Kindheitsmomente von SweeneyLestrange ================================================================================ Kapitel 1: Familienehre ----------------------- „Müssen wir wirklich dahin?“, fragte der kleine Junge leise, als ihm seine Mutter sorgfältig das strohblonde Haar aus dem Gesicht kämmte. „Natürlich müssen wir das. Es ist unsere Pflicht, die Familie Crouch zu vertreten.“ „Aber Vater geht doch schon“, wandte Barty kleinlaut ein. „Und er wird sich freuen, wenn er nicht allein dahin muss“, erwiderte Mrs Crouch und strich ein letztes Mal die festliche Robe ihres Sohns glatt. „Das wär’s. So kannst du dich sehen lassen.“ Mit einem mulmigen Gefühl sah Barty an sich herab bis zu seinen blank polierten Schuhen, die unter dem langen edlen Stoff seiner Robe hervorlugten. Nervös begann er mit der Schuhspitze zu wackeln und wünschte, dass der Abend bereits vorbei war. „Seid ihr fertig?“, erklang die harte Stimme Mr Crouchs aus dem Flur heraus. „Wir kommen sofort, Liebling!“ Aufmunternd tätschelte Mrs Crouch Bartys Schulter und schenkte ihm ein zuversichtliches Lächeln. „Mach dir keine Sorgen. Ich bin mir sicher, das wird ein schöner Abend.“ Barty war nicht sonderlich überzeugt, behielt seine Meinung aber für sich. Stattdessen nickte er und folgte seiner Mutter hinaus auf den Flur. „Da seid ihr ja“, empfing sie Mr Couch unwirsch und warf einen flüchtigen Blick auf eine Taschenuhr. „Wir haben nicht mehr viel Zeit“, bemerkte er, während er mit ausgreifenden Schritten zum Wohnzimmer marschierte. Beklommen folgte Barty der großen Gestalt seines Vaters und versuchte nicht zu viel über das nachzudenken, was ihn später erwarten würde. Grüne Flammen züngelten empor, als sein Vater das Flohpulver auf die Feuerstelle im Kamin schmiss. Das warme, gemütliche Licht wich kaltem Smaragdgrün, das unheimliche Schatten an die Wände warf. Unwillig verfolgte Barty, wie sein Vater von den Flammen verschluckt wurde. „Jetzt du“, sagte seine Mutter hinter ihm und schob ihn sanft vorwärts. „Denk dran, ich bin immer dicht hinter dir.“ Barty holte tief Luft, griff in die Schale mit dem Flohpulver und trat in die Flammen hinein. Staub kitzelte ihm in der Nase, als er seine Hand voll Pulver aufs Feuer warf. Um ihn herum begann die Welt zu schwirren, eine Feuerstelle nach der anderen raste an ihm vorbei, so schnell, dass er keine Gelegenheit hatte, einen Blick in die Wohnungen zu werfen, die er passierte. Dann war er endlich da. Warme Luft schlug ihm entgegen. Er konnte Stimmengewirr hören, das gelegentlich von einem kleinen Lacher durchbrochen wurde. Vorsichtig öffnete Barty seine Augen, die er fest zusammengekniffen hatte. Vor ihm erstreckte sich eine große Eingangshalle, in der ein schmaler roter Teppich zu einer großen doppelflügligen Tür führte. Die beiden Türschwingen waren weit geöffnet und gaben den Blick preis auf eine festliche Versammlung von Zauberern und Hexen, die allesamt in feinster Garderobe gekommen waren. „Da sind wir also“, hörte Barty hinter sich die Stimme seiner Mutter. Erleichtert drehte er sich zu ihr um und griff unwillkürlich nach ihrer Hand. „Meinst du nicht, dass du langsam zu alt dafür wirst?“, fragte ihn Mrs Crouch, machte jedoch keine Anstalten sich aus dem Griff seiner kleinen Hände zu befreien, als sie das vehemente Kopfschütteln ihres Sohns sah. Das große finstere Gebäude machte Barty Angst. Er wusste von schrecklichen Gegenständen, die in den Schatten verborgen waren. Zumindest hatte er solcherlei Schauergeschichten letztes Jahr erzählt bekommen. „Barty, willkommen!“, rief eine dröhnende Männerstimme. Unwillkürlich sah Barty zu dem dunkelhaarigen Zauberer auf, der mit großen Schritten auf sie zueilte. Förmlich schüttelte er Mr Crouch die Hand, hauchte Mrs Crouch einen flüchtigen Kuss auf die Wange und beugte sich zu Barty hinab. „Willkommen im Hause der Blacks.“ Barty nickte nur schüchtern und sah mir großen Augen zu seinen Eltern, die Cygnus Black mit einem höflichen Lächeln zu den restlichen Gästen folgten. Unter den Anwesenden befanden sich ausschließlich Mitglieder der achtundzwanzig ehrwürdigen Reinblutfamilien. Barty hatte sie schon ganz früh auswendig gelernt, konnte aber nur wenigen Gesichtern tatsächlich Namen zuordnen. Er erkannte Walburga und Orion Black, die mit ihren beiden Söhnen gekommen waren. In einer Ecke konnte er das vertraute Gesicht von Abraxas Malfoy erspähen, der bereits öfter wegen Angelegenheiten für das Zaubereiministerium bei ihnen zu Gast gewesen war, und irgendwo glaubte er die korpulente Gestalt von Mr Carrow zu sehen. Eingeschüchtert zog Barty den Kopf ein und gab sich alle Mühe, keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Er konnte hören, wie sein Vater neben ihm bereits in ein angeregtes Gespräch vertieft war, das mit jedem weiteren Wort angespannter klang. „… bedenke nur, wie viel besser wir dran wären, vor allem nach diesem abscheulichen Squib Aufstand vergangenes Jahr. Unschöne Sache war das …“ Die Worte ergaben wenig Sinn für Barty, aber er ahnte, dass es nichts Erfreuliches war. Ein harter Zug umspielte den Mund seines Vaters und dessen helle Augen funkelten kalt. „Ich kann mich immer noch nicht mit diesem Gedanken anfreunden“, knurrte er. Doch Crouchs Gegenüber ließ sich davon nicht beirren. „Ich bin mir sicher, das wirst du bald, Barty, du wirst schon sehen.“ Mrs Crouch indessen hatte ein höfliches Lächeln aufgesetzt. Es war falsch. So viel konnte Barty erkennen und er wünschte sich umso mehr weit weg von diesem Ort. „Warum gehst du nicht mit den anderen ein bisschen spielen?“, fragte Mrs Crouch auf einmal. „Ich bin mir sicher, das ist spannender für dich.“ „Ich will nicht.“ Barty war dem Blick seiner Mutter gefolgt. In einer Ecke saßen Sirius und Regulus Black und schoben Figuren auf dem Boden herum, die einzig und allein darauf aus waren, sich zu zerstören, sowie sie aufeinander trafen. Ein schlaksiger Junge war dazu getreten, der bestimmt schon mehrere Jahre auf Hogwarts sein musste. Mit einem hämischen Grinsen stieß er eine der Figuren an, die sofort von zwei anderen auseinandergenommen wurde. Die empörten Aufschreie von Sirius ignorierte er. Hastig versteckte sich Barty noch etwas mehr hinter seiner Mutter, als er glaubte, dass ihn der Junge erspäht hatte. Er wollte nicht dahin. Es geschah viel zu selten, dass er mit Gleichaltrigen Kontakt hatte und er wusste, dass die anderen auf Ärger aus waren. „Jetzt sei doch nicht so schüchtern“, flüsterte seine Mutter, womit Barty keine Wahl blieb. Entschlossen kratzte der kleine Junge seinen Mut zusammen und ging zwischen den Gruppen all dieser großen Zauberergestalten hindurch auf die kleine Ecke zu. Bevor er dort ankam, blieb er jedoch stehen. Er wusste nicht so recht, was er sagen oder tun sollte und beschloss einfach nur zu zusehen. Das erschien ihm am einfachsten. „Bist du blöd? Du hast meine Figur kaputt gemacht!“, brüllte da Sirius und schien sich auf den älteren und deutlich größeren Jungen stürzen zu wollen. Dieser zuckt nur lässig die Achseln. „Als ob dich das was juckt“, meinte er, während er Sirius’ ungestümen Faustschlag leichtfüßig auswich. „Guck dir mal deinen Bruder an, der heult nicht gleich rum, wegen so ’ner dummen Figur.“ „Es geht darum, dass du die kaputt gemacht hast!“, empörte sich Sirius. Doch dieser Einwand schien den Älteren nicht zu kümmern. Stattdessen wandte er sich betont gelangweilt von den beiden Black Brüdern ab und sah direkt auf Barty. „Hallo, wen haben wir denn da?“ Barty erstarrte. In seinen Augen wirkte Sirius schon sehr groß mit den drei Jahren Vorsprung, die er hatte, doch der Junge vor ihm war noch um einiges älter als Sirius und somit um einiges einschüchternder. „Bist du nicht der kleine Crouch?“ Barty nickte schüchtern. Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie Sirius abschätzig die Nase rümpfte. „Der ist doof“, meinte er. „Der redet nämlich nicht.“ „Manchmal muss man Leute eben erst zum Reden bringen“, erklärte der ältere Junge altklug und wandte sich dann wieder dem kleinen Crouch zu. „Also was ist?“ „Ich kann reden“, murmelte Barty, wobei er die Hälfte der Silben fast verschluckte. „Wie war das?“ „Ich … ich kann reden“, erklärte Barty diesmal ein wenig lauter. „Siehst du? Er redet“, sagte der ältere Junge mit triumphierenden Blick zu Sirius. Danach schenkte er wieder dem kleinen Jungen seine Aufmerksamkeit. „Und jetzt sollteste dich uns vorstellen, sonst wär das sehr unhöflich von dir.“ „Ich bin Bartemius Crouch Junior.“ Während er dies sagte, gab sich Barty alle Mühe, gerade zu stehen und einen guten Eindruck zu geben - ganz so wie es ihm sein Vater immer wieder eingeschärft hatte. Er durfte nicht nuscheln, nicht den Blick von seinem Gesprächspartner abwenden; er musste sich höflich und wohl geziemt zeigen. Ein Grinsen erschien in dem Gesicht des älteren Jungen. „Rabastan Lestrange, freut mich dich kennenzulernen.“ Barty spürte, wie sich Erleichterung auf ihn herabsenkte. Ganz so schlimm schien Rabastan nicht zu sein. Schüchtern lächelte er und schaute dann doch zu Boden. „Willst du nicht mitspielen?“, fragte Rabastan schließlich. „Ich bin mir sicher, bei deinem Vater muss es ziemlich öde gewesen sein.“ „Heh, das geht nicht, ich und Regulus waren zuerst hier! Ihr könnt hier nicht spielen“, ereiferte sich Sirius wieder zu Wort, da ihm klar wurde, dass sein Zauberschachspiel in die Hände von Rabastan und dem doofen Crouch zu fallen drohte. „Sei mal nicht so unfreundlich. Wir sind doch alle eine große Familie und du und Regulus könnt immer zusammen Zauberschach spielen. Freut euch doch mal über ’nen neuen Mitspieler.“ Aber Sirius’ Gesicht blieb finster wie eh und je. Nur Regulus war anzusehen, dass er sich nicht sicher war, ob er nun die Meinung seines großen Bruders teilen oder sich über jüngeren Zuwachs freuen sollte. „Ich muss nicht mitspielen“, wandte Barty ein, der keinen Ärger haben wollte. „Ich kann wieder gehen, das ist in Ordnung.“ „Oh, das wäre aber unhöflich. Wir wollen doch nicht, dass du am Ende so einer bist wie dein Vater.“ Fragend sah Barty zu Rabastan, dessen geheuchelte Freundlichkeit Missfallen Platz gemacht hatte. „Du bist schließlich einer von uns, vergiss das nicht.“ Nun war Barty vollends verwirrt. Wie sollte er einer von „ihnen“ sein, wenn sie sich bisher nie begegnet waren? „Aber ich“, setzte Barty an und wurde prompt von einer dunklen, barschen Stimme unterbrochen: „Was hast du denn hier zu suchen?“ Ein großer breitschultriger Zauberer war herangetreten. Rabastan seufzte theatralisch. „Ich wollte nur’n bisschen nett sein.“ „Nett?“ „Jaah, hab dem Kleinen hier ein bisschen Gastfreundlichkeit zukommen lassen.“ Die grünen Augen des jungen, großen Zauberers sahen zu Barty hinab. „Ist das nicht der kleine Hosenscheißer von Crouch?“ „Jap.“ Der große Zauberer schnaubte verächtlich. „Vergiss es. Kümmer dich mal um wichtigere Dinge. Vater will mit dir sprechen.“ „Gibt’s keine andere Leute, die du nerven kannst? Was ist mit Bella? Wollt ihr zwei euch nicht ein ruhiges Zimmer suchen und-“ Ein harter Stoß in die Seite beendete Rabastans Sticheleien. „Du verstehst echt keinen Spaß, Rodolphus“, klagte er, während er sich die schmerzende Seite rieb. „Und du weißt nicht, wann du die Klappe halten solltest.“ Ohne die drei Kinder eines weiteren Blickes zu würdigen, verschwanden die Lestrange Brüder, noch immer diskutierend, unter den Anwesenden. Grübelnd sah Barty den beiden hinterher. Rabastans Worte hatten ihn in tiefe Verwirrung gestürzt. Was hatte er gemeint? Ob er seinen Vater fragen konnte? Nein, Vater würde bestimmt böse sein, dass er so eine Frage stellte. Bestimmt war die Antwort offensichtlich. Er musste sich nur ein bisschen mehr anstrengen, dann würde er sie gefunden haben. „Kannst du nicht woanders rumstehen?“, rissen ihn Sirius’ unfreundliche Worte zurück in die Realität. „Tschuldigung“, murmelte Barty hastig und wich instinktiv näher zur Wand. Wenn er gekonnt hätte, hätte er sich in diesem Moment unsichtbar gemacht. Neben ihm hatten Sirius und Regulus ihre Runde Zauberschach wieder aufgenommen und schienen ihn gar nicht mehr wahrzunehmen, weshalb Barty beschloss, dass er am besten wieder zu seinen Eltern zurückgehen sollte. Er wollte schon zum Rückweg ansetzen, als er erstarrte. Große Leiber fein gekleideter Zauberer und Hexen ragten vor ihm auf, füllten den Raum und versperrten Barty aus seiner kleinen Perspektive die Sicht. Trotzdem konnte er erkennen, dass sich seine Eltern nicht mehr an der Stelle aufhielten, an der er sie verlassen hatte. Sie waren verschwunden. Barty schluckte. Eiskalte Panik bohrte sich in ihn und brachte sein kleines Herz zum Rasen. Hektisch sah er sich um. Gesichter lachten ihm entgegen. Fremde Gesichter, deren Augen mitleidlos im Kerzenschein funkelten. Plötzlich wurde sich Barty bewusst, wie allein er auf dieser Veranstaltung war. Er kannte niemanden. Er wusste einzig, dass es unter den Besuchern nicht immer mit rechten Dingen zuging. Die kleinen Hände zu Fäusten geballt, nahm Barty allen Mut zusammen und schritt wieder in die große Gesellschaft hinein. Weite, ausladende Roben versperrten ihm die Sicht, als er verzweifelt nach seiner Mutter Ausschau hielt. Irgendjemand trat versehentlich auf seinen Fuß. Barty spürte, wie sich seine Kehle zusammenschnürte und ein unheilverkündendes Brennen in seine Augen trat. In letzter Sekunde schaffte er es, einem Ellenbogen auszuweichen, der zu einem wild gestikulierenden Arm gehörte. Er hatte gar nicht gesehen, wie groß der Raum tatsächlich war, in dem die Feierlichkeiten stattfanden. Dem kleinen Jungen kam er geradezu gigantisch vor, während er verzweifelt weiter stolperte und den Drang unterdrückte, nach seiner Mutter zu rufen. Sie würde nie im Leben einfach ohne ihn gehen. Da war er sich ganz sicher. Aber wenn sein Vater … Das Blut rauschte ihm in den Ohren. Mittlerweile hatte Barty es so eilig, seine Eltern wieder zu finden, dass er kaum mehr darauf achtete, wo er hintrat und schließlich prompt über den Saum seiner Robe stolperte und gegen die grünen Stoffwogen eines exquisiten Kleides stieß. „Hoppla!“, hörte er eine dunkle Frauenstimme und spürte, wie sich etwas Nasses über seinem Kopf ergoss, ihm über das Gesicht lief und langsam seinen Kragen tränkte. Der scharfe Geruch von Alkohol stieg Barty in die Nase, als er aufsah und sich die brennende Flüssigkeit aus den Augen rieb. „Das tut mir aber leid, da habe ich doch glatt meinen Feuerwhisky verschüttet.“ Gebannt starrte Barty die junge Frau an, die keineswegs so amüsiert wirkte, wie es ihn ihr falscher Tonfall glauben machen ließ. „V-Verzeihen Sie mir bitte, i-ich wollte Sie … nicht anrempeln“, stammelte Barty und senkte den Kopf. Seine Frisur hatte sich gelöst und er spürte, wie eine nasse Strähne mitten auf seiner Stirn klebte. „Ein paar Manieren scheinst du ja zu haben, da will ich mal nicht so sein…“ Die Frau machte eine Pause, dann winkte sie ihn heran. „Komm her.“ Ängstlich schielte Barty zu der jungen Hexe und kam dann wider besseren Wissens ihrer Aufforderung nach. Gehorsam stand er vor ihr und fragte sich, was nun geschehen würde. Ob sie ihn schlagen würde, weil er so unverschämt gewesen war? Sein Vater hätte das bestimmt getan. Doch nichts dergleichen geschah. Mit einem Lächeln, das ihre dunklen Augen nicht erreichte, beugte sie sich zu ihm hinab. „Dann wollen wir mal“, murmelte sie, strich ihm durch das feuchte Haar und zupfte seinen nassen Kragen zurecht. Sie ging dabei nicht gerade sanft vor und zweimal zuckte Barty unwillkürlich zusammen, als die langen Fingernägel schmerzhaft über seine Haut kratzten. „Wirklich viel hast du ja nicht abgekriegt“, stellte sie schließlich fest und hielt noch einmal inne, um ihn kritisch zu begutachten. „Sag mal, ich hab dich hier vorher noch nie herumschleichen sehen … kann’s sein, dass du Crouchs kleiner Sohnemann bist?“ Barty nickte verschüchtert. „Dachte ich’s mir.“ Ein Lächeln verzog die schmalen Lippen der Hexe. „Dann wollen wir uns doch erstmal darum kümmern, dass du wieder trocken wirst, bevor wir deine liebreizenden Eltern für dich finden, was?“ Barty nickte ein weiteres Mal und starrte die hochgewachsene Hexe aus großen Augen an. Diese hatte ihren Zauberstab gezückt. In dem Moment dämmerte Barty, dass etwas nicht stimmen konnte. Alle Alarmglocken schrillten, er wollte sich zur Seite werfen, doch zu spät. Ein lässiger Schwenk des Zauberstabs, ein paar gemurmelte Worte und brennender Schmerz brach über ihn herein. Seine Haut schien in Flammen zu stehen, er wollte schreien, aber seine Zunge gehorchte ihm nicht mehr. Aus tränenden Augen sah er zu der Hexe, die mit einem kecken Zwinkern den Finger an die Lippen legte. „Schh“, sagte sie, „wir wollen hier niemanden auf falsche Gedanken bringen.“ Die Welt begann um ihn zu schwirren. Seine Haut musste geschmolzen sein, so wie sie sich anfühlte. Seine Beine waren ganz matschig. Wie aus weiter Ferne hörte er etwas. Worte, Laute, die langsam Sinn ergaben. „Bella. Bella! Was machst du da?“ „Ich erteile dem Kleinen hier nur eine Lektion.“ „Dem Kleinen?“ Ein hellblondes Mädchen war hinzugestoßen. Ihre dünnen Augenbrauen zogen sich missbilligend zusammen. „Ist das nicht der Sohn von Crouch?“ „Eben der“, frohlockte Bellatrix. „Selbst wenn, du solltest es gut sein lassen. Wenn das rauskommt - ich glaube nicht, dass Vater erfreut wäre…“ „Zissy! Musst du dich in meine Angelegenheiten einmischen? Hast du nicht gerade Crouch gehört? Gedroht hat er uns. Gedroht! Dieser elende Blutsverräter!“ Plötzlich ballten sich die unsichtbaren Flammen zusammen. Hatte Barty vorher geglaubt, sie schienen sich nur an seinem Fleisch zu laben, so brachen sie nun bis zu seinem Knochen vor und hämmerten unnachgiebig darauf ein. Innerlich schrie er auf. All seine Willensstärke brach. Die Welt um ihn herum geriet ins Schwanken. Der Boden kam mit einem Mal gefährlich nahe. Sein Kopf war kurz davor auf die steinerne Bodenplatten aufzuschlagen, als ihn zwei kräftige Arme packten und auffingen. „Los, bringen wir ihn zurück“, hörte er die barsche Stimme von Rodolphus. Benommen blinzelte er. Irgendjemand stieß ihn grob in die Seite, während zwei andere Hände sanft seine Haare richteten und ihm die verräterischen Tränenspuren aus dem Gesicht wischten. „Lass gut sein, Narzissa. Der sieht nach ’ner Heulsuse aus, da wird das nicht auffallen. Wir sagen einfach, dass er heulend nach Mami und Papi gesucht hat.“ „Meinst du nicht, dass er petzt?“, fragte Narzissa. „Lass das mal meine Sorge sein“, mischte sich Bellatrix’ Stimme dazwischen. „Als ob der Kleine weiß, was passiert ist. Oder weißt du das?“ Bellatrix hatte sich wieder zu dem Jungen hinuntergebeugt. Einer seiner kleinen Arme war hochgerissen und die riesige Hand von Rodolphus umschloss grob das Handgelenk des Jungen. Barty schüttelte den Kopf. Er hatte überhaupt nichts verstanden. Alles hatte wehgetan. Weil er was falsch gemacht hatte, erklärte er sich. Es hatte wehgetan, weil er was falsch gemacht hatte. „Ich hab was falsch gemacht“, murmelte er und spürte, wie er den Tränen wieder nah war. „Es tut mir leid.“ Etwas überrascht sahen sich die drei Jugendlichen an. Dann warf Bellatrix lachend den Kopf in den Nacken und wuschelte Barty durchs Haar. „Ganz richtig“, gluckste sie vergnügt. „Du hast leider einen dummen Fehler gemacht. Aber keine Sorge, jetzt ist alles wieder gut.“ Barty nickte und zog geräuschvoll die Nase hoch. „Wir bringen dich jetzt zu Mami und Papi.“ „Danke“, murmelte er mit erstickter Stimme und ließ sich von Rodolphus mitziehen. In seiner Hast war Barty während seiner Suche vorhin gar nicht aufgefallen, dass es am Ende des Saals zu beiden Seiten weitere Türen gab, von denen eine halboffen stand. Durch die führten man ihn nun. Er sah Cygnus Black, an dessen Seite seine Frau stand. Neben ihm befand sich ein hochgewachsener älterer Zauberer, der das gleiche rotbraune Haar und die markanten Gesichtszüge hatte, wie Rabastan und Rodolphus. Tatsächlich war auch Rabastan vertreten sowie zwei weitere grimmig dreinblickende Zauberer. Ihnen gegenüber stand Mr Crouch. Die dunklen Augenbrauen finster zusammengezogen und die hellen Augen drohten in seiner Wut hervorzuquellen. „Das kommt nicht in Frage!“, polterte er gerade los. „Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt, Cygnus.“ „Natürlich hast du das, Barty. Laut und deutlich. Aber es wäre eine Verschwendung, wenn du nicht wenigstens darüber nachdenken…“ Das war der Moment, in dem Bellatrix und die anderen den Raum betraten. „Barty!“, rief Mrs Crouch leise aus und eilte zu ihrem Sohn. Ihre Gesichtszüge verhärteten sich jedoch, als sie dessen Zustand erkannte. „Was ist passiert?“, verlangte sie zu wissen. „Nichts“, erklärte Bellatrix leichthin. „Sirius hat den Kleinen hier ein bisschen geärgert, aber darum haben wir uns schon gekümmert. Jetzt wollten wir ihm nur helfen seine Eltern wiederzufinden.“ „Danke, Bellatrix, das ist sehr nett.“ Der harte Tonfall und der kalte Blick, mit dem Mrs Crouch die drei Jugendlichen bedachte, strafte ihre Worte Lügen. Auffordernd streckte sie die Hand aus. „Komm, Barty“, sagte sie nun wieder sanft. Barty sagte nichts. Sowie ihn Rodolphus aus seinem eisernen Griff gelassen hatte, lief er vorsichtig zu seiner Mutter. Er konnte die Blicke der anderen auf sich ruhen spüren und fühlte sich zunehmend unwohler. Alles, was er wollte, war weg von diesem Ort. Auch die anderen Zauberer waren in ihrer Diskussion zu einem vorläufigen Ende gekommen. Zufriedenstellend schien das Ergebnis jedoch nicht zu sein, so wie sie sich gegenseitig anfunkelten. Mr Crouch wandte ihnen bloß wortlos den Rücken zu und lief zu Frau und Kind. „Wir gehen!“, bestimmte er knapp und stürmte voran. Eilig wichen die drei Jugendlichen ihm aus, wobei sie ihn mit spöttischen Blicken bedachten. „Überleg’s dir gut, auf welche Seite du dich stellen willst“, rief ihm Cygnus hinterher, sein Tonfall eine Mischung aus Kälte und Spott. „Noch hast du die Wahl.“ Aber Crouch schenkte ihm keine Beachtung. Mit ausgreifenden Schritten lief er durch die Menge der geladenen Gäste zurück zum Foyer. „Barty“, wandte Mrs Crouch zaghaft ein, doch dieser schüttelte den Kopf. „Geh mit Barty vor, ich will euch nicht alleine hier zurücklassen.“ Zögernd sah sie ihren Ehemann an, dann nickte sie. „Es geht nach Hause“, flüsterte sie zu Barty, der noch immer kein Wort gesagt hatte, und drückte ihm etwas Flohpulver in die Hand. Folgsam trat er in die smaragdgrünen Flammen und befand sich wenige Augenblicke später wieder zu Hause. Kurz darauf waren auch seine Eltern zurück. „Ich kann’s nicht fassen!“, rief Crouch, kaum dass er die Feuerstelle verlassen hatte. „Dieses arrogante, eingebildete, engstirnige Pack, wie …“ „Barty.“ „…sie es wagen, mich für ihre widerlichen Zwecke …“ „Barty!“ Mr Crouch hielt in seiner Schimpftirade inne. „Liebling, beruhige dich bitte, es ist spät. Vielleicht sollten wir erst einmal unseren kleinen Barty ins Bett bringen. Ich glaube, die Weihnachtsfeier hat ihm ziemlich zugesetzt.“ Da erst schien sich Mr Crouch seines Sohns bewusst zu werden. Flüchtig blickte er auf den blassen kleinen Jungen, der mucksmäuschenstill in einer Ecke stand und seine Eltern mit gesenktem Kopf beobachtete. „Ist was passiert?“, fragte Mr Crouch knapp. „Bellatrix hatte was angedeutet. Ich glaube, die anderen haben ihn geärgert.“ Mr Crouch schnaubte. „Sieht denen ähnlich. Hast du dich wenigstens gewehrt, Sohn?“ Barty schwieg. Dann schüttelte er langsam und zaghaft den Kopf. Er erinnerte sich wieder an das alles verzehrende Feuer, das seine Haut befallen hatte. An die unsichtbaren Flammen und ihren unendlichen Qualen. „Kein Wunder, dass sie auf ihm rumhacken. Guck ihn dir doch mal an.“ „Barty, sei nicht so hart zu deinem Sohn“, wies Mrs Crouch ihren Mann verärgert zurecht. „Er ist einfach nur ein bisschen schüchtern in so einer großen Menge. Ich finde das ist verständlich.“ Tröstend legte sie dem kleinen Barty eine Hand auf die Schulter. „Komm mit“, flüsterte sie beruhigend, „wir bringen dich jetzt ins Bett und Winky macht dir noch eine schöne heiße Milch mit Honig, ja?“ Das verweinte Gesicht hellte sich etwas auf. „Du verhätschelst den Jungen“, brummte Mr Crouch missbilligend. „Er muss lernen, wie er in einer Welt der Stärkeren zurecht kommt und seinen Platz dort findet.“ „Aber doch nicht auf so einer Weihnachtsfeier!“ Mr Crouch zuckte die Achseln. „Bring den Jungen ins Bett, dann können wir reden, Schatz. In Ordnung?“ Mrs Crouch lächelte flüchtig. Sie wusste, dass sie gewonnen hatte. „In Ordnung“, meinte sie und strich ihrem Sohn durchs Haar. „Und jetzt komm, mein kleiner Liebling, ab ins Bett mit dir.“ Barty nickte und ließ sich von seiner Mutter durchs große Wohnzimmer führen. An der Türschwelle blieb er noch einmal schüchtern stehen. „Gute Nacht, Vater“, sprach er zu der großen Gestalt, die ihnen bereits den Rücken gekehrt hatte. Dann lief er gemeinsam mit seiner Mutter hinauf in sein Zimmer. Eine Antwort hatte er nicht bekommen. Kapitel 2: Ein kleiner Triumph ------------------------------ Glücklich verfolgte Rabastan den feinen Sandstrahl, der sich aus seinem Schuh auf den wertvollen Teppich ergoss. Es war ein erfolgreicher Tag gewesen. Er hatte seine eigene Residenz in den Weiten der endlosen Wüste errichtet, er hatte blutige Schlachten geschlagen, die Burg seines Feindes niedergerissen und war als Herrscher aus diesem erbitterten Kampf hervorgetreten. Er war stolz auf sich. Das kleine Häuflein Sand, das sich zu seinen Füßen ausbreitete, war bloß ein weiteres Zeugnis seines Triumphs. „Rabastan?“ Die Stimme seiner Mutter drang durchs Haus und hallte von den Wänden des weiten Foyers wieder. Dem kleinen Jungen dämmerte, dass er vielleicht etwas Falsches getan hatte. Hastig sah er von seinem Mitbringsel auf, klopfte sich weiteren Dreck von der Kleidung und entfernte sich von der verräterischen Stelle. „Was soll das denn?“ Mrs Lestrange erschien in der Tür, die Hände in die Hüfte gestemmt und den Blick missbilligend auf den verschmutzten Teppich gerichtet. Sie kam Rabastan weitaus furchteinflößender vor als all die Monster, die er an diesem Nachmittag bekämpft hatte. Mit eingezogenem Kopf wich er vor der hochgewachsenen Gestalt zurück, wobei er den kalten Blick vergeblich zu meiden versuchte. „Hast du dich etwa wieder in diesem abscheulichen Muggel-Ort herumgetrieben?“ „Nein“, log er. „Und was soll dieser Dreck dann in meinem Haus?“ „Ich war draußen“, erklärte Rabastan. „Ich habe eine Burg gebaut.“ Der Stolz schwand aus seiner Stimme, als er in das unbewegte Gesicht seiner Mutter sah. „Was habe ich dir gesagt?“, fragte sie. „Ich soll mich nicht mit dreckigen Muggeln abgeben“, wiederholte der Junge resigniert. Mrs Lestrange lächelte dünn. „Genau. Und du sollst dich auch nicht, auf deren erbärmliche Spielplätze begeben. Nimm dir ein Beispiel an deinem Bruder. Der hat so etwas nicht gemacht.“ „Ja, Mutter.“ Im Gegensatz zu ihm war Rodolphus aber auch nie alleine in diesem großen Haus gewesen. Er hatte immer ihn, seinen kleinen Bruder, gehabt, mit dem er spielen und den er ärgern konnte. Seit Rodolphus aber auf Hogwarts war, hatte die Langweile Einzug in das große Anwesen der Lestranges gehalten. Langeweile, der Rabastan zu entkommen versuchte, indem er die Gegend erkundete. „Die haben Angst gehabt“, platzte es aus ihm heraus, in der Hoffnung Eindruck schinden zu können. „Diese ganzen Muggel waren doof und ganz einfach zu besiegen. Ich bin ihr König geworden!“ Dieses Mal erreichte das Lächeln Mrs Lestranges Augen. „Nicht anders soll es auch sein, mein Sohn. Trotzdem darfst du deine magischen Fähigkeiten nicht unbedacht einsetzen.“ „Das hab ich nicht!“, entgegnete Rabastan heftig und verriet sich damit selbst. „Du musst aufpassen“, antwortete seine Mutter streng. „Noch müssen wir unsere Zauberkräfte vor den Muggeln verbergen.“
 „Aber Vater kümmert sich doch darum.“ „Ja, nur wird das noch dauern. Es gibt zu viele Muggelfreunde, die uns Steine in den Weg legen.“ „Dann werde ich Vater helfen und sie besiegen“, beschloss Rabastan. „Und dann kann ich zaubern, wann ich will!“ Mit einem entschlossenen Funkeln in den Augen sah er zu seiner Mutter. Diese nickte anerkennend. „Aber bevor du das tust, gehst du baden“, bestimmte sie. „So dreckig wie du bist, will ich dich nicht im Haus haben.“ Sie schnippte mit den Fingern und eine kleine hagere Hauselfe erschien. „Was soll Tipsy für die Herrin tun?“, piepste die Elfe. „Beseitige den Dreck und lasse dem jungen Herrn ein Bad ein.“ „Jawohl.“ Die Elfe verbeugte sich und Rabastan beobachtete, wie sie den kleinen Sandhaufen wieder beseitigte. Mit einem hämischen Grinsen klopfte er gegen seine Robe, aus der weiterer Sand rieselte. Dann wandte er sich ab, um folgsam ins Bad zu gehen. Kapitel 3: Rache ist süß ------------------------ „Du mieser kleiner Gnom!“ Lautes Getrampel erfüllte das Treppenhaus des Grimmauldplatzes Nummer 12. „Komm sofort her!“ Sirius Black dachte nicht daran. Keuchend hastete er die hohen Stufen hinauf, seine Beute fest an sich gepresst, während er fieberhaft überlegte, wo er hin konnte. Je höher er stieg, desto mehr saß er in der Falle. Vorsichtig spähte er durch das Treppengelände hinunter und stellte erschrocken fest, dass sein Vorsprung gar nicht mehr so groß war. Schweratmend sah er sich auf der Etage um. Er brauchte einen Fluchtweg. Sofort! „Ich kriege dich, du kleine Ratte!“
Das Getrampel wurde lauter. Kein gutes Zeichen. Eilig flitzte Sirius wieder weiter und rannte instinktiv noch eine Etage höher. Er preschte vorbei an Schränken und Vitrinen, Staub wirbelte auf, als er abrupt stehen blieb, in seiner Hast beinahe in einen Vorhang rannte und dann versehentlich gegen den Rahmen eines Gemäldes stieß. „Pass doch auf“, empört sich der dadrin sitzende Zauberer und spähte verdrossen aus seinem Bild heraus. Ohne zu zögern, ließ sich Sirius zu Boden fallen, um aus dessen Blickfeld zu verschwinden und robbte weiter zum nächsten Zimmer. Ob er ihn gesehen hatte? Plötzlich hielt Sirius mitten in der Bewegung inne. Mit gespitzten Ohren lauschte er in die unheilverkündende Stille hinein. Das wütende Gezeter war verstummt und mit ihm die Schritte. Ganz vorsichtig bewegte sich Sirius weiter und zuckte beim verräterischen Rascheln seiner Robe erschrocken zusammen. Trolldreck! Ein Keuchen erfüllte die ruhigen Zimmer. Sein Keuchen. Angestrengt biss Sirius die Zähne zusammen, während er versuchte, so flach wie möglich zu atmen. Sein Blick wanderte durch den edel eingerichteten Salon auf der Suche nach einem geeigneten Versteck. „Ich hab dich gleich“, flötete auf einmal eine Stimme in einem triumphierenden Singsang und jagte Sirius einen eiskalten Schauer über den Rücken. 
 Das würde Ärger geben!
 Ohne länger darüber nachzudenken, stürzte er zum Fenster, das von einem langen Vorhang verdeckt wurde und stellte sich dahinter. Dann schob er den schweren Stoff vorsichtig etwas zurück, damit er die Tür zum Salon im Auge behalten konnte. „Suchst du diesen ungezogenen Bengel?“, hörte er die knarrende Stimme des Zauberers, dessen Portrait er versehentlich angerempelt hatte. „Genau den.“ „Diese Richtung“, antwortete der Zauberer knapp. Sirius hörte Schritte. Langsame, gemächliche Schritte. Schritte, die wussten, dass es kein Entkommen für den Gejagten gab. „Ich bin jetzt bei dir“, kündete seine Verfolgerin an. „Verstecken nützt dir nichts!“ Ein Schatten erschien im Türrahmen, gefolgt von einer großen, gertenschlanken Gestalt. Mit einem bösen Lächeln betrat Bellatrix Black das Zimmer und heftete ihren raubtierhaften Blick auf die Vorhänge. Sirius hatte keine Wahl. Trotzig trat er aus seinem Versteck hervor und funkelte seine Cousine herausfordernd an. „Gib ihn mir“, sagte sie und streckte ihm auffordernd die leere Hand entgegen. Sirius schüttelte den Kopf. „Ich denk nicht dran.“ „Gib ihn mir sofort.“ Ihr Tonfall war gefährlich leise geworden. „Oder du wirst es bitter bereuen.“ „Du hast Regulus geärgert.“ „Na und? Geschah ihm recht, so wie der sich angestellt hat.“ „Du blöde Sabberhexe.“ Das brachte das Fass zum Überlaufen. „Was hast du gesagt?“, schrie Bellatrix und stürzte zornig vor. Schnell brachte Sirius den großen Esstisch zwischen sich und seine wutentbrannte Cousine. So war er fürs erste in Sicherheit. Aber nur fürs erste. Ein Spiel begann, in dem jeder der beiden eine Richtung antäuschten, nur um die andere zu wählen. Rechts, Links, Links, Rechts … Abwartend musterten sich die beiden Blacks, darauf bedacht, dass der andere die Geduld verlor, einen Fehler machte. „Du kannst mir nicht entkommen“, zischte Bellatrix und täuschte an, den Tisch von rechts zu umrunden. Eilig warf sich Sirius in seine rechte Seite, nur um sofort nach links zu stürzen. Diesmal jedoch beließ er es nicht dabei, sondern kletterte auf einen der gepolsterten Stühle, stieg auf die blank polierte Tischplatte, hastete nach links und sprang wieder hinunter. Ein Kerzenständer fiel scheppernd zu Boden, als Bellatrix erfolglos versuchte, nach ihrem Cousin zu greifen. Flink wich dieser ihrer Hand aus und stürmte aus dem Zimmer zum Treppenhaus zurück. „Na warte!“, rief sie. Ein Pochen regte sich in Sirius’ Schienbein. Bei seinem Sprung war er gegen die Lehne eines Stuhls gestoßen, was weitaus schmerzhafter wurde, als es anfangs den Anschein gehabt hatte. Mit einem gequälten Gesichtsausdruck lief Sirius tapfer weiter. Seine kurzen Beine nahmen zwei Stufen auf einmal. Immer mehr und mehr. Die letzten sprang er hinunter. Beinahe stolperte er. Doch der Hutständer im Eingangsbereich gab ihm Halt und fiel klappernd zu Boden, als Sirius ihn eilig wieder losließ und weiter stürmte. Wenn er raus konnte, vielleicht hatte er dann bessere Karten? Aber was danach? Er konnte sich nicht ewig verstecken. Oder? „Andromeda“, keuchte er, als er die Küche erreicht hatte. Hinter ihm ertönte ein Poltern. Das musste zweifellos der Hutständer gewesen sein: Ihm blieb nicht mehr viel Zeit. „Sirius, was hast du angestellt?“, fragte sie streng. „Nichts … ich … hab …. nur…“ Der kleine Junge holte rasselnd Atem und kämpfte gegen die aufkommenden Seitenstiche an. „Hier“, sagte er. Er hielt ihr den Zauberstab hin, den seine kleinen Hände fest umklammert hatten. „Nehm das.“ „Nimm“, verbesserte ihn Andromeda automatisch, während sie misstrauisch den Zauberstab begutachtete. „Das ist Bellas … warum hast du?“ „Hab ich dich!“, schrie Bellatrix triumphierend und griff Sirius in das volle Haar. „Aua“, rief dieser, wobei er sich verzweifelt aus dem Griff seiner Cousine zu winden versuchte. „Aaau, das tut weh.“ „Das geschieht dir ganz recht“, zischte sie, während sie ihm gewaltsam ihren Zauberstab entriss, „du dreckiger Dieb.“ „Ich bin kein Dieb“, jammerte Sirius. Bellatrix hatte begonnen, noch fester an seinem Haar zu ziehen, und diesmal stiegen ihm Tränen in die Augen. „Ich hab mich nur gerächt.“ „Pah, du bist einfach nur ein schlechter Verlierer.“ „Und du hast geschummelt.“ Wütend stampfte Sirius mit seinem Fuß auf, genau auf Bellatrix’ Zehen. „Du kleines Miststück!“ Weniger vor Schmerz als mehr vor Überraschung ließ Bellatrix Sirius wieder los, was dieser sogleich ausnutzte, um hastig etwas Abstand zwischen sich und seiner Cousine zu bringen. Doch nun war sie wieder im Besitz ihres Zauberstabs. Das war gar nicht gut. Hilfesuchend sah sich Sirius um. „Kreacher!“, rief er plötzlich. „Kreacher, ich befehle dir hierher zu kommen!“ Ein Knall ertönte. „Was immer der Master befiehlt, wird Kreacher für ihn tun.“ „Ich möchte, dass du mich vor dieser blöden Kuh beschützt.“ „Kreacher kann keine Kuh sehen, mein Herr. Kreacher sieht nur zwei der ehrenwerten Black-Schwestern und ist sehr verwirrt über den Befehl des jungen Masters. Ja, das ist Kreacher.“ Wütend trat Sirius nach dem Hauself, während Bellatrix vergnügt gluckste. „So mein Kleiner“, sagte sie mit einem gefährlichen Lächeln auf den schmalen Lippen, „jetzt kriegst du, was du verdient hast.“ Entsetzt starrte Sirius auf seine Cousine, die voller Vorfreude den Zauberstab schwang und jäh innehielt. „Was geht hier vor?“, donnerte Walburgas schneidende Stimme. „Mutter ich…“ „Sirius hat meinen Zauberstab geklaut“, erklärte Bellatrix sachlich. „Dafür wollte ich ihm nur eine Lektion erteilen.“ „Das stimmt gar nicht! Außerdem hast du mich und Regulus geärgert…“ „Ruhe“, fiel ihm dieses Mal die tiefe Stimme von Orion ins Wort. „In unserem Haus hast du dich gefälligst gut unseren Gästen gegenüber zu benehmen, Sirius, haben wir uns verstanden?“ „Aber Vater, ich-“ „Habe ich mich klar ausgedrückt?“ „Das Getrampel haben wir bis ins Wohnzimmer gehört“, ergänzte Druella missbilligend, die neben ihre Schwiegerschwester getreten war. „Regulus hat aber gesehen, wie Bella unser Zauberschach verhext hat“, wandte Sirius patzig ein, was die Augenbrauen seiner Mutter missbilligend zusammenstoßen ließ. „Hör auf, deinen kleinen Bruder in alles hineinzuziehen!“, wies sie ihren ältesten Sohn streng zurecht. Wütend verzog Sirius das Gesicht und starrte anklagend auf Bellatrix. Das war alles ihre Schuld. Doch die schenkte ihm nur ein süffisantes Lächeln. „Es tut mir leid wegen der Unannehmlichkeiten“, sagte sie scheinheilig. „Das wollte ich wirklich nicht.“ „Es ist alles in Ordnung, Bellatrix“, sagte Walburga kühl, wobei sie den missbilligenden Blick nicht von ihrem Unheil stiftenden Sohn wandte. „Es ist Sirius, der dringend lernen muss, sich zu benehmen.“ Sirius verschränkte finster die Arme vor der Brust. Er wusste, dass es nutzlos war, jetzt noch was zu sagen und beließ es deshalb dabei, die Anwesenden allesamt böse anzusehen. Er war vor allem sauer auf Regulus, weil der ihm nicht aus der Patsche helfen wollte. Doch statt was zu sagen, lugte sein kleiner Bruder nur schüchtern hinter dem Türrahmen hervor und verfolgte das Geschehen neugierig.
 „Sirius, ich möchte dich heute nicht mehr hier unten sehen. Du gehst jetzt auf der Stelle in dein Zimmer und kommst erst wieder raus, wenn ich es dir sage. Haben wir uns verstanden?“ „Jaah“, murmelte Sirius verstimmt und mied es, seine Mutter anzusehen. Missgelaunt starrte er auf den gefliesten Küchenboden. Er hatte eh keine Lust auf seine Cousinen gehabt, da war das vielleicht ganz gut so. Dann drehte er sich um und machte sich auf Richtung Zimmer - nicht aber ohne vorher seinem Bruder ein böses „Feigling“ zu gezischt zu haben. ENDE Kapitel 4: Eine schmerzhafte Lektion ------------------------------------ Ungeduldige Schritte erfüllten das große Arbeitszimmer und vermischten sich mit dem Takt, den das dumpfe Ticken der alten Standuhr vorgab. Es fiel Rodolphus schwer sich zu konzentrieren. Immer wieder schweiften seine Gedanken ab, lauschten der Geräuschkulisse und taten eigentlich alles, um sich nicht mit dem langweiligen, staubtrockenen Text beschäftigen zu müssen, der vor ihm lag. Neben ihm erging es Rabastan nicht viel besser. Das kindliche Gesicht trug einen Ausdruck tiefster Frustration, während die grünen Augen angestrengt auf die kleinen Buchstaben sahen. Es wirkte ganz so, als würde sein kleiner Bruder glauben, dass sich ihm der Text schon noch erschließen würde, wenn er nur lange genug darauf starrte. „Das ist doof“, stieß Rabastan schließlich hervor, während er sich trotzig zurücklehnte. „Ich versteh das nicht.“ „Junger Herr, wenn Sie sich keine Mühe geben, kann das auch nichts werden.“ „Ich gebe mir Mühe!“, empörte sich Rabastan. „Du hast mir einfach was zu Schweres ausgesucht.“ „Ich habe Ihnen etwas gegeben, womit Ihr verehrter Bruder in Ihrem Alter keine Probleme gehabt hatte.“ Die Stimme Mr Underwoods nahm einen harten Tonfall an. Missbilligend trat der Hauslehrer hinter seinem Schreibtisch hervor, zu dem Pult der beiden Lestrange Brüder und begutachtete Rabastans Werk. Doch mehr als irgendwelche belanglosen Kritzeleien konnte er auf dem Pergament des jüngsten Lestrange nicht entdecken. „Noch einmal von vorne“, seufzte Underwood und deutete auf das erste Wort des Anfangssatzes. „Ibi…“ „Da, dort.“ „…rex…“ „König.“ Nachdenklich hielt Rodolphus in seiner Lektüre der Zaubereigeschichte inne und lauschte dem holprigen Versuchen seines Bruders, den lateinischen Text zu übersetzen. Mr Underwood hatte recht gehabt. Ihm war es damals wesentlich leichter gefallen, die Sprache zu lernen; andererseits hatte er sich auch größere Mühe gegeben. Er hatte gewusst, dass es wichtig war, hervorragende Kenntnisse im Lateinischen zu besitzen, um die Zauberei tadellos meistern zu können. „Probieren wir es noch einmal“, versuchte es soeben Mr Underwood, dem die Geduld sichtlich zu neige ging. „Was bedeutet dieser Satz?“ „Latein … ist … stink-lang-wei-lig“, erklärte Rabastan, wobei er tat, als würde er genau das aus dem Text vor sich entziffern. Dann huschte ein breites Grinsen über sein Gesicht. „Und der Text hier ist blöd.“ „Mr Lestrange, das reicht!“ „Aber ist doch so“, versuchte sich Rabastan zu rechtfertigen. „Ich verstehe gar nicht, wa- auuuu!“ Mr Underwoods Rohrstock war auf Rabastans Hand niedergefahren und schwebte nun neben dem strengen Lehrer in der Luft. „Hände ausstrecken, Mr Lestrange“, befahl dieser kalt. Als Rabastan sich weigerte, donnerte er: „Sofort!“ Widerwillig zog Rabastan die Hände aus den Taschen und legte sie mit zusammengebissenen Zähnen vor sich auf den Tisch. In dem Moment spürte er, wie der Ganzkörperklammerfluch Mr Underwoods von ihm Besitz ergriff und ihn zwang, seine Strafe bewegungslos abzusitzen. Es knallte, als der Stock ein weiteres Mal auf die kleinen Finger von Rabastan fuhr. Und dann wieder und wieder. Schweigend saß Rodolphus daneben und versuchte sich auf triviale Details der Koboldaufstände zu konzentrieren, die auf der eng bedruckten Seite vor ihm standen. Neben sich hörte er, wie Rabastan bei jedem Schlag die Luft schmerzerfüllt einsog. Es passte ihm nicht, dass dieser Wicht von einem Hauslehrer seinen kleinen Bruder bestrafte, nur hatte er leider alle Berechtigung dazu. „Nun, junger Herr, möchten Sie noch einmal versuchen den Text zu übersetzten?“ Rabastan schwieg. Wut und Trotz blitzten in den grünen Augen. Wenn er gekonnt hätte, hätte er wahrscheinlich die Arme vor der Brust verschränkt, doch Mr Underwoods Fluch lastete noch immer auf ihm. „Mr Lestrange?“, ertönte die Stimme des Hauslehrers mit Nachdruck. „Ich lasse mir von einem Halbblut wie dir keine Anweisungen geben“, erklärte Rabastan da stolz. Unwillkürlich sah Rodolphus von seiner Lektüre auf. Sein Blick wanderte zu seinem Hauslehrer, dem jegliche Fassung zu entgleiten schien. „Also … das …“, schnappte er und bemerkte zu spät seinen Fehler, als ein kleines, finsteres Grinsen Rabastans Lippen umspielte. Hastig riss er sich zusammen und baute sich bedrohlich vor dem kleinen Lestrange auf. Ein weiteres Mal zischte der Rohrstock durch die Luft. „Ein solches Betragen werde ich mir nicht bieten lassen!“, polterte Mr Underwood nun mit hochrotem Kopf. „Dafür setzt es zehn weitere Schläge und ich werde Sie erst gehen lassen, wenn Sie den vorliegenden Text fünfzehnmal übersetzt haben!“ „Mein Eltern werden davon hören“, entgegnete Rabastan wimmernd vor Schmerz, während er mühsam versuchte sich zusammenzureißen. „Und wenn ich ihnen erzähle, wie gemein Sie zu mir sind, dann können Sie gehen.“ „Ich werde mir doch nicht von einem kleinen Rotzlöffel wie dir drohen lassen!“, rief Mr Underwood außer sich vor Wut und holte gerade zum nächsten Schlag aus, als Rodolphus plötzlich aufstand und den Rohrstock abfing. „Mr Underwood, Sir, mein Bruder hat leider recht. Ihr Benehmen ist unserer Familie unwürdig und ich glaube, mein Vater wird nicht wollen, dass so mit uns umgegangen wird. Nicht wenn es sich dabei um einen Halbblüter handelt, der wahrscheinlich mehr schmutziges Muggelblut in seinen Adern hat, als er zugeben möchte.“ Ruhig erwiderte Rodolphus den Blick seines Lehrers. Eigentlich war es bedauerlich den alten Mann als Lehrer zu verlieren, denn Rodolphus hatte viel bei ihm gelernt, doch wenn er die Familienehre aufrecht erhalten wollte, musste er für seinen Bruder einstehen. „Ich glaube, Sie reagieren über“, fügte er deshalb noch hinzu. „Eine Frechheit ist das!“, rief Mr Underwood. „Na, warte, ich werde dafür Sorgen, dass ihr bekommt, was euch Rotzlöffeln zusteht.“ Mit vor Empörung zitternden Händen rückte er seine Robe zurecht und verließ hoch erhobenen Hauptes das Studierzimmer, um den Herrn des Hauses aufzusuchen. Als die schwere Tür ins Schloss gefallen war, war wandte sich Rodolphus seinem kleinen Bruder zu, der erleichtert, dass die Ganzkörperklammer aufgehoben war, die rot geschwollenen Finger vom Tisch nahm. „Du Dummkopf!“, rief Rodolphus wütend und gab Rabastan eine halbherzige Backpfeife. „Was glaubst du, was du da gerade gemacht hast?“ „Ich hab mir von dem blöden Underwood nichts gefallen lassen“, erklärte Rabastan beleidigt. „Ich will nicht, dass der mich so doofe Sachen lernen lässt.“
„Das musst du aber“, knurrte Rodolphus. „Jeder muss so Sache lernen. Sonst sind wir nicht besser als Muggel oder irgendwelche Schlammblüter, wenn wir nach Hogwarts kommen.“
„Dafür muss ich nicht lernen.“ „Doch musst du!“ „Aber ich will nicht!“, rief Rabastan und stampfte mit dem Fuß auf. „Das ist doof. Ich will nach draußen und spielen.“ „Na und? Vater ist das egal. Du darfst nicht einfach machen, was du willst“, erwiderte Rodolphus heftig und packte seinen Bruder wütend bei den Armen. Er merkte gar nicht, wie sich seine Finger schmerzhaft in dessen Fleisch gruben. „Und wegen dir kriegen wir jetzt Ärger.“ „Aua, du tust mir weh“, jammerte Rabastan, während er vergeblich versuchte, sich aus dem starken Griff seines großen Bruders zu befreien. Doch als er nach seinem Bruder boxen wollte, zuckte stechender Schmerz durch seine wunden Finger. „Lass mich los, du Blödian. Sonst sag ich, dass du mir wehtust.“ Rodolphus grinste böse. „Vater ist bestimmt schon wütend wegen dir. Das hier ist dann auch egal.“ „Auaaa“, flennte Rabastan und versuchte diesmal nach seinem Bruder zu treten. Seine Beine waren jedoch zu kurz und trafen nichts weiter als Luft. Plötzlich erklangen laute Stimmen draußen auf dem Flur, die sich ihnen zu nähern schienen. Hastig ließ Rodolphus wieder von seinem Bruder ab und starrte mit bangem Herzklopfen auf die verschlossene Tür des Studierzimmers. Er wollte keinen Ärger bekommen, nur weil sein Bruder mal wieder was falsch gemacht hatte. Die Türflügel wurden von einer unsichtbaren Wucht aufgestoßen und gaben den Blick auf die kräftige Gestalt von Mr Lestrange frei, der mit unheilschwangerer Miene den Raum betrat. „Was muss ich da hören?“, fragte er mit lauter Stimme. „Mr Underwood war gemein zu mir“, antwortete Rabastan schnell, wobei er sich unwillkürlich hinter die Lehne seines Stuhls duckte. „War er das?“ Mr Lestrange trat weiter vor, bis er bedrohlich vor seinem jüngsten Sohn aufragte. „Ich habe mir sagen lassen, dass du dich weigerst zu lernen.“ „Aber das ist ja auch blöd. Ich will nicht sowas Langweiliges lernen. Kann ich nicht einfach zaubern?“ Mit einem leisen Aufschrei wurde Rabastan auf einmal von einer unsichtbaren Macht am Schlafittchen gepackt und in die Luft gerissen. „Das ist mir einerlei, ob du das lernen willst. Du hast das gefälligst zu lernen und hörst auf, deiner Familie Schande zu bereiten.“ Der Rohrstock führte zum dritten Mal an diesem Tag ein Eigenleben und steuerte nun auf Rabastans Hinterteil. „Ich will nicht, dass ich einen unfähigen und dummen Sohn mein Eigen nenne, wenn dieser nach Hogwarts kommt. Haben wir uns verstanden?“ Rabastan nickte mit tränenden Augen, während ihn der Stock ein weiteres Mal traf. „Ja, Sir“, brachte er mit erstickter Stimme hervor. „Rodolphus“, Mr Lestrange wandte sich an seinen ältesten Sohn, „ich möchte, dass du besser auf deinen kleinen Bruder Acht gibst, verstanden?“ „Ja, Sir“, nickte Rodolphus und sah teilnahmslos von seinem Vater zu Rabastan. „Aber Rabastan hat recht“, fuhr er schließlich fort. „Mr Underwoods Lehrmethoden waren nicht gut und er hat ihn vielleicht zu unrecht bestraft.“ Ein kleines Lächeln regte sich in dem strengen Gesicht Mr Lestranges. „Aus diesem Grund habe ich das unnütze Halbblut gerade entlassen.“ „Siehst du, ich hatte recht“, rutschte es aus Rabastan triumphierend heraus, wofür er sich augenblicklich einen weiteren Schlag einholte. „Das bedeutet noch lange nicht, dass ich dein beschämendes Verhalten deswegen gutheiße.“ „Na na“, ertönte da eine unbekannte Stimme leise. „Ganz so falsch schien dein Sohn aber nicht zu liegen.“ Überrascht sah Rodolphus an seinem Vater vorbei und beobachtete, wie die schlanke Gestalt eines hochgewachsenen Mannes aus den Schatten des Flurs trat und selbstsicheren Schrittes in das Studierzimmer ging. Er hatte pechschwarzes Haar, das ordentlich aus dem bleichen Gesicht gekämmt war. Seine dunkle Robe war elegant und sprach von Wohlstand. Etwas beim Anblick des fremden Zauberers jagte Rodolphus einen Schauer über den Rücken. Und das war nicht nur wegen der katzenhaften, rötlichen Augen, die sich auf ihn und seinen Bruder richteten. Die bloße Präsenz des Unbekannten sprach von Macht. „Es tut mir leid, dass du dabei sein musst“, wandte sich Mr Lestrange an den Unbekannten, doch dieser winkte ab. „Schon in Ordnung“, sagte er mit einem kleinen Lächeln, dem jegliche Wärme fehlte. „So konnte ich mich mit eigenen Augen vergewissern, wie es um die Ausbildung unseres Nachwuchses steht. Ein wirklich bedauerlicher Vorfall. Unwürdige wie Underwood dürften eigentlich gar nicht auf unsere Schützlinge gelassen werden.“ Rodolphus verfolgte, wie sein Vater seinen Gast schweigend beobachtete und keine Anstalten machte zu widersprechen. Stattdessen lauschte er ihm mit einem Ausdruck der Zustimmung im Gesicht, während der Fremde mit einer nachlässigen Geste seines Zaubsterstabs dafür sorgte, dass Rabastan von jeglichem Fluch befreit war. Unwillkürlich hielt Rodolphus den Atem an. So etwas hätte sich nie jemand zu tun gewagt! Mit großen Augen verfolgte er, wie der Unbekannte mit einem flüchtigen Lächeln auf den Lippen zu Rabastan sah. „Dein Vater hat durchaus recht“, sprach er mit seiner hohen, kalten Stimme. „Es gehört bedauerlicherweise dazu, unliebsame Dinge zu tun, damit man sich den Respekt verschafft, der einem zusteht. Dennoch hast du sehr gut erkannt, dass es sich bei Underwood um einen alten Schwachkopf handelt.“ Rabastan strahlte bei diesen Worten. „Und von dir habe ich auch schon sehr viel gehört“, wandte sich der fremde Gast an Rodolphus. „Rodolphus, nicht wahr? Ich mag deine Standhaftigkeit. Du wirst deiner Familie eines Tages bestimmt viel Ehre bringen. Ich hoffe, dass wir uns bis dahin … öfter begegnet sind.“ Der Fremde hielt ihm eine bleiche Hand mit langen schlanken Fingern entgegen. Zögernd ergriff Rodolphus sie mit seiner kleinen Kinderhand. „Ich freue mich, deine Bekanntschaft zu machen. Man kennt mich als Voldemort.“ „Es freut mich, Sir“, entgegnete Rodolphus höflich. Dann wandte sich Voldemort wieder von den Söhnen seines Gastgebers ab. „Nun, da das geklärt wäre, sollten wir uns dringlicheren Angelegenheiten zuwenden. Hattest du schon mit Avery und Dolohow gesprochen?…“ Wie in Trance starrte Rodolphus seinem Vater und dem fremden Zauberer hinterher. Das seltsame Gefühl beschlich ihn, dass soeben etwas von folgenschwerer Bedeutung geschehen war und er wusste, dass es Rabastan ähnlich erging, denn seit dem Erscheinen Voldemorts hatte kein Wort mehr das lose Mundwerk seines Bruders verlassen. Kapitel 5: Enttäuschung und Überraschung ---------------------------------------- Barty hatte keine Lust mehr zu warten. Ungeduldig ließ er die kleinen Beine von der Bank baumeln und starrte verdrossen auf das Gewimmel an Hexen und Zauberer, die sich mit ihren Emporkömmlingen einen Weg durch die Winkelgasse suchten. „Mama, wann kommt Vater?“, fragte er zum wiederholten Male. „Ich weiß es nicht.“ „Er wollte doch kommen.“ Diesmal stahl sich der Anflug von Enttäuschung in den quengelnden Tonfall. Mrs Crouch seufzte und strich ihrem Sohn liebevoll durchs Haar. „Ich bin mir sicher, er ist gleich da. Bestimmt hat ihn nur irgendeine Kleinigkeit aufgehalten“, sagte sie und überlegte, ob es nicht sie selbst war, die sie damit beruhigen wollte. „Ich will nicht mehr warten“, murmelte Barty finster. Er hatte den Kopf auf die kleinen Hände gestützt. Sein Blick folgte einem lockenköpfigen Jungen, der gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Vater vor dem Quidditchgeschäft stand und aufgeregt das neue Nimbus Model betrachtete. „Können wir nicht schon einmal losgehen?“ Mrs Crouch sah auf die Uhr, die an einer der schiefen Häuserwände angebracht war. Sie warteten bereits seit anderthalb Stunden auf ihren Mann. „Na gut“, sagte sie, „wo möchtest du denn zuerst hin?“ Augenblicklich kehrte Leben in Barty. „Ich möchte, ich möchte …“, rief er aufgeregt und hielt inne, als er angestrengt überlegte, wo er zuerst hinwollte. „Ich möchte zu Sugarplums Süßigkeitenladen. Können wir da hin?“ „Natürlich“, lächelte seine Mutter und nahm ihren kleinen Sohn an die Hand, damit er in der Menge nicht verloren ging. Der süße, würzige Geruch von frischem Kesselkuchen empfing sie, als sie das geräumige Geschäft betraten. Bartys Augen strahlten beim Anblick all der großen Gläser, die sich auf den Regalen türmten und die köstlichsten Naschereien beinhalteten. Aufgeregt begann er die Regalreihe von Bertie Botts Bohnen zu inspizieren. Ein kleiner Abschnitt bewarb die neuesten Geschmacksrichtungen, die laut Werbeplakat „kühle Erfrischungen und großes Abenteuer“ mit sich brachten. Neugierig starrte Barty auf die bläulich schimmernden Bohnen und überlegte, was es wohl mit dem neuen Geschmack auf sich hatte. Dann lief er weiter, vorbei an Gläser voller Zauberdrops, die sich bis hoch an die Decke stapelten, und vorbei an einer Fülle von Lakritzzauberstäben in den verschiedensten Formen und Farben, bis auf einmal die Auslage von Schokofröschen seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Eine kleine Schar aus jungen Zauberern und Hogwartsschülern tummelte sich vor dem großen Aufbau, der in goldenen Lettern anpries, dass zur Quidditch-Sommersaison die Mannschaften der Nationalteams als Karte beilägen. Um diese Aufschrift flatterte ein aufgeregter Schnatz und ihm immer dicht hinterher ein Quidditchspieler. Mit großen Augen verfolgte Barty die hektischen Flugbahnen des Schnatzs und starrte dann zu dem kleinen Gedränge. „Darf ich einen, Mama?“ Seine Mutter schmunzelte beim Anblick ihres Sohns. „Aber dann kriegst du nichts anderes mehr, verstanden?“ „Ja“, sagte Barty und suchte sich flink einen Weg durch das Gewusel, um sich eine der kunstvoll verzierten Schokofrosch Schachteln zu nehmen. „Heh, das ist meine!“, rief ein Junge empört, der im selben Moment nach der Schachtel gegriffen hatte, die Barty nun in der Hand hielt. „Aber ich hab mir die zuerst genommen“, erwiderte Barty patzig und wurde zusehends kleinlauter, als er erkannte, dass sein Gegenüber mindestens zwei Jahre älter sein musste. Er war auch viel größer. „Ich wollte die aber haben“, beharrte der Junge mit dem schwarzen strubbeligen Haar und der Brille auf der Nase. Bartys Mut sank, auch wenn er sich das eigentlich nicht gefallen lassen wollte. Eingeschüchtert schaute er zu dem Jungen, der seinen Blick entschlossen begegnete, und griff schließlich nach einer anderen Schachtel. „Die war eh doof“, erklärte er. Danach wandte er sich ab und hielt nach seiner Mutter Ausschau. Es ärgerte ihn, dass er den Kürzeren hatte ziehen müssen. Aber gegen Ältere hatte er kaum eine Chance und außerdem durfte er keinen Ärger machen. Mrs Crouch stand am Fenster und sah nachdenklich zur Straße hinaus. Von dem kleinen Konflikt, in den ihr Sohn geraten war, hatte sie nichts mitbekommen. „Mama“, sagte Barty und zog ungeduldig am Saum ihres Ärmels. „Ich bin fertig.“ „Ja?“ Geistesabwesend wandte sich seine Mutter von der Fensterscheibe ab und sah zu ihrem Sohn. „Ist etwas?“, fragte sie, als sie dessen verstimmte Miene bemerkte. „Ein doofer Junge war gemein zu mir.“ „Ehrlich? Wer denn? Soll ich mit ihm reden?“ Barty schüttelte schnell den Kopf. „Nein, das geht schon“, murmelte er, da es ihn plötzlich beschämte, deswegen zu seiner Mutter zu gehen. Seine Mutter hingegen lächelte nur, wobei sie ihm anerkennend über die Wange strich. „Das ist mein kleiner Barty“, lobte sie. Kaum hatten sie Sugarplums Laden verlassen und waren wieder in das geschäftige Gewusel der Winkelgasse gegangen, verlangte Barty nach seinem Schokofrosch. „Barty, jetzt sei doch nicht so ungeduldig“, mahnte Mrs Couch ihren Sohn, während sie sich unauffällig nach ihrem Mann umsah. Eigentlich müsste er längst aus dem Ministerium gekommen sein. Was hielt ihn bloß so lange auf? Kurzerhand beschloss sie mit Barty wieder zu ihrem Warteplatz zurückzukehren. Nicht dass sie sich verpassten. „Aber wir wollten doch noch in die anderen Geschäfte“, quengelte Barty, den der lange Tag allmählich erschöpfte. „Ich hab noch gar nicht nach Quidditchsachen gucken können.“ „Da gehen wir gleich hin, versprochen. Aber jetzt müssen wir erst einmal auf deinen Vater warten“, versuchte Mrs Crouch ihren Sohn zu beschwichtigen. „Was wenn Vater gar nicht kommt?“ „Natürlich wird er kommen! Er hat einfach nur viel zu tun, das ist alles.“ Barty schien nicht überzeugt. Missmutig kreuzte er die Arme vor der Brust und beobachtete die glücklichen Familien, die an ihnen vorbeizogen. „Möchtest du vielleicht doch schon deinen Schokofrosch haben?“ Überrascht sah Barty zu seiner Mutter, dann leuchteten seine Augen auf. „Ja, möchte ich“, rief er begeistert und vergessen war der Vater, der sich nicht blicken ließ. Freudig griff er nach der großen Schachtel, gespannt darauf, welche Sammelkarte er wohl haben würde. Vorsichtig öffnete er den Deckel und griff nach der Karte. Er spürte, wie etwas gegen seine kleinen Finger stieß, dann sprang auf einmal ein Schatten aus der Öffnung. „Vorsichtig, Barty!“ Aber der Warnruf seiner Mutter war überflüssig. Breit grinsend hielt Barty den flüchtenden Frosch fest mit der einen Hand umklammert, während er mit der anderen die Karte hervorzog. Das Grinsen fiel in sich zusammen, als er sah, dass er ein weiteres Mal Gordric Gryffindor gezogen hatte. Er spürte kaum, wie die Schokolade in seiner linken Hand allmählich weich wurde in der angenehmen Sommersonne. Alles, was er fühlte, war ein dicker Klumpen Enttäuschung. „Barty, isst du den Frosch? Sonst packe ihn doch wieder ein, damit er nicht schmilzt.“ Verdrossen befolgte Barty die Aufforderung seiner Mutter und sah teilnahmslos zu, wie sich neben sie zwei dunkelhaarige Jungen auf eine Bank setzten. „Das ist doof“, verkündete der eine gerade lautstark und zog dem kleineren etwas aus der Hand. „Gib das wieder her“, jammerte dieser und wedelte mit seinen kurzen Armen in der Luft herum in dem vergeblichen Versuch, an den Gegenstand zu kommen, den der andere hielt. Doch der größere lachte nur und kletterte mit einem diebischen Grinsen auf die Bank. Barty sah wieder auf seine langweilige, doppelte Karte und dann in das Gedränge. Lustlos ließ er die Beine baumeln, während er darauf wartete, dass sein Vater endlich aus der Masse auftauchen würde. „Hör sofort auf, deinen kleinen Bruder zu ärgern!“, erscholl plötzlich eine schneidende Stimme neben ihm. Neugierig wandte sich Barty wieder dem Geschehen an der anderen Bank zu und beobachtete, wie eine hagere Frau zu den beiden Jungen eilte und den älteren streng am Schlafittchen packte. „Ich hatte gesagt, dass du auf deinen Bruder aufpassen solltest. Stattdessen sehe ich, wie du ihn ärgerst!“ „Schon gut, Mutter, das war nur Spaß“, beeilte sich der kleinere der beiden Jungen zu sagen. Anscheinend besänftigte das die Frau etwas, denn sie ließ zumindest den anderen wieder los. „Nun gut. Ich bin in fünf Minuten bei euch - und wehe ich erfahre, dass ihr irgendeinen Ärger angestellt habt, haben wir uns verstanden?“ Die beiden Jungen nickten artig. Plötzlich bemerkte sie Barty, der unverhohlen auf das Geschehen gestarrt hatte und in ihre Miene trat ein Ausdruck tiefster Missbilligung, als ihr Blick weiter zu Mrs Crouch wanderte. Dann drehte sie sich ohne ein Wort zu sagen um und verschwand wieder in der Menge. „Das ist alles deine Schuld“, sagte der größere Junge, kaum dass seine Mutter weg war. 
„Das stimmt gar nicht!“ Aufgebracht wandte sich der Jüngere ab und sah prompt zu Barty. Schweigend starrten sie sich an. Der Dunkelhaarige und der Strohblonde. Schließlich wurde der Junge auf die Karte aufmerksam, die Barty in seinen mit Schokolade verschmierten Händen hielt und sein Gesicht hellte sich auf. „Welche Karte hast du da?“, fragte er schüchtern. Etwas erstaunt sah Barty ihn an. „Gryffindor“, sagte er. „Guck mal, ich habe heute die hier bekommen.“ Bartys Augen wurden groß, als er auf das bewegte Abbild des derzeitigen Kenmare Kestrel Kapitäns starrte. „Wenn du willst, können wir tauschen“, fuhr der Junge fort. „Die Kenmare Kestrels find ich nämlich blöd.“ Barty lag eine empörte Erwiderung auf der Zunge, doch brachte er schließlich nur ein schüchternes Nicken zustande. Der Junge wandte sich wieder ab und lief zu seinem Bruder. „Ich gebe dir Gryffindor, wenn ich dann die Magpie Karte bekomme“, bot er an, womit sich der andere einverstanden gab und ihm eine Karte reichte. Grinsend kehrte der jüngere damit zu Barty zurück. „Hier“, sagte er und hielt ihm den Kapitän der Kenmare Kestrels hin. Schnell reichte Barty seinem Gegenüber Gryffindor und nahm glücklich seinen neuen Schatz entgegen. „Danke“, sagte er. Der Junge zuckte die Achseln, wobei sich ein schiefes Lächeln in das blasse Gesicht stahl. Dann kehrte er wieder zu seinem Bruder zurück, mit dem er sogleich eifrig weiter tauschte. „Das war aber nett“, bemerkte Mrs Crouch, die das Geschehen aus dem Augenwinkel verfolgt hatte. Barty nickte glücklich und begutachtete strahlend seine neue Errungenschaft. Dabei beschloss er für sich, dass der Tag doch noch ganz in Ordnung geworden war. In diesem Moment fiel jedoch ein Schatten auf ihn. Erstaunt starrte Barty hoch und kniff, geblendet von der steilen Sommersonne, die Augen zusammen. Dennoch erkannte er sofort, wer vor ihnen stand. „Barty!“, rief seine Mutter, stand auf und umarmte ihren Ehemann mit einer Mischung aus Freude und Erleichterung. „Ich dachte schon, du würdest gar nicht mehr kommen!“ „Es tut mir leid“, murmelte Mr Crouch erschöpft. „Ich hatte viel zu tun“, und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Vater, guck mal“, rief Barty dazwischen. Mit einem glücklichen Grinsen hielt er ihm seine neueste Errungenschaft - die Sammelkarte vom Kapitän der Kenmare Kestrels - entgegen. Sein Vater wandte sich von der Mutter ab. In seinem Blick spiegelte sich Desinteresse, als er auf die Karte sah. „Hast du etwa schon einen Schokofrosch gehabt?“, sagte er nur und zog abschätzig die Augenbrauen hoch. „Dabei wollte ich euch zu einem Eis einladen.“ „Au ja!“, rief Barty begeistert, der jedoch unter dem strengen Blick seines Vaters sofort wieder verstummte. „Na, ich glaube, ein Schokofrosch reicht für heute, oder?“ „Aber ich hab den noch gar nicht gegessen“, wandte Barty kleinlaut ein, wobei er seinem Vater die Schachtel hinhielt. „Guck, der ist noch dadrin.“ Sein Vater sah zu seiner Mutter, die ihm auffordernd zunickte. Seufzend nahm er die Verpackung entgegen und lugte hinein. „Nun, wenn das so ist…“ Das Strahlen kehrte in Bartys Gesicht zurück. Hoffnungsvoll beobachtete er seine Mutter, die seinem Vater die Schachtel abnahm, sie verstaute und nach seinem Arm griff. „Also zu Florean Fortescues Eissalon?“, fragte sie sanft. Mr Crouch nickte knapp. Dann sah er zu seinem Sohn. „Glück gehabt“, bemerkte er, wobei sich der Anflug eines Lächelns in seine ernsten Gesichtszüge stahl. ENDE Kapitel 6: Unerwünschter Besuch ------------------------------- Trotzig hatte sich Rabastan ins Gebüsch zurückgezogen und pulte mit den Fingern in der weichen Erde. Durch die Zweige hindurch beobachtete er missmutig, wie die drei Black Schwestern laut schnatternd in seinen Garten einmarschierten. Ihr Besuch passte ihm überhaupt nicht und noch weniger passte es ihm, dass Mutter und Vater darauf bestanden hatten, nett zu ihnen zu sein - schließlich waren Mädchen langweilig und doof. Rabastan wollte sich gerade noch tiefer in die Sträucher zurückziehen, als ihn plötzlich sein Bruder gefunden hatte. „Du musst da rauskommen“, erklärte er ihm bestimmt. „Muss ich gar nicht.“ „Musst du wohl, sonst kriegst du Ärger.“ Finster funkelte Rabastan Rodolphus an. „Ich will aber nicht.“ „Pech“, erwiderte Rodolphus und zog an dem Arm seines Bruders. „Du musst mitkommen.“ Einen Moment lang kämpfte Rabastan verbissen gegen den Griff an, dann besann er sich eines Besseren und folgte gehorsam seinem Bruder. Er erinnerte sich noch an das letzte Donnerwetter, als er sich den Wünschen seiner Eltern widersetzt hatte. Wegen so blöden Mädchen wollte er kein weiteres Mal riskieren. „Iih, du bist ja ganz dreckig“, empfing ihn Narzissa naserümpfend, kaum dass sie die drei Mädchen erreicht hatten. „Und du bist hässlich“, entgegnete Rabastan ungeniert, wofür er sich sofort einen strafenden Blick von Andormeda einhandelte. „Nimm das zurück!“, sagte sie streng. „Du kannst nicht einfach so meine Schwester beleidigen.“ Doch Rabastan sah stur zur Seite und dachte gar nicht daran, noch irgendetwas zu sagen. „Ich gehe das Mutter sagen“, drohte Narzissa mit ihrer hohen Stimme. „Du bist nicht hässlich“, mischte sich Rodolphus gleichgültig ein. „Rabastan ist dumm, der hat keine Ahnung von sowas.“ Das Gesicht der kleinen Narzissa gewann bei diesen Worten das Strahlen zurück. „Ich will aber, dass er das zurücknimmt“, verlangte sie dennoch. Rabastan sagte nichts, sondern sah nachdenklich zu seinem Geheimversteck, wobei er sich ausmalte, wie es wäre, sich einfach in den Büschen zu verstecken oder auf einen der hohen Bäume zu klettern. Alles schien schöner als der lange Nachmittag, der ihm bevorstand. „Sei leise, Zissy, Rodolphus hat gesagt, dass du nicht hässlich bist. Das reicht.“ Bellatrix hatte sich zu Wort gemeldet und sah genervt zu ihrer kleinen Schwester. „Aber Bella“, begann sie zu jammern, verstummte jedoch augenblicklich, als Bellatrix ihr kurzerhand an den Haaren zog. „Nerv nicht“, bestimmte sie. „Hör auf damit!“, mischte sich Andromeda ein. „Warum sollte ich?“, entgegnete Bellatrix und ein böses Grinsen verzog ihre schmalen Lippen, während sie noch einmal fest an Narzissas Zopf zog. Mit Tränen in den Augen riss sich die jüngste der Black Schwestern los. „Ihr seid gemein!“, rief sie und stampfte wütend mit dem Fuß auf. „Mutter und Vater haben gesagt, dass ihr nett sein sollt. Wir sollen alle schön miteinander spielen.“ „Ich will aber nicht mir dir spielen!“, erklärte da Rabastan patzig. „Du bist nämlich blöd.“ „Ach ja, du bist viel blöder.“ „Stimmt gar nicht.“ „Stimmt wohl.“ „Heh, lasst das“, ging Andromeda dazwischen. „Entschuldigt euch und dann überlegen wir, was wir spielen können.“ Keinem der Anwesenden schien der Gedanke jedoch sonderlich zu gefallen. Bellatrix sah ihre beiden Schwestern nur verächtlich an, während Rodolphus desinteressiert daneben stand und Rabastan und Narzissa noch immer sauer aufeinander zu sein schienen. Andromeda seufzte tief. „Wir haben unsere neuen Springseile dabei, vielleicht können wir …“ „Das ist Mädchenkram, sowas mache ich nicht“, erklärte Rabastan und hob stolz das Kinn. „Aber es macht Spaß“, wandte Andromeda halbherzig ein. Doch Rabastan weigerte sich ihr zu zuhören. „Ich gehe jetzt zurück zu meiner Burg“, verkündete er. „Und Mädchen dürfen nicht dahin, sonst werdet ihr angegriffen.“ Interessiert sah Bellatrix zu ihm. „Ich will aber auf deine Burg.“ „Ich auch!“, mischte sich Narzissa begeistert ein. „Das geht nicht“, erklärte Rabastan und ging davon. Eilig versuchte ihm Bellatrix hinterher zu rennen, wurde aber von Rodolphus aufgehalten. „Ich kann dir später einen Geheimgang zeigen“, flüsterte er. Da Narzissa wieder mit einem Aufstand begonnen hatte, hatten weder sie noch ihre Schwester seine Worte mitbekommen. Bellatrix dunkle Augen leuchteten auf. „Und jetzt?“, fragte sie. Ihre Frage beantwortete sich innerhalb der nächsten Minuten. Es war keine Antwort, die jedem der vier Kinder gefiel. Narzissa hatte auf eine Teeparty bestanden. Sofort eilten zwei Hauselfen herbei und bereiteten alles vor; bauten Tische, Stühle und Schirme gegen die sengende Mittagssonne auf und brachten Geschirr sowie Tee und Gebäck. So saßen sie da an einem Tisch, der ihrer kleinen Größe gerecht wurde, knabberten an süßen Keksen und rührten in ihren Teetassen. „Ich bin die Gastgeberin, also müsst ihr alle nett zu mir sein“, verkündete Narzissa mir ihrer hellen Mädchenstimme. „Und ich bin die Älteste, deshalb solltet ihr alle auf mich hören“, erwiderte Bellatrix. „Ich bin aber …“ Inmitten ihres eintretenden Gezankes bemerkte keiner den Eindringling, der aus dem Gebüsch hervor robbte. Rodolphus sah Rabastan als erstes. Das rotbraune Haar war zerzaust und im Gesicht trug er ein schelmisches Grinsen. Mit einem Kopfnicken bedeutete Rabastan ihm, dass er ihm helfen sollte; also stand er auf und sah zum Anwesen seiner Eltern hinüber. „Habt ihr das gesehen?“ Narzissa und Bellatrix hielten in ihrem Streit inne. „Was?“, verlangte Bellatrix zu wissen. „Ich weiß es nicht. Ich glaube, wir sind hier nicht sicher.“ In dem Moment stürzte Rabastan mit einem Kriegsschrei hervor. Erschrocken kreischte Narzissa auf. Ehe sie es sich versah, fiel sie rücklings von der Bank, während Rabastan in die verdreckte Tasche seines Umhangs griff und etwas auf sie warf. „Lass das!“, rief Andromeda und stürzte sich dazwischen. „Aber ich mache doch gar nichts.“ Hastig wich Rabastan ihr aus und bedachte sie mit einem liebenswürdigen Blick. „Ich war nur der Angreifer vom Feind. Ihr müsste eure Teeparty schützen, sonst hat es der Feind leicht.“ Er zog einen Stock hervor und richtete ihn auf die kleine Aufbaut. „Wingardium Leviosa!“, imitierte er mit tiefer Stimme seinen Vater. „Und jetzt ist alles kaputt.“ „Du kannst doch noch gar nicht zaubern“, sagte Bellatrix. „Na und? Aber bald kann ich das. Es sind noch …“, Rabastan hielt inne und begann an den Fingern seiner linken Hand die verbliebenen Jahre abzuzählen, bis er endlich nach Hogwarts durfte. „Drei Jahre“, verkündete er stolz. „Und dann bin ich der stärkste Zauberer.“ Bellatrix lachte. „Ich habe schon meinen Brief bekommen.“ „Ist mir doch egal.“ Verdrossen starrte Rabastan sie an. „Und so toll bist du gar nicht. Rodolphus kommt auch bald nach Hogwarts.“ Plötzlich zerriss ein spitzer Schrei das Gespräch. „Mach es weg“, kreischte Narzissa und sprang wie von der Tarantel gestochen auf. „Mach es weg!“ In ihren blauen Augen schwammen die ersten Tränen, während sie panisch mit dem rechten Arm fuchtelte. Hastig lief Andromeda zu ihrer kleinen Schwester und versuchte herauszufinden, was los war. „Bella, hilf mir mal“, sagte sie verzweifelt, doch Bellatrix stand neben Rabastan und Rodolphus und war in ihr schallendes Gelächter eingefallen. „BELLA!“ Ohne Erfolg. Andromeda blieb nichts anderes übrig, als Narzissa allein zu beruhigen. „Da ist nichts“, sagte sie immer wieder in dem vergeblichen Versuch, ihre kleine Schwester zur Ruhe zu bringen. „Da ist wirklich nichts.“ Aber Narzissa wollte nicht hören. Unentwegt hüpfte sie auf der Stelle und schüttelte sich vehement, wie um etwas von sich abzuwerfen. Dann bemerkte Andromeda ein Kribbeln. Ihr Herz begann schneller zu schlagen bei dem bösen Verdacht, der langsam in ihr aufwallte. Das Kribbeln wurde stärker und ihr wurde mit Schrecken bewusst, dass es kein Kribbeln sondern ein Krabbeln war. Flüchtig fuhr sie sich mit ihrer Hand über die verräterische Stelle an ihrem Arm und stieß mit ihren Fingern auf ein Etwas. Andromeda schluckte. Langsam hob sie die Hand zu ihrem Gesicht. Sie spürte, wie es nun auf ihrem Handrücken krabbelte. Dann sah sie die große Gartenspinne, die hektisch einen Weg ihren Arm hinauf suchte. Ein zweiter markerschütternder Schrei gellte über das Anwesen der Lestranges und verlor sich in dem schallenden Gelächter der beiden Brüder sowie dem der ältesten Black Schwester. „Ihr seid so doof“, kreischte Andromeda, nachdem sie sich selbst sowie ihre Schwester von den Krabbeltieren befreit hatte. „Dafür bekommt ihr ganz viel Ärger!“ „Ooooh, jetzt hab ich Angst“, rief Rabastan fröhlich und flitzte davon. Wütend starrte Andromeda ihm hinterher, während sie die weinende Narzissa zu trösten versuchte. „Da ist nichts mehr in deinem Haar“, flüsterte sie beruhigend und strich ihr wie zur Bestätigung über die weiche hellblonde Haarpracht. „Komm lass uns reingehen“, sagte sie schließlich und ging mit Narzissa an der Hand, ohne Bellatrix oder Rodolphus noch eines Blickes zu würdigen, zum Haus zurück. Noch immer grinsend sahen die beiden älteren auf die kleiner werdenden Gestalten. „Und jetzt?“, wiederholte Bellatrix ihre Frage, froh darüber, Ruhe vor ihren nervigen Schwestern zu haben. „Wir könnten Rabastans Burg stürmen“, schlug Rodolphus vor und beobachtete das begeisterte Grinsen, das die dunklen Augen des Mädchens zum Strahlen brachte. Zufrieden mit sich selbst grinste er zurück. „Komm mit“, sagte er, „ich zeige dir den Geheimgang.“ ENDE Kapitel 7: Übung macht den Meister ---------------------------------- Vorsichtig tunkte Barty den Federkiel in das große Tintenfass und betrachtete die dunkle, krakelige Linie, die er damit auf das feine Pergament zeichnete. Ein Strich folgte dem anderen. Vor lauter Konzentration lugte seine Zungenspitze zwischen den Lippen hervor, während seine hellen Augenbrauen angestrengt zusammengezogen waren. Barty gab sich alle Mühe, die Buchstaben von dem Papier abzumalen, das ihm sein Vater gegeben hatte. Bis zum Abend wollte er sie alle tadellos schreiben können, sonst wäre sein Vater bestimmt enttäuscht. „Möchtest du nicht eine Pause machen?“ Seine Mutter war zu ihm getreten und betrachtete interessiert das Werk ihres Sohns. „Nein“, entschlossen schüttelte Barty den Kopf. „Erst wenn ich fertig bin“, erklärte er. „Dann lass dir wenigstens von Winky etwas Kürbissaft bringen, du hast ja noch gar nichts getrunken.“ „Hmhm“, machte Barty, während er sich wieder konzentriert seinen Buchstaben widmete. Er bemerkte kaum, wie seine Mutter neben ihm an dem großen Tisch Platz nahm und ihm über die Schulter sah. „Das machst du wirklich sehr schön“, lobte sie ihn schließlich, als Barty für einen flüchtigen Moment innegehalten hatte, um sein Werk zu betrachten. Mit einem Strahlen sah er sie an. „Ehrlich?“, fragte er. Stolz schwang in seiner Stimme mit und zauberte ein glückliches Lächeln in sein Gesicht. „Ehrlich“, versicherte ihm seine Mutter. Entschlossener denn je wandte er sich wieder den komplizierten Runen und Buchstaben zu, die feinsäuberlich auf der Vorlage geschrieben standen und ließ die neue Feder über das Papier kratzen. Sie war ein Geburtstagsgeschenk gewesen und sein ganzer Stolz geworden. Mit ihr lernte er das Schreiben und mit dem Schreiben das Lesen. So würde er lernen können und ein guter Schüler werden, wie es sein Vater einst auf Hogwarts gewesen war. Aufgeregt rutschte er auf seinem Stuhl herum, während er den Kiel erneut in die pechschwarze Tinte tunkte. Hogwarts! Dann würde er richtig zaubern können. Plötzlich begann das Tintenfass zu zittern. Erschrocken beobachtete Barty, wie es immer heftiger ruckelte, bis es klappernde Laute auf der hölzernen Tischplatte machte. „Mutter!“, entfuhr es ihm, dann explodierte das Fass. Tinte spritzte auf die gute weiße Tischdecke, sie ergoss sich über der Vorgabe und ließ Bartys mühsam abgeschriebene Buchstaben in einem kleinen schwarzen See untergehen. Maßloses Entsetzen breitete sich in dem sommersprossigen Gesicht aus, als er auf die Sauerei und seine ruinierte Übung starrte. In seinen Augen begann es zu brennen bei dem Gedanken an all die Arbeit, die er den bisherigen Vormittag in diese Aufgabe gesteckt hatte. „Es … es ist kaputt“, stammelte er mit belegter Stimme. „Ich wollte doch …“ Und nun kamen ihm tatsächlich die Tränen. Vater würde schrecklich böse sein, wenn er erfuhr, was für eine Schande er ihm gerade bereitet hatte! Er hatte alles schmutzig gemacht und seine Übung war vollkommen verloren. „Pschh“, flüsterte seine Mutter und streichelte ihm beruhigend übers Haar. „Es ist alles gut.“ Dann zückte sie ihren Zauberstab und begann die Tinte aufzusaugen. Die fleckige Tischdecke zierte wieder ein reines Blütenweiß. Hoffnungsvoll beobachtete Barty, wie auch die dicke schwarze Flut langsam von dem Pergament verschwand, doch mit ihr gingen all die ordentlich geschriebenen Buchstaben. Zu guter Letzt fügten sich die Splitter des Tintenfasses in der Luft zusammen, um anschließend die vergossene Tinte wieder aufzunehmen. „Siehst du?“, sagte Mrs Crouch lächelnd. „Es ist alles wieder in Ordnung.“ „Aber meine Buchstaben“, wandte Barty kleinlaut ein. „Die hast du im Nu wieder geschrieben, ich weiß doch, wie gut mein Sohn ist.“ Das entlockte dem kleinen Jungen den Hauch eines Lächelns. Über die harten Worte seines Vaters, wenn er Wind bekam, was geschehen war, wollte er nicht nachdenken. „Winky kann dem jungen Herrn etwas Kuchen bringen, wenn er wünscht“, piepste Winky auf einmal. Die Hauselfe war hinter dem Türrahmen hervorgetreten und starrte den traurigen Jungen aus ihren tennisballgroßen Augen besorgt an. „Ich glaube, das ist eine gute Idee. Winky, wärest du so gut, uns vielleicht auch etwas zum Trinken zu machen?“ „Aber natürlich, das ist Winky ein Vergnügen, Mistress!“, rief die Hauselfe mit einer beflissenen Verbeugung und tapste eilig davon. Währenddessen hatte der leere Bogen Pergament wieder Bartys Blick auf sich gezogen und erinnerte ihn schonungslos an das gerade geschehene Unglück. „Mach dir keinen Kopf“, versuchte Mrs Crouch ihren Sohn aufzumuntern, „ich habe doch gesehen, wie gut du deine ersten Buchstaben geschrieben hast. Dein Vater wäre bestimmt sehr stolz auf dich gewesen. Und bis er wiederkommt, hast du noch schönere und noch bessere Sachen geschrieben. Da bin ich mir ganz sicher.“ Missmutig lauschte Barty den Worten, wobei er das Tintenfass anfunkelte, als wäre es alles dessen Schuld. Was musste es auch einfach so zerspringen, wenn er gerade so gut gewesen war? Etwas vorsichtiger beugte sich Barty schließlich wieder vor und tunkte den Federkiel in das soeben reparierte Tintenfass. Er beobachtete die glänzende Spur der frischen Tinte, die langsam von dem Pergament aufgesogen wurde und machte sich verbissen daran, die aufgegebenen Buchstaben ein weiteres Mal zu schreiben. Diesmal würde ihm kein Fehler unterlaufen! ENDE Kapitel 8: Nächtlicher Besuch ----------------------------- Ein leises Klopfen verdrängte die nächtliche Stille, die sich über Rodolphus’ Zimmer herabgesenkt hatte. Müde blieb dieser in seinen Decken liegen und fragte sich, wer so spät noch was von ihm wollen konnte. Wer ihn so spät noch störte. Ein genervtes Knurren entfuhr ihm, als ihm klar wurde, um wen es sich dabei eigentlich nur handeln konnte. Und tatsächlich. Nachdem ein weiteres Klopfen erklungen war, folge ein leises Klacken, als die Türklinke heruntergedrückt wurde und eine kleine Gestalt in der Türöffnung erschien. Lautlos schlüpfte sie ins Zimmer hinein und zog vorsichtig die Tür hinter sich zu. Bläuliches Licht ähnlichem einem Lumos-Zauber tauchte den Raum in ein gespenstisches Leuchten, das schaurige Schatten in das Gesicht von Rabastan warf. „Rod?“, flüsterte er und trat einen Schritt weiter vor. „Bist du wach?“ Grummelnd wälzte sich Rodolphus zu seinem kleinen Bruder herum und richtete sich schließlich seufzend auf. „Wonach sieht’s denn aus?“, brummte er. Rabastan schwieg. Er schien kein schlechtes Gewissen zu zeigen für den Fall, dass er ihn geweckt haben sollte. „Was ist?“, fragte Rodolphus letztlich grob. Er war müde. Morgen stand ihm ein aufregender Tag bevor und das Letzte, was er wollte, war von seinem kleinen Bruder genervt zu werden. „Ich kann nicht schlafen“, gestand Rabastan kleinlaut und machte es sich auf einem der gepackten Koffer bequem, die sich neben Rodolphus’ Bett befanden. „Kannst du mir nicht eine Geschichte erzählen?“ Da Rodolphus wusste, dass sein kleiner Bruder keine Ruhe mehr geben würde, bis er seinen Willen erhalten hatte, seufzte er ergeben. „Na gut. Was willst du hören?“ „Weiß ich nicht.“ „Wenn du nicht weißt, was du hören willst, dann lass mich schlafen.“ Angestrengt starrte Rabastan in die Schatten. Seinem Gesicht nach zu urteilen, befanden sich seine Gedanken auf der verzweifelten Suche nach einer Geschichte. „Kann ich nicht noch ein bisschen bei dir bleiben?“, fragte er schließlich und wirkte dabei geradezu zaghaft. „Wieso?“ Dieses unübliche Verhalten seines Bruders weckte Rodolphus’ Misstrauen. „Hast du etwa Angst vor den Monstern unter deinem Bett?“, fragte er deshalb spöttisch. „Nein! Die würde ich alle besiegen. Vor denen hab ich keine Angst…“, Rabastan verstummte. „Was ist es dann?“ Rabastan schwieg und wich trotzig Rodolphus’ Blick aus. „Gib’s zu, du hast wohl Angst.“ „Nein, hab ich nicht. Du bist blöd!“, rief Rabastan erbost und ehe Rodolphus reagieren konnte, war sein kleiner Bruder mit geballten Fäusten aufgesprungen und machte Anstalten auf ihn drauf zu boxen. Doch Rodolphus war um einiges größer und stärker als sein kleiner Bruder, so schaffte er es nach dem ersten Faustschlag, Rabastans Handgelenke zu packen und ihn auf Abstand zu halten. „Was soll das denn?“, knurrte er, während er begann, Rabastans Handgelenke zur Seite zu drehen. „Auaaa“, jammerte sein kleiner Bruder und versuchte sich zappelnd loszureißen. „Du tust mir weh.“ „Ach nee, das will ich ja auch.“ „Du bist gemein.“ Wütend fuchtelte Rabastan mit seinen Armen in der Luft herum, doch Rodolphus war stärker. Mit einem bösen Grinsen hielt er seinen Bruder unnachgiebig fest, bis dieser endlich wieder Ruhe gab. „Ich lasse dich los, wenn du aufhörst mich zu hauen, ja?“ Für einen kurzen Augenblick funkelte Rabastan ihn nur trotzig an, dann nickte er widerwillig. „Also was willst du?“, fragte Rodolphus erneut, nachdem Rabastan sich wieder beruhigt hatte. „Ich will nicht, dass du gehst.“ Erstaunt sah Rodolphus zu seinem Bruder, doch der wich seinem Blick aus und starrte verbissen auf eins der Bilder, die an der Wand hingen. „Veräpple mich nicht“, meinte Rodolphus höhnisch. Als Rabastan jedoch nicht reagierte, dämmerte ihm, dass er vielleicht die Wahrheit gesagt hatte. Etwas erstaunt sah er zu seinem Bruder. „Ehrlich?“ „Du kannst alle meine Bertie Botts Bohnen haben“, bot Rabastan stattdessen großzügig an. „Auch die mit den Schimpfworten.“ Spätestens da wusste Rodolphus, wie ernst es seinem Bruder tatsächlich war. Bertie Botts Bohnen bedeuteten alles für ihn. Welche zu teilen oder gar seinen kompletten Vorrat anzubieten, war beinahe so bedeutsam, als hätte Vater sein ganzes Vermögen angeboten. Trotzdem grinste Rodolphus bloß. „Sei nicht blöd“, sagte er. „Darauf hab ich die ganze Zeit gewartet. Natürlich werde ich morgen nach Hogwarts fahren.“ Anklagend starrte ihn Rabastan an. Er wirkte unglaublich verletzlich, wie er es sich wieder mit verschränkten Armen auf dem Koffer bequem gemacht hatte und verzweifelt nach einem Ausweg suchte. „Ich will das aber nicht“, brachte er schließlich kläglich hervor. „Ich will nicht, dass du gehst und mich allein lässt. Das ist gemein von dir.“ „Das ist doch nicht gemein“, lachte Rodolphus. „Doch das ist es! Es ist gemein, gemein, gemein!“ Wütend verzog Rabastan das Gesicht und stampfte mit seinem Fuß auf. „Na und?“, meinte Rodolphus unbekümmert. „Irgendwann bist du auch auf Hogwarts. Das ist nicht gemein.“ „Ich will aber auch jetzt dahin!“ „Das geht nicht, dafür bist du noch viel zu klein.“ „Das stimmt nicht!“, rief Rabastan empört. „Ich bin sogar größer als Andromeda und die ist ein Jahr älter als ich.“ „Jetzt halt mal die Klappe“, zischte Rodolphus und hielt seinem Bruder unsanft den Mund zu. „Wenn du noch lauter bist, kriegen das Mutter und Vater mit. Ich will nicht wegen dir Ärger kriegen.“ Unverständliche Laute drangen unter Rodolphus’ Hand hervor, als Rabastan sich widerspenstig zu befreien versuchte. „Du kriegst eh keinen Ärger“, murmelte er finster, nachdem er wieder losgekommen war. „Immer bin ich schuld.“ „Weil du ja auch immer schuld bist.“ „Gar nicht wahr!“ Rabastan wurde schon wieder laut und so langsam ging er Rodolphus auf die Nerven. Er hatte keine Lust, sich so kurz vor Hogwarts noch mit seinem kleinen Bruder rumschlagen zu müssen. „Ich krieg wohl Ärger“, antwortete Rodolphus müde. „Und zwar wegen dir, weil ich dich in Schutz nehme.“ Rabastan schnaubte verächtlich, sagte jedoch nichts. „Wenn du nichts mehr willst, lass mich jetzt in Ruhe, ich will schlafen“, meinte Rodolphus schließlich und kuschelte sich wieder in seine Decken. Er war wirklich müde. Müde und aufgeregt. „Du bist doof“, hörte er Rabastan trotzig sagen. „Du bist total doof. Und Hogwarts ist auch doof. Da gehen nur blöde Leute hin.“ Nach dieser Erklärung stampfte sein kleiner Bruder wütend aus dem Zimmer und zog die Tür geräuschvoll hinter sich zu. Seufzend schloss Rodolphus die Augen. Irgendwo tat es ihm leid, Rabastan zurückzulassen. Er wusste, wie langweilig es in dem strengen Haushalt seiner Eltern zugehen konnte. Dann wiederum hatte er auch keine Lust, sich von seinem kleinen Bruder den kommenden Tag verderben zu lassen. Hogwarts! Er würde endlich zaubern lernen. Und ganz bestimmt ein Slytherin werden. Alle würden stolz auf ihn sein. Mit diesen Gedanken schlief Rodolphus schließlich glücklich lächelnd ein. Kapitel 9: Mutprobe ------------------- Narzissa Black hatte den Kopf ängstlich zwischen die Schultern gezogen, während sie mit weitaufgerissenen Augen auf das dunkle Holz starrte. Das kleine Herz schlug ihr bis zum Hals. Wenn sie mucksmäuschenstill war, glaubte sie, Geräusche hören zu können. Ein Scharren und Rascheln begleitet von bösem Gelächter. „Ich will doch nicht“, bestimmte sie entschieden und machte Anstalten, ihr Kinderzimmer wieder zu verlassen. „Das geht nicht, du hast gesagt, dass du es holst“, wandte eine Jungenstimme anklagend ein. „Ich hab jetzt aber keine Lust mehr.“ Narzissa hatte schon einen Schritt über die Türschwelle gesetzt, als sie zwei Hände packten und unnachgiebig wieder in ihr Zimmer zerrten. Wütend funkelte sie den hellblonden Jungen an, der mit in die Luft gerecktem Kinn auf sie herabsah. Dann wanderte ihr Blick vorsichtig weiter zu dem großen Kleiderschrank. Er kam ihr riesig vor, wie er fast die halbe Wand einnahm und bis zur hohen Decke reichte. Narzissa wusste, dass er trotz der vielen Roben und Kleider im Inneren immer noch viel Platz für sie selbst bot. Das hatte sie herausfinden müssen, als Bella sie einmal dadrin eingesperrt hatte. So war ihr aber auch klar, dass im Inneren des Schrankes genug Platz war, um andere Dinge zu beherbergen… „Ich kann Andromeda fragen, ob sie mir ihre Festrobe leiht“, versuchte Narzissa es erneut. Lucius sah sie jedoch nur mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Wenn wir schon Hochzeit spielen, dann musst du auch was Feines anhaben.“ „Aber das muss ja nicht von mir sein“, entgegnete Narzissa. „Doch“, erklärte Lucius, „weil deine Roben dir am besten passen. Du solltest nichts Zweitbestes nehmen.“ Narzissa sah ein, dass sie mit diesem Argument nicht aus ihrer verzwickten Situation kommen würde; also versuchte sie es anders. „Dann musst du aber vorgehen“, sagte sie und drückte sich hinter den Jungen, der fast einen Kopf größer als sie selbst war. Verwundert dreht sich Lucius um. „Ein Ehrenmann geht nicht einfach an die Kleiderschränke von Damen“, sprach er, was sehr danach klang, als hätte er das auswendig gelernt. In einem anderen Momenten hätte sich Narzissa sogar gefreut, dass Lucius sie eine Dame nannte (auch wenn es natürlich außer Frage stand, dass sie eine war), doch in diesem Moment wollte sie alles tun, um so weit weg wie möglich von diesem Kleiderschrank zu kommen. „Aber ich möchte da nicht dran“, brach es schließlich aus ihr heraus und ihre Unterlippe begann gefährlich zu zittern. „B-Bella hat nämlich gesagt, dass da eine Sabberhexe drin ist.“ Kaum waren die Worte raus, begannen ihre hellblauen Augen unheilverkündend feucht zu schimmern. Hastig biss Narzissa sich auf die Zunge, doch der aufkommende Schmerz machte alles nur noch schlimmer. „U-und wenn ich nicht … artig bin, dann … dann w-wird die Sabberhexe mi-mi-mich fressen.“ Dieses Mal entschlüpfte ihr ein tiefes Schluchzen, während die ersten Tränen über ihre Wangen rollten. Lucius, der sie mit einem überheblichen Lächeln bedachte, machte alles sogar noch schlimmer, denn sie merkte, dass sich der Junge über sie lustig machte. „Das ist doch nur ein Märchen“, meinte dieser da selbstbewusst. „Sowas darfst du Bella nicht glauben. Sie will dich nur ärgern.“ „Ich hab aber Geräusche gehört!“, beharrte Narzissa verärgert und stampfte mit geballten Fäusten auf. Noch immer waren Lucius’ Gesichtszüge von mitleidiger Arroganz gezeichnet. Narzissa wusste, dass er sie für ein dummes, kleines Mädchen hielt und das ärgerte sie. „Geh doch nachsehen“, sagte sie schließlich patzig und verschränkte in kindlicher Wut die Arme vor der Brust. „Das werde ich auch“, erklärte Lucius blasiert. Würdevoll wandte er sich von Narzissa ab und bedachte den großen Schrank mit einem aufmerksamen Blick. Wenn er nun genauer darüber nachdachte, war ihm das Möbelstück bisher gar nicht so groß vorkommen. Es schien geradezu riesig und musste bestimmt die ganze Wand einnehmen. Vorsichtig wagte Lucius einen Schritt vor. Bei so einer Größe konnte sich tatsächlich alles Mögliche in dem Schrank verstecken. Lucius schluckte und machte einen weiteren Schritt. Es war nicht mehr viel. Hinter sich glaubte er, die angespannten Blicke von Narzissa in seinem Rücken zu spüren. Sie erinnerten ihn daran, dass er Contenance bewahren musste. Also nahm er Haltung an und setzte einen fest entschlossenen Schritt tiefer in das Zimmer hinein. Es trennte ihn nun nicht mehr viel von dem gewundenen, silbernen Türgriff. Plötzlich hielt er inne. War da ein Rascheln gewesen? Hastig sah er sich zu Narzissa um, die ihn geradezu erwartungsvoll beobachtete. Noch immer war eine Spur von Angst in ihren hübschen Gesichtszügen zu erkennen und weckten ein mulmiges Gefühl in Lucius. Was wenn sie recht hatte? Er hatte von den Sabberhexen gehört. Es waren abscheuliche Kreaturen. Sie entführten kleine Kinder und verspeisten sie später mit Haut und Haar. Die bloße Vorstellung verursachte eine Gänsehaut. „Deine Schwester hat ganz bestimmt gelogen“, verkündete er deshalb laut, wie um sich selbst von der Richtigkeit seiner Worte zu überzeugen. Er schenkte Narzissa ein Lächeln, dass nur halb so selbstsicher war, wie er es gerne gehabt hätte. „Du wirst schon sehen.“ Erwartungsvoll sah ihn das kleine Mädchen aus seinen blauen Augen an. „Willst du nicht zu mir kommen?“, fragte er dann. „Es wird bestimmt nichts passieren.“ „Nein.“ „Aber das sind doch alles nur Lügenmärchen von Bella. Eine Sabberhexe kann da nicht drin sein.“ „Dann geh gucken“, erwiderte Narzissa. „Feigling.“ „Selber Feigling!“ Verärgert funkelten sich die beiden Kinder an, bis Lucius mit einem schweren Schlucken den Blick abwandte. Nun galt es seine Ehre als Junge zu verteidigen. Zögernd streckte er die Hand nach dem silbernen Griff aus. Irgendwo glaubte er ein Rumpeln zu hören, während sich seine Finger langsam um das kühle Metall schlossen. Da waren wirklich Geräusche! Oder? Lucius’ Puls beschleunigte sich. Unwillkürlich kniff er die Augen fest zusammen. Jetzt oder nie! Es knallte. Mit einem Schrei sprangen die beiden blonden Kinder zurück und sahen sich entsetzt in dem Kinderzimmer um. Alles war wie vorher, vollkommen unberührt. Der Schrank stand nach wie vor an der gleichen Stelle, die Tür war unbewegt. Schweratmend sahen sich Lucius und Narzissa an. Im Hintergrund hörten sie ein weiteres Knallen und Rumpeln und dann eine laute Stimme, die fürchterlich mit jemandem schimpfte. Mit einem Anflug von Erleichterung grinsten sie sich an, bis ihnen bewusst wurde, dass es noch nicht vorbei war. „Siehst du, da ist eigentlich nichts“, meinte Lucius schnell. „Du kannst jetzt unbesorgt an deinen Kleiderschrank.“ „Gar nicht, du hast noch nicht nachgesehen“, wandte Narzissa ein. „Doch, doch das habe ich. Ich habe gemerkt, dass da nichts war, als ich den aufmachen wollte.“ „Du hast Angst.“ „Hab ich nicht!“ Aufgebracht lief Lucius los und hielt kurz vor dem großen dunklen Holz wieder inne. „Ich habe keine Angst“, erklärte er, wobei er die Nase hoch in die Luft reckte. Gespannt hielt Narzissa den Atem an, als sich der Junge zu der Schranktür drehte und vorsichtig daran zog. Zuerst klemmte sie. Sie sah, wie Lucius schon wieder zurücktreten wollte und fasste sich schließlich ein Herz. Langsam trat sie neben ihn, die kleinen Hände entschlossen zu Fäusten geballt, um sich gegen jedes Ungeheuer wehren zu können, das aus den Untiefen ihres Kleiderschranks hervorschießen würde. „Und los!“, rief Lucius. Mit einem heftigen Ruck zog er an der Schranktür. Diese öffnete sich mit einem lauten Knarren, dann stürzte auf einmal ein schwarzes Ungetüm auf ihn drauf. Dem armen Jungen blieb nichts anderes übrig, als schützend die Arme vor den Kopf zu reißen, als er auch schon mit einem lauten Schrei unter der gewaltigen Masse begraben wurde. „Was ist denn hier los?“, fragte Andromeda, die den Tumult gehört hatte. Neben ihr steckte ihr Ebenbild den Kopf zur Tür herein. Im Gegensatz zu ihrer Schwester fiel es Bellatrix jedoch schwer, bei dem Anblick, der sich ihr bot, die Ruhe zu bewahren. Unter schallendem Gelächter lief sie in Narzissas Kinderzimmer und ging fröhlich um den Kleiderhaufen, unter dem Lucius vergraben war. „Oh wolltest du eins der hübschen Kleider meiner Schwestern tragen?“, feixte sie. Mit einem breiten Grinsen wandte sie sich an ihre jüngste Schwester, die sie mit hochrotem Kopf anfunkelte. „Was glaubst du? Sollen wir ihm bei der großen Auswahl nicht behilflich sein?“ Plötzlich begann sich der Kleiderhaufen zu bewegen und mit zerzaustem Haar stieg Lucius Malfoy daraus hervor. Wütend funkelte er Bellatrix an, während er verzweifelt versuchte, wieder etwas Würde zurückzugewinnen. „Du blöde Ziege“, fauchte er. „Das ist deine Schuld.“ „Meine Schuld?“, fragte Bellatrix unschuldig. „Ich weiß nicht, was du meinst.“ „Oh doch, du hast deiner kleinen Schwester von dieser Sabberhexe erzählt und dabei geplant, da-“ Doch Bellatrix fiel ihm lachend ins Wort. „Du hast Zissy doch nicht etwa geglaubt.“ Lucius’ puterrote Wangen waren ihr jedoch Antwort genug. Lachend lief sie um die beiden herum. „Du bist ja schön doof“, sagte sie. „Sabberhexen können doch gar nicht in unser Haus kommen, dafür ist Vater viel zu mächtig.“ „Aber du hast gesagt, dass sie sich in die Häuser von Kindern schleichen“, wandte Narzissa vorsichtig ein. „Das machen sie auch“, erklärte Bellatrix. „Aber nur bei dummen Muggeln.“ Dann wandte sie sich fröhlich von den beiden ab und lief wieder zu Andromeda zurück. „Nun denn, viel Spaß bei der Sabberhexen-Jagd“, frohlockte Bellatrix, hakte sich bei Andromeda ein und machte sich auf den Weg zurück in den Salon, um Dinge zu tun, die ältere Kinder nun mal so taten. Narzissa indessen rief eine Hauselfe herbei und befahl ihr, Ordnung in das angerichtete Chaos zu schaffen. Danach schworen Lucius und sie sich, dass niemand von diesem Vorfall erfahren würde. ENDE Kapitel 10: Das Spiel der Kenmare Kestrels ------------------------------------------ Das laute Getöse unzähliger Fans drang an die Ohren des kleinen Jungen. Überall um ihn herum waren Jubelrufe zu hören; manche grölten aus voller Kehle Hymnen für ihre Mannschaft oder fielen in Spottgesänge gegen die gegnerische Mannschaft ein. Die Anspannung schien greifbar in der Luft zu liegen. Erwartungsvoll sah Barty auf das große leere Quidditchfeld, während er aufgeregt die Hand seiner Mutter umklammerte. „Dauert es noch lange?“, fragte er und rutschte unruhig auf seinem Sitz herum. Es war ein guter Sitz, den sein Vater da bekommen hatte, mit perfekter Sicht auf das ganze Feld. „In wenigen Minuten sollte das Spiel beginnen“, antwortete Mr Crouch kühl. Augenblicklich verfiel Barty in tiefes Schweigen und gab sich alle Mühe ruhig zu bleiben. Er konnte spüren, dass es seinem Vater nicht passte, wie unruhig er sich verhielt. Aber alles war so aufregend! Er war noch nie bei einem Quidditchspiel gewesen. Mit klopfendem Herzen spähte Barty zu dem Feld hinunter, zu den drei großen Ringen, die sich jeweils am Ende des Spielfelds befanden, und in die Publikumsmasse hinein. Es war das Finale der Saison. Die Kenmare Kestrels gegen die Ballycastle Bats. Barty wusste nicht ganz so viel mit den beiden Mannschaften anzufangen, aber das fand er auch nicht schlimm. Ihm ging es einzig und allein um das Spiel. Plötzlich entbrannten tosender Beifall sowie liebliche Harfenklänge aus den Zuschauerreihen. Grüne Flaggen, die mit zwei gelben, Rücken an Rücken stehenden Ks bedruckt waren, wurden euphorisch geschwungen, während über dem Spielfeld eine kleine Schar grün-gold gekleideter Gestalten in die Luft sauste. Fasziniert beobachtete Barty das ausgelassene Treiben der Leprechauns. Sie flogen einen schwungvollen Bogen einmal um das Publikum herum und teilten sich anschließend zu drei kleinen Gruppen, die von funkelnden Blitzen umtanzt wurden. Zwei der Grüppchen formten jeweils ein verschnörkeltes K, stellten sich Rücken an Rücken und stiegen langsam nach oben. „Guck mal, Barty“, flüsterte seine Mutter und deutete auf die dritte Gruppe. Voller Staunen sah Barty, wie sie sich zu einem prächtigen Turmfalken zusammengetan hatte und nun in spektakulären Spiralen, die beiden Ks umkreiste. Als die Leprechauns ihren höchsten Punkt erreicht hatten, drehte der Falke auf einmal in einem eleganten Schlenker ab, vollführte einen Looping und schoss auf die anderen beiden Koboldgruppen zu. Entsetzte Laute drangen hier und da aus den Reihen des Publikums, die sich schnell in staunende Ohs und Ahs verwandelten, als der Falke auf die beiden Ks traf und die Formation zum Explodieren brachte. Einem Feuerwerk gleich stoben die Leprechauns auseinander und hinterließen einen atemberaubenden Funkenregen in den Farben der Kenmare Kestrels. Lachend verfolgte Barty, wie die Leprechauns sich unter begeistertem Applaus verbeugten und wieder von dannen zogen. „Das war toll!“, rief er glücklich und versuchte nach einem der bunten Funken zu greifen, die vom Himmel fielen. Ein Strahlen hatte sich auf seinem sommersprossigen Gesicht ausgebreitet, während er unwillkürlich aufgesprungen war, um besser sehen zu können. „Bartemius, setz dich hin“, sagte sein Vater da auch schon. Eilig tat Barty, wie ihm geheißen, doch konnte er nicht umhin, zu nörgeln: „Aber dann sehe ich nicht mehr so gut, Vater.“ „Nimm das.“ Erstaunt sah Barty zu seinem Vater und nahm mit großen Augen das Omniglas entgegen. „Damit kannst du das Spiel ganz nah verfolgen und dir alles immer wieder ansehen“, erklärte dieser und zeigte seinem Sohn, wie er das Omniglas zu benutzen hatte. Voller Ehrfurcht sah Barty durch das Gerät hindurch. Es war viel zu groß für seine kleinen Kinderhände, doch störte er sich nicht daran. Alles, was zählte, war die Aufführung der Leprechauns, die er durch das Glas noch einmal sehen konnte. Dieses Mal war er jedoch so nah dran, dass er jedes der kleinen Koboldgesichter ganz genau erkennen konnte. „Danke, Vater“, rief Barty, als er sich kurz von seinem neuen Spielzeug losreißen konnte und umklammerte mit einem glücklichen Grinsen das Omniglas. „Sieh mal, Barty, da kommen die Maskottchen der Ballycastle Bats“, mischte sich seine Mutter ein. Neugierig sah Barty auf und erstarrte. Das Herz rutschte ihm in die Hose beim Anblick der dunklen Wolke aus Fledermäusen. „Willst du nicht dein Omniglas benutzen?“ Eilig schüttelte Barty den Kopf und vergrub kurz darauf das Gesicht im Ärmel seiner Mutter. „Die sind gruselig“, murmelte er. „Aber die tun dir doch nichts“, sagte Mrs Crouch, während sie ihrem Sohn beruhigend übers Haar streichelte. „Sie sind ganz harmlos. Ich dachte, du magst Barny den Flughund aus der Werbung.“ Doch Barty kniff trotzig die Lippen zusammen. „Nein, mag ich nicht mehr“, erklärte er. „Der sieht in echt böse aus.“ „So darfst du nicht urteilen“, mahnte ihn sein Vater. „Nicht alles, das gruselig aussieht, muss böse sein. Meistens sind die unscheinbarsten oder charmantesten Zauberer die schrecklichsten.“ Aber Barty verstand nicht wirklich, was man ihm damit sagen wollte. Stattdessen hielt er sich wieder das Omniglas vor die Augen und ließ ein weiteres Mal den Auftritt der Leprechauns zurückspulen. „Und nun begrüßen Sie mit mir die Spieler der Kenmare Kestrels!“, dröhnte die Stimme des Kommentators über das Publikum hinweg, nachdem die Fledermäuse wieder verschwunden waren. Unter tosendem Beifall und vereinzelten Harfenklängen liefen sieben Spieler aufs Feld, alle in grüne Umhänge gekleidet. Ausgelassen winkten sie den Zuschauerreihen zu, während sie sich auf der Mitte des Spielfelds positionierten. Dann erschien die andere Mannschaft. Ihre schwarzen Umhänge wehten hinter ihnen im Wind und gaben ihnen entfernt das Aussehen ihres Flughund Maskottchens. Die beiden Mannschaftskapitäne reichten sich in freundschaftlichem Gruß die Hände; Barty hörte, dass sie sich ein gutes Spiel wünschten und verfolgte gespannt durch sein Omniglas, wie die Spieler auf ihre Besen stiegen. Einen kurzen Augenblick schien das gesamte Stadion vor Anspannung die Luft anzuhalten, dann warf die Schiedsrichterin den Quaffel in die Höhe. Sofort stürzten die Jäger hinterher, während die übrigen Spieler eilig ihre Positionen bezogen. Aufgeregt versuchte der kleine Barty dem wilden Ballwechsel zu folgen. Um ihn herum begann das Publikum zu schreien, zu jubeln und zu buhen und verlor sich in einem fiebrigen Getöse, aus dem die verstärkte Stimme des Kommentators dröhnte. Das erste Tor war gefallen und Barty stimmte in den begeisterten Jubel mit ein. 10:00 für die Kenmare Kestrels. Über den Köpfen der Zuschauer begannen die Leprechauns einen kleinen Freudentanz aufzuführen, während unter ihnen das Spiel wieder seinen Lauf nahm. „Ich möchte das die Kenmare Kestrels gewinnen!“, rief Barty mit leuchtenden Augen, als das zweite Tor für die Iren gefallen war. „Vater, sie werden doch gewinnen, oder?“ „Das wird sich am Ende des Spiels zeigen, Bartemius. Beide Mannschaften haben hart für dieses Finale trainiert — da wird wahrscheinlich erst der Schnatzfang entscheiden, wer den Sieg davonträgt.“ Mr Crouch behielt recht. Mit zunehmender Anspannung musste Barty mit ansehen, wie sich die Kenmare Kestrels ein erbittertes Kopf an Kopfrennen gegen die Ballycastle Bats lieferten. Jedes Mal, wenn ein Tor für die Iren fiel, sprang er jubelnd auf. Seine Wangen waren ganz gerötet vor lauter Aufregung, während er lachend auf seinem Platz auf und abhüpfte und es den erwachsenen Zauberern gleichtat und die Fäuste in die Luft reckte. Neben ihm fielen auch seine Eltern in den Applaus ein, als sie gemerkt hatten, mit welchem Enthusiasmus ihr Sohn seine Mannschaft gewählt hatte. Selbst Mr Crouch entlockte die fröhliche Atmosphäre ein leichtes Lächeln in dem sonst so ernsten Gesicht. Dann jedoch gewannen die Ballycastle Bats an Punktevorsprung: 30:70 für die Kestrels. Fieberhaft begann Barty mit seinem Omniglas das Spielfeld nach dem Schnatz abzusuchen, in der kindlichen Hoffnung, dass er somit seiner Mannschaft helfen konnte. Er konnte den goldenen Ball jedoch nirgends entdecken. Voller Bange verfolgte er den weiteren Verlauf, der gar nicht so gut für die Kestrels aussah. Ihr Hüter schien nach dem großen Punkterückstand unkonzentriert geworden zu sein und ließ immer mehr Bälle durchgehen. „Wenn das so weiter geht, haben sich die Bats bald ihren Sieg gesichert“, hörte Barty die Stimme des Kommentators. Und noch immer war vom Schnatz nichts zu sehen! „Die [iKenmare Kestrels dürfen nicht verlieren“, rief Barty verzweifelt und klammerte sich vor lauter Spannung an den Arm seiner Mutter. Mittlerweile stand er wieder auf seinem Sitzplatz, um besser das Spielfeld im Auge haben zu können, doch sagte sein Vater diesmal nichts dazu. Und dann holten die Kestrels zum Gegenschlag aus. Nachdem sie wieder im Quaffelbesitz waren, beeindruckten sie das Publikum durch geschickte Jägerformationen und sicherten sich in einem erbitterten Kampf gleich vier Tore hintereinander. Es schien unglaublich. Gebannt waren alle Augen auf die drei Jäger gerichtet, die in waghalsigen Manövern den Klatschern und gegnerischen Spielern auswichen und in der Falkenkopf-Formation das Spielfeld unsicher machten. „Warum nicht gleich so?“, hörte Barty seinen Vater zufrieden brummen und sah ihn strahlend von der Seite an. „Sie werden doch jetzt gewinnen, oder?“, fragte er. „Ich weiß es nicht, es bleibt no- Sieh mal!“ Sofort folgte Barty dem Zeigefinger seines Vaters und erkannte, dass die beiden Sucher sich eine wilde Verfolgungsjagd lieferten. Ein goldener Schimmer war nur noch wenige Meter von ihnen entfernt. Voller Hoffnung kreuzte Barty die Finger, während die beiden Sucher dem Schnatz immer näher und näher kamen. Plötzlich stießen sie zusammen. Keiner konnte erkennen, wer nun wen letzten Endes gerammt hatte, doch war eines klar: Das Spiel war entschieden. Lachend drehte sich der kleine Junge um sich selbst, die Arme hatte er weit ausgebreitet, als könnte er die ganze Welt umarmen. „Hast du gesehen?“, rief er mit leuchtenden Augen. „Dann hat er den Quaffel genommen und plötzlich die Engländer, aber Sweeney schnappt ihn sich und …“, während er erzählte, sprang er wild hin und her, in seinen Händen einen unsichtbaren Quaffel haltend. „Wusch TOOOOOOR!“, brüllte er auf einmal, als er vor seinem inneren Auge ein weiteres Mal den atemberaubenden Vorstoß der Kenmare Kestrels sah. „Jetzt ist aber gut“, lachte Mr Crouch, packte seinen Sohn bei den Armen und setzte ihn auf seine Schultern, damit er die anderen Zuschauer nicht weiter beim Gehen behindern konnte. Gedankenverloren starrte Barty hoch hinauf in den Himmel, an dem allmählich die Sommersonne unterging. Eines Tages würde er dort oben fliegen, in voller Quidditch-Montur und vom Tosen des Publikums umbrandet werden. Sie würden ihn sehen, sie würden ihn feiern, denn er würde der beste Quidditchspieler der Welt sein! Der Gedanke machte ihn ganz hibbelig und es fiel ihm zusehends schwerer, auf den breiten Schultern seines Vaters still zu sitzen. „Darf ich wieder runter?“, fragte er schließlich. „Aber nur, wenn du mir versprichst, ruhig neben deiner Mutter und mir her zu gehen.“ Barty nickte aufgeregt, bis ihm aufging, dass sein Vater das gar nicht sehen konnte. „Versprochen“, beteuerte er und spürte, wie ihn sein Vater erneut packte und vorsichtig zu Boden ließ. Bartys kleine Finger umschlossen die großen Hände seiner Eltern, um zwischen ihnen das Quidditchfeld zu verlassen und wieder nach Hause zu gehen. Trotz der ganzen Euphorie spürte er, dass allmählich die Müdigkeit in seine Glieder kroch. Eigentlich wollte er gar nicht mehr schlafen, denn schließlich war er schon groß und das vergangene Spiel noch viel zu aufregend, als dass er an Schlaf denken konnte. Doch seine Eltern sahen das anders. „Nun aber ab ins Bett mit dir, Bartemius“, sagte sein Vater streng, kaum dass sie wieder zu Hause angekommen waren und die alte Standuhr neun geschlagen hatte. Widerstrebend machte sich Barty daran die Treppe in den ersten Stock hinaufzusteigen, um in sein Zimmer zu gehen. Oben angekommen hielt er jedoch inne und spähte neugierig zwischen den Stangen des Geländers auf seine Eltern hinunter. „Danke, Barty“, hörte er seine Mutter leise flüstern. Sie hatte seinen Vater umarmt und den Kopf mit einem glücklichen Lächeln an seine Schultern gelehnt. „Ich glaube, du hast unserem Sohn heute das schönste Geburtstagsgeschenk gemacht, das er je von uns bekommen hat.“ Mr Crouch lächelte mit einem Hauch von Spott. „Ich hoffe nur, dass das Spiel ihm keine allzu große Flausen in den Kopf gesetzt hat. Der Junge war ja völlig außer sich…“ „Ach, hab dich nicht so. Er ist doch noch klein. Und jeder hat irgendetwas, das…“ Barty sah, wie seine Eltern sich wieder aus der Umarmung gelöst hatten und den Weg zur Treppe gingen. Eilig und so leise wie möglich flitzte er zu seinem Zimmer, wo er sich auf sein weiches Bett setzte. Ein breites Grinsen zierte sein Gesicht, während er brav auf seine Eltern wartete. Das musste der bisher beste Tag seines Lebens gewesen sein! ENDE Kapitel 11: Nichts als heiße Luft --------------------------------- Der Tag war zu einem einzigen Albtraum geworden - und dabei hatte er so gut begonnen! Mit finsterer Miene lümmelte Rabastan auf der Couch in dem fein eingerichteten Wohnzimmer der Familie Rosier und blätterte lustlos in dem Tagespropheten herum. Er hatte eine Verabredung mit Elliot Jones gehabt. Fast den ganzen letzten Monat seines fünften Schuljahres hatte er darauf hingearbeitet, sie zu einem kleinen Treffen in der Winkelgasse zu überreden. Florean Fortescues Eissalon. Nur sie beide. Doch immer wenn er ihr einen Vorschlag unterbereitet hatte, hatte sie gelächelt. Ihre olivfarbenen Augen waren aufgeblitzt, während Rabastans Blick zu ihren Lippen und schließlich sehnsüchtig tiefer gewandert war. Sie wollte es sich überlegen, hatte sie nur ausweichend gesagt - zumal die ZAGs Vorrang hätten. Aber dann war sie am letzten Tag doch noch schüchtern zu ihm getreten und hatte ja gesagt. Seufzend legte Rabastan den Kopf in den Nacken und stellte sich vor, wie er sie in diesem Augenblick vielleicht von seinem Eis hätte probieren lassen, wie sich ihre Finger vielleicht flüchtig gestreift hätten und - „Das ist langweilig!“, tönte es auf einmal missgelaunt aus einer Ecke. „Schnauze!“, knurrte Rabastan, hob den Kopf und legte unter lautem Rascheln den Tagespropheten beiseite. Den empörten Blick, den ihn der junge Evan Rosier aus seiner Ecke zuwarf, erwiderte er genauso böse. Stattdessen wurde er für heute zu einem Kindermädchen ernannt. Einem Kindermädchen! So fühlte sich der ganze Scheiß jedenfalls an. Und währenddessen durfte sein Bruder samt seiner Verlobten an den wichtigen Versammlungen der feinen Zauberer teilnehmen. Die Ritter von Walpurgis. Das war zumindest alles, was er bisher in Erfahrung bringen konnte. Ein Name. Als er versucht hatte, heimlich an mehr Informationen zu kommen, war sein Vater ausgerastet. Und Rodolphus war auch nicht viel besser. Er bedachte ihn immer nur mit langem Schweigen und einem überheblichen Grinsen, wenn er fragte, was es mit allem auf sich hatte. „Das wirst du noch früh genug sehen“, hatte er erwidert, als wäre er ein kleines Kind. Er war kein Kind mehr! Wenn, dann waren das Evan Rosier und Devon Avery, die ihn nun beide vorwurfsvoll ansahen, als wäre es ganz allein sein Vergehen, dass es sterbenslangweilig war. „Was ist?“, fragte er ungehalten. „Kannst du was zaubern?“ Erwartungsvoll sah ihn der kleine Rosier an. „Nein.“ „Warum nicht?“ „Weil ich keine Lust habe.“ „Bestimmt kannst du das gar nicht“, warf Avery plötzlich ein. Verärgert blickte Rabastan zu dem kleinen aufsässigen Jungen und entgegnete mit einem bösen Lächeln: „Wenn du noch einmal so frech bist, werde ich dir zeigen, wie gut ich zaubern kann. Das war’s dann mit deinen schönen blonden Haaren.“ Erschrocken sah Avery ihn an, bis sich Wut in sein Gesicht stahl. „Du … du darfst das gar nicht“, sagte er trotzig. „Vater würde sehr böse auf dich sein.“ Genervt stieß sich Rabastan von der Couch und drehte nachdenklich seinen Zauberstab zwischen den Fingern. Leider hatte der kleine Hosenscheißer recht. Sein Blick fiel ein weiteres Mal in den Flur und von dort auf die verschlossene Tür des Arbeitszimmers. Kein Laut war dahinter zu hören, obwohl sich mehr als zehn Zauberer dort befinden mussten; dafür war mit einem Zauber vorgesorgt worden. Rabastan konnte immer noch nicht verstehen, warum er seinen so vielversprechenden Tag für das hier hatte opfern müssen, wenn er nicht einmal an dieser Versammlung teilnehmen konnte. Plötzlich kam ihm ein anderer Gedanke. Wenn er schon nicht bei den Erwachsenen sein durfte, konnte er immer noch das Beste aus seiner derzeitigen Situation herausholen. Eigentlich hatte es der Alte doch genau so gewollt. Mit einem Lächeln auf den Lippen wühlte Rabastan in der Tasche seiner Robe, während er den Blick auf die beiden Jungen richtete. „Ihr wollt also, dass ich was zaubere?“ Sie nickten eifrig. „Na dann“, Rabastan zog etwas aus seiner Robentasche. „Was soll das denn sein?“, fragte Rosier, der skeptisch nähergetreten war, um den kleinen Gegenstand zu begutachten. „Das ist Schokolade“, erklärte Rabastan und stellte die beiden kleinen Schokoladenosterhasen vor sich auf den Couchtisch. Neugierig hockten sich Rosier und Avery davor, wobei letzterer bereits die Hand nach einem ausstreckte. „Ah, ah, ah“, sagte Rabastan mahnend, nachdem er Averys Hand weggeschlagen hatte. „Die rührst du nicht an.“
 „Wieso nicht? Das ist Schokolade“, entgegnete Avery verständnislos. „Weil das nicht irgendeine Schokolade ist“, erklärte Rabastan und beugte sich verschwörerisch vor. „Das, was wir hier vor uns stehen haben, ist Muggelschokolade.“ Unwillkürlich wichen Rosier und Avery etwas zurück. „Warum hast du das mitgebracht?“, fragte Rosier mit vor Ekel gerümpfter Nase. Um Elliot Jones zu imponieren … Aber das würden diese kleinen Knirpse nicht verstehen. Deswegen beließ es Rabastan bei einer anderen Erklärung. „Weil wir dieses Schlammblut bei uns in Hogwarts haben. John Tyler. Ich fand es angemessen ihm seine Schokolade zu nehmen, bevor er sie an uns verteilen kann.“ „Ist sie vergiftet?“ „Wer weiß“, entgegnete Rabastan und konnte sich ein schelmisches Grinsen in Averys Richtung nicht verkneifen. „Wir können’s ja mal testen.“ „Baah, sowas rühre ich doch nicht an.“ Entschieden verschränkte Avery die Arme vor der Brust, während er misstrauisch die Schokoladenosterhasen beäugte. „Warum ist das überhaupt ein Hase?“, wollte Rosier plötzlich wissen. „Hasen sind doch doof. Frösche sind viel besser oder Drachen.“ „Und warum bewegen die sich nicht?“, ergänzte Avery, der unwillkürlich an Schokofrösche denken musste. „Das ist doch wohl sonnenklar“, meinte Rabastan mit einem überlegenen Lächeln. „Das hier sind schließlich Muggelsachen. Für so einfache Dinge wie bewegende Schokolade sind die viel zu dumm.“ Das schien einleuchtend. „Aber“, fuhr Rabastan fort, „wir sind ja keine dummen Muggel. Deshalb werde ich die jetzt bewegen lassen.“ Mit einem überlegenen Grinsen zückte er seinen Zauberstab und richtete ihn konzentriert auf die beiden Schokoladenosterhasen. „Piertotum Locomotor“, flüsterte er. Nichts. Keiner der beiden Hasen rührten sich, was Rosier und Avery ein schadenfrohes Grinsen entlockte. „Du kannst das doch nicht“, bemerkte Avery mit einem überheblichen Singsang in der Stimme, den Rabastan am liebsten aus diesem Dreikäsehoch heraus geflucht hätte. Stattdessen riss er sich am Riemen und versuchte die Tatsache zu ignorieren, dass sich nun seine Faulheit bemerkbar machte. Und das in einem denkbar ungünstigen Moment. „Da hat sich was bewegt“, erklärte er kurz angebunden. „Ihr habt das nur nicht gesehen, weil die so klein sind.“ „Stimmt nicht“, hielt Rosier dagegen. „Ich hab ganz genau hingeschaut. Aber ich hab nix gesehen.“ Genervt richtete Rabastan den Zauberstab auf das verfluchte Muggelzeug. „Engorgio“, rief er und dieses Mal tat sich was. Innerhalb von Sekunden wuchsen die beiden aus Schokolade gegossenen Hasen zu einer beachtlichen Größe an, dass Avery und Rosier vor Schreck zurückfielen. „Na bitte“, grinste Rabastan zufrieden, als er auf die beiden Junge sah, die ihrerseits mit großen Augen auf die nun kniehohen Hasen starrten. Doch das gewünschte Staunen hielt nicht lange bei den beiden Kindern an. „So toll ist das gar nicht“, bemerkte Avery schließlich. „Mein Vater kann viel bessere Sachen.“ „Ach, ehrlich?“, fragte Rabastan säuerlich. Ihm war klar, dass es vergebene Liebesmüh sein würde, ihnen zu erklären, dass das nichts Besonderes war. Schließlich hatte Rabastan ja noch nicht einmal seine Ausbildung auf Hogwarts beendet. „Ja, mein Vater kann auch bessere Sachen zaubern“, mischte sich Rosier da ein. Eine unausgesprochene Herausforderung lag in der Luft. Rabastan seufzte. Sein Blick schweifte wieder zu der verschlossenen Tür und dann zu den kleinen Blagen. Nachdenklich biss er sich auf den Fingernagel, während in seinem Inneren die Vernunft einen kläglichen Kampf gegen den Impuls führte, sich die Langeweile zu vertreiben. „Na passt mal auf“, sagte er schließlich grimmig, erhob sich wieder und hob seinen Zauberstab. Genau in diesem Moment öffnete sich jedoch die Tür zur Versammlung und Bellatrix Black trat heraus. Rabastan stockte mitten in der Bewegung, während die Verlobte seines Bruders ihn mit einem spöttischen Blick bedachte und genau auf ihn zu lief. Ohne länger darüber nachzudenken, was er tat, richtete er seinen Zauberstab auf die verräterischen Muggelgegenstände und murmelte ein leises „Bombarda“. Es knallte, als die beiden Schokoladenosterhasen sich in einer Explosion aus dicken Schokoladenklumpen im Wohnzimmer ergossen. Schreiend versuchten Avery und Rosier den süßen Geschossen auszuweichen, während Rabastan sich mit einem hastigen Protego schützte. Grinsend beobachtete er, wie die beiden Jungen unter einen Tisch flüchteten und dachte für sich, dass es ihnen ganz recht geschah. Sie hatten schließlich gewollt, dass er was zauberte. Dann hörte er jedoch ein unheilvolles Klirren. Alles in Rabastan gefror zu Eis. Langsam kroch in ihn die Erkenntnis, dass ja auch die feinen Gegenstände der Rosiers von diesem Schokoladenhagel betroffen sein würden und schlimmer noch: Er würde keine Gelegenheit haben, die Sache zu vertuschen. Nicht mit zwei dummen kleinen Blagen als Zeugen und Bellatrix. „Hallo“, sagte er zu seiner künftigen Schwägerin, die mittlerweile das Wohnzimmer betreten hatte. Diese hob jedoch bloß verächtlich eine Augenbraue. „Was sollte das denn werden?“ „Wie du bestimmt gesehen hast, war das ein Zauber.“ „Mir war neu, dass es Brauch ist, die Wohnung seiner Gastgeber zu verschmutzen“, entgegnete Bellatrix höhnisch und begutachtete mit einem Anflug von Schadenfreude die angerichtete Verwüstung. „Da hat sich dein Bruder wohl ganz umsonst für dich eingesetzt.“ „Was?“ Verwirrt sah Rabastan zu Bellatrix, die es sichtlich genoss die Oberhand zu haben. Aber bevor sie etwas sagen konnte, drückte er den Rücken durch und reckte sich unmerklich, um etwas größer als sie zu sein. „So ein Schmutz lässt sich doch schnell wegzaubern“, erklärte er überheblich. „Wenn du das sagst“, entgegnete Bellatrix und bedachte ihn mit einem abwartenden Blick. „Dann bitte; ich hab nichts gesehen.“ Rabastan holte tief Luft. Er sah auf die Wände, an denen dicke Klumpen Schokolade klebten, er starrte auf die Kommoden und Vitrinen, die ebenfalls von der süßlichen Speise verschmiert waren, und suchte in seinem Kopf verzweifelt nach einer Formel, die den Dreck beseitigen konnte. Er wusste, dass es welche gab. Er wusste, dass es viele Hexen gab, die sie einsetzten und er wusste auch, dass er es nie für nötig befunden hatte, so etwas zu lernen. Schließlich gab es in der Regel andere, die den Dreck für ihn wegmachten. „Und was ist?“, fragte Bellatrix lauernd. „Mach du es doch“, sagte Rabastan schnell. „Was?“ „Ja, warum machst du das nicht und zeigst, wie toll du bist?“ Fassungslos starrte Bellatrix ihn an. „Spinnst du? Warum soll ich deinen Dreck wegmachen?“ „Na ja, weil …“, Rabastan hielt inne, dann konnte er sich das Grinsen nicht verkneifen, „ich dachte, solche Qualitäten sollte man mitbringen als künftige Gemahlin eines Lestranges.“ „Du kleiner Scheißer!“, schrie sie erbost und zückte nun ihrerseits den Zauberstab. „Ich lasse mich von dir nicht beleidigen.“ „Aber das war doch keine Beleidigung. Ich dachte halt, dass man solche Zauber beherrscht.“ „Ich beherrsche ganz andere Zauber“, zischte sie drohend, wobei sie Rabastan beinahe ihren Zauberstab unters Kinn rammte. „Außerdem“, fügte sie dann hinzu, „hat man für so etwas Hauselfen.“ Rabastan kam nicht umhin, beipflichtend zu nicken. „Find ich auch.“ „Aber gut, wenn du wirklich zu dämlich für so einfache Zauber bist“, meinte Bellatrix plötzlich und ließ mit einem großen Schlenker ihres Zauberstabs die Schokolade zu einem Haufen zusammen fliegen. Avery und Rosier waren indessen wieder unter dem Tisch hervorgekrochen und starrten die beiden Jugendlichen nun neugierig an. „Könnt ihr noch was anderes zaubern?“, wollte Rosier wissen. Bellatrix grinste. „Oh ja“, sagte sie, „ich könnte zum Beispiel deine hübsche Schleife schrumpfen lassen, so lange bis du keine Luft mehr bekommst.“ Entsetzen zeichnete sich in Rosiers Gesicht ab und auch Avery schien beunruhigt zu sein. „Aber … aber das darfst du nicht.“ „Wollen wir das herausfinden?“, fragte Bellatrix mit leuchtenden Augen. Eilig schüttelten die beiden Jungen den Kopf und beschlossen sich auf Rosiers Kinderzimmer zurückzuziehen. „Also was ist?“, fragte Rabastan, kaum dass die beiden Kinder verschwunden waren. „Waren das Muggelsüßigkeiten?“, stellte Bellatrix ihrerseits eine Gegenfrage. Ertappt blieb Rabastan stumm, dann zuckte er die Achseln. „Diebesgut war das“, meinte er leichthin. „Und diese kleinen Blagen wollten, dass ich unbedingt was zaubere. Da hab ich das genommen, was in meinen Taschen war.“ „Diebesgut von Muggeln?“, hakte sie nach und lehnte sich vor. „Du schleppst Muggelsachen mit dir herum?“ Unwillkürlich wich Rabastan zurück. „Nein. Doch von diesem Halbblüter. Ich wollte da nen Trank reinfüllen und sie nächstes Jahr irgendwelchen Schlammblütern unterjubeln.“ Nein. Eigentlich wollte er Elliot versuchen zu beweisen, dass er trotz ihrer Vorurteile ihm gegenüber etwas mit Muggeln anfangen konnte. Nicht dass das stimmte. Aber wenn das nun mal eine Notwendigkeit darstellte, um an sie heranzukommen. „Solange du dich nicht mit irgendwelchen Muggeln herumtreibst“, meinte Bellatrix abfällig. Glücklicherweise richtete sich ihre Aufmerksamkeit schnell wieder ihrem eigentlichen Anliegen. „Du musst jetzt mitkommen“, sagte sie. „Du wirst erwartet.“ Überrascht starrte Rabastan sie an. „Zur Versammlung?“ „Nein, in Gringotts. Natürlich zur Versammlung, Trollhirn.“ „Oh, scheiße, wir haben die warten lassen, oder?“ „Davon ist Rodolphus ausgegangen“, erwiderte Bellatrix mit einem bösen Grinsen. „Er hätte vielleicht nicht gedacht, dass du kleine Kinder unterhältst, aber er meinte, dass du wahrscheinlich nicht sofort kommen würdest.“ Skeptisch sah Rabastan zu Bellatrix. „War doch so, oder?“ Als er noch immer keine Antwort gab, verdrehte sie die Augen. „Ich sag nichts, aber dafür hab ich was gut bei dir. Ja?“ „In Ordnung“, meinte Rabastan und spürte Erleichterung in sich aufwallen. Er wusste, dass Rodolphus sofort dafür gesorgt hätte, ihn noch länger auf die Teilnahme an den Versammlungen warten zu lassen, wenn er gewusst hätte, was sein kleiner Bruder für einen Unfug angerichtet hatte. Unfug, der der Familie nicht würdig war. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht folgte er Bellatrix in den Raum hinein, den er nie zu betreten geglaubt hatte. Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, war jeglicher Gedanke an Elliot Jones vergessen. Kapitel 12: Die Mahlzeit des Grauens ------------------------------------ „Regulus Arcturus Black!“ Die silberne Gabel in Regulus’ kleiner Kinderhand erstarrte mitten in der Luft. Mit einem leisen Platschen fiel das Stückchen Pilz von den Zinken in die braune Flaischsauce hinab und starrte ihm vom Teller aus höhnisch entgegen. Regulus schluckte. „Was sind das für Tischmanieren?“ Vorsichtig legte der kleine Junge die Gabel beiseite und spähte mit gesenktem Kopf zu seiner Mutter. Walburga Blacks scharfe Gesichtszüge hatten einen Ausdruck tiefster Missbilligung angenommen. „Ich mag die Pilze nicht, Mutter“, nuschelte er kleinlaut. „Das spielt keine Rolle. Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt. Und wenn du nicht aufisst“, fügte sie hinzu, „wirst du so lange am Tisch bleiben, bis der Teller leer ist.“ Regulus’ Herz rutschte ihm bei diesen Worten in die Hose. Dabei hatte sich Sirius ausgerechnet für diesen Nachmittag bereit erklärt, gemeinsam mit ihm Quidditch zu spielen. Vorsichtig pikste er mit seiner Gabel in das glibberige Stück Pilz, holte tief Luft und führte es zum Mund. Ein Ausdruck reinstem Ekels schüttelte Regulus, als er seinen Bisschen hinunterwürgte. Hastig versuchte er den widerlichen Geschmack mit Wasser hinunterzuspülen, doch verzeichnet das wenig Erfolg. Über den Rand des Kelchs hinweg konnte Regulus Sirius grinsen sehen, als ihm der hilfesuchende Blick seines kleinen Bruders begegnete. Neben Sirius hatte sich Walburga wieder ihrem Essen gewidmet, während Orion Black dem Geschehen am Kopfende der Tafel kaum Beachtung schenkte und völlig in einem Tagespropheten vertieft war. „Sirius, nimm die Ellenbogen vom Tisch!“, hörte Regulus seine Mutter irgendwann sagen, während er damit beschäftigt war, seine kleine Sammlung an Pilzen von einem Tellerrand zum anderen zu schieben, auf der verzweifelten Suche nach irgendwelchen verbliebenen Stücken Fleisch. Aber zu seinem Grauen musste er feststellen, dass da nichts mehr war. Nur noch eine Vielzahl an Pilzen schwamm in der kalt gewordenen Sauce und wartete darauf verspeist zu werden. Unglücklich sah Regulus von seiner Mahlzeit auf. Mittlerweile hatten alle anderen aufgegessen und starrten ihn abwartend an. „Du hast gehört, was deine Mutter gesagt hat“, sagte sein Vater streng und stand auf, um sich wieder an seine Arbeit zu machen. „Muss ich die wirklich essen?“, wagte Regulus ganz leise einzuwenden. Doch seine Mutter blieb unerbittlich. Abwartend sah sie ihn an und Regulus wusste, dass er keine Wahl hatte. Während seine Eltern den Raum verließen, beobachtete Sirius ihn schadenfroh. Mit Mühe schaffte Regulus es, einen weiteren Pilz hinunterzuwürgen. Doch beim Anblick des kleinen Haufens auf seinem Teller, drehte sich ihm der Magen um. Er würde nie im Leben so viel von diesem ekligen Zeug essen können! „Kreacher?“, rief er leise. Pflichtbewusst erschien der Hauself an seiner Seite. „Was wünscht der Herr?“, schnarrte der Hauself. „Kannst du … kannst du mein Essen abräumen?“ „Kreacher muss den jungen Herrn enttäuschen, doch er hat ausdrückliche Befehle von der Herrin erhalten, zu warten, bis der Teller des jungen Herrn leer ist.“ Bei dieser Hiobsbotschaft sank Regulus noch weiter in sich zusammen. Tapfer nahm er wieder seine Gabel in die Hand und zwang sich dazu noch einen Pilz aufzuspießen. Mit festzusammengekniffenen Augen nahm er einen Bissen. Plötzlich war Sirius neben ihm und griff nach Regulus’ Hand. „Gib her“, sagte er. Ehe Regulus irgendetwas tun konnte, hatte sich Sirius bereits Gabel und Teller geschnappt und verschlang mit nur wenigen Happen die Reste des Mittagessens. „Und ich verbiete dir, etwas zu sagen“, fügte er mit einem bösen Blick zu Kreacher hinzu. Dieser verneigte sich ehrerbietig, auch wenn dem Hauselfen der Widerwille anzusehen war, und verschwand. Dann wandte sich Sirius mit einem triumphierenden Grinsen zu Regulus, während er zwischen zwei Bissen nuschelte: „Aber dafür bist du gleich Hüter“, und schluckte den Rest der Pilze hinunter. ENDE Kapitel 13: Die Verunstaltung von Mr Fluffy ------------------------------------------- „Bellatrix, beherrsche dich gefälligst!“ „Ich denk nicht dran!“, rief das dunkelhaarige Mädchen zornig und wollte wütend davon stürmen, als eine schallende Ohrfeige es zum Stehen brachte. Mit Tränen in den Augen fasste es sich an die brennende Wange. „Ich habe genug davon, Bellatrix!“, stieß Druella Black mahnend hervor. „Ich dulde dieses Verhalten nicht mehr von dir. Du bist alt genug, um dich endlich einmal zu beherrschen.“ Doch Bellatrix sah das anders. Mit funkelnden Augen stemmte sie ihre kleinen Hände in die Hüfte und dachte überhaupt nicht daran, Einsicht zu zeigen. Warum sollte sie auch? Sie war eine Black. Und dazu noch die älteste von ihren beiden Schwestern, deshalb hatten sie gefälligst auch auf sie zu hören! „Haben wir uns verstanden?“ Bellatrix schwieg beharrlich und erwiderte trotzig den mahnenden Blick ihrer Mutter. Diese seufzte entnervt. Ihre schmalen Lippen waren so fest zusammengepresst, dass sie nur noch einen langen Strich bildeten. „Bellatrix, du gibst deiner Schwester jetzt Mr Fluffy und hörst mit diesem Blödsinn auf.“ Bellatrix konnte sehen, wie ihre kleine Schwester glücklich zu strahlen begann. Auf ihre Kosten. Wieder spürte sie, flammende Wut in ihr hochkochen und am liebsten hätte sie mit irgendetwas um sich geworfen. „Aber Mr Fluffy gehört mir. Ich will nicht, dass Zissy damit spielt! Sie hat genug eigene Spielsachen“, beschwerte sie sich. „Du hast ewig nicht mehr mit deinen Kuscheltieren gespielt.“ „Na und?“, erwiderte Bellatrix patzig. „Vielleicht will ich das ja jetzt.“ „Unsinn“, fuhr Druella scharf dazwischen. „Dafür bist du ohnehin zu alt! Also benimm dich endlich deinem Alter entsprechend und gib deiner Schwester Mr Fluffy.“ Mit einem wütenden Schnauben machte Bellatrix auf dem Absatz kehrt und stürmte die breite Holztreppe in den zweiten Stock hinauf, wo sich ihr Zimmer befand. Dort sah sie sofort Mr Fluffy auf einem Haufen von Stofftieren liegen, die sie alle achtlos in eine Ecke geworfen hatte. Ohne länger darüber nachzudenken, was sie eigentlich tat, griff sie nach dem großen schwarzen Hundestofftier und rannte ins angrenzende Nähzimmer. Sie hasste Zissy dafür, dass sie gepetzt hatte, dass sie nun wieder mal ihren Willen bekam, nur weil sie die Jüngste war. Mit grimmiger Entschlossenheit zog Bellatrix die oberste Schublade einer alten Eichenkommode auf und wühlte in ihr herum, bis sie eine große Schere gefunden hatte. Triumphierend holte sie sie heraus. Dann griff sie nach Mr Fluffy und setzte die beiden großen Scherenblätter hinter das Garn, mit dem das erste Knopfauge befestigt war. Schnipp Das rechte Auge fiel mit einem dumpfen laut auf den Teppich. Schnapp Das linke Auge folgte. Prüfend musterte die kleine Bellatrix ihr Werk und befand, dass die fehlenden Augen noch lange nicht ausreichten. Also begann sie mit der Scherenspitze an der Stelle, wo sich das Auge befunden hatte, herumzubohren, bis die weiße Füllung hervorzuquellen begann. Es hatte etwas unglaublich Befriedigendes zu sehen, wie Mr Fluffy mit jedem weiteren Scherenschnitt, den sie tat, hässlicher wurde. Das Gefühl, wenn der Stoff unter den scharfen Klingen nachgab und entzwei getrennt wurde … das metallische Geräusch nach jedem Schnitt … und ganz besonders die Vorstellung an Zissys entsetztes Gesicht brachten Bellatrix’ Herz zum Klopfen. Schließlich hielt Bellatrix zufrieden Mr Fluffy in die Höhe. Das ehemals so stolze Stofftier des schwarzen Hunds sah nun schäbig und verletzt aus. Ein Zustand, mit dem keine Black spielen würde. Eilig beseitigte Bellatrix ihre Spuren und lief dann zurück in das Kaminzimmer, wo ihre Mutter ungeduldig mit ihrer kleinen Schwester auf sie gewartet hatte. „Nun?“, fragte Druella Black mit hochgezogener Augenbraue. Mit einem Lächeln ging Bellatrix zu Zissy und zog hinter ihrem Rücken den völlig verunstalteten Mr Fluffy hervor. Beim Anblick, der vielen Löcher, aus denen die weiße Füllung in Fetzen heraushing, entfuhr Narzissa ein kleiner Aufschrei. „Mr Fluffy“, sagte sie mit erstickter Stimme, die einen ihrer vielen Tränenausbrüche ankündigte. „D-das hast du mit Absicht gemacht!“ „Nein, der war schon so“, beteuerte Bellatrix. „Deshalb wollte ich dir den nicht geben.“ Das böse Grinsen, das sich auf ihre Lippen stahl, verriet sie jedoch, als sie der weinenden Zissy Mr Fluffy unbarmherzig in die Arme drückte. „Das stimmt nicht“, widersprach Narzissa leise, während sie vorsichtig den ramponierten Mr Fluffy streichelte. Wütend beobachtete Bellatrix, wie sich ihre Schwester von dem erbärmlichen Zustand des Stofftiers nicht abschrecken ließ. „Das ist alles deine Schuld“, zischte sie deshalb. „Wegen dir musste Mr Fluffy leiden.“ Entsetzt starrte Zissy sie an. Tränen schwammen in ihren blauen Augen, während sie kläglich sagte: „Du bist gemein!“ „Und du ein kleiner hässlicher Gnom.“ „Bellatrix Black!“ Ihre Mutter war an sie herangetreten und funkelte Bellatrix nun unheilverkündend an. „Dein Verhalten ist einer Black absolut unwürdig. So gehst du nicht mit deiner Schwester um!“ „Aber Mutter“, wandte Bellatrix wütend ein, „das hat sie verdient.“ „Nein, hat sie nicht und das weißt du.“ Trotzig verschränkte Bellatrix die Arme vor der Brust und warf stolz den Kopf zurück. „Doch“, erklärte sie schlicht. „Gut“, sagte Druella kalt. „Wenn du Mr Fluffy so zurichtest, kann ich annehmen, dass du auch für deine restlichen Stofftieren keine Verwendung mehr hast.“ Für einen kurzen Moment war Bellatrix verwirrt. Dann dämmerte ihr, was ihre Mutter vorhatte. „Nein, Mutter, das ist nicht so …“ Doch zu spät. Druella Black hatte sich bereits auf den Weg in Bellatrix’ Zimmer gemacht. Eilig rannte Bellatrix ihr hinter her, dicht gefolgt von Narzissa, die nichts von alledem verpassen wollte, während sie Mr Fluffy fest an sich gedrückt hatte. „Mutter nicht!“, schrie Bellatrix. Mit versteinerter Miene sah Druella Black zu ihrer Tochter, die das erste Mal in diesem Streit den Anflug von Entsetzen zeigte. Bellatrix wollte vorstürzen, irgendetwas unternehmen, um gegen diese Ungerechtigkeit vorzugehen, als sie sah, wie ihre Mutter den Zauberstab schwenkte. Augenblicklich verschlangen Flammen ihre kleine Stofftiersammlung. Fassungslos sah Bellatrix zu, wie ihr Besitz sich im Nu zu einem Häuflein Asche verwandelte. Wütend schrie sie auf und wirbelte zu Zissy herum, die mit einem zufriedenen Ausdruck im Gesicht auf das kleine Feuer sah. „Du kleines Biest!“, schrie sie erbost. „Das ist alles deine Schuld.“ Ehe Narzissa wusste, wie ihr geschah, hatte sich Bellatrix auf sie gestürzt und zog ihr an dem hellblonden Haar. „Das wirst du nie wie-“, setzte Bellatrix zornig an, doch ein unsichtbarer Stoß riss ihr die letzten Silben von den Lippen und zerrte sie unsanft von ihrer kleinen Schwester weg. „Das reicht, Bellatrix!“, donnerte Druella Black. „Narzissa hat dir nichts getan. Du solltest dich deines ungestümen Verhaltens schämen. Für den Rest des Tages hast du Stubenarrest. Vielleicht gibt dir das ein bisschen Zeit darüber nachzudenken, wie sich eine Black zu verhalten hat.“ Und als ob das nicht genug wäre, schwang Druella ihren Zauberstab ein weiteres Mal und reparierte Mr Fluffy vor den fassungslosen Augen ihrer Tochter. Erfreut quietschte Narzissa auf und drückte den nun wieder heilen Mr Fluffy glücklich an sich. „Danke, Mutti!“, rief sie strahlend. Vergessen war der Streit mit ihrer älteren Schwester. Finster sah Bellatrix zu, wie ihre Mutter sich ohne eines weiteren Wortes von ihr abwandte und gemeinsam mit ihrer kleinen, doofen Schwester den Raum verließ. Ein Schaben ertönte, als der Riegel ihre Kinderzimmertür sich ins Schloss schob und sie einsperrte. Bellatrix rührte sich nicht von der Stelle. Angestrengt starrte sie auf das abkühlende Aschehäufchen, das vor wenigen Minuten noch ihre Kuscheltiere gewesen war. Beißender Gestank stieg davon aus und kitzelte Bellatrix in der Nase. Erinnerte sie an ihren Verlust. An ihre Niederlage! Und plötzlich war der Bann gebrochen. Mit geballten Fäusten stampfte sie auf und stieß einen wütenden Schrei aus. Sie konnte und wollte nicht wahrhaben, dass Zissy ihren Willen bekommen hatte. Es passte ihr nicht. Mit verschränkten Armen ließ sie sich auf das große Himmelbett fallen, wobei ihr ihre wilde Lockenpracht ins Gesicht fiel. Finster verbarg sich Bellatrix dahinter und begann boshafte Rachepläne gegen ihre kleine Schwester zu schmieden. Sie überlegte gerade, ob sie nicht eins von Zissys Lieblingskleidern verunstalten sollte, als es leise an ihrer Tür klopfte. „Bella?“, erklang Andromedas Stimme vorsichtig hinter dem schweren Holz. Misstrauisch sah Bellatrix auf, machte jedoch keine Anstalten aufzustehen, geschweige denn zu ihrer Schwester hinzugehen. Was nützte es ihr auch, wenn sie immer noch von einer großen Zimmertür getrennt wurden? „Bella, ist alles in Ordnung?“ Natürlich war es das nicht. Allein dass ihre Schwester ihr eine so blöde Frage stellte, ließ ihre Lust auf eine Unterhaltung deutlich schwinden. „Zissy hat mir erzählt, was passiert ist.“ Diese blöde Ziege von einer kleinen Schwester würde wahrscheinlich jedem, der es hören oder auch nicht hören wollte, unter die Nase reiben, wie sie ihrer große Schwester eins ausgewischt hatte. Der bloße Gedanke reichte aus, um Bellarix' Wut wieder flammend emporschlagen zu lassen. „Na und?“, rief sie jedoch nur und warf dabei stolz das Haar zurück. „Diese blöde Kröte wird sich nicht lange darüber freuen.“ „Zissy weint.“ „Hah! Das geschieht ihr recht“, rief Bellatrix triumphierend. „Nein, Bella, ehrlich. Zissy fühlt sich sehr schlecht, weil Mutter deine ganzen Kuscheltiere verbrannt hat. Sie möchte dir Mr Fluffy wieder zurückgeben.“ Nachdenklich starrte die kleine Bellatrix zu ihrer Zimmertür, als könnte sie durch das dicke Holz hindurch auf ihre Schwester sehen. „Mir egal“, sagte sie schließlich. Sie war froh um den Aschehaufen in der Ecke, der ihren Entschluss, Zissy für immer zu hassen, aufrecht erhielt. „Und jetzt lass mich in Ruhe“, fügte sie verstimmt hinzu. Eigentlich hatte Bellatrix damit gerechnet, dass Andromeda ihr widersprechen und noch länger bei ihr bleiben würde. Doch es kam keine Antwort mehr. Zurück blieb einzig ein brennendes Gefühl von Wut und Enttäuschung, denn Bellatrix hatte gehofft, dass immerhin Andromeda sie verstehen würde. So saß sie auf ihrem weichen wunderschönen Himmelbett mit zusammengebissenen Zähnen und finster zusammengezogenen Augenbrauen, während sie wütend über ihre Schwestern brütete, von denen sie sich schrecklich verraten fühlte. Irgendwann klopfte es erneut an der Tür. Es war viel Zeit vergangen und mit jedem weiteren Schlag der alten Standuhr im Flur war Bellatrix entschlossener geworden, niemandem mehr zu verzeihen. Sie alle waren doof und konnten sie nie verstehen. „Bella?“ Es war Zissys zittrige Stimme, die da hinter der schweren Tür hervordrang. Bellatrix dachte jedoch nicht daran zu antworten. Mit verschränkten Armen und aufrechtem Sitz, saß sie auf der Kante ihres Bettes, während sich der Anflug eines grimmigen Lächelns in ihr Gesicht stahl. „Bella, ich … ich würd dir Mr Fluffy zurückgeben. Den will ich nicht mehr.“ Bellatrix schwieg beharrlich. Es klopfte erneut, dieses Mal energischer. „Komm schon Bella“, erklang nun Andromedas Stimme. „Jetzt sei nicht so.“ Als noch immer keine Antwort kam, fuhr Andromeda fort: „Zissy und ich würden mit Vater sprechen, wenn er wieder zu Hause ist. Vielleicht kann er mit Mutter reden und sie lässt dich wieder aus deinem Zimmer.“ Es war tatsächlich nicht das erste Mal, dass Druella Black ihre Tochter in ihrem Zimmer eingesperrt hatte. Mittlerweile war es so oft geschehen, dass beide Hände nicht mehr ausreichten, um diese Vorfälle an ihnen abzuzählen. Und so blöd es Bellatrix auch fand, in diesen vier Wänden eingesperrt zu sein, so fand sie es noch schrecklicher, auf die Hilfe ihrer doofen kleinen Schwestern angewiesen zu sein, die sie auf ewig hassen wollte. Also schwieg sie verbissen weiter. Irgendwann verstummten das beharrliche Klopfen und die eindringlichen Stimmen ihrer Schwester wieder und ließen sie erneut in ihrer Einsamkeit zurück. Trotzig verschränkte Bellatrix die Arme vor der Brust und redete sich ein, dass es gut so war. Keine Wut und kein noch so sorgfältig ausgearbeiteter Racheplan konnten Bellatrix jedoch vor ihrer Langeweile bewahren. Während die restlichen Stunden des Tages langsam dahin krochen und die Sonne allmählich gen Horizont sank, hatte Bellatrix bereits alles Interessante in ihrem Zimmer ausprobiert, nur um festzustellen, dass sie in höchstem Maße uninteressante Dinge besaß. Sie war gerade damit beschäftigt, ein schlichtes Buch nach Ablenkung versprechenden Illustrationen durchzublättern, als sich ihre Zimmertür öffnete. Überrascht und auch ein bisschen verärgert darüber, dass der Eindringling sich nicht die Mühe gemacht hatte, anzuklopfen, sah sie auf. Die schlanke Gestalt von Cygnus Black hatte den Raum betreten. Unbewegt sah er zu seiner ältesten Tochter, dann schloss er die Tür und trat tiefer in das Zimmer hinein. „Was hast du angestellt?“ Bellatrix schwieg. Nachdenklich sah sie zu ihrem Vater, der bestimmt schon alles von Mutter und ihren Schwestern gehört hatte und überlegte, was sie sagen sollte. Sie Entschied sich für die Wahrheit. „Ich hab Mr Fluffy kaputtgemacht“, erklärte sie und hob stolz das Kinn. Da ihr Vater sie jedoch nur abwartend ansah, fühlte sie sich gezwungen hinzu zu fügen: „Zissy hat ihn gewollt und weil Mutter mir befohlen hat, dass ich meinen Mr Fluffy abgeben muss, hab ich ihn kaputtgemacht.“ „So, so“, sagte ihr Vater bloß und setzte sich auf die Kante ihres Bettes. „Du weißt, das Narzissa deine kleine Schwester ist.“ Bellatrix schenkte ihrem Vater einen Blick, als wollte er sie für dämlich verkaufen. Natürlich wusste sie das! „Und wir Blacks, wir halten zusammen. Sonst hätten wir es nicht geschafft, über die Jahrhunderte hinweg eine der größten, einflussreichsten und reinblütigsten Familien der Zaubererwelt zu werden. Aus diesem Grund solltest du allmählich begreifen, dass es wichtig ist, dich um deine Schwestern zu kümmern. Du bist die Älteste und musst dich entsprechend verhalten. Andromeda und Narzissa haben das bereits verstanden. Sie haben mir gerade erzählt, was passiert ist und Narzissa hat sich sehr schlecht gefühlt, dass sie dir Mr Fluffy abgenommen hat.“ Bellatrix wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie war noch immer sauer auf ihre kleine doofe Schwester, aber dann wollte sie ihren Vater auch nicht enttäuschen. Sie war eine Black und wollte ihre Familienpflicht erfüllen! „Ich werde mich besser benehmen“, murmelte sie und vermied es ihrem Vater ins Gesicht zu schauen. Mit einem Mal fühlte sie sich entsetzlich dumm. Wie ein kleines Kind, das keine Ahnung hatte. Und das war sie nicht. Sie war schon groß! „Ich wollte der Familie keine Schande bereiten.“ „Das hast du auch nicht“, entgegnete ihr Vater mit einem leichten Lächeln. „Du bist eine Kämpferin und das macht mich stolz. Dennoch wirst du Beherrschung lernen müssen — erst das wird dir wahre Stärke geben, verstanden?“ Bellatrix nickte, auch wenn sie gar nicht alles verstanden hatte. Sie merkte, wie die Worte ihres Vaters sie mit Stolz erfüllten. Sie war eine Kämpferin, hatte er gesagt! „Gut“, sagte Cygnus Black schließlich zufrieden. „Ich glaube, es wird Zeit, dass du dich entschuldigen gehst.“ Ihr Vater erhob sich und Bellatrix folgte ihm gehorsam hinunter in den Salon, wo ihre Mutter mit ihren beiden Schwestern saß. Ein Kloß bildete sich in ihrer Kehle, sowie sie den Raum betreten hatte und sie vier Paar erwartungsvoller Augen auf sich ruhen spürte. Eilig ermahnte sich Bellatrix, dass sie eine Black war — die Älteste ihrer beiden Schwestern — und warf das Haar zurück. „Ich möchte mich für mein ungebührliches Verhalten entschuldigen“, erklärte sie steif. Sie meinte es nicht so. Aber sie wusste, dass nichts anderes von ihr erwartet wurde und dass sie so immerhin ihre Pflicht erfüllt haben würde. Ihre Eltern nickten bloß, doch auf Zissys Gesicht bereitete sich ein erleichtertes Strahlen aus und ehe Bellatrix wusste, wie ihr geschah, war ihre kleine Schwester zu ihr gestürzt und drückte sie ganz fest an sich. „Es tut mir leid, Bella“, sagte sie. „Ich wollte dich nicht ärgern.“ „Schon in Ordnung“, antwortete Bellatrix und meinte ihre Worte dieses Mal genau so. Kapitel 14: Der Stolz der Familie --------------------------------- „Er ist doch fast noch ein Kind!“ „Na und? Ich an seiner Stelle wäre stolz, diese Möglichkeit zu haben. Er hat höchstpersönlich…“ Die Stimmen wurden wieder leiser, doch Rabastan wusste, dass es dabei nicht bleiben würde, schließlich war es nicht der erste Streit, den er zwischen seinen Eltern mitbekam. Eigentlich stritten seine Eltern auch gar nicht so oft. Zumindest konnten sie das nicht, weil Vater ständig unterwegs war und den Wohlstand und Reichtum der Familie Lestrange sicherte. Dank seiner Verdienste gehörten sie zu den angesehensten Zaubererfamilien Englands. „…darüber nachgedacht, was das für Folgen für ihn haben könnte?!“ Seine Mutter war wieder laut geworden. Neugierig geworden schlich Rabastan weiter in den Flur hinein, in der Hoffnung so die leisen Worte des Vaters hören zu können. „Du bringst ihn nach Askaban!“, rief seine Mutter da mit schriller Stimme. „Würgende Wasserspeier noch mal, hast du wenigstens einmal gefragt, ob er das nicht sogar möchte?“ „Er macht ohnehin nur das, was du ihm sagst!“ „Wie es auch nicht anders sein soll.“
 „Er weiß das doch alles überhaupt nicht einzuschätzen. Warum gibst du ihm nicht noch etwas Zeit?“ „Wie oft muss ich es dir noch sagen? Es wird höchste Zeit für ihn, darin unterrichtet zu werden. Je eher, desto besser kann er werden. Und das muss er für das, was uns bevorsteht.“ Rabastan war jetzt ganz nah an der Tür, die in das Schlafgemach seiner Eltern führte. Vorsichtig hatte er sich hinter einer Kommode versteckt, sodass nur noch ein kleiner Teil seines Gesichts hervorlugte, als er neugierig dahinter hervor spähte. Sein Herz schlug ihm vor Aufregung bis zum Hals bei dem Gedanken an den Brief, den er später Rodolphus schreiben würde. Sein großer Bruder würde ganz bestimmt stolz auf ihn sein, wenn er ihm berichtete, was vor sich ging! „Ich fasse es nicht, du hirnloser Vollidiot!“ Plötzlich klirrte etwas. Dann wurde die Tür energisch aufgerissen und Mrs Lestrange lief mit wehendem Umhang hinaus. Sie war so aufgebracht, dass sie ihren Sohn gar nicht bemerkte, als sie an ihm vorbei stürmte. Verängstigt drückte sich Rabastan fester an die Wand und hoffte inständig, dass auch sein Vater ihn nicht finden würde, denn das konnte Ärger geben. Eine Weile lang blieb alles still. Schließlich ertönte ein resigniertes Seufzen, auf das ein leises Reparo folgte. Wieder etwas mutiger geworden, versuchte Rabastan an dem großen Möbelstück vorbei in das Schlafgemach zu sehen. Er wollte unbedingt mehr wissen! Doch zu seiner Enttäuschung stellte er fest, dass die halboffen stehende Schlafzimmertür den Vater vor seinen neugierigen Augen verbarg. Einen Moment lang starrte er einfach auf das dunkle Holz und überlegte, worüber seine Eltern da gesprochen haben könnten, bis er merkte, wie ihm langweilig wurde. Unruhig rutschte er auf den Knien herum und wollte gerade aufstehen, um in sein Zimmer zu gehen, als die kräftig gebaute Gestalt von Mr Lestrange den Gang betrat. Hastig zog Rabastan den Kopf ein und hielt unwillkürlich den Atem an in dem kindischen Glauben, dass er so vielleicht nicht entdeckt werden würde. Aber Mr Lestrange war ein Mann, der in seinem Leben bereits viel Erfahrung mit Lauschern gemacht hatte. „Ich sehe dich, Rabastan“, sagte er. Etwas zögerlich kam Rabastan hinter der Kommode hervor und senkte betreten den Kopf. Er hatte gelernt, dass es gewisse Regeln in diesem Haushalt zu wahren galt. Lauschen gehörte da ganz sicher nicht zu. „Du hast uns gehört.“ 
Es war keine Frage. Es war eine müde Feststellung, auf die Rabastan keine Antwort wusste. Stattdessen gewann seine Neugier die Oberhand. „Darf ich das auch machen?“, fragte er unvermittelt. „Das, was Rodolphus darf?“ Tatsächlich brachte das seinen Vater zum Lächeln. „Ja, eines Tages, wenn du älter bist und hoffentlich fleißig gelernt hast.“ Das Strahlen in Rabastans Gesicht fiel in sich zusammen. „Aber Lernen ist so langweilig!“ Er hatte das falsche Gesagt. Augenblicklich verfinsterten sich die markanten Gesichtszüge seines Vaters. „Rabastan, du hörst mir jetzt gut zu. Es geht nicht immer nur darum, dass wir Dinge tun können, die wir aufregend finden und die Spaß machen. Wenn wir das täten, wären wir jetzt nicht hier und würden zu den einflussreichsten Reinblutfamilien gehören. Mein Vater — dein Großvater — hat hart für diese Familie gearbeitet, wie auch sein Vater davor. Ich tue das gleiche und ich bin mir sicher, dass auch Rodolphus eines Tages Großes vollbringen wird. Ich möchte jedoch nicht sehen, dass aus dir ein unfähiger kleiner Taugenichts wird, haben wir uns verstanden?“ Rabastan nickte verstimmt. „Du bist ein Lestrange. Als ein Lestrange gehörst du ganz oben an die Spitze. Dort wirst du aber nur sein können, wenn du dich anstrengst. Kein Zauber wird dir einfach zugeflogen kommen, kein Wissen wird sich über Nacht in deinem hohlen Kopf befinden. Dafür musst du dich hinsetzen und etwas tun!“ „Aber das macht Rodolphus doch schon. Der ist doch eh besser und darf mehr“, grummelte Rabastan, der solche Predigten hasste. „So etwas möchte ich nicht hören!“, fuhr sein Vater ihn harsch an. „Ja, dein großer Bruder schlägt sich tatsächlich viel besser als du. Das ist für dich aber noch lange kein Grund auf der faulen Haut liegen zu bleiben und der Familie am Ende Schande zu bereiten!“ Plötzlich begannen Rabastans Augen zu brennen. Wütend wischte er sich mit einer seiner Fäuste darüber nur um festzustellen, dass sein Handrücken auf einmal nass war. „A-aber ich geb mir doch Mühe“, brachte er mit erstickter Stimme hervor und konnte so gerade eben noch ein Schluchzen unterdrücken. Er wusste, dass seine plötzlichen Tränen überhaupt nichts besser machten und hasste sich dafür. Rodolphus hätte bestimmt nicht geweint. Rodolphus wäre aber auch gar nicht erst in so eine Situation gekommen. „Aber nicht genug! Bald wirst du auf Hogwarts sein und ich möchte nicht hören müssen, wie mein Sohn von irgendwelchen dreckigen Schlammblütern überflügelt wird, weil er zu faul ist, seine Lektion zu lernen. Du wirst eines Tages zu den größten Zauberern gehören, Rabastan, und da ist es wichtig, vorbereitete zu sein.“ Rabastan nickte stumm. Die Vorstellung, zu den größten Zauberern gehören zu würden, erfüllte ihn mit Stolz und trocknete seine Tränen wieder. „Gut“, seufzte sein Vater. Auf einmal war alle Strenge von ihm abgefallen und er wirkte nur noch müde. „Ich hoffe sehr, dass du eines Tages verstehst, wie wichtig das für dich sein wird.“ „Das hab ich schon“, erklärte Rabastan und warf sich in die Brust. Schließlich war er ein großer Zauberer und wenn er dann endlich einen Zauberstab haben würde, würde er ein noch größerer Zauberer sein, genau wie sein Bruder. „Dann geh auf dein Zimmer und versprich mir, dass ich dich nicht noch einmal beim Lauschen erwische, verstanden?“ „Jawohl!“, rief Rabastan und schenkte seinem Vater ein zahnlückiges Grinsen, ehe er davon flitzte und in seinem Zimmer Feder und Pergament für den Brief an seinen Bruder heraussuchte. Er war ein wenig erleichtert darüber, dass es keinen größeren Ärger gegeben hatte, denn es war nicht das erste Mal gewesen, dass er gelauscht hatte. Und bestimmt nicht das letzte Mal. Aber beim nächsten Mal würde er besser sein, schwor er sich. Schließlich würde er eines Tages ein ganz großer Zauberer sein. ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)