Dunkler als schwarz von Leira (Shinichi x Ran) ================================================================================ Tag 3 - Kapitel 6: Internationale Zusammenarbeit ------------------------------------------------ Tag 3 KAPITEL 6 – INTERNATIONALE ZUSAMMENARBEIT Shinichi stutzte, als er am nächsten Morgen das Yard betrat. Die Zeitungen hatten noch nicht viel Neues berichtet – ein paar Stimmen waren laut geworden, die sich über den schleppenden Verlauf beschwerten, aber ansonsten waren sie verhältnismäßig glimpflich davon gekommen, dafür, dass sie am Vortag nichts erreicht hatten. Nichts destotrotz rannte ihm Jenna entgegen, ihre Frisur leicht aufgelöst, ihr Gesicht schon wieder von nervösen roten Flecken übersät. „What is it this time, Jenna?“, fragte Shinichi vorsichtig, als er sich eine Tasse Kaffee aus dem Automaten zog, behutsam auf die Oberfläche blies, um sich nicht an der heißen Flüssigkeit die Zunge zu verbrühen. „The AC wants a word with you, Sir.“ Shinichi zog die Augenbrauen hoch. „Yet again?“ „Yeah. And he sounded quite agitated.” “Agitated like in being positively excited or like in being… not amused at all…?” „No idea, Sir. He was about to answer a call, so he was very short in his… instructions.” Shinichi seufzte. „Let me have a guess: Get. Him. Here. Immediately.“ „Very close, Sir.“ Jenna grinste, sammelte sich dann. „There’s definitely no time to waste for you.“ „When have I ever wasted time...“, stöhnte Shinichi, nahm einen Schluck Kaffee, drückte dann Jenna den Becher in die Hand. „Go into my bureau and wait there – I’ll meet with you after my conversation with our adored assistant commissioner.” Damit machte er sich auf den Weg ins Büro seines Vorgesetzten, betrat es wie am Vortag nach einem kurzen Klopfen und wartete wie am Vortag sitzend darauf, dass der AC mit seinem Telefonat fertig wurde. Dabei starrte er auf seine Finger, oder tat zumindest so – stattdessen scannte er die Dinge, die auf dem Tisch des ACs lagen, lauschte dem Tonfall des Telefonats und nahm die Körperhaltung des Mannes ihm gegenüber auf. Erregt, aber nicht verärgert. Kein Hinweis, dass die Presse uns bereits in Stücke reißt… es muss etwas anderes sein. „Thank you very much, yes. He’ll be picked up, of course. I’ll send someone to fetch him immediately. By the way, it would have been less busy, if you’d called earlier – what? Yeah. Well. That’s right, I suppose…“ Montgomery verdrehte die Augen, schnaufte gepresst, als könne er seine Verstimmung nur mit Mühe zurückhalten. Shinichi blickte auf. „You have tried, yes. Yes. There was nobody to be reached, because it was three o’ clock in the morning and the night shift… yeah. What? Could you please repeat this? No. Sure. Of course. You could not know…“ Er legte auf, seufzte entnervt. „Good lord. Why are Japanese people speaking an English so hard to understand?“ Er starrte Shinichi an, der ihm höflich entgegenlächelte. „I leally don’t know what you mean, Sil.” Montgomery griff sich an die Stirn. „Ahh…“ Er seufzte. „Sometimes I forget that you are no Englishman, Sherlock.“ Ungelenk fuhr sich der Mittfünfziger durch sein graumeliertes Haar. „You should count this definitely as a compliment.“ Shinichi lächelte müde. „I’m indeed honored. But I’m not here to collect compliments about my Englishness, am I?“ Der junge Detektiv schmunzelte, während sein Vorgesetzter kurz grinste. „No, you’re not. Any news about the case and the forthcoming of our investigation?“ „You’d be the first to know, Sir.“ Shinichi blickte kurz zur Seite, ein Schatten huschte über sein Gesicht. „„I’d love to know more myself. Jenna’ll dig into the cloth issue and I wanted to busy myself with the search of the painter of that picture. But as long as we don’t know the identity of our victim…“ Shinichi blickte auf, als Stoff rascheln hörte, als sich Jackson Montgomery kurz bewegte, hielt inne. „But didn’t you want to tell me something? About the Japanese and their bizarre English?“ Seine Augenbrauen waren nach oben gerutscht. AC Montgomery begann, sich seinen Schnurrbart zu kraulen, als er kurz sein Telefonat rekapitulierte. „Yes… indeed. You need not to bother about the problem of Jane Does identity any longer. The forensics were given a hint yesterday evening…“ „Wait… what?!“ Shinichi fuhr hoch, lehnte sich nach vorn. „Why didn’t I know about that earlier?!“ „You would have learned about it this very moment. There was nothing to be done yesterday, anyway. But I have to admit, the Japanese don’t lose much time.“ Der junge Detective Superintendent verdrehte die Augen. „And that means…?“ „… the hint came from Japan. A relative of the young woman saw her photo in the internet, together with our appeal. She contacted the police in Japan, the police in Japan contacted us, yesterday night, as you might have gathered from my telephone call right now, and well, they want to…“ „… they want what…?“, hakte Shinichi nach. „You will be getting some support.“ Montgomery lehnte sich zurück, begann, mit seinem Kugelschreiber zu spielen. Das leise Klack-Klack, als er das Ende des Stifts immer wieder auf die Tischplatte stieß, um die Miene rein- und rauszuschieben, machte Shinichi fast wahnsinnig. Er riss sich dennoch zusammen, zog die Augenbrauen hoch. „Support? Support of what kind? From another department?“ „No.“ Der AC hielt inne. „Support of the international kind.“ Er seufzte leise. „And this is something, to be honest, that doesn’t amuse me at all. Having someone foreign in our investigation is not what I wished, especially at this point of the investigation. I nevertheless expect of you, that you will represent the yard as a professional investigator in every aspect and every way. Our cultures might clash on one occasion or the other, but I hope that your past might be of some help to you at last, Superintendent Kudô.“ Shinichi zog interessiert die Augenbrauen hoch. Aufregung stieg in ihm hoch, schien ihn fast zum Platzen zu bringen. Gleichzeitig lief es ihm bei dem Gedanken daran eisig den Rücken hinab. Ein Kollege aus Japan?! Sein Vorgesetzter schien die Veränderung im Verhalten seines Kollegen durchaus zu bemerken. „Yes, I see, your thoughts are already heading towards the right direction. It was possible to identify the girl as Japanese citizen, with the help of her Japanese relative. Her Name is Ayako Kanagawa, she spends a foreign semester here – spent, to be correct. The parents will arrive the next days to verify this. And to avoid that they have to deal with us alone, the Japanese police delegates…“ Shinichi merkte, wie ein Zittern durch seinen Körper lief. „…a liaison officer.“, vollendete er Montgomerys Satz. „A police officer of their mother country, correct. To be more precise, an officer of the crime department in Osaka, as the girl lived there. Her parents are from Tokyo.“ Montgomery nickte langsam. „They show themselves grateful for our cooperation. You know, Sherlock, the officer is only an observer, he’ll be looking over your shoulder, talking to the parents and accompanying you at your investigation. He is there to make sure that nothing is overseen or left out. He must not investigate on his own.“ Der Chef des Departments seufzte leise. „This is going to put additional pressure on you; besides being an additional strain on you to tag along a foreign police officer, who has a close look at your fingers – especially on your first case in this position, and which is, as it seems, carrying along enough problems itself. I nevertheless hope that you, according to your extraordinary success, will handle this exemplarily and flawless.” Er begann, mit seinem Kugelschreiber kleine Löcher in das Papier des gestrigen Reporter zu picken. „However, this is common practice and we will do our best to greet our guest politely and give him insight into every aspect of our work.“ Shinichi nickte langsam. „When…?“, fragte er leise. „You are going to fetch him; his plane arrives within the next hour. London-Heathrow. His name is Heiji Hattori.“ Shinichi merkte, wie ihm die Farbe aus dem Gesicht wich. Wie und in welchem Zustand er das Büro des AC verlassen hatte, wusste er nicht mehr. Ob er sich noch verabschiedet hatte oder einfach nur kreidebleich das Zimmer verlassen hatte, er hatte keine Ahnung. Er hoffte inständig, Montgomery hatte sein seltsames Verhalten nicht bemerkt. Nun stand er schwer atmend am Gang, starrte das gefällige Muster des Linoleums zu seinen Füßen an und versuchte, Ordnung in das Chaos in seinem Kopf zu bringen. Fahrig wischte er sich über Stirn und Augen. Heiji! Von allen verdammten Polizeibeamten Japans schicken die ausgerechnet ihn! Panik stieg in ihm hoch, als ihm bewusst wurde, dass sein abgeschottetes Leben heute sein Ende finden würde, und das in knapp einer Stunde. Wenn Heiji erst einmal da war, dann würden auch bald alle anderen wissen, wo er war und was aus ihm geworden war. Dann würden die Fragen beginnen, und mit ihnen die Vorwürfe. Mein ehemals bester Freund. Sicher hasst er mich, für alles… Dafür, dass ich ohne Erklärung verschwunden bin. Dafür, dass ich auf Ran nicht besser aufgepasst habe. Verdammt, was mach ich mit ihm? Das kann niemals gut gehen! Dann schluckte er, riss sich zusammen. Er hatte keine Wahl, er musste sehen, was auf ihn zukam. Und zu dieser Tageszeit war die Strecke nach Heathrow kein Vergnügen, also sollte er sich besser beeilen. Shinichi seufzte, biss die Zähne zusammen bis sein Kiefer schmerzte, und wischte sich die schweißnassen Hände an seinem Jackett ab – dann rannte er den Flur entlang in sein Büro um Watson einzusammeln, die dort sonst vergeblich auf ihn warten würde. Wenige Minuten später – standen sie im Stau. Shinichi ließ seinen Kopf gegen das Lenkrad sinken, stöhnte entnervt auf. Seine Partnerin neben ihm warf ihm einen fragenden Blick zu. Er hatte sie kurz aufgeklärt – über Jane Does wahre Identität und den Grund ihrer Fahrt zum Flughafen. Sie hatte ihm dann aus dem Autopsiebericht vorgelesen, was er ohnehin schon wusste – Tod durch diese verheerende Verletzung, verursacht durch einen Stichwunde in die Seite, die tatsächlich das Herz verletzt hatte. Sie war verblutet, qualvoll, mit jedem Herzschlag ein Stück mehr. Das Organ, das sie am Leben hielt, hatte sie umgebracht, weil es seine Arbeit tat. Verblutet. Ihr Herz hat ihr Blut aus ihr herausgepumpt. Wie… makaber… Zum Tatort und zum Todeszeitpunkt gab es ein paar Neuigkeiten; der Todeszeitpunkt wurde auf etwa vierundzwanzig Stunden vor Auffinden der Leiche geschätzt, der eigentliche Tatort war wahrscheinlich ein altes Fabrikgebäude oder ähnliches. Auf dem Kleid hatte man einen winzigen Ölfleck gefunden, Maschinenöl. Nun gab es im Großraum London hunderte Fabriken und das Maschinenöl war ein herkömmliches Standardprodukt – diese Spur führte sie also nicht weiter. Das Kleid vielleicht schon eher; es handelte sich um anthrazit beziehungsweise schwarz gefärbte Wildseide. Diesen Stoff verkauften nur eine Handvoll Händler in London; und die galt es, bezüglich ihrer Kunden auszuquetschen. In seiner Mappe befand sich bereits ein Bild des Kleids sowie eine Stoffprobe - vielleicht erkannte jemand etwas wieder und konnte die Käuferin oder den Käufer der Seide so identifizieren. Das würde wohl Watson übernehmen. Er würde sich mit dem Bild befassen. Eine Kartei mit bekannten Malern und Kunsthochschulen im Großraum London wurde bereits erstellt und wartete mit Sicherheit auf ihn, wenn er zurückkehrte. Aber jetzt… galt es den Kollegen abzuholen, wie er Heiji seiner Partnerin gegenüber nannte, und fragte sich jetzt schon, wie lange Watson brauchen würde, um zu merken, dass Heiji nicht einfach nur ein „Kollege“ war. Er parkte sein Auto auf dem Flughafenparkplatz und legte Jennas Polizeimarke in die Windschutzscheibe, die ihnen wenigstens die horrende Parkgebühr ersparte. Dann machte er sich mit Watson auf den Weg, schaute dabei hektisch auf die Uhr – sie waren fast ein wenig spät dran. Ungeduldig wartete er, bis sich seine Partnerin aus dem Auto gequetscht hatte, wohl bedacht, die Beifahrertür nicht in die Seite des nebenstehenden PKWs zu rammen – Shinichi musste zugeben, die Parklücken hier waren nicht eben großzügig bemessen. Kaum hatte sie ihre Tür ins Schloss geworfen, verriegelte er das Auto mit der Fernbedienung und schritt eilig voran. Jenna rannte hinter ihm her, holte ihn erst in der Eingangshalle wieder ein. „Sir!“, japste sie neben ihm; ihre Stimme war noch ein wenig heller als sonst, wie immer, wenn ihr die Puste ausging. „What?“ „Don’t we need a sign?“ Shinichi blieb wie angewurzelt stehen. „Sign?“, fragte er verwirrt. „Well, a sign with his name written on it. So he’ll be able to find us.” Sie strich sich ihre Haare hinter die Ohren, kam langsam wieder zu Atem. Shinichi lächelte bitter; etwas, das sie erstaunte. „No, I don’t think we’ll need a sign. He will for sure find us, one way or another…” Tatsächlich war er auch nicht zu überhören, befand Shinichi nur Augenblicke später, als sie sich durch die Menge der aus dem Flughafen strömenden oder zu ihrem Terminal eilenden Fluggäste gewühlt hatten. „What’s that meaning, nobody’s here to fetch me? Hasn’t anybody called you to …“ Der junge Superintendent drehte sich um. Heiji war nicht zu übersehen; mit einem großen Koffer und einer Reisetasche stand er an der Information und gestikulierte wild – und sah mit seiner Blitzschlagfrisur, die er immer noch trug und für die er nach wie vor wohl eigentlich einen Waffenschein gebraucht hätte, fast so aus wie vor fünf Jahren. Er war ein wenig gewachsen, wohl, sein Teint immer noch dunkler, braungebrannt. Sein Körperbau war ein wenig kräftiger, als er ihn in Erinnerung hatte – wobei der exzellente Kendokämpfer schon immer ein wenig muskulöser gewesen war als er selbst. Shinichi blickte an sich herab, zuckte mit den Schultern. Er hatte in der Richtung in den letzten fünf Jahren auch nichts getan. Er hatte in den letzten fünf Jahren genau genommen gar nichts für sich getan, bis auf die Tatsache, genug zu essen, zu trinken und zu schlafen um sich am Funktionieren zu halten. Heiji hingegen sah gut aus – wie immer. Shinichi seufzte. Neben ihm bewegte sich Jenna unruhig. „Is that him?“, fragte sie dann leise murmelnd. „Oh yeah. That’s him.“ „But he isn’t like you at all, Sir.“ Shinichi zog amüsiert die Augenbrauen hoch. „No, he isn’t. Why should he be like me?“ „Well.“ Die junge Frau wurde rot bis unter die Haarwurzeln. „One always hears that the Japanese are so quiet, always calm and friendly and polite…“ „Well, Jenna, and I always heard that the Britisch are all black-humoured and have a deep desire for their afternoon-tea. I haven’t ever seen you drink a cup of tea – at any time of the day…“ Damit setzte er sich in Bewegung, um die arme Flughafenangestellte von ihrem Leid zu erlösen, eine tomatenrote Jenna Watson im Schlepptau. „Sir.“, begann die akkurat frisierte Dame, wischte sich mit einem Tüchlein über ihre Stirn, lockerte sich mit ihrem kleinen Finger ein wenig ihren Seidenschal. „I am sure you have not been forgotten. But the traffic in London…” „…is short and fast the hell itself, sometimes. Thank you very much, Miss…” Shinichi beugte sich an Heiji vorbei, um das Namensschild lesen zu können, zückte gleichzeitig seine Dienstmarke und hielt sie hoch, damit die junge Angestellte sie lesen konnte. „Kerry. Detective Superintendent Kudô, New Scotland Yard, and obviously already feverishly desired.“ Er warf Heiji einen kurzen Blick zu, musste an sich halten, um bei dem entsetzten und zugleich wutentbrannten Gesicht seines Gegenübers nicht zusammenzuzucken. Heiji starrte ihn an, hatte die Luft sichtbar angehalten, kaute auf seiner Zunge, um sie im Zaum zu halten. Er hatte ihn nie so gesehen. „Thank you very much. We’ll care for everything else. Have a nice day.“ Er deutete eine kleine Verbeugung an, griff mit der einen Hand nach Heijis Koffer und bedeutete mit der anderen Jenna, nicht wie angewurzelt herumzustehen, sondern ihrem „Gast“ seine Tasche abzunehmen. Heiji starrte ihnen sprachlos hinterher, ehe er seine Fassung wiederfand und seine Kinnlade, die ihm gerade bis auf den Boden gefallen war, wieder aufsammeln konnte. „Du?!“, zischte er dann atemlos, als er die beiden Beamten von Scotland Yard wieder eingeholt hatte. „DU?! Verdammt…“ Ehe er jedoch seiner Wut Luft machen konnte, schnitt ihm Shinichi mit einer harschen Handbewegung das Wort ab, brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen. „Ja. Ich. Hör zu, ich hör mir alles an, was du mir zu sagen hast, aber nicht jetzt. Ich bitte dich, reiß dich solange zusammen, bis wir allein sind.“ Er atmete tief durch, sah Heiji an, wie schwer ihm das Nicken fiel, das er gerade so eben zustande brachte. Er konnte genau erkennen, wie fahl er unter seinem braungebrannten Teint geworden war, wie sehr es in ihm brodelte. Seine Hände hatte er zu Fäusten geballt und in seine Hosentaschen gerammt, schon in dem Moment, als er Shinichis Stimme gehört hatte. Diese Stimme, die er unter tausenden wiedererkannt hätte. Schließlich räusperte er sich, lächelte dann businesslike. „Good lord. Where are my manners?“ Er deutete eine Verbeugung an. „Kommissar Heiji Hattori, Präfektur Osaka, murder squad.“ Er reichte zuerst Shinichi, dann Jenna geschäftsmäßig die Hand. Die junge Frau strahlte ihn an. „I do hope you will have an enjoyable stay here!” Heiji warf ihr einen verständnislosen Blick zu. „Hardly, Jenna. This man will work with us at our murder case…“ Shinichis Stimme klang staubtrocken. Heiji warf ihm einen schrägen Blick zu. „However, if he wants to do some sightseeing, I’m fine with that.“ Damit räusperte er sich. „For now, though, we will bring you to your hotel where you can refresh yourself, if you want. After that, we must beg you to accompany us to Scotland Yard, where…” „… the AC surely is bursting to make your acquaintance! We are not working with a Japanese so often, I am so excited…!“ Shinichi fiel fast über den Koffer, den er gerade durch die Flughafentür nach draußen schob, während Heiji lauthals zu lachen anfing. Und erst jetzt ging der jungen Beamtin auf, was sie gerade von sich gegeben hatte. „Well… does this guy not count as a Japanese?“, meinte Heiji, immer noch lachend, während Shinichi sich sein Schienbein rieb. „Mr. Sherlock Holmes?“ Jenna lächelte entschuldigend. „Nobody can pronounce his first name properly and he himself is speaking more accurate British-English as our chief secretary does, who is a descendant of an old aristocratic family. So, no, somehow not. Sorry, Sir.“ Shinichi warf ihr einen langen Blick zu. „Thanks, Jenna.“, meinte er gedehnt, seufzte dann. Mittlerweile waren sie am Wagen angekommen. Shinichi öffnete den Kofferraum und wuchtete das Gepäck seines ehemaligen Freundes hinein, sich der Blicke des Osakaners wohl bewusst. „Don’t make yourself comfortable, Jenna.“, bemerkte er, als die junge Frau ihre Jacke ausziehen wollte. Damit drehte er sich um, gab dem Kofferraumdeckel einen Stoß, damit er zuflog. „I want you to begin to investigate at the fabric stores. So you will leave us soon.“ Er öffnete eine Tür im Fond, um ihr zu bedeuten, wo ihr Platz war, und nickte Heiji auf den Beifahrerplatz, von wo er die Fallakte nahm, nachdem er selbst Platz genommen hatte. Er öffnete sie, kramte eine Liste, zwei Tütchen und zwei Fotos heraus. „You have something to take notices with you?“ „Jap.“ „Fine. Here is a list with addresses, here are the pictures of the dress and some samples of lining and upper material. You know what to do – ask the dealers, whether they sell this sort of fabric and keep in mind that it could be non-colored, nature. Should they agree to this, ask for their client list. Let them hand it out to you, copy it or write it down. Write down everything which might seem important. Should the dealers not have such things like client lists, let them give you a good description of their clients. I let you jump off at the first store. As soon as you are done with this, come back to the Yard; call yourself a cab or go by tube. You can call me as well, perhaps I am around and can pick you up.” Sie mussten nicht weit fahren, bis sie Jenna auf ihre Ermittlungstour schicken konnten. Dann waren sie allein im Wagen. Shinichi atmete tief durch, dann scherte er in den laufenden Verkehr ein. Als Heiji den Mund aufmachen wollte, schüttelte er nur den Kopf. „Nein. Noch nicht jetzt.“ Er warf ihm einen Blick aus seinem Augenwinkel zu. „Ich muss mich auf den Verkehr konzentrieren.“ Ein leiser Seufzer entwich seinen Lippen, ehe er seine Augen wieder dem Geschehen jenseits der Windschutzscheibe widmete. Heiji nickte nur langsam, ließ seine Augen aber nicht von ihm. Er wusste nicht, was er erwartet hatte; aber nicht das, soviel war sicher. Er hatte sich ein Stück weit gefreut, als man ihm eröffnet hatte, dass sein Ansprechpartner ein Japaner war; aber dass es sich so verhielt, damit hatte er nicht gerechnet. Shinichi war blass, aber gut, das war er immer gewesen; so hatte er ihn Erinnerung. Auch der Haarschnitt, die Art, wie er sich kleidete, seine Bewegungen, Gesten – alles das war, wie es immer gewesen war. Nicht jedoch der Blick in seine Augen. Aus ihnen sprach immer noch eine wache Intelligenz und ein Verstand, scharf wie die Klinge eines katana – aber auch noch etwas anderes. Etwas, das seine Augen dunkler machte, auch wenn sie doch immer noch glasklar und wasserblau waren, ganz genauso wie immer. Etwas, das ihnen den Glanz raubte, die Lebendigkeit. Schmerz. Schuld. Selbsthass. Einsamkeit. Heiji atmete langsam aus. Kudô… Und dennoch. Er verstand es nicht. Und konnte sie nicht vergessen, all die Jahre, in denen sie nicht wussten, was aus ihm geworden war, als er einfach gegangen war, ohne ein Wort, eine Erklärung. Nein. Du wirst dich erklären müssen, so leicht kommste mir nich‘ davon. Du warst mein Freund, verdammt - mein bester Freund. Ich dacht‘, das würde irgendwas bedeuten. Offenbar hat es das nich‘… Was hastde dir dabei gedacht! Du wärst es uns schuldig gewesen, du hättest was sagen müssen… Auch wennsde Probleme hattest, wir hätten… versuchen können, sie gemeinsam zu lösen. Aber nein, du verdammter Sturschädel hast alles allein machen müssen, und dabei… Du hast uns alle allein gelassen. Hastde eig‘ntlich ne Ahnung, wasde angerichtet hast? Wut kochte in ihm hoch. Du hast dieses Leben wohl verdient. Allein zu sein, einsam zu sein, und dich zu verachten, für alles, wasde angestellt hast. Wenigstens bereust du’s. Aber warum musste es soweit kommen?! Im Yard angekommen, informierte sie eine gut gekleidete, perfekt mit britischem Akzent englischsprechende Dame, dass sich die gentlemen noch etwas gedulden müssten, bis der assistant chief commissioner ein paar Minuten für eine Begrüßung erübrigen könnte. Kurz darauf fanden sie sich auf einem der Gänge des Yards wieder – allein. Shinichi sah Heiji an, dass er kurz vorm Platzen war, was auch immer da in ihm brodelte. Wahrscheinlich war es besser, er ließ die Bombe kontrolliert explodieren, bevor sie im Büro des AC ungebremst hochging. Er seufzte laut, straffte die Schultern. „Also schön, bringen wir’s hinter uns. Komm mit.“ Shinichi schluckte, bedeutete ihm, ihm zu folgen; er konnte die Wut förmlich riechen, die in ihm tobte. Sie gingen nicht lange; Shinichi kannte das Gebäude wie seine Westentasche, und es gab nicht viele Räume, wo man sich einigermaßen ungestört unterhalten konnte. Es ging in die Verhörräume. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass auf der anderen Seite der Trennwand niemand saß, und den Raum sicherheitshalber abgeschlossen hatte, bedeutete er Heiji, den kleinen, kahlen Raum zu betreten, und sich zu setzen. „WO ZUR HÖLLE WARST DU?!“ Heiji hatte kaum Platz genommen, als er zu schreien anfing; Shinichi zuckte nicht zusammen, versuchte aber auch nicht, eine Antwort auf diese sich eigentlich selbst beantwortende Frage zu geben. „Wieso bistde gegangen ohne uns etwas zu sagen? Ich mein‘, was soll ‘n das? Du lässt uns fünf Jahre ohne eine Meldung von dir, verbietest deinen Eltern, uns zu sagen, wo du steckst, was… was, verdammt nochmal, hastde dir dabei gedacht!? Zuerst die Sache mit der Organisation, und dann haustde ab! Ich dachte, wir wärn Freunde, der Professor dachte das sicher auch, oder Ai…!“ Heiji ließ sich nun doch auf den Stuhl gegenüber sinken, schaute seinen ehemals besten Freund sprachlos an, schnappte nach Luft und sah dabei einem Fisch außerordentlich ähnlich. Schnaufend atmete er aus, fuhr sich durch seine wie eh und je abstehenden Haare. „Und dann find ich dich hier! In London, du arbeitest beim Yard… mein Gott, Shinichi, warum haste in all den Jahren… Warum biste überhaupt so überstürzt abgehauen, weißte nich‘, wie verletzt du alle hast, als du nich‘ Lebwohl oder sowas in der Art gesagt hast?! Wir hab’n uns Sorgen gemacht, verdammt!!“ „Ich weiß.“ Er flüsterte die Worte nur. Heiji hielt inne. „Ach, wie schön, dassdes weißt, Kudô. Schien dich aber nich‘ groß gestört zu haben.“ Seine Stimme klang gereizt. „Krieg ich jetzt `ne Erklärung?“ „Lässt du mich ohne eine hier raus?“ „No, Sir.“ Heiji ließ sich zurücksinken und verschränkte die Arme vor seiner Brust, starrte ihn unter tief heruntergezogenen Augenbrauen wütend an, während sich Shinichi schwer auf seine Ellenbogen stützte, vornübergebeugt saß und die Tischplatte anstierte, als wolle er mit seinem Blick ein Loch hinein bohren. „Ich konnte einfach keinem mehr unter die Augen treten, Heiji.“ Shinichi schaute kurz auf. „Aber wieso das denn? Du hast es doch allen gezeigt!“ Der junge Polizist aus Osaka beugte sich vor, in seiner Stimme schwang pure Verständnislosigkeit. „Du hattest die Organisation zerstört! Du warst wieder du selbst, du hättest endlich da weiter machen können, wo du aufgehört hast…“ „Eben nicht.“ Shinichi seufzte, fuhr sich durch die Haare, setzte sich dann langsam auf, presste seine Hände auf die Tischplatte. „Eben genau das nicht, Heiji. Nachdem, was passiert war, konnt‘ ich keinesfalls bleiben. Und ich fühlte mich nicht… wert, mit euch befreundet zu sein, weiterhin. Ich war auch… nicht ich selbst, auch wenn du das glaubtest, nun, da ich Conan losgeworden war. In dem Zustand, in dem ich war, wollte ich mich eigentlich nicht mal meinen Eltern antun. Deshalb bin ich gegangen.“ Heiji starrte ihn an wie ein Bus, unfähig das, was sein Freund ihm gerade zu erklären versuchte, zu verstehen. Shinichi war auffällig blass geworden. „Ich fürchte, du musst ein bisschen genauer werden, Kudô. Ich versteh dich nämlich nich‘... warum haste niemandem was gesagt? Uns alle so vorn Kopf gestoßen?“ Shinichi bewegte sich unruhig auf seinem Stuhl, schluckte. „Du solltest es doch wissen. Wegen der Sache… mit…“ Er brach ab, räusperte sich, sammelte sich mit Mühe. „Ich konnte einfach nicht bleiben, Heiji, nicht nachdem, was passiert war mit…, muss ich dir das wirklich sagen…?“ „Es geht um Ran, nicht wahr?“ „Um wen sonst.“ Shinichis Stimme war kaum hörbar, und er starrte wie gebannt auf die Tischplatte, als er sprach. Der junge Mann aus Osaka seufzte. Er hatte ja geahnt, dass das die Richtung war, aus der der Hase lief, aber… „Kudô, ich kann mir ja vorstellen, dass du dich deswegen mies fühlst, dir die Schuld gibst, aber hättest du nicht wenigstens Lebewohl sagen können? Ich kann ja verstehen, dass das ein Trauma war für dich, du ein wenig Abstand zu alldem wolltest, so ein Erlebnis will ich… mir nicht vorstellen… Und du siehst auch heute noch, offen gestanden… gezeichnet aus.“ Er seufzte, wollte fortfahren, als Shinichi ihn mit leiser Stimme unterbrach. „Du machst dir keine Vorstellung, glaub mir.“ Langsam blickte er auf, schaute Heiji mit geschlagenem Gesichtsausdruck in die Augen. „Heiji, du hast keine Ahnung. Es…, - Gin…“ Er brach ab, sammelte sich, ehe er weitersprach, leise, sein Tonfall kaum lauter als ein Flüstern. „Es war, kurz… kurz bevor ihr kamt. Sie haben auf uns gewartet, es war eine Falle, von vorneherein. Sie waren zu dritt, ich war noch… zu erschöpft von…“, er unterbrach sich selber, schien auf seiner eigenen Zunge zu kauen, ehe er fortfuhr, „Egal. Machen wir uns nichts vor; wir waren ihnen unterlegen, so ist das einfach. Sie haben uns überwältigt, und Gin…“ Shinichi atmete mühselig ein, fuhr sich über die Stirn, auf die in den letzten Sekunden kalter Schweiß getreten war bei der der Erinnerung an diese Nacht. „Er hat ihr ein Samuraischwert in den Bauch gerammt, einfach so. Ich hielt sie in den Armen, und sie verlor so furchtbar viel Blut. Ich… ich hab versucht, die Wunde zuzudrücken, das hab ich wirklich, aber sie war so schwer verletzt. Sie hat nicht geschrien, nicht geweint, irgendwann schien sie auch keine Angst mehr zu haben. Nein.“ Er lächelte bitter. „Sie hat mich nur angesehen, und gelächelt. Gelächelt, Heiji…!“ Er hob den Kopf, und Heiji erschrak. In Shinichis Augen stand der blanke Hass auf sich selbst und ein Schuldgefühl, dessen Ausmaß nicht abzuschätzen war. „Sie hat mir gesagt, dass sie mich liebt, und starb! Verdammt…“ Seine Lippe begann zu zittern, er biss sie sich blutig, um zu verhindern, dass Heiji sah, wie fertig ihn die Erinnerung immer noch machte. Was er nicht sah, war der stutzig gewordene Ausdruck in Heijis Augen, aber noch schwieg er – Shinichi redete weiter, hätte ihn wohl ohnehin kaum zu Wort kommen lassen und er wollte ihn nicht unterbrechen, wo ihm doch das Reden über diesen Abend so schwer fiel. „Ich hab sie angefleht, durchzuhalten. Ihr Blut war überall, und sie wurde immer blasser. Ich hab ihr gesagt, sie soll aufhören zu reden. Soll sich aufs Atmen konzentrieren. Ich… hatte eine Scheißangst, und ich fühlte es doch, dass ich es nicht aufhalten konnte, dass dieser Gegner mir über war, der Tod… Du hast doch Leute schon sterben gesehen, wie ich auch, aber… dass… sie starb…“ Er hielt inne, presste sich die Hand auf den Mund. „Ich hab gebetet, ehrlich. Gefleht und gebettelt. Ich hab geheult, ich… und sie lag nur da, in meinen Armen und wurde von Minute zu Minute blasser, ihre Augenlider wurden immer schwerer, aber sie sah mich immer noch an, mit diesem… Blick. Und sie hat nicht aufgehört zu lächeln, obwohl es ihr immer mehr Kraft abverlangte, sie immer müder wurde, immer erschöpfter, ich meine… das Leben… es… es…“ Mit zitternden Fingern griff er sich an die Stirn, schloss die Augen. „Es hat sie verlassen, ihr Leben. Sie… sie ist gestorben, in meinen Armen. Hinter mir tauchte Kogorô auf, irgendwann. Sie war herztot, als der Krankenwagen kam, hatte keinen Puls mehr und keine Atmung und... Heiji…“ Langsam schüttelte er den Kopf. „Ich hab erfahren, wie es sich anfühlt, wenn sie in meinen Armen meinetwegen stirbt. Wie hätte ich da bleiben können… sag mir, wie hätte… wie hätte ich…“ Er vergrub sein Gesicht kurz in seinen Händen, schaute ihn dann ernst an. „Sie musste sterben, wegen mir! Ich bin gegangen, weil ich das nie wieder erleben wollte. Weil ich die einzige Möglichkeit, diese Situation zu vermeiden, diese… Gefahr von euch allen fernzuhalten, darin sah, mich selbst von euch fernzuhalten… Und überhaupt… wie hätte ich einem von euch je wieder in die Augen sehen konnten, nachdem was passiert war. Sie war fort.“ Stille herrschte lange Zeit in dem kleinen Verhörraum; das einzige Geräusch war Shinichis keuchender Atem, als er versuchte, langsam wieder Herr über sich zu werden. Heiji schaute ihn unverwandt an, in seinen Zügen spiegelte sich Entsetzen. „Das hab ich… nicht gewusst. Ich kannte die Vorgeschichte so nich… ich weiß nur, was der Alte mir gesagt hat. Dass man sie schwer verletzt hat, das andere… das wusst ich nich. Keiner wusste das. Wir kennen die Geschichte erst ab dem Zeitpunkt, als sie im Krankenhaus war.“ Shinichi nickte nur langsam, ließ er sich in seinen Stuhl zurücksinken, seine Schultern waren gebeugt, seine Arme baumelten schlaff an seinen Seiten. „Aber du verstehst jetzt sicher - was hatte ich in Tokio noch zu suchen… ich hatte versagt. Und ich hatte euch alle enttäuscht. Und ohne sie... ich meine, wundert es dich wirklich, dass ich, wo Ran doch tot war, keinen Sinn mehr darin sah, in Tokio zu bleiben…?“ Heiji starrte ihn an, unfähig zu irgendeiner Regung, ehe er sich zurücklehnte und seinen Freund betrachtete, der niedergeschmettert vor ihm saß. „Shinichi…“, murmelte er dann leise, in seiner Stimme schwang seine Fassungslosigkeit deutlich mit. Er hatte in den letzten Minuten versucht zu begreifen, was Shinichis Worte ihm sagten – und seit er sich klar darüber geworden war, beschäftigte ihn die Frage, wie er ihm die Wahrheit beibringen sollte. Sie würde ihn erschüttern. Seine Welt ins Wanken bringen. Die Wahrheit. „Shinichi, du denkst… sie ist tot? Immer noch?“, murmelte er schließlich leise, schaute ihm geradewegs ins Gesicht, versuchte, seine Reaktion aus seiner Mimik herauszulesen. Der Angesprochene schaute auf, verwirrt. Er ahnte noch nicht wirklich, auf was Heiji hinauswollte, auch wenn seine Frage eigentlich sehr genau auf etwas deutete. „Was meinst du mit immer noch…?“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Heiji sah ihm in die Augen, konnte erkennen, wie sich die Erkenntnis im Kopf seines Freundes manifestierte, als er die Bedeutung dieses Satzes langsam erkannte. Er schluckte hart, schüttelte seinen Kopf, langsam, als aufkeimendes Entsetzen seine Glieder taub werden ließ. „Ich meine, das ist es, was Kogorô mir sagte. Ihr Vater. Er kam raus, kurz nachdem man sie in den OP gerollt hatte, sagte mir, dass man für sie nichts mehr tun hatte können… und dass ich verschwinden solle. Ich hab ihm das… geglaubt, ich meine, sie… starb ja in meinen Armen. Ich war ohnehin völlig neben mir, also bin ich gegangen, ich hab mit keinem mehr geredet, ich… draußen wartete Meguré, für eine Befragung, die denkbar kurz war, dann fuhr er mich nach Hause.“ Seine Stimme war heiser und er räusperte sich mühsam. „Damit, dass ich so schnell verschwunden bin, und so gründlich, hat wohl selbst Kogorô nicht gerechnet.“ Heiji beobachtete ihn musternd. Er konnte nur erahnen, wie es in der Gefühlswelt seines Freundes gerade aussah; was er sah, war, dass er um seine Beherrschung kämpfte. Er seufzte leise, strich sich über seine widerspenstigen Ponyfransen. „Du hast niemand anders gefragt, wie es ihr geht? Oder wie ihre Beerdigung war?“ „Nein.“, antwortete Shinichi zögernd, merkte, wie nun Scham in ihm emporkroch. Andererseits kannte er die Erklärung dafür, warum er keinen gefragt hatte. Keinen hatte fragen können. Sie Heiji verraten würde er jedoch nicht. Der schaute ihn seinerseits nur etwas verständnislos an. Nachlässig von dir, Kudô. „Hab ich nicht. Ich war… einigermaßen durch den Wind, ich sagte es bereits.“ Seine Stimme war tonlos. Der Polizist aus Osaka schluckte, rieb sich gedankenverloren die Nase. „Das hättest du mal tun sollen. Es gab nämlich keine Beerdigung.“ Er hielt inne, schaute Shinichi an, der ihm gegenüber so weiß wie das überaus gut gestärkte Bettlaken seines Londoner Hotelzimmers geworden war, in das er vorhin gerade noch sein Gepäck hatte werfen können. Er hatte ihn nie jemals so irrsinnig blass gesehen. Farblos, fast, Kudô… „Es gab keine Beerdigung.“, wiederholte er langsam und eindringlich. Shinichis Blick schien durch ihn hindurchzugehen. „Es gab keine…?“, flüsterte er fast lautlos, als sein Hirn sichtlich versuchte, diese Information in seinen Wissensstand einzuordnen und dabei zusehends Schwierigkeiten bekam – weil dieser neue Fakt einfach nicht in das Bild passte, in dieses Puzzle, dass seit jener Nacht vor fünf Jahren in diesem Kopf zusammengesetzt worden war. Ein zu helles Teilchen für dieses sehr dunkle Bild. „Nein, es gab keine.“, wiederholte Heiji nun zum dritten Mal, und merkte, wie in ihm selbst die Beunruhigung wuchs. Verdammt, Kudô, wenn du das nich‘ wusstest… sag nich… sag nich, du wusstest das nich… Warum wusstest du’s nich…?! Er riss sich zusammen, sammelte sich, ehe er fortfuhr. „Nein. Gab es nicht. Und jemand anders hätte dir auch gesagt, dass sie nicht tot ist, sie hat überlebt, Shinichi. Und sie war mit den Nerven am Ende, als sie aus dem Koma erwacht ist und du warst nicht da… Weißte, was du ihr angetan hast? Sie lag im Bett und wurde wach und freute sich, dich zu sehen, aber du warst nicht da - und keiner konnte dir sagen, wo du abgeblieben warst… keine Notiz, kein Brief, keine Nachricht von dir, nichts… sie war… wirklich fertig, weißte…?“ Shinichi schüttelte langsam den Kopf. „Nein…“, murmelte er. „Nein!“ Er schaute seinem Freund ins Gesicht, in seinen Augen eine Mischung aus Entsetzen und Verzweiflung gleichermaßen. Er hatte seine Finger um die Tischkante gekrallt, sich angespannt nach vorn gebeugt, starrte Heiji mit einer Fassungslosigkeit ins Gesicht, die er an ihm noch nie gesehen hatte. „Doch. Ich wusste, nich‘, in welchem Zustand sie ins Krankenhaus kam, Shinichi, aber Ran… Ran verließ es lebend. Sie lebt.“ Und obwohl sich diese Erkenntnis schon aus den Worten Heijis gerade eben hatte ableiten lassen, schlugen diese zwei kleinen Worte ein wie eine Bombe – explodierten mit einer Macht die seinem persönlichen Urknall gleichkam, hinein ins Nichts der letzten fünf Jahre, markierten den neuen Nullpunkt seines Lebens. Heute, hier, jetzt. Alles, was er die letzten fünf Jahre geglaubt hatte, war falsch gewesen. Er stöhnte auf, vergrub sein Gesicht in seinen Händen, unterdrückte einen Frustschrei, als ihm die Wahrheit nun endlich ins Gesicht lachte. Gelogen! Er hat mich angelogen, er hat… All die Jahre dachte ich… Ich sitz hier und… Und sie lebt, und denkt,… Was denkt sie wohl von mir? Shinichi saß da, wie vom Donner gerührt und unfähig, einen ganzen Satz zu äußern. Er schluckte, merkte, wie sein Kreislauf langsam in den Keller ging, als ihm die Tragweite dieser zwei Worte klar wurde – und schlagartig zählten nur noch sie. Sie lebt. Langsam ließ er die Hände sinken. Kurz schien es ihm, als herrsche in seinem Kopf die totale Leere, das völlige Vakuum, als er sich bewusst wurde, was diese Worte bedeuteten. Sie lebt. Ran lebt! Sie… Lautlos formten seine Lippen diese zwei Wörter, als er es begriff. Er sank in seinen Stuhl, sein Atem flach, sein Puls schien fast zum Erliegen gekommen zu sein. Heiji starrte ihn an, wagte nicht, etwas zu sagen. Er konnte kaum abschätzen, was diese Nachricht für Shinichi bedeutete. Er sah, wie er sich mit fliegenden, zitternden Fingern über die Stirn wischte, wie er auf die Tischplatte starrte, und diese zwei Wörter murmelte, lautlos, wie als ob er sie sich mit jeder Wiederholung deutlich machen musste, welche Auswirkung dieser kleine Satz mit nur einem Verb und nur einem Nomen auf sein Leben hatte. Er stellte es auf dem Kopf, einmal mehr. Er gab ihm wohl überhaupt erst sein Leben zurück. Shinichi schluckte hart, merkte, wie in ihm das Schwarze Loch nun langsam dem Urknall und dem damit verbundenen Chaos wich. Gefühle und Bilder strömten auf ihn ein, rissen alles ein, was er in den letzten fünf Jahren aufgebaut hatte. Ran ist damals nicht gestorben. Du bist nicht Schuld an ihrem Tod. Wenn du willst, kannst du sie sehen… sie…hören… Nochmal… Immer wieder, vielleicht… Sie lebt! Sie lebt… Heiji griff seine Hand, brachte ihn so dazu, dass sein Freund ihn ansah, dessen Blick langsam unfokussiert in die Ferne geschweift war. Jetzt richtete er seinen Blick langsam wieder auf ihn, in seinen klaren blauen Augen immer noch eine Mischung aus Erstaunen und Entsetzen – doch langsam mische sich etwas anderes in diesen Cocktail. Unermessliche Erleichterung. Und über seine Lippen kroch nur dieser eine Satz. „Sie lebt.“ Heiji lächelte leicht. „Ja. Ran lebt, du Idiot. Und sie liebt dich, immer noch. Trotz der Tatsache, dass du ihr das Herz gebrochen hast, aber wie ich das sehe…“ Heiji ließ sich zurücksinken, verschränkte die Arme vor der Brust, reckte sein Kinn vor, als er nachdachte; sein Unmut stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. „So wie ich das seh‘, müss’n wir uns Kogorô mal vorknöpf‘n.“ Shinichi hingegen hörte ihn kaum. Es schien ihm, als könne er zum ersten Mal seit Jahren überhaupt wieder atmen, merkte, wie in ihm eine Welle von Glück und Erleichterung losbrach, die selbst das Gefühl von Wut auf Rans Vater, das kurzzeitig aufgeflackert war, vorerst löschte. Sie schwappte über ihn, wohlig und warm, ließ ihn sich endlich entspannen, ließ ihn leer und losgelöst zurück. Sein Kopf sank nach hinten, er blickte an die Decke, ein lauter Seufzer entfloh seinen Lippen. „Sie lebt…“, murmelte er erneut, hob dann unwillig eine Hand, schaute kurz zur Seite, als er sich eine Träne aus dem Augenwinkel wischte. Dann fuhr er hoch, abrupt. „Wie… wie geht es ihr?“ Shinichi beugte sich nach vorn, Wissbegierde lag in seinen Augen, verriet sich durch seine gesamte Haltung. „Wie geht es ihr? Was macht sie? Wie…“ „Gut.“, murmelte Heiji langsam, verkniff sich ein Grinsen, als er Shinichis drängenden Blick registrierte. „Auch wenn sie über dich nich hinweg is, mein Bester, wie gesagt. Sie hat ihr Jurastudium beendet, fängt bei ihrer Mama an. Sie richtet sich grad ne eigene Wohnung ein, soweit ich von Kazuha weiß. Und sie fragt sich bis heute, warum du einfach abgehauen bist. Nun… Willste sie anrufen?“, meinte er dann plötzlich, kramte sein Handy aus der Tasche und hielt es ihm hin. Shinichi schüttelte erschrocken den Kopf. „Du elender Feigling! Jetzt ruf sie schon an, warum willste… ich find, das biste ihr schuldig…!“ Heiji knallte ihm das Telefon vor die Nase, nickte ihm aufmunternd zu. „Mach schon!“ Shinichi schüttelte den Kopf, schob ihm das Handy zurück. „Nein. Das kann ich nicht.“ Heiji schnaufte entnervt aus. „Und warum nich…?!“ Dann klopfte es an der Tür, und das ersparte Shinichi die Antwort; zumindest für den Moment. Er erhob sich, Heiji einen letzten Blick zuwerfend, drehte den Schlüssel so leise wie möglich um, öffnete dann die Tür. „Superintendent! You are in here? Why…?“ Jillian McDermitt steckte ihren Kopf durch die Tür. Shinichi schluckte, versuchte ein schiefes Grinsen. „I have used the time to show… our guest… the… building. A bit.” Er räusperte sich, überging den fragenden Blick der Sekretärin, die sich ganz klar wunderte, dass man einem Gast eher die Verhörräume zeigte als die architektonisch meisterhaft gestaltete Lobby. „I take it, AC Montgomery has a couple of minutes to have a little chat with us now?“ Die Sekretärin zog skeptisch die Augen in die Höhe, ihr Blick wanderte von Shinichi zu Heiji und wieder zurück. „That is indeed the case.“ „Well, thank you very much for informing us, mylady. Your ensemble suits you extraordinarily well. Dolce?“ „Are you trying sweet-talk on me, Superintendent?“ „I would never dare...!“ Shinichi deutete eine galante Verbeugung an, die, wie er wusste, immer zog. Damit beeilte er sich, mit Heiji den Verhörraum zu verlassen, bevor die Chefsekretärin einen zweiten, genaueren Blick auf ihn werfen konnte und niemals nachfragen, aber dennoch ihre Gedanken machen würde, warum er mit ihrem Gast im Verhörraum war, und so unverschämt durch den Wind aussah dabei. Der junge Kommissar fuhr sich mit seinen Fingern durch seine Nackenhaare. „Das war sie also? Die englische Adelsdame?“ Shinichi lächelte matt. „Lady McDermitt, ja. Das war sie.“ „Du sprichst wirklich besseres Englisch.“ Shinichi hob eine Augenbraue. „Als ob du das beurteilen könntest, mein Bester.“ ___________________________________________________________________ Hallo ihr Lieben! Vielen Dank für die Kommentare zum letzten Kapitel – ich hoffe, dieses hat euren Geschmack getroffen! Die Geschichte nimmt nun langsam Fahrt auf :) Dies war nun der erste Teil der langen Geschichte, warum der Kontakt zwischen Shinichi und den anderen zum Erliegen gekommen ist… den Rest der Wahrheit erfahrt ihr bröckchenweise über den Rest der Geschichte. Ich freue mich darauf, eure Reaktionen zu lesen! Falls ihr die neuesten Infos zur Geschichte sucht, schaut doch auf meinem Blog vorbei  Liebe Grüße, eure Leira   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)