In der Höhle der Löwin von Calafinwe (How Paimon should have been) ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Groß und blau schwebte sie vor ihr, eigentlich fast riesig im Vergleich zu der winzig wirkenden Kammer, in der Hakuei sich befand. Doch das war nicht der Grund, warum die imperiale Prinzessin ein hochrotes Gesicht hatte und sich fast nicht traute, etwas zu sagen. In einer Ecke der Kammer kicherten Abkömmlinge der Djinn – sie hatte sich als Paimon vorgestellt – vor sich hin und Hakuei war sich ziemlich sicher, dass sie der Mittelpunkt der allgemeinen Heiterkeit war. Aber wie soll sie auch mit jemandem umgehen, der ihr fast nackt gegenüber stand? Oder schwebte, in Paimons Fall. Und die Abkömmlinge, sie schienen wohl sowas wie Dienerinnen zu sein, hinterließen auch keinen besseren Eindruck. "Und du willst wirklich keinen Tee?", fragte die Djinn nun erneut. Paimon war sich bewusst, warum sich ihre Besucherin so zierte, ignorierte es aber und verhielt sich so wie immer, wenn sie mit Mädchen oder Frauen zu tun hatte. "Danke, das ist... äh...sehr nett...", stotterte die Prinzessin. "Meine Güte, dass ihr jungen Dinger heutzutage so verklemmt sein müsst." Hakuei blickte beschämt auf ihre Hände, die sie auf ihren Schoss gelegt hatte, nur um nicht wieder die ... Erscheinung der Djinn im Blickfeld zu haben. "Also sollen wir es lieber direkt hinter uns bringen?", fragte Paimon. "Ich... ähm... bin nicht alleine hier..." "Jaja, die Lackaffen. Mit denen kann ich nicht viel anfangen..." "... Zwei sind meine Brüder..." Die Djinn blickte abschätzig auf ihre Besucherin herab, bevor sie ihr einige Meter entgegen schwebte. "Nur, damit wir uns richtig verstehen... Männern leihe ich meine Kraft nicht, egal, wie gut sie aussehen mögen. Und soweit ich das von hieraus überschauen kann, bist du die einzige Frau in eurer Gruppe." Hakuei nickte fast unmerklich. "Ich möchte meine Brüder aber ungern zurück lassen. Und Kouen wird nicht begeistert sein, wenn Judar auf dem Weg hinaus abhandenkommt." "Judar, hah", kommentierte Paimon. "Dass der sich hier blicken lässt, hätte ich im Traum nicht gedacht... Aber sei unbesorgt, euer Magi ist bei mir in besten Händen." Hakuei wusste anfangs nicht, was sie mit dieser Aussage anfangen sollte. ‚In den besten Händen sein‘ hörte sich nun nicht danach an, dass ihm irgendein Leid zugefügt wurde. Doch als wieder Gelächter aus einer der Ecken erklang, war sie sich ziemlich sicher, dass es Judar gerade auf die ein oder andere Art und Weise an den Kragen ging. "Ich hoffe, ihm passiert nichts", antwortete die Prinzessin daher. "Wie meinen Brüdern." "Ach, sei ganz unbesorgt", versicherte die Gastgeberin schnell und lehnte sich wieder zurück. "Mit Männern kennen sich meine Mädchen aus und den Halbstarken wird es nicht schaden, in einem Dungeon Erfahrungen der anderen Art zu machen... Immer dieses ewige Kämpfen und sich streiten, dann wird sich mal hier gekloppt, dann schlagen sie sich mal da die Birne ein... Ich hab nie verstanden, was Focalor und die anderen immer an diesen Machtspielchen finden. Das ist doch unnötig, findest du nicht auch? ... Keks?" Widerwillig nahm Hakuei eines der Gebäckstücke, biss aber noch nicht hinein. "In unserem Königreich ist es nicht unüblich, sich gegenseitig im Kampf zu messen...", erzählte die Prinzessin. Paimon legte den Kopf schief. "Ich hab nichts gesagt", versicherte Hakuei schnell. "Gegen freundschaftlichen Wettkampf habe ich nichts", stellte die Djinn klar. "Aber ich bin mir durchaus bewusst, dass euer Königreich nicht gerade zu den friedfertigsten gehört." Hakuei erwiderte nichts. Wieso sollte sie auch? Leugnen hatte keinen Zweck, das würde womöglich nur dazu führen, dass die Djinn ungehalten wurde. Und es stimmte ja auch, Kou war gerade dabei, ein Nachbarreich nach dem anderen dem eigenen Herrschaftsgebiet einzuverleiben. Dass sich ein Djinn eine kritische Meinung erlaubt, ist nur natürlich, denn in anderen Teilen der Welt wird Kous Machtstreben schließlich auch bewertet. "Aber um auf deine Männer zurück zu kommen..." Hakuei blickte auf. "Meine Männer?!" "Ja, deine Männer... Koumei ist ein richtiger Charmeur!" Die imperiale Prinzessin war sprachlos. Wieso ausgerechnet Koumei?   ***   "Und was hat er dann gesagt?", fragte eine der Damen, die gerade dabei war, eine Erdbeere in die flüssige Schokolade zu tauchen. Koumei räusperte sich einmal. "'Damit du einen zweiten Djinn dein Eigen nennen kannst' oder so hat er sich ausgedrückt." "Tatsächlich? Wie unhöflich... Andererseits..." "Hm?", machte der imperiale Prinz gedankenverloren, während er sich gerade dem Nagel des linken Zeigefingers seines Gegenübers zuwandte und begann, diesen mit der Nagelfeile zu polieren. Dass sie ihn mit einer goldenen Fußfessel an die Wand gekettet hatten, störte Koumei nicht weiter. Er hatte sich nicht groß gegen die Behandlung gewehrt, die man ihm erteilt hatte und war bisher relativ kooperativ, was ihm das Wohlwollen der anwesenden Damenschaft einbrachte. Sicher würde er nicht mehr sehr lange brauchen, bis er ihr Vertrauen vollends gewonnen hatte und sie ihn freiwillig, und ohne dass er seine Überzeugungskraft hätte einsetzen müssen, wieder von der Fessel befreiten. Eigentlich war es bei den Damen ziemlich angenehm. Es gab verschiedene Erfrischungen, die sie ihn alle haben probieren lassen und die mal mehr, mal weniger alkoholisch ausgefallen waren. Dazu gab es frische Früchte, die man wahlweise pur oder mit Schokoladenüberzug essen konnte. Immer wieder steckten sie ihm Weintrauben, Erdbeeren oder Kirschen in den Mund, komischerweise immer dann, wenn er gerade wieder zu einer längeren Geschichte ansetzen wollte. 'Die nichts mit Kouen zu tun hatte...', dachte er. Gerade so, als ob sie es riechen würden, wenn er etwas von sich selber erzählen wollte. Koumei hatte erfahren, dass sie seinem großen Bruder bereits über den Weg gelaufen waren, er sich aber bedauerlicherweise dagegen entschieden hatte, den Nachmittag mit den Damen zu verbringen. Jetzt war es an ihm, die Anwesenden über Kouen zu informieren. "Was meint ihr mit 'andererseits'?", fragte Koumei stattdessen. "Wir wären uns nie begegnet, hätte euer Bruder euch nicht mit ins Dungeon zitiert. ... Und ihr könntet uns nun keine Geschichten über ihn erzählen!" "Das ist wohl wahr..." Eine der Damen schob ihm erneut eine mit Schokolade glasierte Frucht in den Mund. Immerhin waren sie darauf bedacht, dass auch er sich wohl fühlte. Nachdem Koumei sich allein in dem Dungeon wieder gefunden hatte und es für eine schlechte Idee befunden hatte, einfach so in einem menschenleeren Gang herumzustehen und darauf zu warten, dass man ihn abholte, hatte er sich selbständig auf den Weg gemacht. Es hatte sich angefühlt wie Stunden, bevor er das erste Mal einem anderen Menschen begegnet war. Oder einem Abkömmling des Djinn, so genau hatte der imperiale Prinz das zu dem Zeitpunkt noch nicht gewusst. Gut erzogen, wie er war, hatte er den Damen einen schönen Tag gewünscht und sie dann darüber befragt, ob ihnen andere seiner Art begegnet waren. Sie hatten höflich vernein, ihm dann aber angeboten, dass er mit ihnen und noch einigen anderen Damen den Nachmittag verbringen könne. Und weil ihm das sinnvoller erschien, als planlos in dem Dungeon herum zu laufen – wenn jemand das Labyrinth löste, kam jeder noch lebende Insasse sowieso wieder mit raus – hatte er zugesagt. 'Außerdem kann mich Kouen so nicht herumkommandieren...', dachte er und genoss das Stückchen Ananas. Gut, der große Bruder würde ihm im Nachhinein dann vermutlich die Hölle heiß machen, wenn er von Koumeis Handhabung der Situation erfuhr, aber damit konnte er leben. Der Prinz war es gewohnt, von Kouen die Leviten gelesen zu bekommen. Genüsslich legte sich Koumei in die weichen Kissen zurück und begann dann, die Nägel der anderen Hand zu polieren.   ***   "Oh mann, das werd' ich euch nie vergessen!" "Sei still! Du lockst sie nur auf unsere Fährte!" Judar und sein Retter eilten gemeinsam eine schmucklose Treppe hinab. Nachdem Kouen sich vergewissert hatte, dass aus dem Gang keine versteckte Gefahr lauerte, war er in das Zimmer hineingestürmt, aus dem er Judars Schreie gehört hatte. Dem Magi war es nicht groß anders als ihm selbst ergangen, nur dass er im Eifer des Gefechts seine schwarze Hose eingebüßt hatte. Kouen hatte kurzerhand dessen Fesseln aus den Angeln an der Wand gerissen, hatte sich den hilflosen Magi über die Schulter geworfen und war wieder aus dem Zimmer hinaus gestürmt. Im Vorbeigehen hatte er noch dessen Hose vom Boden aufgesammelt, die direkt am Eingang gelegen hatte. Die anwesenden Damen – oder wohl vielmehr die Peinigerinnen – waren zu perplex von der Attacke, dass sie lediglich mit Schweigen auf Kouens Kommen und Gehen reagiert hatten. "Ehrlich, ich werde alles machen, was ihr verlangt!" Nachdem der imperiale Prinz sich mit seiner Last weit genug entfernt hatte, so dass er sich sicher war, dass sie nicht mehr verfolgt wurden, hatte er Judar abgesetzt und ihm seine Hose gegeben. Schnell war der Magi in das Kleidungsstück hinein geschlüpft und hatte dann angefangen, Kouen auf Knien für seine Errettung zu danken. Gerade, dass er ihm nicht die Füße geküsst hatte. "Und nun?", fragte Judar. "Zur Djinn geht es geradeaus." Die beiden waren am Ende der Treppe angekommen, die einen Arm einer Kreuzung darstellte. Kous Prinz war froh, den Magi in das Dungeon hinein gestoßen zu haben, denn er kannte sich hier am besten aus. Und wenn er sagte, dass die Kammer der Djinn geradeaus lag, konnte man sich darauf verlassen. Andererseits wussten sie nach wie vor nicht, wo Hakuei und Koumei stecken mochten. Sein kleiner Bruder würde sich vermutlich gerade irgendwo in einem Berg aus Kissen räkeln, da war sich Kouen ziemlich sicher. 'Und vermutlich hat er auch schon längst vergessen, weshalb wir hier sind und wird die Behandlung der Damen in vollsten Zügen genießen...', dachte Kouen. Er wusste nicht, wie er Koumei noch dazu bewegen konnte, endlich etwas aus seinen Fähigkeiten und Talenten zu machen. Gemeinsam wären sie ein unschlagbares Team, wenn sein kleiner Bruder nicht am liebsten immer nur auf der faulen Haut liegen oder die Tauben des imperialen Hofes füttern würde. Aber darüber konnte er sich Gedanken machen, wenn sie wieder aus diesem verfluchten Dungeon draußen waren. Kouens Sorge galt momentan mehr seiner Halbschwester Hakuei. Die Damen, auf die sie bisher getroffen waren, hatten sich alle ziemlich interessiert gezeigt. Das war bei Judar nicht anders gewesen als bei Kouen selbst und er vermutete, dass sie auch Koumei nicht schlecht behandelten. Wie die Damen allerdings auf eine andere Frau reagieren würden, die von außen eindrang, wollte der Prinz lieber nicht so genau wissen. Natürlich gab es die Möglichkeit, geradeaus zu gehen und den Schatz der Schätze zu holen, den es in diesem Irrgarten gab. Je schneller, desto schneller würden die hier alle auch wieder raus kommen. Andererseits, wenn Hakuei irgendwo feststeckte, womöglich verletzt, dann würde er sich das niemals verzeihen, nachdem er sie extra darum gebeten hatte, mitzukommen. Und er würde Judar dazu verdonnern, ihr jeden Wunsch von den Augen abzulesen. "Wir gehen nach links", entschied der Prinz. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)