidenkleid, an ihrer Seite ein Bild. Genaueres über das Opfer verriet die Zeitung nicht. Jap. Das is Heijis Fall. Sie schluckte. Heiji hatte mit ihr nicht über den Fall geredet. Sie wusste nur, dass ein japanisches Mädchen tot gefunden worden war, im Hyde-Park. Kein Detail darüber, in welchem Zustand, oder von wem. Sie las weiter, entzifferte mühsam die Worte, und war schon fast am Ende, kurz davor, den Artikel abzubrechen, weil keine neue Information mehr zu kommen schien, als sie den letzten Satz las. The Met has so far only confirmed the existence of one victim. As it seems, they neither want to stampede London’s citizens nor to create a platform to stage himself for the cruel murderer. However - this situation seems to be a new fascinating case for our Sherlock Holmes of New Scotland Yard! The press conference will take place this afternoon, so we are going to have some more detailed news in our next edition. Shiho, die auf der anderen Seite neben ihr saß und sehnsüchtig auf die Stewardess schielte, die gerade angefangen hatte, Getränke und Snacks zu verteilen, wandte sich ihr zu. „Verschluckt?“ „Ne.“ Kazuha schaute sie schräg an. „Les dir das mal durch. Und sag mir…“ Shiho hob die Hand zu Zeichen, dass sie Ruhe zum Lesen wollte. Kazuha verstummte, lehnte sich ein wenig zurück, damit Sonoko, die ebenfalls aufmerksam geworden war, einen Blick auf den Artikel werfen konnte. „Damit meinen se nich…“ Shiho schluckte. Sie ahnte, wohin Kazuhas Gedanken gingen. „Kudô.“, murmelte sie leise, warf Ran, die eingeschlafen zu sein schien, einen kalkulierenden Blick zu. Sie seufzte, massierte sich die Schläfen. „In jedem anderen Land würde ich dir sagen, die Vermutung liegt nahe. Aber hier sind wir in Großbritannien, noch dazu in der Hauptstadt, London, der Stadt, aus der die Figur überhaupt stammt… da kann es gut sein, dass sie jeden dahergelaufenen Polizisten Holmes nennen, nur weil er mal ein bisschen deduziert. Und ja…“, sie fing sich Sonokos spöttischen Blick bezüglich des Wortes „deduziert“ ein, „ich hab die Romane gelesen.“ Kazuha hingegen nickte langsam und nachdenklich. „Sicherlich haste Recht.“ Sie schlug die Zeitung zu, stopfte sie in die Tasche im Sitz vor ihr und klappte das Tischen herunter, um das Abendessen, dass die Fluggesellschaft ihnen spendierte, darauf abstellen zu können. Das mulmige Gefühl, das sich bei diesem Namen in ihrem Bauch ausgebreitet hatte, ließ sich jedoch kaum vertreiben, so sehr sie sich auch mühte. „Ich dacht mir nur, irgendwo musser abgeblieben sein. Und London… die Stadt seines Idols…“ „… läge nahe.“ Sonoko nickte langsam. Dann schüttelte sie den Kopf. „Dennoch, interpretieren wir mal nicht zu viel da rein. Und vor allem sollten wir…“, sie senkte ihre Stimme auf ein vom Turbinen- und Lüftungslärm fast übertöntes Wispern, „… Ran nicht scheu machen, bevor wir uns nicht sicher sind.“ Damit klappte auch sie ihren Tisch aus, wandte sich ihrer Freundin zu, die tatsächlich eingenickt war, wovon ihr nun leicht geöffneter Mund und die damit einhergehenden entgleisten Gesichtszüge kündeten. Sie wollte sie gerade wecken, besann sich aber nochmal anders, holte schnell ihre Kamera aus ihrer Handtasche und machte ein Foto ihrer tiefenentspannten Freundin. Kazuha knuffte sie in die Schulter. „Wie gemein!“ „Ach was. Ran kennt das. Eigentlich ist das schon fast Tradition, wenn wir in Urlaub fahren.“ Sonoko grinste, hob dann ihre Hand, streichelte mit ihren Fingern sanft über Rans Oberarm. „Ran, Süße. Aufwachen, es gibt Abendessen. Danach kannst du weiterschlafen.“ Die Angesprochene öffnete träge die Augen, blinzelte. „Hm?“ Sonoko lächelte sie an, stellte ihr das Essenspaket vor die Nase, das ihr die freundliche Stewardess reichte. „Kaffee?“ „Ja, bitte.“, murmelte sie dann, setzte sich ein bisschen mehr auf. „Ich bin wohl eingeschlafen.“ „Jap.“, meinte Sonoko gelassen, öffnete ihr Essenstablett. „Aber nur kurz. Wir sind noch über Japan. Ich dacht mir aber, du magst was essen, wir haben einen langen Flug vor uns.“ Sie streckte sich. „Zwölf Stunden, gut.“ Ran nickte, nippte dann an ihrem Kaffee, ehe sie sich ebenfalls über ihr Essen, eine Suppe und Sushi, hermachte. „Nicht zu vergessen, dass wir nen hübschen Jetlag haben werden.“, ergänzte Shiho. „Jetzt ist es ja grad mal acht Uhr abends. Wenn wir da sind, isses eigentlich schon acht Uhr morgens, aber da wir acht Stunden Zeitverschiebung haben, wird es grad mal Mitternacht sein.“ Kazuha riss die Augen auf und hustete. „Was, hast du das nicht nachgerechnet?“ Shiho grinste schadenfroh. „Wir gewinnen fast nen ganzen Urlaubstag, den wir beim Rückflug wieder abgeben.“ Damit wandte sie sich ihrem Sushi zu, griff sich ein Röllchen, tunkte es in die Sojasoße und schob es sich genüsslich in den Mund, während sie ruhig über den Wolken dahinglitten. Währenddessen hatten andere Reisende bereits ihr Flugziel erreicht. Yukiko Kudo stöckelte durch die Empfangshalle, entschlossen den Ausgang im Blick behaltend, während ihr Mann ihr nachstiefelte und dabei ihre Koffer hinter sich her schleifte, von denen der seiner geschätzten Gattin wohl ihren halben Hausstand samt Garderobe beherbergte, seinem Gewicht nach zu urteilen. Er sparte sich, etwas zu sagen; Yukiko hätte ihn so oder so nicht gehört. Es ging um ihren Sohn, sie war ihm endlich so nahe wie seit fünf Jahren nicht mehr – immerhin in der gleichen Stadt! – und sie konnte es ganz offensichtlich kaum abwarten, ihn zu sehen. Das konnte er ihr kaum übelnehmen. Bedachte man den Zustand, in dem er sie verlassen hatte, waren fünf Jahre eine viel zu lange Zeit. Was er ihr aber sehr wohl übel nahm, war die Tatsache, dass er wie so ein doofer Packesel hinterhertrottete, und sie mit nichts weiter beladen als ihrem Handtäschchen die Avantgarde gab. Schließlich blieb sie stehen, vor den gläsernen Toren Heathrows, ließ die für Londoner Verhältnisse ungewöhnlich warme Sonne auf ihr Gesicht scheinen, atmete tief ein. „Endlich da!“ Yusaku kam hinter ihr zum Stehen, stellte seine Armbanduhr acht Stunden vor. „Du sagst es.“ Er gähnte ausgiebig, strich sich mit dem Handrücken den leichten Schweißfilm, der auf seiner Stirn stand, weg – der Jetlag würde horrend sein. Dennoch war ihm das Schlafdefizit noch egal – momentan war er einfach froh, die völlig überfüllten Hallen dieses Flughafens hinter sich gelassen zu haben. Ein Blick in den Himmel zeigte ihm, dass die Morgensonne bereits emsig ihre Strahlen zu Boden schickte, nicht einmal ein Schönwetterwölkchen hinderte sie daran. „Lass uns ein Taxi rufen, Yukiko, und zuerst mal ins Hotel fahren. Er wird so bald ohnehin nicht zu Hause sein, weil er ja arbeitet.“ Sie drehte sich zu ihm um, nickte dann langsam. Der Schriftsteller konnte ihr ansehen, dass sie lieber jetzt als gleich mit ihrem Sohn gesprochen hätte, allerdings hatte auch an ihr der Flug seine Spuren hinterlassen – wie er auch war sie müde und hungrig, und bestimmt nicht abgeneigt, sich etwas frisch zu machen und einen Happen zu essen, ehe sie sich nach Westminster in die Baker Street aufmachten. Auf dem Weg zum Taxistand kamen sie an einem Zeitungsstand vorbei; der Inhaber legte gerade die Morgenausgabe des Reporter auf. THE ARTIST TERRIFIES LONDON prangte auf der ersten Seite. Yusaku blieb stehen, griff sich eine Ausgabe. New case for Sherlock Holmes – exclusive facts and background information! stand darunter. Oh ja, wie es aussieht, bist du sehr beschäftigt mit deiner Arbeit, Sohnemann. Ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen, dann kaufte er die Zeitung, rollte sie zusammen, ehe er mit Yukiko zum Taxistand ging, um sich ins Hotel fahren zu lassen. Etwas erschöpft betrat Shinichi an diesem Morgen sein Büro. Das kleine Eckbüro mit den großen Fensterbändern war ebenfalls ein Zugeständnis an seine neue Stellung gewesen; früher hatte er sich, wie Jenna jetzt, mit anderen Detective Sergeants ein Großraumbüro geteilt. Auf seinem Tisch lag bereits der Bericht der Autopsie; auf der Deckseite oben festgeklemmt ein Foto von einem weißen Haar auf schwarzem Untergrund. Shinichi schluckte, blieb unwillkürlich stehen. Ein eisiger Schauer rieselte ihm aufreizend langsam den Rücken hinunter, als er näher trat. Er pflückte das Foto ab, betrachtete es nachdenklich. Genau genommen war es nur ein silberblondes Haar. Das konnte alles bedeuten und von vielen Leuten stammen, schließlich waren sie hier nicht in Japan, sondern in Mitteleuropa, und blonde Haare waren keine Seltenheit. Er runzelte die Stirn, steckte es zurück. Es gab überhaupt keinen Grund, sich verrückt zu machen. Und so trat er um den Tisch herum, um sich in den Bürostuhl zu setzen und den Bericht in Ruhe zu lesen, sowie die Aktionen für heute zu planen. Weit kam er jedoch nicht - ohne Vorwarnung schwang die Tür auf und Heiji stand im Zimmer. „Guten Morgen, Hattori.“, murmelte Shinichi, schaute nicht auf. „Setz dich doch. Hättest du ein bisschen gewartet, hätte ich dich abgeholt.“ „Morgen.“ Etwas perplex trat Heiji näher, nahm auf dem Stuhl Platz, betrachtete seinen Freund musternd. Der junge Superintendent sah aus wie immer; falls ihn das Gespräch von gestern irgendwie noch aufwühlte, ließ er es sich nicht anmerken. Shinichi überflog den Bericht noch schnell, um zu vermeiden, später etwas nicht zu wissen und klappte ihn zu. „Wie geht’s dir?“ Shinichi hob den Kopf, schaute ihn einem schiefen Grinsen und einer hochgezogenen Augenbraue an. „Höre ich da ein schlechtes Gewissen?“ Heiji bewegte sich unruhig, kratzte sich dann etwas verlegen am Hinterkopf. „Ich muss zugeb’n, ich hab gestern nich‘ wirklich ruhig geschlafen. Und ich war mir nach deiner Erzählung echt nich‘ sicher, ob ich dir damit wirklich nen Gefallen getan hab.“ Er räusperte sich. Shinichi schaute ihn immer noch an, das Grinsen war ihm mittlerweile von den Lippen gewichen, hatte einer ernsteren Mimik Platz gemacht. „Ach.“ Die Augenbraue rutschte wieder hoch. Heiji knetete seine Hände, hatte den Blick abgewandt, weil er dem forschenden Ausdruck in den blauen Augen seines Freundes nicht mehr länger standhalten konnte. „Ich hatte dich doch gewarnt.“ Shinichi seufzte, schaute ihn über den Tisch hinweg an. „Abgesehen davon ist das vorbei. Es muss dich nicht…“ „Das meine ich nicht.“ Heiji rutschte auf seinem Stuhl nach vorn, angespannt. Tatsache war, er hatte kaum ein Auge zugetan, seitdem er wusste, wie schlecht es Shinichi tatsächlich gegangen war. Nicht einfach nur schlecht, sondern richtig elend, nachdem man ihm den Grund ihres Daseins geraubt hatte. „Ich wär dir gern als Freund beigestanden, in der Zeit.“ Shinichi hielt in der Bewegung inne. „Das weiß ich.“ „Na, anscheinend nicht. Warum haste nichts gesagt? Warum…“ Heijis Stimme war kaum zu hören. Er biss sich kurz auf die Lippen, wusste genau, worauf sein Freund anspielte. „Das weißt du.“ „Nein, weiß ich nich‘. Und ganz offen, Kudô - schau dich an… du hast in den letzten Jahren doch kaum richtig gelebt, so wie du gesprochen hast, möchte man meinen, du forderst es heraus, du wartest drauf, dass…“ Scharf holte Shinichi Luft, drehte sich nicht um. „Ich hab mich geschämt, ich stand unter Schock, denkst du, ich hab überlegt, was…“ „Und die Zeit danach? Warum haste nie…“, brach es aus Heiji hervor. „War das dein Plan? Hier zu leben, bisde stirbst, ohne Ruhe, ohne Freude, ohne jemals wieder einen Fuß in Japan... das biste doch nich`! So warste auch nie!“ Shinichi wandte sich um, schaute ihn mit festem Blick an, ließ mit diesem einen Blick Heiji buchstäblich in seiner Bewegung einfrieren. Der entspannte sich ein wenig, stellte sich gerade hin, in seinen Augen jedoch immer noch den Blick des Ermittlers. Shinichi schüttelte den Kopf, ein Hauch von Ärger schwang in seiner Stimme, als er sprach, stopfte seine Hände in seine Hosentaschen. „Erstens, Heiji, ich bin nicht dein Verdächtiger, den du verhörst, auch wenn du das in den letzten Stunden schon fast zur Gewohnheit hast werden lassen… sondern dein Freund. Und ich nehme an, aus dir spricht jetzt die Sorge und nichts anderes.“ Shinichi schaute ihn reserviert an. „Ich hatte keinen Plan, damals. Ich habe auch jetzt keinen. Die Zukunft lässt sich nicht planen, sie kommt einfach, das… hab ich gelernt.“ Er seufzte, ließ seinen Blick langsam über den Schreibtisch wandern, wo er an der Büroklammer der Akte hängenblieb, die das Bild mit dem Haar festhielt. „Ich war fertig, Heiji. Man hatte mich bis auf die Knochen zermürbt… ich war… drogensüchtig und schuldzerfressen, ich hab mich geschämt, ich bekam das Gefühl von Verlust und Versagen nicht los, ich wollte so einfach keinem unter die Augen treten, niemals wieder. Es kam zu viel zusammen… ich wollte einfach keinen mehr belasten, keinen in meine Probleme, in meine Schwierigkeiten hineinziehen. Die letzte, bei der ich das getan hatte, war schließlich tot. Das war mir eine Lehre.“ Heiji schaute ihn an, merkte, wie schwer es Shinichi fiel, den Blickkontakt zu ihm wiederherzustellen. „Du musst das verstehen. Gerade in der Zeit danach, als ich ohnehin kaum geradeaus denken konnte…“, er lächelte bitter, „war es einfach unmöglich für mich, es euch auch noch zu sagen. Und was meinen Plan oder mein Leben für die Zukunft betrifft… frag mich was Leichteres. Bis gestern dachte ich ja noch, Ran wäre tot, deshalb wollte ich nicht zurück. Jetzt weiß ich, dass sie lebt, aber ich habe noch keine Ahnung, was das ändert – sicher ändert es etwas, aber…“ Er schluckte hart. „Solange sie noch da sind, solange diese eine Rechnung noch offen ist, führt kein Weg zu ihr. Du hast Recht, ich will, dass das endlich endet. Ich… würde soweit gehen, mich an der Stelle tatsächlich mit Holmes zu vergleichen, so müde ich diese Vergleiche mittlerweile auch bin. Ich werde sie kriegen, jeden letzten schwarzen Rest dieses Haufens von Verbrechern von diesem Planeten putzen, der noch übrig ist, und wenn es das Letzte ist, was ich in diesem Leben tue.“ In seinem Blick glomm kurz Entschlossenheit auf, ehe er die Akte vor seinem Tisch energisch aufschlug. „Und sollte ich, wie Sherlock Holmes, das Glück haben, diese Reichenbachfälle nicht hinunterzufallen, dann, das schwör ich dir, ruf ich sie an und versuche den Rest meines Lebens wieder auf die Reihe zu kriegen – aber keine Sekunde vorher. Sonst noch was?“ „Nein.“ Heiji schüttelte den Kopf. „Ich meine nur, das alles… also einiges… hätte man dir ersparen können, hätte Kogorô…“ „Ich weiß.“ Shinichi setzte sich wieder, legte den Ordner vor sich auf den Tisch. „Hätte, wäre, würde, sollte. Daran hab ich auch schon gedacht – allerdings ist das jetzt ohnehin alles Makulatur. Vergangenheit.“ Er schluckte hart, schaute dann von dem Bericht auf, den er gerade aufgeblättert hatte. „Heiji - du versprichst mir, dass das, was ich dir gestern erzählt habe, unter uns bleibt.“ Ein zögerndes Nicken war die Antwort. „Auch wenn ich nich‘ verhehlen kann, dass ich Kogorô…“ „Denk nicht mal dran.“ Shinichis Stimme war scharf geworden. Heijis Kopf ruckte auf. „Aber…!“ „Wenn, dann ist das meine Angelegenheit. Du hältst dich da umfassend raus, Hattori, oder aber du kannst dir sicher sein, dass ich dir nie wieder was erzähle.“ Er schluckte. „Außerdem bist du zum Arbeiten hier, nicht, um dich in meine Angelegenheiten einzumischen.“ Mit einer entschlossenen Bewegung schob er Akte und Bericht in Heijis Richtung, machte deutlich, dass diese Diskussion für ihn beendet war. Der Kommissar aus Osaka streifte beides mit einem kalkulierenden Blick. „Etwas Neues?“ „Nein. Nicht wirklich.“ Shinichi schüttelte den Kopf. „Aber wir haben endlich eine Antwort auf eine unserer Fragen.“ Damit zog er eine Seite aus dem Bericht, legte ihn auf den Tisch. Es war eine Email des Reporter, zusammen mit der fehlenden Anzeige. You are slim, pretty AND looking for easy made money? CALL US! WE, that is an arts student in his eight semester and a design student in her seventh, WANT YOU for our project – painting and tailoring united in a beautiful artistic collaboration. TAKE PART IN OUR SYNTHESIS OF THE ARTS! „Wenn das mal kein Anhaltspunkt ist…“, murmelte Heiji. „Gut, soviel Neues sagt es uns aber auch nicht.“, meinte Shinichi langsam. Sein Enthusiasmus hielt sich sichtbar in Grenzen. „Den Kunststudenten und eine Schneiderin hatten wir schon auf dem Radar. Jetzt wissen wir, dass wir alle anderen Optionen nicht weiterverfolgen müssen. Dennoch… irgendwie hab ich das Gefühl, das ist erst die Spitze des Eisbergs.“ Heiji grinste spöttisch. Dann ließ er die neueste Ausgabe des Reporter auf den Tisch fallen, die er bisher zusammengerollt in der Hand gehalten hatte. „Hab se heute im Hotel gefunden und dachte, ich nehm‘ se dir mit.“ Shinichi zog das Blatt zu sich, überflog den Titel. THE ARTIST TERRIFIES LONDON stand in Großbuchstaben geschrieben – über einem Bild von ihm, das man wohl gestern bei der Pressekonferenz geschossen haben musste. „Ja. Das… befürchtete ich.“ Heiji zog die Augenbrauen hoch. „Nen netten Namen haben sie ihm gegeben.“ „The Artist, ja…“ Shinichi nickte langsam. „Du wirst sehen, die haben’s hier mit Spitznamen.“ „Ja, das is mir schon aufgefallen. Viel interessanter wird dann allerdings die Tatsache, dass die da eigentlich viel mehr über dich schreiben, als über deinen Fall.“ Er warf einen bezeichnenden Blick auf den Untertitel der Schlagzeile. Shinichi seufzte, lächelte müde. New case for Sherlock Holmes! - exclusive facts and background information! Und dann ging‘s los – ein halbseitiger Artikel, der in blumiger Sprache reißerisch seine Vergangenheit ausgrub. Yesterday’s press conference at New Scotland Yard did not only present the latest results concerning the investigation of the murder case Kanagawa, it also showed a short look into the incredible past of the investigating Superintendent, Shinichi Kudô – better known to us all as “Sherlock Holmes”, after having shown his fabulous deduction skills at the Carlington-Case. We never dreamed that this guy, mere twenty-five years of age, could have such an incredible past concerning major crime investigation. In fact, our very young Superintendent, whose promotion came surprisingly early (no other police officer has reached that grade at this age and in that short time), has spent half of his life solving cases. Our researches tell us, that he pops up in the Japanese media for the first time when solving a murder case on a plane – at the age of barely sixteen! From this time on, one case follows another, each and every one solved in short time. The Japanese media (for those, who didn’t know – Mr Holmes is born Japanese) celebrated him as their own Sherlock Holmes. His father a crime novelist, best friend of Tokyos major crime police commissioner, it seems to have been unavoidable, that this young man chose this way. One might admire him for this – or one might see this with a healthy measure of suspicion – it is a bit unnerving, thinking of a youth dealing with beheaded, stapped, shot, throttled and poisoned murder victims and one might wonder, how this is changing a young guy’s mind… We are only beginning to dig into this fascinating, though, and that must be mentioned, highly unusual past – stay tuned! As for the murder case, the Met gives following information… Shinichi stützte seinen Kopf in seine Hände, massierte sich die Stirn, fuhr sich dann kurz durch die Haare. „Es fängt also mal wieder an…“, murmelte er, leise stöhnend. Er kannte diese Art von Artikeln zur Genüge, und eigentlich war er sie schon lange leid. Andererseits hatte er es ja absehen können, nach dem Debakel gestern. Shinichi Kudô, der Wunderknabe. Die wahre Reinkarnation Sherlock Holmes. Allerdings, und auch das sah er, war dies zunächst mal ein Bruchteil – und vorerst auch durchaus positiv, ließ man den letzten Absatz einmal beiseite, indem die Sorge darüber kundgetan wurde, inwiefern der zu intensive Kontakt mit Mord und Totschlag sich nachhaltig negativ auf seine geistige Gesundheit ausgewirkt haben könnte. Er lächelte zynisch. Andererseits, und dessen war er sich sicher – würde er nicht lange das Wunderkind bleiben, wenn nicht bald die Lösung des Falls ins Haus stand. „Die fangen jetzt erst an, in deiner Vergangenheit zu graben?“ Shinichi seufzte. „Seit gestern, um offen zu sein. Und das wegen dir – die wollten wissen, wer du bist, und fanden mich. Einer der Beteiligten damals bei dem Fall mit meinem Doppelgänger hat ein Foto von uns gemacht, heimlich wohl, und bei facebook online gestellt, mit deinem Namen getagged. Nun… jetzt sind die Aasgeier von der Presse neugierig geworden, haben Blut gerochen und stürzen sich auf diese Story um ihren Wunderknaben. Ich hoffe, wir haben das beendet, bevor es unangenehm wird. Was das „Warum erst jetzt?“ betrifft – keine Ahnung. Ich nehme an, sie haben vielleicht mal gegoogelt, wer ich bin, allerdings könnte sie das Japanisch etwas abgeschreckt haben. Abgesehen davon haben die sich an ganz anderen Dingen am letzten Fall aufgehängt – und ihnen war wohl, wie man auch hier liest, fünfundzwanzig auch noch jung genug, um sich zu wundern über meine Laufbahn.“ Er hob den Kopf, schaute Heiji an, lächelte säuerlich. „Wir werden sehen, was es bringt. Ich muss aufpassen, das ist alles, aber nichts, was neu ist für mich. Du kennst das doch auch.“ Damit klappte er die ausführliche Analyse des Labors hinsichtlich der Farbe, des Stoffs und anderen Spuren des Tatorts auf. „Also, auf zum Geschäftlichen. Die Eckdaten kennst du aus meinem Bericht, den man dir ja schon zugeschickt hatte. Bei dem Stoff des Kleides handelt es sich um Wildseide, eine spezielle Sorte. Tussahseide.“ Heiji schaute ihn an wie ein Bus. „Und?“ „Die wird aus den Kokons der japanischen Eichenseidenspinnerraupen gewonnen. Und offenbar haben wir eine tierliebe Näherin, denn im Gegensatz zur Zuchtseide, bei der die Raupen vor dem Schlüpfen aus dem Kokon getötet werden, meist durch Wasserdampf, damit sie die Seidenfäden beim Schlüpfen nicht durchbeißen, wird bei Wildseide gewartet, bis der neue Schmetterling geschlüpft ist. Dadurch, dass nun Fäden durchgebissen sind, muss man sie neu verspinnen, an diesen Stellen weisen sie Verdickungen auf, die man beim ganzen Faden der Zuchtseide nicht hat. Das könnte ein Aspekt sein, warum sich die Designerin für Wildseide entschieden hat.“ „Also ein Punkt im Profil unserer Täter.“ „Eventuell, ja.“ Shinichi nickte, blätterte weiter. „Darüberhinaus haben wir Nähseide aus genau der gleichen Faser, was für eine Profinäherin spricht.“ „Warum das?“ „Weil das Kleid erst nach dem Nähen gefärbt wurde.“ Shinichi zog einen Laborbericht heraus. „Mit handelsüblichen Textilfärbemitteln, nach der Fertigstellung, dreimal gefärbt, bis der sattschwarze Farbton erreicht wurde. Sieht man angeblich an der Farbe des Fadens und der Naht; und damit man die Naht nicht sieht, ist es besser, sie hebt sich farblich nicht ab. Für die Perlstickerei wurde vermutlich ein Extrafaden ins Farbbad gelegt, damit auch hier keine großen Unterschiede auszumachen sind. Also, wie du siehst, durchaus jemand, der sich Gedanken macht. Ein Profi, keine Hobbynäherin und auch keine Studienanfängerin.“ Heiji nickte langsam. „Klingt logisch. Was is‘ mit den Bildern?“ „Das besprechen wir am besten vor dem Objekt.“, meinte Shinichi, stand auf, griff sich das am Vortag ausgeliehene Lexikon und sein Notizbuch. „Komm mit. Es hängt unten im Labor neben der Patho.“ Er stand auf, winkte Heiji mit sich. „Den Weg kennst du ja eh noch. Du musst da heute ohnehin nochmal runter, fürchte ich.“ Shinichi blickte über die Schulter, betrachtete Heijis betrübtes Gesicht kurz. „So isses wohl, ja.“ Nach einem Abstecher in der Kaffeeküche, in der sie sich beide mit einem Becher Kaffee ausstatteten, betraten sie den Nebenraum der Pathologie. Zu ihrer Überraschung war dort schon jemand. Dr. McCoy stand vor dem Bild, das man in einer Staffelei vor der braungetäfelten Wand aufgestellt hatte und auf das nun das Licht einer gedimmten Glühbirne fiel. Der Raum war eigentlich ein leeres, unbenutztes Büro gewesen, aber die vollkommene Stille in dem Zimmer gepaart mit dem dämmrigen Licht verlieh der Inszenierung einen fast musealen Charakter, ließ Heiji und Shinichi, die sich bis zum Betreten des Raums noch unterhalten hatten, verstummen. Heiji verschlug es beim Anblick des Bildes schier die Sprache. Er kannte das Mädchen nur von den Tatortfotos, und die zeigten einen Menschen bekanntermaßen nicht unbedingt von ihrer Schokoladenseite, genauso wenig, wie ihnen ein blanker Metalltisch als Unterlage schmeichelte, auf der sie unbekleidet als wissenschaftliches Untersuchungsobjekt lagen. Und erst jetzt sah er die unglaubliche Ähnlichkeit zu Ran. Er warf einen Blick zu Shinichi, der dem Bild einen langen Blick schenkte, ehe er zu seinem Kollegen vortrat. Heiji schluckte hart. Er konnte sich kaum vorstellen, wie es gewesen sein musste, vor ein paar Tagen unter einem Plastikband zu kriechen und sich einem Tatort zu nähern, um ein Mädchen vorzufinden, in schwarzem Kleid, drapiert im grünen Gras am Serpentine Lake, unter einer Trauerweide… das der Liebe seines Lebens so ungeheuer ähnlich sah. „Dr. McCoy?“ Shinichis ruhige Stimme riss ihn aus seinen Gedanken, veranlasste ihn dazu, ebenfalls näher zu treten. „Ah.“ Der Mediziner zog eine Augenbraue hoch, machte eine verlegene Handbewegung. „Sherlock. I haven’t heard you…“, er drehte sich um, als er Heijis Schritte vernahm, und korrigierte sich, „both of you entering the room.“ Er wandte sich nun gänzlich den beiden jungen Ermittlern zu, ein bedauerndes Lächeln auf seinen Lippen, das sich im Tonfall seiner Stimme wiederfand. „She was such a beautiful girl. It’s a shame she was murdered. Do you have any new clues concerning the murderer?” Shinichi antwortete nicht gleich. Er schaute gedankenversunken die Gesichtszüge des Mädchens an, trat so nahe an das Bild heran, dass er die Farbe riechen konnte. Heiji fuhr sich durch seine Ponyfransen, konnte nicht erahnen, was sein Freund gerade dachte. „Indeed, we have.“, meinte Shinichi schließlich mit leiser Stimme, wandte sich um. Als er fortfuhr, war sein Tonfall kaum lauter. „We have proof that lead us towards the UAL… a student of arts and a young tailor or rather tailoress, both students at the University of Arts London, as it seems. We don’t know their names, though, only their advertisement in the Reporter. But, to be honest…” Heiji und McCoy blickten gleichermaßen auf, als sie Shinichis nachdenkliche Stimme hörten. Auf seinem Gesicht war pure Entschlossenheit zu lesen, ein Ausdruck wacher Intelligenz, die gerade auf Hochtouren arbeitete. „Ich glaube nicht, dass sie die sind, die wir wirklich suchen sollten…“ Heiji schaute ihn an, nippte an seinem Kaffee. „Du denkst, da steckt ein Drahtzieher dahinter.“ Shinichi nickte. „Ja. Was hätten die beiden davon? Nur den Ärger mit der Polizei, um‘s mal salopp auszudrücken. Sie forderten keinerlei Lösegeld, und sie werden auch nicht wirklich berühmt… ich denke nicht, dass so etwas karrierefördernd ist. Vor allem dann nicht, wenn man seine Karriere vom Knast aus weiterverfolgen muss.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich denke…“ „… entweder werdense bezahlt oder erpresst.“ „Oder beides.“ Shinichi nickte, griff sich seine Tasse von dem kleinen Tisch in der Mitte, wo er sie abgestellt hatte, als er das Bild genauer betrachtet hatte. Dabei fiel ihm auf, dass sie allein im Raum waren. „Hast du mitgekriegt, wann McCoy gegangen ist?“, fragte er verdutzt. Heiji blickte ratlos um sich. „Ne.“ Er zuckte mit den Schultern. Dann öffnete er sein Notizbuch, und erläuterte nach einem Schluck Kaffee Heiji, was er bereits herausgefunden hatte. „Gut. Also, lass mich mal zusammenfassen.“, murmelte Heiji nachdenklich, stützte sein Kinn auf seine Faust, hatte seinen Ellenbogen auf seine Brust gestützt und stand so wie ein Fragezeichen im Raum. Shinichi klappte das Buch zu. „Wir haben ein Bild von dem Mädel in dem Kleid von der Schneiderin. Wir haben ne altmeisterliche, so nanntest du’s“, er blickte fragend zu Shinichi, der bestätigend nickte, „Malweise. Wir haben das Stiefmütterchen, das symbolische Bedeutung haben kann, oder nicht… um etwas auszuschließen, wissen wir noch zu wenig. Wie du schreibst, und das war auch mein erster Gedanke, könnts auch einfach für Osaka stehen… Alles in allem…“ „Wirft das mehr Fragen auf, als dass es sie klärt. Wir haben noch dazu gar keine Ahnung, ob uns das Bild was sagen soll. Andererseits… malen Maler eigentlich nicht aus Jux und Tollerei. Sie denken sich was dabei.“ Shinichi rieb sich nachdenklich sein Kinn mit Daumen und Zeigefinger, schwieg Heiji kurz an. „Wir werdens herausfinden, hoffentlich.“ Damit fiel sein Blick auf seine Armbanduhr. „Komm, wir holen Jenna. Wir haben heut noch viel vor.“ Heiji nickte langsam, folgte seinem Kollegen aus dem Büro. Sie fanden Jenna im Großraumbüro der Sergeants, wo sie wie festgeklebt an einer Tasse Kaffee hing, in ihren Augen war deutlich der fehlende Schlaf der letzten Nacht zu lesen. Shinichi grinste leicht, stellte sich vor ihr auf. Sie sah ihn von unten herauf an, seufzte laut, ehe sie ihre Haltung straffte. „Jenna, you look awesome. Less sleep, more beauty…?“ „Ha.“, kommentierte sie seinen spöttischen Kommentar, dann seufzte sie. „I thought about our case. And when I finally looked at the clock, it was half past two.” “And? Anything interesting, that came upon you while your intensive thinking?” Sie schüttelte den Kopf, grinste schief. „More and more questions, no answers at all.“ Shinichi seufzte still, nickte dann langsam. „Better get accustomed to that feeling, Jenna.“ Während sie sich auf den Weg zur Tiefgarage machten, erläuterte er ihnen den „Schlachtplan“ für den Nachmittag. Heiji würde heute die Eltern des ersten Opfers in Empfang nehmen; das hieß, zuerst würden sie ihn zum Flughafen bringen, wo er auf sie warten würde, um dann mit einem Taxi zusammen mit ihnen ins Yard zu fahren, wo sie ihre Tochter identifizieren sollten. Er und Jenna würden zur Kunstakademie fahren. Vielleicht war dort jemand, der weiterhelfen konnte, herauszufinden, mit wem sich Ayakos eingelassen hatte. Er ließ seinen Freund am Hotelparkplatz aussteigen und verabredete sich für später mit ihm; seine Aufgabe des Tages führte ihn und Jenna in ein ganz anderes Eck Londons. Jenna, die neben ihm saß, als er ruhig den Wagen durch den dichten Morgenverkehr auf den Straßen lenkte, schien die Stille im Wagen zu genießen; allerdings, das musste Shinichi schnell feststellen, trog der Schein. „You and the officer from Japan work very well together.“ Shinichi zog eine Augenbraue hoch. Jennas bis gerade eben geschlossene Augen waren nun wieder geöffnet – sie hatte sich ihm zugewandt und blickte ihn wach an. „We are both Japanese. Sharing the same mother country is connecting somehow, is it not?“ Jenna schüttelte bestimmt den Kopf. „No. That’s not what I mean. When we fetched him yesterday, I thought, frankly, that you will have shred each other into pieces by the end of the day. At least I expected an atmosphere of icy ignorance. The man seemed to be upset, as we met him at the airport, and he was about to burst into flames and spill hot magma in the car. Do you honestly believe that I did not note the way you talked to him on our way to your car? You always try to act professional, and you doubtlessly were, but between the both of you there seemed to bubble a conflict. Something personal. Private. And there you were, yesterday evening, coming to fetch me, and you looked so perfectly settled with each other, being smoothly tuned to the same wavelength.” Shinichi seufzte, schloss seine Augen kurz. Ach, Kudô. Heiji hatte Recht gestern, die hast du dir wirklich gut erzogen. Nicht nur, was ihre Manieren betrifft. „So you pondered about this change of mind last night till early morning, made your deductions and drew your conclusions. Which would be…?” Er fühlte, wie sich Jenna neben ihm anspannte. “You two knew each other before meeting yesterday at the airport. You knew each other well… I would indeed go so far as to call you two friends.” Sie zerbiss sich die Unterlippe. Zögern und etwas Verlegenheit stand in ihren Augen zu lesen. „Am I right?“ „You are. Go ahead.“ Shinichi blieb ruhig, lenkte das Auto um die Ecke. „You two were close friends and worked together. Before moving to London and joining Scotland Yard. I do not know why you left Japan, but you haven’t talked a word to him since then. And, according to his behavior yesterday morning, you haven’t broken up amicably. That smelled strongly of an unpaid bill… but by the time you picked me up that afternoon, your debt seemed cleared.“ Shinichi seufzte, räusperte sich. „That’s correct in every aspect – though I’d prefer to call that open bill a now cleared missunderstanding.“ Er warf ihr einen Blick zu, lächelte sanft. „I see, I don’t waste my time with you. Though I’d approve, if you now accept that Heiji and me know each other well and are friends, and don’t ask further questions concerning our break up. This is completely… my private issue and not at all subject to this case.“ Aber es wundert mich… hat sie die Zeitung heute noch gar nicht gelesen? Wohl nicht… sonst hätte sie sicher… Wobei, über Heiji schreiben die ja nichts. Nur über Sherlock Holmes… Jenna errötete bis unter die Haarwurzeln, nickte dann aber. Dann warf sie einen kurzen Blick auf ihre Notizen, unter denen die Adresse stand. „We are already there. It’s that building ahead of us!“ Sie deutete auf das Eckhaus einer Reihenhauszeile. Shinichi nickte, lenkte das Auto an die Bordsteinkante und stellte den Motor ab. Heiji unterdessen verbrachte die Zeit mehr oder minder gelangweilt über einer Tageszeitung und einer Tasse Kaffee wartend in der Hotellobby. Er hatte am Empfang nach dem Ehepaar gefragt – sie waren ausgegangen und ganz offensichtlich noch nicht zurück. Allerdings war es auch noch nicht zehn. Nach zwölf Stunden Flug und ihrer Ankunft um Mitternacht hatten die vier London-Urlauberinnen aus Tokio zunächst mehr oder minder im Halbschlaf ihr Hotel aufgesucht. Jetzt, am nächsten Morgen waren sie zwar etwas erholter – dennoch schien es Ran immer noch, als würde sie halb schlafwandeln, als sie geduscht und angezogen aus dem Badezimmer schlappte, und sich zu Sonoko aufs Bett setzte, die sich gerade Ohrringe anlegte, bevor sie zum Frühstücken in den Speiseraum gehen wollten. Ran strich sich müde eine Strähne aus dem Gesicht. „Es ist kaum zu fassen… wir sind tatsächlich da…“ „So isses“, murmelte Kazuha, die gerade das Zimmer betreten hatte, streckte sich. „Und ich bin immer noch hundemüde…“ Sie gähnte. Shiho ging hinter ihr, blieb im Türrahmen stehen. „Ich weiß nicht, was ihr habt.“, meinte sie kurz. „Wir sind doch eh nur rumgesessen, und haben geschlafen – dann sind wir hier angekommen und haben geschlafen - was soll daran anstrengend sein. Ich bin dafür, dass wir jetzt endlich frühstücken gehen, ich hab nämlich Hunger. Es ist schon fast zehn.“ Damit drehte sie sich um, begann den Weg zum nahe gelegenen Speisesaal entlangzugehen, während die anderen sich beeilten, ihr zu folgen. „Ha.“, meinte Kazuha, wollte gerade mit Shiho zu diskutieren anfangen, als sie ein bekanntes Gesicht in der Menge der Wartenden in der Lobby entdeckte. Sie blieb abrupt stehen, so dass Sonoko von hinten in sie hineinrauschte. Ran war ebenfalls stehen geblieben. Auch sie hatte die hochgewachsene, braungebrannte Gestalt sofort erkannt. „Ist das nicht Heiji?“, meinte sie dann, wandte sich Kazuha zu. „Jap.“, meinte sie. Sie wirkte etwas überrascht. „Also, dass es so leicht sein würde, ihn zu finden…“ „Wieso?“, murrte Sonoko launisch, „darauf hastes doch angelegt. Außerdem wartet er nicht auf uns, sondern auf jemand anderen. Er weiß nicht, dass wir hier sind, also trifft er sich hier wohl mit den Eltern des Mordopfers. Was ein Zufall.“ Kazuha nickte. Dann machte sie sich auf den Weg zu ihrem Freund, ließ dabei die anderen kurz hinter sich, als sie durch einen Strom niederländischer Touristen getrennt wurden. „Heiji!“ Der junge Kommissar schien sie noch nicht bemerkt zu haben. „Hey, Heiji?! Sag mal, biste taub?“ Erst jetzt drehte er sich um. Seine Augen weiteten sich vor Überraschung. „K…Kazuha.“ Mühevoll räusperte er sich. „Was zum Henker machst du hier?!“, fuhr er sie dann an. „Na, danke auch, Begeisterung schaut aber anders aus!“, giftete sie ihn an. „Ich dacht mir, ich komm dich besuchen, und du…“ Sie hielt inne, als sie Heijis Blick bemerkte, der längst nicht mehr auf ihr ruhte, sondern auf einen Punkt hinter ihr fokussiert war. „Ran.“, murmelte er tonlos. „Warum zum Henker…“, fing er an, in seine Stimme war mehr Ärger und Unruhe getreten, als er es wollte. „… habt ihr sie hergebracht?“ Kazuha, suchte den Blick in seine Augen, schluckte. „Damit sie mal Ablenkung hat. Du weißt, sie hat sie nötig.“ „Und da fällt dir als Urlaubsziel nichts Besseres ein als ausgerechnet SHERLOCK HOLMES‘ Stadt?“ Unverständnis lag in seinen Augen. Und etwas anderes – etwas, das Kazuha nur schwer deuten konnte. „Hauptsächlich, weil du hier bist.“, murmelte sie etwas kleinlauter. „Ich wollt dich besuchen…“ „Traust du mir nich über den Weg, oder was?“, fragt er gereizt. „Das isses nich. Es war wirklich… eigentlich nur gut gemeint.“ Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen; sie holte tief Luft, schaute ihn ernst an, zog die Ausgabe des alten Reporters aus ihrer Tasche, die sie im Flieger gelesen hatte. Schnell warf sie einen Blick über ihre Schulter; die anderen näherten sich zwar, waren aber noch zu weit weg, um sie zu hören. „Sherlock Holmes. Meinen die ihn damit?“ Ein lautes Seufzen entwand sich seiner Kehle, unwillig stopfte er seine Fäuste in seine Taschen. Er überlegte, was er ihr sagen sollte – sollten sie die neue Ausgabe in die Finger kriegen, würde die Frage ohnehin sofort geklärt sein. Allerdings schienen sie im Moment noch ahnungslos, und wenn er Kudô erwischte, bevor Ran eine Zeitung in die Hand bekam, dann könnte er vielleicht noch selber… Idiot. Du hättestse gestern anrufen sollen, Kudô. Wobei, vielleicht saßense da schon im Flieger. Was muss das auch so kompliziert sein… „Meine Arbeit ist meine Arbeit, Kazuha. Das hab ich dir schon einmal erklärt, ich bin kein dummer Oberschülerdetektiv mehr, der bereitwillig über seine Fälle schwadronieren kann…“ „Also issers.“ „Das hab ich mit keiner Silbe gesagt.“ Er wandte sich um. „Seid so gut, lasst mich einfach meine Arbeit machen. Und passt ein bissl auf euch auf, London is `n gefährliches Pflaster für junge Frauen, momentan.“ „Wir können auf uns aufpassn!“ Entrüstet stemmte Kazuha ihre Fäuste in die Hüften. „Hörmal, nur weilde jetzt Polizist bist…“ Er zog die die Augenbrauen hoch, hob einen Zeigefinger, brachte sie zum Schweigen. Dann beugte er sich zu ihr, drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. „Kommissar, Schatz, nicht nur einfach popliger Beamter. Ich meld mich, wenn ich Feierabend hab.“ Damit wandte er sich zum Gehen. „Und Sherlock Holmes?“, rief sie ihm hinterher. „Kannste im Museum anschaun. Bakerstreet.“ Damit ließ er sie stehen, schritt auf eine Familie zu, die gerade eben die Lobby betreten hatte und auf ihn zusteuerte. Na wunderbar. Damit wären wir ja alle wieder versammelt… Ach, Kudô… Ran trat neben Kazuha, schaute sie fragend an. „Alles in Ordnung mit ihm?“ Kazuha zuckte zusammen, knüllte die Zeitung hastig in den nächsten Mülleimer. „Ja, klar. Etwas gestresst, etwas mitgenommen… Mordfälle sind halt mal keine schöne Sache, und sich mit den Eltern auseinandersetzen auch nich…“ Sie warf einen nachdenklichen Blick auf das Paar. Die Frau, offensichtlich die Mutter des ermordeten Mädchens, war in Tränen ausgebrochen, hielt sich an ihrem Mann fest, dessen Gesicht von tiefen Falten gezeichnet war, die sein Gram wohl noch tiefer in seine Haut meißelte. „Wir sehn ihn heut Abend, sagt er. Bis dahin schaun wir uns die Stadt an.“ Damit zog Kazuha Ran ins Frühstückszimmer, wo sie sich um einen Tisch gruppierten und ihre Teller mit allerlei Leckerein vom Buffet füllten. „Was wollen wir denn mit dem heute noch machen?“, nuschelte Sonoko, die sich gerade ein Croissant in den Mund steckte, und beim Kauen und Sprechen großzügig Blätterteilgkrümel über den Tisch verteilte. „Ich finde, wir sollten den Tag nicht nur noch mit Essen und Schlafen verbringen. Unser Hotel ist in der Nähe von Harrod’s, und von dort aus ist es nicht weit zum London Eye! Warum starten wir unsere unseren Urlaub nicht mit einer Fahrt mit dem Giant Wheel!“ Die Schwerreichentochter hatte nun fertig gekaut und das bröselige Blätterteiggebäck mit einem großen Schluck Milchkaffee runtergespült. „Und im Anschluss gehen wir in Harrods Afternoon Tea trinken und ein bisschen einkaufen! Was sagt ihr?“ Ran, Kazuha und Shiho schauten einander an. „Warum nicht?“, meine Ran schließlich, nippte an ihrem Schwarztee. „Mit dem Riesenrad wollte ich schon letztes Mal fahren… allerdings reichte da die Zeit leider nicht.“ „Dann wäre das abgemacht!“, grinste Sonoko verbrannte sich die Finger an ihrem weichgekochten Frühstücksei. „Autsch!“ ________________________________________________________________________________ Hallo meine Lieben! Zuerst einmal meinen herzlichen Dank, vor allem auch an all die sonst stummen Leser, die sich auf meine Bitte letzte Woche hin gemeldet haben. Es tut gut zu hören, dass ich hier nicht einfach nur für den Mexxschen Server schreibe – wie gesagt, wir reden hier von… etwas um die 50 Kapitel, bei wöchentlichem Laden dauert das ein Jahr, und das… täte ich mir wohl nicht mehr an, wenn das hier einfach keinen interessiert. Also – wenn ihr mir ab und an mal eure Meinung kundtut, würde ich mich irre freuen, ehrlich. Man braucht nicht nur fürs schreiben Motivation – sondern vor allem fürs Laden hier. Und es ist nicht motivierend, wenn die Reaktion so ganz ausbleibt. Ich rede auch gerne mit meinen Lesern über meine Geschichte, Kritik ist wichtig – auch ich will hier noch lernen. Wenn ihr mal etwas nicht versteht, bitte lasst es mich wissen – ich erkläre gerne oder schicke Übersetzungen für die Englischstellen, wenn nötig. Ansonsten, ihr seht es – wir nehmen Fahrt auf! Ran ist da, seine Eltern ist da, die Presse hat ein neues Fresschen… es wird spannend. Stay tuned! Beste Grüße, Leira Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)